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3 Der General

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»Sir?«

»Ja, was ist denn?«

Der Major kam einen Schritt näher: »Sir, wir haben noch einen Behälter entdeckt.«

Das war eine Nachricht, auf die der General schon sehr lange gewartet hatte.

»Wo?«

»In Grönland. Ein Langläufer ist zufällig darauf gestoßen. Er dachte, es handle sich um Altölentsorgung.«

»Haben Sie ihn überzeugen können?«

»Das war nicht nötig, er hat es von sich aus gesagt. Er hat sich gefreut, dass sich die Regierung so schnell um sein Problem kümmert und er ernst genommen wird. Das Gebiet haben wir natürlich gesperrt. Ich habe ein Lager errichten lassen.«

»Ich muss das hier eben noch schnell über die Bühne bringen. Dann würde ich mir das Ding gern einmal ansehen.«

»Der Hubschrauber steht bereit, Sir.«

Nach einem kurzen Flug mit dem Hubschrauber stiegen sie in eine Militärmaschine um. Sie war recht komfortabel, aber hierin waren ja auch keine einfachen Soldaten unterwegs. Der General machte es sich in einem imposanten Sessel bequem. An der linken Lehne war ein schwenkbarer PC befestigt. Für Notfälle. Nun, dies war keineswegs ein Notfall, vielmehr ein Glücksfall. Wenn es sich tatsächlich um einen 9000er Behälter handeln sollte, dann hatten sie jetzt schon vier davon entdeckt. Alle diese Behälter gehörten zu einer großen Sache, das konnte man förmlich spüren. Was das für eine Sache war, blieb aber bislang ein Rätsel. Beiläufig warf der General einen Blick auf den Bildschirm. »Was? Major, dieser hier scheint defekt zu sein! Gemäß dieses Berichtes jedenfalls.«

»Das heißt, sie können ihn öffnen?«, fragte der Major.

»Dass sie mir das ja nicht ohne mich machen!«

»Ich werde sofort der Einsatzleitung Bescheid geben.«

Sie flogen über endlose weiße Flächen. Teilweise sahen sie zahlreiche Flüsse mit kristallklarem Wasser mitten auf dem Eis. Einige Schneeberge tauten von den Strahlen der Sonne und das Schmelzwasser suchte seinen Weg zum Meer. Aber die Temperatur erinnerte die beiden Männer nicht gerade an den Sommer in ihren Vereinigten Staaten.

Bevor sie ausstiegen, zogen sie sich dicke Mäntel an. Die angenehme Wärme des Flugzeugs war verflogen. Der Kühlschrank Grönland hatte sie nun fest im Griff. Hier gab es keinen Schnee, der in leichten Flocken von oben auf sie herab fiel. Kleine Eisbrocken flogen ihnen ins Gesicht und sie mussten ihre Augen mit Brillen schützen.

»Wie weit ist es noch?«

»Von hier aus noch etwa zwei Stunden, Sir. Es sei denn, dass die Straße zu ist, dann kann es schon mal etwas länger dauern.«

»Ich hoffe, dass wir den nächsten Behälter in Argentinien finden!«

»Ja, Sir, das hoffe ich auch.«

Sie stiegen um in einen geräumigen aber zugigen Armeejeep. Die Fahrt war holprig.

»Zwei Stunden sagten Sie Major, ja?«

»Der Major nickte. Dann schaute er auf das Display seines Handys. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. So, als ob man sich an eine schöne Begebenheit oder ein liebenswerte Person erinnert. Oder beides. Der Major klappte sein Handy wieder zu und setzte erneut eine Miene auf, die zu einem Soldaten passte, der nur an seine Mission dachte. Der General hatte währenddessen aus dem Fenster geschaut. Um so überraschter war der Major, als er plötzlich sagte: »Neuigkeiten von zu Hause?«

»Nichts Wichtiges.«

»So?«

»Ja, Sir.«

»Wenn Sie weiterhin mit mir zusammen arbeiten wollen, sollten Sie sich angewöhnen, dass es keine unwichtigen Dinge mehr gibt. Wir beide bilden von nun an eine Einheit. Ich habe keine Geheimnisse vor Ihnen und Sie erzählen mir von Ihren Angelegenheiten. Verstanden?«

Der Major nickte erneut.

»Also?«

»Es war eine Nachricht von meiner Frau. Unsere zweite Tochter ist soeben geboren worden. Sie hat mir ein Bild geschickt.«

»So? Herzlichen Glückwunsch! Und da hat sie gleich ein Bild gemacht, ja? Zeigen Sie mal her!«

Der General nahm das Handy und sah sich das Bild einer verschwitzten Mutter und eines zerknautschten Babys an: »Süß, die Kleine.«

Er gab das Handy zurück. »Wären Sie gerne bei der Geburt dabei gewesen?«

Die Fahrt zum Behälter würde noch lange dauern, daher entschied sich der Major für die Wahrheit: »Ja, Sir, wenigstens diesmal.«

Er schaute auf die endlose, weiße Straße vor ihm. Ein markanter Punkt war nicht zu erkennen. Der General schaute ebenfalls wieder aus dem Fenster und schien Eisstückchen zu zählen.

»Sir? Haben Sie Kinder?«, fragte der Major. Er bereute seine Frage in dem Moment, in dem er sie ausgesprochen hatte.

»Ich hatte mal zwei Söhne. Mein Zweiter ist allerdings gestorben, bevor ich das Wort ›Papa‹ aus seinem Mund hören konnte. Ich war damals im Irak. Spezialeinsatz.«

»Das tut mir sehr Leid, Sir.«

»Ist schon eine ganze Weile her«, sagte der General. Dann schwieg er für einen Moment.

»Aber Henry, der ist mein ganzer Stolz. Der kommt ganz nach seinem Vater. Aus dem wird mal was.«

»Sehen Sie sich oft?«

»Wir haben beide viel zu tun. Wir telefonieren ab und zu.«

»Was macht Ihr Sohn?«, fragte der Major.

»Er arbeitet als Leiter einer Codierstation. Aber nicht mehr lange. Das ist jetzt nur für die Übergangszeit. Damit er seine Führungsqualitäten unter Beweis stellen kann. Ab September fängt er bei der Irakischen Botschaft an.« Er machte eine Pause: »Ist schon seltsam. Ich habe ein ungutes Gefühl dabei. Aber es ist seine Entscheidung.«

Der General verschwieg, dass er seinen Sohn schon seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Auch das letzte Telefonat fand zu Weihnachten statt. Schließlich fragte er den Major: »Würden Sie gerne Ihre Tochter sehen?«

»Ja, Sir.«

»Das ist Ihre zweite Tochter?«

»Ja, Susan ist schon drei Jahre alt.«

»Ich hoffe, ich kann Sie mit dem entschädigen, was wir gleich sehen werden.«

»Ja, bestimmt.«

Der Jeep grub sich mit seinen wuchtigen Rädern in die verschneite Landschaft. Niemand sonst war unterwegs. Plötzlich sah der Major einen Mann mit einem dicken Mantel und buschiger Fellmütze am Straßenrand. Er hielt eine Art Speer in der rechten Hand und blickte gebannt auf das vorbeifahrende Auto.

Der General sagte: »Haben Sie den gesehen? Seltsame Menschen gibt es hier. Der sah aus wie ein Eskimo.«

»Das war ein Inuit, Sir.«

»Ach ja, man sagt ja nicht mehr Eskimo. Ein Inuit also?«

»Ja.«

»Jagen die immer noch mit Speeren?«

»Ich bin sicher, dass er ein Gewehr dabei hatte.«

»Waren Sie schon einmal hier? Hier in Grönland, meine ich.«

»Vor zwei Tagen, Sir. Ich habe die Fundstelle sichern lassen und bin dann zurückgeflogen.«

»Gibt es hier viele von diesen Einheimischen?«

»Nein, Sir, wir werden ungestört operieren können«, antwortete der Major. »Es ist nicht mehr weit.«

»Na, dann werde ich uns mal anmelden. Die sollen uns eine starken Kaffee aufbrühen.«

Inmitten der weißen Landschaft tauchte eine olivgrüne Zeltstatt auf. Der General riss erschrocken die Augen auf. »Was zur ...?«

Noch bevor der Wagen zum Stillstand kam, sprang er aus der Tür und ging einem salutierenden Mann entgegen. »Sergeant! Sergeant! Was soll das?«

»Sir? Was, Sir?«, fragte der Mann.

»Wollen Sie damit sagen, dass Ihnen entgangen ist, dass diese Zelte nicht weiß sind? Sie sind olivgrün, Mann! Was haben Sie sich dabei gedacht?«

Sicherlich war dieser Mann nicht für die Farbe der Zelte verantwortlich. Er war einfach nur der erste Ansprechpartner.

»Es handelt sich um einen Fehler bei der Bestellung, Sir. Die weißen Zelte kommen morgen.«

»Das will ich hoffen!«

Der General ließ den Sergeant stehen und ging in das Größte der zwölf Zelte. Offensichtlich handelte es sich um das Hauptquartier. In der linken Ecke stand ein großer Klapptisch von hochrangigen Offizieren umzingelt. Aber der General ging zu einem Stuhl auf dem eine Kaffeemaschine stand. Er nahm sich zwei Pappbecher und fragte den Major, der ebenfalls den Weg ins Zelt gefunden hatte: »Immer noch ohne Milch?«

»Ja, nur Zucker, Sir«, antwortete der Major. Er fühlte sich unwohl, weil er es eigentlich sein sollte, der sich um den Kaffee kümmerte.

»Meine Herren«, sagte der General, »dies ist Major T.C. Carson! Wenn es etwas gibt, was Sie ihm nicht sagen wollen, dann sagen Sie es mir, damit ich es ihm dann sagen kann. Haben wir uns verstanden?«

Die Männer und eine Frau nickten alle stumm.

»Gut! Das Ding ist also defekt? Wir können es öffnen?«

Die Frau trat vor. »Ich möchte davon abraten! Wir sollten es erst gründlich untersuchen. Ich habe bereits Proben von der Oberfläche entnommen. Sie scheinen ungefährlich zu sein. Aber wir sollten den ganzen Behälter ausgraben, um ganz sicher zu sein. Sie können den Behälter nicht einfach so öffnen.«

Die anderen Männer, die um den Tisch standen, bemerkten gar nicht, dass sie jeder einen Schritt zur Seite machten. Sie stand nun allein an einer Ecke und sah den General fragend an. Und der Verdacht keimte in ihr, dass sie vielleicht etwas zu aufbrausend war.

Der General schaute ihr direkt in die Augen. Dann wandte er sich an den Major und übergab den zweiten Kaffeebecher. »Major Carson, wer ist diese Frau? Und was macht sie hier?«

»Sir, das ist Mercedes Bolina. Sie ist neu im in unserem Team.«

»Ach? Und seit wann?«, fragte der General.

»Miss Swanson hatte einen Unfall. Mrs. Bolina ist mit ihrer Arbeit vertraut. Sie hat Archäologie und Biologie studiert. Sie scheint mir für diese Aufgabe am geeignetsten.«

»So, so«, sagte der General. Er trank einen Schluck und blickte der Frau dabei in die Augen. Was schwierig genug war, denn der Kaffee war noch sehr heiß.

Der General sah sie fragend an: »Sind Sie sicher?«

»Was ist schon sicher!«, antwortete sie.

»Major, veranlassen Sie, dass der Rest unverzüglich freigelegt wird. Lassen Sie dabei die größtmögliche Sorgfalt walten. Ich will nicht riskieren, dass sich die Männer gegenseitig anstecken. Sie sollen Schutzanzüge tragen.«

»Aber gestern haben Sie ... Ja, Sir.«

Der General wandte sich nun an einen älteren Herrn mit einer dicken Fellmütze auf dem Kopf. Darunter strahlte eine sonnenverbrannte Glatze, wie der General wusste. »Donovan, wie war der Urlaub?«

»Zu kurz, Sir.«

»Gewöhnen Sie sich daran. Haben Sie Echolotmessungen vorgenommen?«

»Natürlich, Sir!«

»Ein einfaches ›Ja, Sir‹ genügt.«

»Ja, Sir.«

Donovan lächelte.

»Und?«, wollte der General wissen.

»Nichts, Sir. Es ist nur der Behälter. Darunter sind nur Geröll und Steine.«

Ein junger Mann mit einem Helm auf dem Kopf kam mit schnellen Schritten herein und stellte sich hinter den Mann, den der General aus unerfindlichen Gründen nicht mit seinem Rang ansprach. Donovan sagte leise etwas zu dem Soldaten und eröffnete dann der Runde: »Wahrscheinlich haben wir noch etwas mehr entdeckt.«

»Na los! Reden Sie, Donovan!«

»Ich höre gerade, dass wir ein Skelett hinter dem Behälter geortet haben.«

»Ein Skelett?«, rief Mrs. Bolina.

»Ja, offensichtlich ein Skelett«, erklärte Donovan. »Wahrscheinlich das eines Kindes. Es war nicht sehr groß. Das Kind muss etwa 12 oder 13 Jahre alt gewesen sein. Keinesfalls älter. Und es liegt direkt hinter dem Behälter.«

Der General richtete erneut seine Aufmerksamkeit auf Mrs. Bolina: »Wir wollen hoffen, dass das Kind nicht an einer Virusinfektion gestorben ist, Mrs. Bolina.«

»Dr. Bolina.«

»Dr. Bolina, Sir!«

»Ich bin nicht beim Militär. Ich komme vom MIT.«

Der General schaute den Major fragend an. Als dieser unmerklich nickte, sagte der General zu Dr. Bolina: »Jetzt sind Sie es. Gewöhnen Sie sich daran!«

»Was?«

Der Major erläuterte: »Sie haben gestern eine Verzichtserklärung unterschrieben. Sie sind zur Geheimhaltung verpflichtet und haben von nun an den Rang eines militärischen Doktors.«

Der General sagte nichts mehr, wartete aber noch auf die Antwort von Dr. Bolina.

»Ja, Sir«, sagte sie und verschränkte die Arme vor ihrer Brust.

»Gut, dann wollen wir mal das olivgrüne Versorgungszelt suchen.«

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