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I.3. Was eine Abschlußarbeit auch nach dem Universitätsabschluß nützt

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Es gibt zwei verschiedene Arten, eine Abschlußarbeit so zu schreiben, daß sie auch nach dem Universitätsabschluß noch Nutzen bringt. Die erste besteht darin, daß man die Arbeit zur Grundlage für breiter angelegte Forschungen macht, die man in den folgenden Jahren fortsetzt – wozu man natürlich die Möglichkeit und die Lust haben muß. Aber es gibt auch eine zweite Möglichkeit, bei der (beispielsweise) ein örtlicher Fremdenverkehrsdirektor von der Tatsache profitiert, daß er eine Arbeit über das Thema »Manzonis Fermo e Lucia* in der zeitgenössischen Kritik« geschrieben hat. Eine Abschlußarbeit schreiben bedeutet ja: 1. ein bestimmtes, klar umrissenes Thema ausfindig machen; 2. Material zu diesem Thema sammeln; 3. dieses Material ordnen; 4. das Thema unter Berücksichtigung des gesammelten Materials überprüfen; 5. alle diese Überlegungen in einen Zusammenhang bringen; 6. alles dies in einer Weise tun, daß derjenige, der das Ergebnis liest, verstehen kann, was man sagen wollte, und bei Bedarf auf das gleiche Material zurückgreifen könnte, wenn er selbst über das Thema forschen wollte.

Eine solche Arbeit schreiben bedeutet also zu lernen, in die eigenen Gedanken Ordnung zu bringen und Angaben zu ordnen: es ist das Erfahren der methodischen Arbeit; d. h. es geht darum, einen »Gegenstand« zu erarbeiten, der im Prinzip auch für andere nützlich sein kann. Und darum ist das Thema der Arbeit weniger wichtig als die Erfahrung, die sie mit sich bringt. Wer [13] das Material zur Kritik an Manzonis Roman erarbeiten konnte, dem wird es auch möglich sein, sich methodisch Angaben zu erarbeiten, die er für das Fremdenverkehrsamt braucht.

Der Verfasser dieses Buches hat inzwischen an die zehn Bücher zu unterschiedlichen Themen geschrieben, aber wenn ihm die letzten neun gelungen sind, so deshalb, weil er die Erfahrung mit dem ersten einsetzen konnte, das eine Überarbeitung seiner Abschlußarbeit war. Ohne diese erste Arbeit hätte ich die anderen nicht schreiben können, und den anderen merkt man, im Guten wie im Schlechten, die Art und Weise, wie die erste gemacht wurde, noch an. Vielleicht wird man mit der Zeit gewiefter, vielleicht weiß man mehr, aber die Art und Weise, wie man sein Wissen verarbeitet, hängt immer davon ab, wie man am Anfang vieles, was man nicht wußte, sich erarbeitet hat.

Schließlich heißt eine solche Arbeit schreiben sein Gedächtnis trainieren. Wenn man im Alter ein gutes Gedächtnis hat, dann hat man es seit frühester Jugend trainiert. Und es ist gleichgültig, ob man es durch Auswendiglernen der Aufstellung aller Vereine der Bundesliga, der Gedichte von Carducci* oder der römischen Kaiser von Augustus bis Romulus Augustulus trainiert hat. Gewiß, wenn man schon das Gedächtnis trainiert, ist es besser, etwas zu lernen, was einen interessiert oder was man brauchen kann. Aber manchmal ist es auch eine gute Übung, etwas Unnützes zu lernen. Und darum ist auch – mag es auch besser sein, eine Arbeit zu einem Thema zu schreiben, das uns interessiert – das Thema zweitrangig im Verhältnis zur Arbeitsmethode und zur Erfahrung, die man aus der Arbeit gewinnt.

Auch deshalb, weil es, wenn man gut arbeitet, kein wirklich schlechtes Thema gibt. Wenn man gut arbeitet, zieht man auch aus zeitlich oder räumlich scheinbar abseits liegenden Themen großen Nutzen. Marx hat nicht über politische Ökonomie, sondern über zwei griechische Philosophen, nämlich Epikur und Demokrit, promoviert. Und das war kein Arbeitsunfall. Vielleicht konnte Marx, wie wir wissen, die geschichtlichen und [14] wirtschaftlichen Probleme gerade deshalb mit solch großer theoretischer Kraft durchdenken, weil er das Denken an seinen griechischen Philosophen gelernt hat. Angesichts zahlreicher Studenten, die mit einer höchst anspruchsvollen Arbeit über Marx anfangen, um dann im Personalbüro einer großen Kapitalgesellschaft zu landen, erscheint es nötig, über den Nutzen, die Aktualität und die Anforderungen des Gegenstands der Arbeit nachzudenken.

Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt

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