Читать книгу Nachtschwester - Ein Norwegen-Krimi - Unni Lindell - Страница 9
ОглавлениеMai Britt Hansen Sass am Küchentisch, als sie aus dem Keller kamen. Im Licht, das durch das Fenster fiel, konnte man deutlich sehen, dass sie stark geschminkt war, doch ihre dicken Tränensäcke waren ebenso sichtbar. Vor ihr auf dem Tisch stand eine unberührte Tasse Kaffee.
«Sie arbeiten nicht?» Cato Isaksen hob abwehrend die Hände, als sie aufstehen wollte. «Bleiben Sie doch sitzen», sagte er.
«Ich arbeite schichtweise. Hab heute Spätdienst.» Rasch und nervös nahm sie einen Schluck Kaffee. «Bitte», sagte sie flehend. «Quälen Sie Kenneth nicht mehr so. Er ist seit Wochen nicht mehr er selbst. Ich kann bald nicht mehr», fügte sie hinzu.
«Haben Sie noch andere Kinder?», fragte Cato Isaksen ruhig.
«Noch zwei Söhne», sagte sie und fuhr mit dem Finger über das braunkarierte Wachstuch. «Das ist nicht immer so leicht», sagte sie dann noch. «Drei Jungen, meine ich.»
«Da kann ich Ihnen nur zustimmen.» Cato Isaksen lächelte. «Ich habe selber drei Jungen. Leben Sie mit Ihren Kindern allein?», fügte er hinzu.
Sie nickte rasch. «Ja, seit sieben Jahren.»
Kenneth Hansens ältester Bruder, Stein Ove, war beim Militär.
«Der Zweitälteste, André, geht noch zur Schule und jobt im Seven-Eleven-Kiosk unten bei der Tankstelle», erzählte die Mutter stolz. «Sie arbeiten also und gehen in die Schule.»
«Und Kenneth, was macht der?»
«Der geht auch in die Schule, Leistungskurs Tischlerei. Das liegt ihm sehr. Er ist stark.» Sie lächelte stolz. «Aber seit einigen Tagen fühlt er sich nicht so ganz wohl. André macht alle möglichen Kurse. Er ist sehr tüchtig.»
«War Kenneth letzte Nacht zu Hause?» Roger Høibakk, der sich bisher zurückgehalten hatte, trat an den Küchentisch.
«Natürlich», sagte Mai Britt Hansen rasch. «Was soll diese Frage?»
«Nichts», erwiderte Cato Isaksen beruhigend. «Sowas fragen wir wirklich alle.»
«Ja, das nehme ich an», sagte sie kurz. «Sie sind alle drei liebe Jungs.» Sie erhob sich halbwegs und öffnete das Fenster einen Spaltbreit. Sie konnten hören, dass ein Wagen vorfuhr und vor der Haustür hielt. Der Motor lief kurz im Leerlauf und wurde dann ausgeschaltet.
«Seine Freunde», sagte Mai Britt Hansen und stand auf. «Sie versuchen immer, ihn zu trösten.» Es wurde kurz geklingelt. Mai Britt Hansen rief, «kommt rein», und zwei Jungen von vielleicht achtzehn öffneten die Tür. Sie begrüßten die Mutter und die Fahnder rasch, streiften dann die Schuhe ab und rannten die Kellertreppe hinunter.
«Wie heißen sie?» Cato Isaksen wandte sich wieder der Mutter zu.
«Lars und Haakon», sagte die kurz.
«Und was noch, außer Lars und Haakon?»
«Lars Lofthus», sagte sie. «Haakons Nachnamen kenne ich nicht.»
«Wem gehört der Wagen?»
«Lars. Der ist wohl sehr hilfsbereit. Kutschiert alle, wohin sie wollen.»
Cato Isaksen bedankte sich und sagte, sie würden vielleicht noch einmal kommen. Als er die Haustür erreicht hatte, drehte er sich wie zufällig um und fragte, wann Kenneth am letzten Abend nach Hause gekommen sei.
«Gegen elf», erwiderte Mai Britt Hansen wie aus der Pistole geschossen und starrte ihn aus ihren dunklen Augen an. Cato Isaksen hielt ihrem Blick so lange stand, dass sie sich am Ende abwandte und sich am Küchentisch zu schaffen machte.
Roger Høibakk notierte die Nummer des alten angerosteten Ford Transit, mit dem die Freunde gekommen waren. Dann stiegen sie in den zivilen Streifenwagen und fuhren nach Oslo zurück.