Читать книгу Weltenerbe / Weltenerbe. Das Geheimnis der Zylinder - Umbrella Brothers - Страница 11
7 Dogon
ОглавлениеTogan Brambesi trug einen Turban und eine Sonnenbrille zum Schutz gegen den Wüstensand. Er war großgewachsen und seine athletische Figur wurde von einem Kaftan verdeckt.
Seine beiden Gefährten waren wesentlich kleiner, aber ebenso verhüllt. Alle drei saßen in einem Jeep und durchquerten die Sahara. Sie waren aus der Gegend von El-Hank gestartet und bereits seit mehreren Stunden unterwegs. Die Grenze von Mauretanien nach Mali hatten sie in den frühen Morgenstunden passiert. Das hatten sie aber nicht bemerkt, weil es keine sichtbare Abgrenzung gab. Als Togan Brambesis Großvater klein war, hieß das hier alles noch Französisch-Westafrika.
Obwohl nur das Auto wirklich Arbeit leistete, schwitzten die Männer unter ihrer Kleidung. Es waren 35 Grad im Schatten. Aber hier gab es keinen Schatten. Die Gegend war öde und lebensfeindlich, jedenfalls auf den ersten Blick. Tatsächlich fanden sich zahlreiche Tiere – vor allem Kleintiere – die sich perfekt auf das Klima eingestellt hatten. Zum Beispiel gab es hier einen kleinen Käfer, der, wenn die Sonne aufging, mit seinen Beinchen den Morgentau einfing und diese Wassertropen unter seinem Panzer speichern konnte. Auf diese Weise hatte er für den ganzen Tag ausreichend Flüssigkeit.
Auf der Ladefläche des Jeeps waren unter einer Plane drei große Wasserbehälter verborgen, die den gleichen Zweck erfüllten. Die Männer gingen sparsam damit um, denn sie wussten, dass es ein kostbares Gut war. Lange würde die Fahrt nicht mehr dauern. Das viele Wasser war für Notfälle wie Sandstürme oder Autopannen.
Eine Straße gab es nicht, sodass die Fahrt teilweise auch über unwegsames Gelände ging. Der Wagen wurde dabei oftmals durchgeschüttelt. Aber Togan Brambesi saß stets aufrecht, mit geradem Rücken, auf dem Beifahrersitz. Er hielt sich mit der rechten Hand an einem Überrollbügel fest. Seine beiden Gefährten waren in sich zusammengesunken. Ihre erschöpften Körper hatten keinerlei Spannung mehr. Der Mann, der hinten saß, holte ein Navigationssystem hervor. Er konnte zwar mittels Uhrzeit und Stand der Sonne bestimmen, wo Süden war, aber verlassen konnte man sich nur auf die satellitengestützte Elektronik.
»Wir müssen fünf Grad weiter nach rechts!«, sagte er.
Der Fahrer schlug das Lenkrad leicht ein und war wieder auf dem richtigen Weg. Bald hatten sie die Sahara hinter sich gebracht und kamen an die Grenze zur Sahel-Zone. Jetzt war es nicht mehr weit.
Die drei Männer waren auf dem Weg zu den Dogon. Ein kleiner Stamm im Herzen Malis, der kaum Beachtung fand. Und das war auch ganz gut so. Die Dogon beschäftigten sich offiziell bis in die späten Fünfziger hauptsächlich mit Ackerbau und Viehzucht. Ihr religiöses Oberhaupt war bis dahin der Hogon, eine Art Hohepriester, der die Riten und die Überlieferungen des Stammes verwaltete. Und ein, mehrere tausend Jahre altes, Geheimnis. Nirgendwo sonst hätte es so lange bewahrt werden können.
Alle sieben Jahre feierten die Dogon in den alten Tagen ein Fest zur Erneuerung der Welt und dabei wurde traditionsgemäß der Hogon geopfert. Aber bereits der achte Hogon brach mit dieser Tradition und stellte sich lediglich tot. Nach einem halben Jahr kam er zurück zum Stamm und verkündete, dass er wiedergeboren wurde und das Fest nun alle 60 Jahre stattfinden solle, denn so wollten es die Götter. Der letzte von ihnen war Ogotemmeli.
Ein paar Jahre nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Stamm von der industriellen Revolution überrollt und heutzutage gab es keine Hogon mehr. Aber das Fest wird noch gefeiert.
Togan Brambesi entdeckte inmitten der Steppe eine Landebahn für keine Flugzeuge. Daneben befand sich ein prächtiger Bau mit allerlei orientalisch anmutenden Türmchen und Säulen. Mit Fluglärm hatte der Bewohner aber keine Probleme, da die Landebahn nur von einer einzigen Person benutzt wurde. Eine Oase umschloss das Gebäude an drei Seiten. Eigentlich galt dieses Gebiet noch als ›dauernd regenarm‹ aber eine natürliche Quelle sorgte dafür, dass Flora und Fauna prächtig gediehen.
Der Mann auf der Rückbank steckte das Navigationssystem in seinen Kaftan und lehnte sich zurück.
»Ah! Togan. Schön, dass du da bist. Die anderen drei sind schon im Haus. Vielleicht solltest du tatsächlich mal das Fliegen probieren. Diese Reisen durch die Wüste sind gefährlich und zehren an der Substanz.«
Herr Bahwassu, der Togan Brambesi überschwänglich begrüßte, trug einen blütenweißen Kaftan aber weder eine Sonnenbrille noch einen Turban.
Herr Brambesi verneigte sich kurz und sagte: »Seid gegrüßt Hogon. Du weißt doch, dass ich nicht gerne fliege. Außerdem bin ich ein Kind der Wüste.«
Seine beiden Gefährten wechselten kurz einen Blick. Offensichtlich waren sie ganz anderer Meinung. Sie freuten sich auf die bekannten Annehmlichkeiten des Hauses.
»Wie du meinst. Komm herein, wir haben einiges zu besprechen«, sagte der Hogon.
»Ja, ich habe gehört, dass dieser General Setter schon wieder einen Behälter gefunden hat?«
»Das ist richtig. Wir werden das zusammen mit den anderen diskutieren.«
Sie gingen in das Haus und der Hogon führte sie in einen großen Speisesaal. Zwei große Hunde lagen dösend in der Ecke und hoben kurz den Kopf, als die Männer den Raum betraten. Um einen ovalen Tisch standen zwölf Stühle. Drei Männer in orientalischer Kleidung saßen an der opulent gedeckten Tafel. Sie waren Togan Brambesi nicht unähnlich, was Ausstrahlung und Haltung anging, jedoch deutlich kleiner. Sie grüßten höflich aber dezent. Der Hogon setzte sich. Togan Brambesi nickte seinen Begleitern zu, die daraufhin in die Küche gingen, um sich ihrerseits etwas zum Essen zu holen.
»Aber langt doch zu! Bitte, bedient euch! Ihr seid meine Gäste! Ich wäre ein schlechter Gastgeber, wenn jemand hungrig von meiner Tafel aufstünde«, sagte der Hogon.
Togan Brambesi war es gewohnt, während des Essens auf dem Boden zu sitzen. Hier jedoch machte er den Eindruck, als wäre er mit Tischmanieren geboren worden. Es galt als unhöflich, beim Essen über geschäftliche Dinge zu sprechen, und alle hielten sich daran. Die zahlreichen Speisen waren delikat und schwer. Man war versucht mehr zu essen als der Magen vertragen konnte.
Schließlich kamen zwei Männer herein, die den Tisch abräumten.
Herr Bahwassu ging zu einem kleinen Schrein und holte eine Pfeife hervor, die er sich ansteckte.
Dann sagte er: »Die Zeiten ändern sich. Nichts ist so, wie es mal war. Die Verantwortung ruht auf unseren Schultern. Vielleicht können wir noch in Frieden leben, aber unsere Kinder werden es nicht mehr können.«
Togan Brambesi hatte noch keine Kinder. Jedenfalls keine Söhne. Aber wenn er mal welche hätte, sollten sie so aufwachsen wie er. Deshalb war er unter anderem hier.
Die anderen drei Männer waren aus Libyen, dem Sudan und aus Ägypten.
Der Hogon nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife. Der Rauch war süßlich und durchdringend. Dann begann er mit seinen Ausführungen: »Ich will euch kurz auf den neusten Stand bringen. Beim letzten Treffen haben wir über Mrs. Swanson gesprochen. Ihr erinnert euch.«
»Allah möge ihrer Seele gnädig sein.«
»Das wird er. Aber noch ist es nicht so weit. Wie ich erfahren habe, hat sie überlebt.«
»Unmöglich! Mr. Brooks war doch dafür verantwortlich. Er hat uns noch nie enttäuscht.«
Der Hogon fuhr fort: »Nie hat ebensoviel Bestand wie immer. Letztendlich ist Mr. Brooks ein Mensch und dem Schicksal genauso ausgeliefert wie wir. Soweit ich weiß, hat er alles richtig gemacht. Aber der Begleiter von Mrs. Swanson hat ungewöhnlich schnell reagiert und ihr Leben gerettet. Er ist Arzt. Sie liegt im Koma.«
»Dann lag der Fehler in der Vorbereitung.«
»Ja, zweifelsohne. Mr. Brooks und Mr. Scheider trifft keine Schuld. Wir haben den zweiten Geldbetrag auch schon überwiesen.«
»Werden wir noch etwas unternehmen?«
»Nein, ich vermute, dass Mrs. Swanson noch einige Zeit außer Gefecht bleibt. Somit bedeutet sie keine Gefahr mehr. Aber wir sollten in Zukunft mehr Zeit auf die Planung verwenden.«
Die Männer nickten stumm.
Der Hogon nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife und sah zu seinen Hunden. Er wirkte einen Moment lang nachdenklich. Dann wandte er sich wieder seinen Gästen zu.
»Ihr alle wisst, welches Geheimnis ich bewahre, weil jeder von euch der nächste Hogon sein könnte. Ich selbst habe nicht geglaubt, dass es einmal so weit kommen würde. Aber der Tag der Wiederkehr scheint zum Greifen nah. Wir haben keine gute Arbeit geleistet bisher. Wir haben das amerikanische Militär nicht aufmerksam genug beobachtet. Dieser General Setter hat bis auf einen Behälter alle gefunden.«
Togan Brambesi sagte: »Aber er weiß nicht, was er da gefunden hat!«
»Nein, das weiß er allerdings nicht. Aber können wir davon ausgehen, dass er es morgen auch nicht weiß? Der General weiß nicht alles, dessen ist er sich bewusst. Daher umgibt er sich mit Leuten, die ihm die nötigen Antworten geben. Experten. Wissenschaftler.«
Azim Wazir sagte: »Aber wir wissen, dass alle Maschinen erforderlich sind. Sonst funktioniert es nicht.«
»Das ist richtig. Aber sehen wir den Tatsachen doch mal ins Auge. Unser Stamm ist seit über zehntausend Jahren der Beschützer der Welt. Aber seit der Großvater von General Setter die erste Maschine gefunden hat, sind nicht mal 60 Jahre vergangen. Die Abstände werden immer kürzer. Und was tun wir? Wir sitzen untätig in der Wüste, obwohl wir uns der Gefahr bewusst sind.«
Azim Wazir fragte: »Was sollen wir also tun?«
»Die Frage ist, ob wir überhaupt etwas tun sollen. Vielleicht ist es Schicksal, dass alle Zylinder in so kurzer Zeit gefunden wurden. Über so viele Jahrtausende blieben sie unentdeckt. Und nun kommen sie alle wieder an die Oberfläche. Alle bisherigen Aktionen haben nicht dazu beigetragen, dass wir unserer Aufgabe gerecht werden ...«, sagte Togan Brambesi.
Er wurde in seinen Ausführungen unterbrochen, weil die beiden Hunde auf einmal ihre Köpfe hoben und anschlugen. Sie rannten zur Tür und bellten. Die Männer blieben ruhig, aber ihre Augen suchten eine Antwort von Hogon.
»Was bedeutet das? Ist da jemand?«
»Unwahrscheinlich. Vermutlich ein Tier, dass sich ins Haus verirrt hat. Das kommt schon mal vor.«
Der Hogon gab den Hunden einen Befehl und sie legten sich wieder in ihre Ecke.
»Wo waren wir? Ach, ja! Togan hat gesagt, dass unsere bisherigen Aktionen nur Tropfen auf einen heißen Stein waren. Aber unser nächster Tropfen geht in ein Fass. Und es wird der Tropfen sein, der es zu überlaufen bringt.«
»Sprich deutlicher!«
»Wir wissen, dass wir die Behälter nicht zerstört können.«
Dschafar al-Baschir sagte: »Worauf willst du hinaus?«
Der Hogon nahm die Pfeife in die linke Hand und beugte sich über den Tisch: »Ich weiß aus sicherer Quelle, dass General Setter den Standort gegenüber seinen Vorgesetzten geheim hält.«
Er wartete ab, ob irgendjemand außer ihm auf die gleiche Idee kam. Schließlich war es Togan Brambesi, der sagte: »Wenn General Setter nicht zurückkehrt, dann weiß niemand, wo genau die Maschine in Grönland ist.«
Dschafar al-Baschir sagte: »Aber es ist ein ganzes Camp! Das ist keine Aufgabe für Mr. Brooks oder Mr. Detraux. Und wir haben nicht genug Soldaten, um gegen alle zu kämpfen.«
»Wohl wahr.«
Togan Brambesi schaute den Hogon durchdringend an und sagte: »Du denkst an etwas Größeres, nicht wahr?«
»Ja, das tue ich.«
Dabei schaute er zu seinem libyschen Freund. Muammar Ghanem war bislang stumm geblieben. Nun aber sagte er mit einer rauen Stimme: »In meinem Flugzeug befinden sich mehrere Sprengkörper, die jeweils ausreichen, um zehn von solchen Zeltstätten in Schutt und Asche zu legen.«
Azim Wazir sagte: »Also, diesmal machen wir es richtig, ja?«
Der Hogon richtete sich auf und ging um den Tisch. Dabei sah er sie alle nacheinander an. »Ja. Und die Betonung liegt dabei auf ›wir‹.«
»Was heißt das schon wieder?«
»Das heißt, dass wir dieses Mal – aufgrund der Bedeutung – sowohl die Planung, als auch die Ausführung übernehmen werden. Genauer gesagt: Wir zusammen übernehmen die Strategie und einer von uns die Durchführung.«
Dschafar al-Baschir fragte: »Und wer soll das tun? Oder werden wir losen?«
Togan Brambesi stand abrupt auf und verkündete: »Ich werde das übernehmen.«
»Du wirst fliegen müssen!«
Darüber dachte er einen winzigen Moment lang nach. Aber schließlich meinte er: »Das ist egal. In diesem Fall.«
»Gut. Außerdem erfordert der von mir ausgearbeitete Plan wesentlich mehr Männer. Es geht nur darum, wer die Führung übernimmt.«
Der Hogon drückte auf einen Knopf unterhalb des Tisches. Daraufhin senkte sich in der Mitte eine rechteckige Platte und verschwand nach links. Man konnte nun durch den Tisch auf die Marmorfliesen sehen. Aber nur kurz, denn von rechts erschien ein TFT-Monitor, der sich perfekt in das Loch fügte.
»Dies sind Satellitenbilder des amerikanischen Militärs. Freundlicherweise haben sie uns das fast freiwillig zur Verfügung gestellt.«
»Aber ich dachte, General Setter hält den Stützpunkt geheim?«, warf Azim Wazir ein.
»Das tut er auch. Dennoch umkreisen ständig Spionagesatteliten den Planeten. Und wenn man sie zur rechten Zeit antriggert, erhält man die gewünschten Bilder. Falls ein Amerikaner das macht, wird er dieses Lager nur bei einer genauen Prüfung als Militärcamp identifizieren können. Und wir wussten, wo wir suchen müssen. In der Tat ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass außer uns jemand diese Bilder schon mal gesehen hat. Das wäre schon ein ziemlich großer Zufall. Okay?«
Azim Wazir nickte und folgte weiter den Ausführungen von Herrn Bahwassu.
»Wenn wir das Lager durch einen schnellen Schlag vernichten, werden die Spionagesatelliten eine Erschütterung bemerken. Man wird anfangen, es zu suchen. Und wenn man etwas findet, dann sind wir genauso weit wie vorher. Aber es gibt eine Alternative dazu. Wenn ihr bitte mal hier schauen würdet.«
Die Männer schauten auf den Bildschirm in der Mitte des Tisches.
Dschafar al-Baschir sagte: »Ich verstehe nicht.«
Togan Brambesi sagte: »Das könnte funktionieren.«