Читать книгу Weltenerbe / Weltenerbe. Das Geheimnis der Zylinder - Umbrella Brothers - Страница 9

5 Ringe im Schnee

Оглавление

Der Schnee hatte nachgelassen, aber es war immer noch bitterkalt. Major T.C. Carson schaute auf sein Handy. Er wusste bereits seit gestern, dass es hier kein Netz gab. Aber er wollte noch einmal das Bild seiner Tochter sehen. Er redete sich ein, dass er das alles hier für seine Frau und seine Kinder tat. Aber es half nicht viel. Er klappte sein Handy zu und ging zum Kommunikationsoffizier in das benachbarte Zelt.

»Haben Sie eine Verbindung?«, fragte er.

»Ja, die Satellitenverbindung steht.«

»Ich müsste mal ein Privatgespräch führen.«

Das war verboten, aber dem Kommunikationsoffizier war es total egal.

»Welche Nummer?«

Der Major gab die Nummer des Krankenhauses an.

Der Hörer war immer noch mit einer aufgedrehten Schnur mit dem Gerät verbunden. Das schränkte den Bewegungsspielraum beim Telefonieren erheblich ein. Aber es machte diese Geräte auch weniger anfällig gegen Störungen. Sie waren einfach und funktionierten.

»Hallo mein Engel! Wie geht es dir ... oder besser euch?«, fragte der Major.

In dem Moment betrat Dr. Bolina das Zelt und fing – wie es ihre Art war – sofort an zu sprechen. »Hallo Sam«, soweit sie konnte, duzte sie alle im Lager, »ich muss noch mal kurz nach Hause telefonieren.« Dann sah sie Major Carson. »Ach, Sie sind auch hier?«

»Sie sehen doch, dass ich gerade telefoniere!«, sagte der Major zu Dr. Bolina. Dann sprach er wieder in den Hörer: »Was? Es sind auch Frauen hier. Weiß ich noch nicht. Vielleicht am Wochenende. Vielleicht auch nicht. Ich liebe dich. Ich muss jetzt auflegen. Gib der Kleinen einen dicken Kuss von mir und der Großen auch. Du bekommst einen, wenn ich wieder da bin.«

Er legte auf und schaute Dr. Bolina grimmig an. »Sie hätten draußen warten können!«

»Es ist saukalt da draußen!«

»Wir sind in Grönland, das ist hier völlig normal!«

Major Carson wollte eigentlich viel länger mit seiner Frau sprechen. Aber es war schwierig für ihn, wenn ihm jemand dabei zuhörte. Wobei er den Kommunikationsoffizier mit seiner gelangweilten Art nicht als Person ansah, sondern zum Inventar zählte.

»Sind Sie fertig?«

»Ja.«

Der Major ging aus dem Zelt und sah, wie einige Soldaten damit beschäftigt waren das olivgrüne Lager in ein weißes zu verwandeln. Es hatte aufgehört zu Schneien und die Sonne brach durch die Wolken. Der Major blickte in die Ferne, aber außer einer weißen Landschaft war nichts zu sehen. Wie konnte sich nur ein Langläufer in diese Gegend verirren? Hier gab es nichts! Es war nicht mal eine schöne Strecke.

Er ging weiter zum Hauptquartier, welches mittlerweile schon weiß war.

»Ah, Major Carson, kommen Sie doch herein!«, sagte der General.

»Sir.«

Dann sah er Donovan in einer dunklen Ecke und nickte ihm kurz zu.

»Wie steht es zu Hause?«, fragte der General.

Woher wusste er das jetzt schon wieder? Oder war es einfach nur so eine Floskel? Nein, wahrscheinlicher war, dass ihm irgendjemand berichtet hatte, sein Major hätte ein Privatgespräch geführt.

»Ja. Alles bestens. Ich habe gerade kurz mit meiner Frau telefoniert. Der Kleinen geht es gut. Und meiner Frau auch.«

Donovan sagte: »Ach, Sie sind wohl gerade Vater geworden. Na dann, herzlichen Glückwunsch.«

»Danke. Ist schon mein zweites Kind.«

»Die Anzahl meiner Kinder beläuft sich auf eins. Alles Mädchen.«

Der General deutete auf Donovan und sagte: »Wir haben ein paar Fortschritte gemacht. Donovan kann ein wenig berichten.«

Dieser holte einen Schreibblock hervor, schaute aber nicht darauf.

»Wir haben gestern Abend noch ein wenig an Boden gut machen können. Sie haben sicherlich gesehen, dass ein großes Zelt über der Fundstelle errichtet wurde, so dass wir nun weitgehend unabhängig vom Wetter arbeiten können. Die Bagger können bequem da drin hin und her fahren. Die Schutzanzüge haben wir wie besprochen angelegt. Gegen Neunzehnhundert hatten wir einen ausreichend großen Bereich hinter dem Behälter freigelegt, um mit den Feinarbeiten beginnen zu können. Wir wollten das Skelett nach Möglichkeit genauso herausholen, wie es in der Grube liegt. Vier Männer haben zehn Stunden mit kleinen Schaufelchen und Spitzhacken danach gesucht. Sie sind gerade fertig geworden. Das Ergebnis sehen Sie dort hinten auf dem großen Tisch.«

Es schien, als ob er das Gesagte schon einige Male erzählt hatte. Gemeinsam gingen sie nach hinten und betrachteten die Knochen.

Major Carson fragte sofort: »Wo ist der Schädel?«

Der General lächelte kurz.

Donovan sagte: »Wir haben keinen gefunden.«

Der Major schaute sich nun die übrigen Knochen an. Er war keine Koryphäe auf dem Gebiet, aber er entdeckte, dass ein oder zwei Halswirbel ebenfalls fehlten. Der letzte vorhandene schien verschmort zu sein.

»Was ist da passiert?«, Er deutete auf den leicht verformten Halswirbel.

»Wir wissen es nicht. Ich kann nur Vermutungen anstellen. Vielleicht sollte sich das Dr. Bolina einmal ansehen.«

»Sie hat es noch nicht gesehen?«

»Wir konnten sie bislang noch nicht im Lager finden.«

»Sie ist im Kommunikationszelt«, sagte Major Carson.

»Was zur Hölle macht sie da?«, fragte der General.

»Nun, Sir, ich denke, sie telefoniert.«

Donovan wiederholte seine Geschichte. Fast wortwörtlich. Und wieder hatte er seinen Schreibblock unnötigerweise in der Hand. Aber es verlieh ihm ein gewisses Maß an Autorität. Auch Dr. Bolina bemerkte den fehlenden Schädel und den verformten Halswirbel sofort.

Sie fragte: »Haben Sie ein paar Fotos gemacht? Damit man sehen kann, wie er lag?«

Donovan antwortete: »Ja, jede Menge sogar.«

»Na, dann zeigen Sie mal her!«

Gemeinsam gingen sie zu einem Laptop. Die Ausgrabungen waren wirklich erstaunlich gut dokumentiert. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie zu interessanten Bildern kamen. Aber dann konnte man die Lage des Skeletts sehr gut erkennen.

Major Carson sagte: »Es sieht so aus, als ob er sich am hinteren Ende des Behälters festgehalten hat. Und dann ist er nach hinten geschleudert worden.«

Donovan fügte hinzu: »Und es scheint, als ob irgendetwas seinen Kopf abgerissen hätte.«

Der General sagte: »Donovan, haben Sie noch weitere Messungen vorgenommen? Etwas weiter hinten? Vielleicht finden wir den Kopf, wenn wir in einem größeren Radius suchen.«

»Wir haben in einem Radius von 15 Metern intensive Messungen vorgenommen. Darüber hinaus wurden bis zu einem Radius von 30 Metern stichprobenartige Messungen vorgenommen. Ich denke, wir haben sehr gründlich gearbeitet. Oh, da fällt mir ein, dass wir uns beim Alter geirrt haben.«

»Wie meinen Sie das?«, fragte Major Carson.

»Ich habe gestern gesagt, dass es sich um einen Jungen von 12 oder 13 Jahren handelt. Aber dieser Mann war mindestens 30 Jahre alt.«

»Bei der Größe?«, fragte der Major.

Dr. Bolina erklärte: »Es gibt einige deutliche Anzeichen an den Oberschenkeln und Beckenknochen, an denen man das Alter ungefähr bestimmen kann. Die Größe ist allerdings wirklich bemerkenswert. Aber selbst heutzutage findet man kleinwüchsige Menschen. Möglich wäre es. Wir wissen, dass die Menschen damals etwas kleiner waren. Ich schätze dieses durchs Eis konservierte Skelett ist mindestens 10.000 Jahre alt.«

»Haben Sie schon eine C9 Probe gemacht?«

»Noch nicht, aber die Prüfmittel dafür kommen heute im Laufe des Tages.«

Major Carson besah sich noch einmal intensiv den Halswirbel.

Der General wandte sich an Dr. Bolina: »Was haben eigentlich Ihre Untersuchungen ergeben. Werden wir nun alle an einer Virusinfektion sterben?«

»Ich bin noch nicht dazu gekommen, Sir.«

»Ach ja! Sie mussten ja telefonieren. Und alles in Ordnung zu Hause?«

Sie ignorierte diese Anspielung.

»Ich werde nach Abschluss der Grabungsarbeiten sofort damit beginnen, damit wir hier zügig vorankommen. Aber die Auswertung wird ein paar Tage dauern.«

»Nun, je eher Sie anfangen, desto besser.«

Dr. Bolina war wütend. Sie konnte aber nicht einfach zwischen den Soldaten herumlaufen und Proben nehmen.

Sie sagte zu Donovan: »Auf den Fotos konnte man Reste von Kleidung sehen. Gab es keinen Schmuck?«

»Doch, natürlich! Das liegt alles dort drüben auf dem kleinen Tisch.«

Der General, Dr. Bolina und Donovan gingen zu den Kleidungsstücken. Der Major blieb beim Skelett.

»Das ist alles?«, fragte Dr. Bolina.

»Ja, mehr haben wir nicht gefunden.«

»Nun, er ist ziemlich spärlich bekleidet für Grönland, finden Sie nicht?«

»Mehr war nicht da. Ich glaube aber auch nicht, dass die restliche Kleidung sich aufgelöst hat. Er hatte einfach nicht mehr an.«

Die Kleidung – soweit man sie noch erkennen konnte – bestand aus einem lederähnlichen Material. Es sah in etwa so aus wie ein Minirock.

»Um die Oberarme trug er diese Ringe.«

»Er muss mächtige Oberarme gehabt haben! Noch ein Hinweis darauf, dass es sich nicht um ein Kind handelt«, sagte Dr. Bolina.

Der General fragte: »Ist das Gold?«

»Nicht direkt. Es scheint eine Art Legierung zu sein. Es besteht aber tatsächlich zu 60 Prozent aus Gold, Sir.«

»Und die anderen 40 Prozent?«

»Das prüfen wir gerade.«

Dr. Bolina sagte: »Es sieht sehr schön aus.«

Die beiden Männer blickten sie unvermittelt an.

»Ich habe doch nur gesagt, dass ich es sehr schön finde. Habe ich etwas Falsches gesagt?«

Die beiden Ringe waren identisch. Jemand musste sie gereinigt haben. Sie schimmerten wieder golden und hatten in der Mitte einen dünnen jadegrünen Strich. Sie zeigten zwei Schlangen, die einander umschlungen hatten.

»Was halten Sie davon?«

Dr. Boina sagte: »Normalerweise beißt sich eine Schlange in den Schwanz. Das wäre dann ein Symbol für Unendlichkeit. Aber hier leben die beiden nebeneinander. Schwer zu sagen. Früher hatte alles eine Bedeutung. Es dauerte viele Stunden, um so ein Schmuckstück anzufertigen. Der Schmied hat bestimmt vorher viel darüber nachgedacht. Und das Skelett gehört sicherlich zu einem hohen Mann. Ein Priester, oder so. Gold haben nicht viele Leute getragen.«

»Ja, das haben wir uns auch schon überlegt. Aber dafür ist die Kleidung zu unauffällig.«

»Und was halten Sie von der Idee, dass es einfach nur sehr warm war? Es gibt eine Menge Theorien, nach denen Grönland früher einmal in einer gemäßigten Zone lag. Sie haben selbst gesagt, dass die Leiche über 10.000 Jahre alt ist.«

Der Major hatte scheinbar nur mit einem Ohr das Gespräch belauscht. Jetzt kam er zu ihnen herüber. In der rechten Hand hielt er den verschmorten Halswirbelknochen und sagte: »Aber Ihre Theorie hat einen Haken, Dr. Bolina.«

»So?«

»Haben Sie jemals Bilder vom Oetzi gesehen?«

»Natürlich!«

»Der war im ewigen Eis gefangen. Nicht nur das Skelett, sondern auch die Haut und die Kleidung sind noch erhalten.«

»Ja, das stimmt.«

»Und an Oetzis Kleidung kann man erkennen, dass er wusste, dass er durch eine ziemlich kalte Gegend läuft. Er starb und wurde im ewigen Eis konserviert. Von diesem Mann sind nur die Knochen und der Schmuck übrig. Und wäre seine Kleidung aus Tierhäuten hergestellt, so wäre auch sie nicht mehr vorhanden. Sie sprachen von einem Klimawechsel. Wie schnell kann so etwas wohl vonstatten gehen?«

Donovan sagte: »Von sehr warm zu eisig kalt? Na, das dauert schon ein wenig.«

Major Carson fuhr fort: »Und sehen Sie sich diesen Halswirbel an! Na gut, ich komme später darauf zurück. Sie haben gesagt, dass es in dieser Gegend sehr warm war, als der Mann starb. Dann dauerte es einige Jahre bis sich das Klima änderte und uns diesem Fund hier bescherte. Aber in der warmen Periode hätten auch die Knochen verwesen müssen.«

Dr. Bolina ließ sich zu einem erwartungsvollen »Jaaaaaaaaa und?« hinreißen.

»Es gab noch etwas anderes, was die Struktur der Knochen veränderte, so dass sie nicht verwesten.«

Major Carson legte den Halswirbel auf den kleinen Tisch. Die anderen drei blickten darauf, als ob es sich um den Stein der Weisen handeln würde.

Schließlich sagte der Major: »Dieser Knochen war plötzlicher großer Hitze ausgesetzt. Und ich denke alle Knochen, die sich darüber befanden ebenfalls. Sie werden den Kopf nicht finden, weil er nämlich verdampft ist.«

Der General zog die Augenbrauen leicht herunter. Niemand bemerkte es, außer Major Carson. Dann sagte der General: »Major, Sie meinen, dass es sich bei dem Behälter um eine Waffe handelt?«

»Das habe ich nicht gesagt. Ich glaube nur, dass dieser Behälter plötzlich eine sehr große Hitze aussenden konnte.«

»Und vielleicht immer noch kann.«

Dr. Bolina sagte: »Das klingt mir zu militärisch.«

Weltenerbe / Weltenerbe. Das Geheimnis der Zylinder

Подняться наверх