Читать книгу Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt - Умберто Эко, Umberto Eco - Страница 11
I.2. Für wen dieses Buch von Interesse ist
ОглавлениеWenn die Dinge so stehen, müssen wir davon ausgehen, daß viele Studenten gezwungen sind, eine Abschlußarbeit zu schreiben, um möglichst schnell mit dem Studium fertig zu werden und den Titel zu erwerben, der dem berufstätigen Studenten aufgrund des Hochschulabschlusses das Vorwärtskommen ermöglicht. Einige dieser Studenten sind vielleicht schon vierzig. Gerade solche Studenten erwarten von uns praktische Ratschläge, wie man eine Abschlußarbeit in einem Monat schreibt, um die Universität hinter sich zu bringen, gleichgültig mit welcher Note. Für sie ist, um es nachdrücklich klarzustellen, dieses Buch nicht bestimmt. Wer solche Ansprüche stellt, wen die geltende [11] paradoxe Rechtslage zwingt, eine schwierige wirtschaftliche Lage dadurch zu lösen, daß er die Universität so schnell wie möglich abschließt, für den bieten sich zwei Lösungen an: 1. Eine vernünftige Summe investieren und sich die Arbeit von einem anderen schreiben lassen. 2. Eine an einer anderen Universität schon einige Jahre früher geschriebene Arbeit abschreiben (es ist unzweckmäßig, eine schon gedruckte Arbeit, auch wenn sie aus dem Ausland stammt, zu nehmen, weil ein auch nur einigermaßen informierter Dozent von ihrer Existenz weiß; aber in Mailand eine Arbeit abzuschreiben, die in Catania angefertigt wurde, bietet die begründete Chance, daß man unentdeckt bleibt; natürlich muß man sich darüber informieren, ob der Doktorvater nicht, bevor er nach Mailand kam, in Catania als Dozent tätig war. Auch das Abschreiben einer Arbeit setzt also Forschungsarbeit voraus, die Intelligenz verlangt).
Es versteht sich, daß die soeben gegebenen Ratschläge rechtswidrig sind. Es ist, als würde man sagen: »Wenn Du verletzt zur Notaufnahme kommst und der Arzt dich nicht untersuchen will, so setze ihm das Messer an den Hals.« In beiden Fällen handelt es sich um Verzweiflungstaten. Unser Rat wurde gegeben, um die Ausweglosigkeit der Situation klarzumachen und zu bekräftigen, daß das Buch nicht den Anspruch erhebt, die schwierigen sozialen Probleme zu lösen, die die gegenwärtige Rechtsordnung mit sich bringt.
Dieses Buch wendet sich also an Studenten, die (auch ohne Millionär zu sein und ohne 10 Jahre Zeit für den Abschluß zu haben und dafür in der ganzen Welt herumzureisen) einige Stunden am Tag ihren Studien widmen können und die eine Abschlußarbeit machen wollen, die ihnen eine gewisse geistige Befriedigung gibt und die ihnen auch nach dem Universitätsabschluß Nutzen bringt. Und die im Rahmen des gesteckten Zieles – mag es auch bescheiden sein – ernsthafte Arbeit leisten wollen. Man kann auch eine Sammlung von Einklebe-Bildchen ernsthaft angehen: Man muß nur den Gegenstand der Sammlung festlegen, die Grundsätze für die Katalogisierung, die zeitliche Begrenzung der Sammlung. Wenn man sich dafür entscheidet, [12] nicht weiter als bis 1960 zurückzugehen: bestens, vorausgesetzt, daß alle Bilder seit 1960 vorhanden sind. Diese Sammlung wird sich immer noch vom Louvre unterscheiden. Aber es ist besser, eine Sammlung von Fußballer-Bildchen von 1960 bis 1970 zu machen als ein unseriöses Museum. Dieser Grundsatz gilt auch für die Abschlußarbeit.