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Ungeahnte Köstlichkeiten

Es ist eiskalt. Wir haben viel Schnee. Inge geht mit mir Schlitten fahren. Sie hat Kohleferien. Wenn Inge dabei ist, darf ich auch vom Damm an der Eisenbahnbrücke runterfahren. Für mich allein ist das sonst zu gefährlich. Wir frieren. Mein Mantel ist aus einer gefärbten amerikanischen Wolldecke. Meine Mutter hat ihn selbst genäht.

Bald ist Weihnachten, aber Inge sagt, dass sie sich gar nicht so richtig darauf freuen kann. Mama ist nämlich sehr krank und wir haben solche Angst. Wir besuchen sie ja zweimal in der Woche im Krankenhaus. Da liegt sie da, ganz dünn und blass. Wir bringen ihr auch immer etwas mit, was wir so zusammenbasteln können. Papa bringt ihr ein Buch aus der Stadtbücherei. Sie holt immer was zum Essen für Inge und mich aus ihrer Nachttischschublade raus. „Das sollst Du selbst essen, Gretel“, sagt mein Vater dann immer. „Du musst doch wieder zu Kräften kommen.“ Aber Mama will unbedingt, dass wir das Essen wegtun, damit es die anderen Frauen nicht sehen.

Ich kann nur bis fünf zählen, aber ich habe schon mehr als zweimal bis fünf gezählt und es sind noch mehr Betten in diesem Krankensaal. Und überall sind Frauen drin, die Nachthemden anhaben. Die meisten haben auch Besuch.

Gestern waren wir am Bahndamm zum Schlittenfahren. Aber es war uns doch zu kalt und Inge meinte, wir sollten lieber heimgehen. Außer uns waren nur noch zwei Kinder am Damm. Die wollten auch nach Hause.

Da rief uns plötzlich jemand. Wir drehten uns um und sahen, dass da ein Mann stand, der einen schwer beladenen Karren hinter sich herzog. Er langte danach, zog ein Paket heraus und gab es uns. Als er „Frohe Weihnachten“ sagte, merkten wir, dass er Amerikaner war, obwohl er ganz normal aussah. Die anderen Kinder bekamen auch ein Paket. Inge wurde knallrot, aber sie bedankte sich höflich, setzte mich auf den Schlitten und befahl mir, das Paket gut festzuhalten. Dann sauste sie, den Schlitten hinter sich herziehend, nach Hause.

Wir rissen das Paket auf - und zum Vorschein kamen unbekannte, ungeahnte Köstlichkeiten. Als Papa heimkam, war er ebenfalls total überrascht. Da gab es Schokolade, die ich noch nie gesehen hatte. Kaugummi, bei dem wir gar nicht wussten, was wir damit anfangen sollten und viele andere herrliche Sachen. Was würde sich Mama über die Dosen mit Wurst und Schinken und besonders über den Kaffee freuen. Außerdem gab's zu Papas Freude noch richtige Zigaretten in dem Paket.

Heute Mittag haben wir Mama im Krankenhaus besucht. Sie hat sich auch riesig über all die guten Sachen gefreut. Und uns hat sie die größte Freude gemacht, sie kommt nämlich übermorgen aus dem Krankenhaus raus. Jetzt kann es Weihnachten werden. Wenn uns die Amerikaner wirklich vom Fleisch befreit haben, dann tut es ihnen sicher leid und sie geben uns wieder etwas zurück.

Lockenkopf 1

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