Читать книгу Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt - Умберто Эко, Umberto Eco - Страница 9

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Einleitung

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1. Früher war die Universität nur für eine Elite da. Es besuchten sie nur die Kinder von Leuten, die selber studiert hatten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, konnte jeder, der studierte, über seine Zeit frei verfügen. Die Universitätsausbildung war so angelegt, daß man sie in Ruhe absolvieren konnte – mit ein wenig Zeit zum Studieren und ein wenig für die »gesunden« Ablenkungen des Studentenlebens, vielleicht auch für Aktivitäten in Vertretungsorganen.

Die Vorlesungen waren anspruchsvolle Vorträge. Waren sie absolviert, so zogen sich die interessierten Studenten mit Professoren und Assistenten in ausgedehnte Seminare zurück, zehn bis fünfzehn Personen höchstens.

Noch heute nehmen an vielen amerikanischen Universitäten nicht mehr als zehn oder zwanzig Studenten an den Veranstaltungen teil (sie zahlen einen üppigen Preis und haben darum das Recht, den Unterrichtenden zu »gebrauchen«, wenn sie mit ihm diskutieren wollen). An einer Universität wie Oxford kümmert sich ein Dozent, Tutor genannt, um die Forschungsarbeit einer ganz kleinen Gruppe von Studenten (es kann vorkommen, daß er nur einen oder zwei im Jahr betreut) und verfolgt ihre Arbeit Tag für Tag.

Wäre die Lage heute so, es wäre nicht nötig, dieses Buch zu schreiben – auch wenn einige der in ihm enthaltenen Ratschläge für den oben beschriebenen »idealen« Studenten nützlich sein könnten.

Aber die Universität von heute ist eine Massenuniversität. An ihr studieren Studenten aller Bevölkerungsgruppen, mit Abschlüssen der verschiedensten Art höherer Schulen. Sie wollen [2] vielleicht Philosophie oder klassische Literatur studieren, kommen aber von einer technischen Fachschule, wo sie kein Griechisch und vielleicht nicht einmal Latein gelernt haben. Und so richtig es sein mag, daß Latein für viele Tätigkeiten kaum gebraucht wird – für ein geisteswissenschaftliches Studium ist es sehr nützlich.

In manchen Lehrveranstaltungen sind Tausende eingeschrieben. Der Professor kennt vielleicht dreißig von ihnen, die interessiert mitarbeiten, mehr oder weniger gut. Mit Hilfe seiner Mitarbeiter (Stipendiaten, Zeitangestellten, Übungsassistenten) gelingt es ihm vielleicht, hundert zu einem gewissen Engagement zu bewegen. Unter ihnen sind viele, die in guten Verhältnissen leben, in einer gebildeten Familie aufgewachsen sind, mit einer kulturell lebendigen Umgebung Kontakt haben, sich Bildungsreisen leisten können, künstlerische Veranstaltungen und Theaterfestspiele besuchen, fremde Länder besuchen. Dann sind da noch die anderen Studenten, die vielleicht gleichzeitig einer Arbeit nachgehen, die auf dem Einwohnermeldeamt einer Stadt mit zehntausend Einwohnern arbeiten, in der es statt einer Buchhandlung nur Schreibwarengeschäfte gibt, die auch Bücher führen. Studenten, die, enttäuscht von der Universität, sich der Politik zugewandt haben und sich auf andere Weise ausbilden wollen, die sich aber dennoch früher oder später der Abschlußarbeit stellen müssen. Sehr arme Studenten, die sich ihre Examensfächer nach dem Preis der vorgeschriebenen Bücher und Unterlagen auswählen müssen und die sagen: dieses Examen kostet 12.000 Lire und die, wenn sie die Wahl haben, das billigere Examen wählen. Studenten, die manchmal zur Vorlesung kommen und sich abmühen müssen, im total überfüllten Hörsaal einen Platz zu finden; und die am Ende der Vorlesung gerne mit dem Dozenten sprechen würden, aber es warten schon dreißig, und sie müssen auf den Zug, weil das Geld für eine Übernachtung nicht reicht. Studenten, denen kein Mensch je erklärt hat, wie man ein Buch in der Bibliothek sucht und in welcher Bibliothek; oft wissen sie nicht, daß sie [3] Bücher auch in der Bibliothek ihrer Heimatstadt finden können und wie man einen Leihschein ausfüllt.

Die Ratschläge dieses Buches sind vor allem für solche Studenten bestimmt. Ferner auch für solche, die nach dem Abitur auf die Universität kommen und in die Geheimwissenschaft der vorgeschriebenen Abschlußarbeit eindringen wollen.

Ihnen allen will es zumindest zwei Dinge deutlich machen:

– daß man eine anständige Doktorarbeit (oder sonstige Abschlußarbeit) schreiben kann, obwohl man sich in einer schwierigen Situation befindet, in der alte oder neue Benachteiligungen eine Rolle spielen.

– daß man das Schreiben der Doktorarbeit – mag auch im übrigen die Zeit des Studiums enttäuschend oder frustrierend gewesen sein – dazu benutzen kann, die positiven und weiterführenden Seiten des Studiums kennenzulernen – nicht im Sinne einer Anhäufung von Wissen, sondern im Sinne der kritischen Verarbeitung einer selbstgemachten Erfahrung, der Aneignung der für das künftige Leben nützlichen Fähigkeit, sie nach bestimmten Regeln darzustellen.

2. Aus alledem ergibt sich: Dieses Buch will nicht erläutern, »wie man wissenschaftlich arbeitet«, und sich auch nicht mit dem Wert des Studiums auf theoretische Weise befassen. Es stellt nur einige Überlegungen zu der Frage an, wie man einer Prüfungskommission eine vom Gesetz vorgeschriebene Arbeit vorlegen kann, die eine bestimmte Zahl maschinengeschriebener Seiten umfaßt, von der man erwartet, daß sie mit dem vorgesehenen Promotionsfach zu tun hat und daß sie den Doktorvater nicht in einen allzu traurigen Zustand versetzt.

Natürlich kann euch das Buch nicht sagen, was man in die Arbeit einbringen soll. Das bleibt eure Sache. Das Buch gibt Auskunft darüber, (1) was man unter einer Abschlußarbeit versteht; (2) wie man das Thema sucht und die Zeit für seine Bearbeitung einteilt; (3) wie man bei der Literatursuche vorgeht; (4) wie man das gefundene Material auswertet; (5) wie man die Ausarbeitung äußerlich gestaltet. Und es läßt sich nicht vermeiden, [4] daß gerade dieser letzte Teil der genaueste ist, obwohl er doch weniger wichtig erscheinen könnte: gerade er aber ist der einzige, für den es einigermaßen präzise Regeln gibt.

3. In diesem Buch geht es um Abschlußarbeiten an geisteswissenschaftlichen Fakultäten. Da meine Erfahrungen aus philosophischen (und literaturwissenschaftlichen) Fakultäten stammen, sind die meisten Beispiele Bereichen entnommen, die an diesen Fakultäten studiert werden. Aber im Rahmen dessen, was das Buch sich vorgenommen hat, gelten meine Empfehlungen auch für die Arbeiten in den Fächern Politische Wissenschaften, Lehramt, Recht. Soweit es um historische oder allgemein-theoretische und nicht um experimentelle und empirische Arbeiten geht, sollte das Modell auch auf die Bereiche Architektur, Wirtschaftswissenschaften und auf einige naturwissenschaftliche Fakultäten anwendbar sein. Es ist aber Vorsicht am Platz.

4. Während dieses Buch in Druck geht, spricht man viel von Universitätsreform. Und es sind zwei oder drei Abschlüsse von unterschiedlichem Niveau im Gespräch.

Man kann sich fragen, ob diese Änderung nicht die Vorstellung der »Tesi di Laurea« total umkrempeln wird. Dann werden wir Abschlüsse verschiedenen Niveaus haben, und wenn die Lösung der in der Mehrzahl anderer Länder gleicht, stehen wir vor einer Situation, die der im ersten Kapitel beschriebenen nicht unähnlich ist (I.1.). Das heißt wir hätten eine Art Diplom- oder Magisterarbeit (erster Abschluß) und eine Doktorarbeit (zweiter Abschluß).

Die Ratschläge, die wir in diesem Buch geben, betreffen beide, und soweit sich Unterschiede ergeben, wird auf sie hingewiesen.

Was auf den folgenden Seiten gesagt wird, gilt, unserer Meinung nach, auch im Hinblick auf die Reform und insbesondere dann, wenn man die für eine eventuelle Reform nötige Übergangszeit in Betracht zieht.

[5] 5. Cesare Segre hat das Manuskript gelesen und mir Ratschläge gegeben. Da ich viele beherzigt habe, bei anderen hartnäckig an meiner Position festgehalten habe, ist er für das, was herausgekommen ist, in keiner Weise verantwortlich. Natürlich danke ich ihm herzlich.

6. Ein letzter Hinweis: Was im folgenden gesagt wird, gilt natürlich für Studenten und Studentinnen, so wie es für Professoren und Professorinnen gilt. Da das Italienische keinen neutralen Ausdruck hat, der beide Geschlechter umfaßt (in Amerika bürgert sich der Ausdruck »Person« ein, aber es wäre lächerlich, von einer »studentischen Person« oder einer Person, die Kandidat ist, zu sprechen), beschränke ich mich darauf, von Student, Kandidat, Professor oder Berichterstatter zu sprechen. Ich folge dabei grammatikalischem Brauch und bringe keinerlei Diskriminierung wegen des Geschlechts zum Ausdruck. Man kann natürlich fragen, warum ich dann nicht immer von Studentin, Professorin etc. spreche. Dies deshalb, weil ich aus eigener Erinnerung und Erfahrung arbeite und die Darstellung dadurch mehr Unmittelbarkeit vermitteln kann.

Wie man eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreibt

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