Читать книгу Zeichenlehrbuch - Ursula Vanoli-Gaul - Страница 7
Grauwerte in der Skizzierschrift
ОглавлениеAus der spielerischen Bewegung mit dem Bleistift nun dazu übergehen, diese auf dem Papier weiterzuführen, d.h. sie darauf zu übertragen. Die Hand bleibt relativ ruhig, die Linien entstehen nur durch Bewegung von Mittelfinger, dem seitlich liegenden Zeigefinger und dem gegenüberliegenden Daumen. Nicht mit dem ganzen Arm arbeiten. Nur der Ellbogen wird zur Führung eingesetzt. Auf entspanntes Handgelenk achten!
Es entsteht die sogenannte Kritzelschrift, eine Skizzierschrift, die wegen ihrer Einfachheit für alles verwendet werden kann, was man beginnt zu zeichnen. Sie lässt alles offen, und kann den ganzen Zeichenablauf verlängern, ehe man sich in einer Zeichnung schließlich festlegt.
Leider beansprucht diese Haltung etwas Geduld, da sie sehr ungewohnt ist. Ihre Effektivität wird aber sehr schnell offensichtlich durch das Ergebnis. Ich empfehle jeden Tag ein paar Minuten zu kritzeln.
Die Bildfläche wird nun nach und nach mit dieser entstehenden Kritzelschrift bearbeitet. Durch immer erneutes Überkritzeln entsteht eine Verdichtung der Linien der unterschiedlichsten Art, bis eine grauweiße Fläche entsteht, mit einem sogenannten Grauwert, oder mehreren Grauwerten.
Als Grauwerte bezeichnet man die Gestaltung von hellen und dunklen Stellen in einem Bild. Sie können von weiß bis schwarz reichen, und organisieren eine Zeichnung räumlich, ausdrucksmäßig, also auch thematisch. Sie können in Linien, Flächen, oder Flecken angelegt werden. Die Grauwerte können eine Zeichnung auch malerisch erscheinen lassen, und stellen Beziehungen unter den Bildteilen her. Dadurch wird das Wahrnehmen und Verstehen eines Bildes erleichtert.
WICHTIG: ununterbrochen kritzeln, nicht absetzen, mit dem Bleistift nicht vom Papier weggehen, in einen motorischen Fluss kommen.
Nun aus der Vorstellung einen Gegenstand herausmodellieren, durch beständiges Übereinanderlegen von Kritzellinien. Man denke an ein flimmerndes Fernsehbild, in dessen Bildfläche ein Gegenstand auftaucht: es gibt keine Konturen, die vorderen Teile sind deutlicher sichtbar, als die hinteren, d.h. die vorderen Teile einer Form werden nun dunkler gekritzelt, als die dahinterliegenden.
Die Folge: es entsteht der Raum, das Volumen.
Nicht an Licht und Schatten aus der traditionellen Zeichnung denken!
Diese Zeichenlehre baut sich auf der Wahrnehmung des Zusammenhangs von Grundformen und deren innerer Dynamik auf, die unabhängig von Lichtverhältnissen die Form bestimmen.
Licht und Schatten stehen für sich und sind immer abhängig von den Dingen, auf die sie wirken, worauf sie sich befinden, und sie in Erscheinung bringen.
Durch die Differenzierung der Helligkeiten entsteht eine Unterscheidungssituation für die physiologische Beschaffenheit und Wahrnehmung des Auges. Es gerät dadurch in eine Bewegung durch die Veränderung der Pupillen, wie beim Sehen in die Nähe und in die Ferne.
Dem Auge wird also durch die Pupillenbewegung beim Sehen der Grauwerte eine Räumlichkeit vorgespielt.
VOLUMEN = RAUM
Keine Konturen um die Gegenstände ziehen, um sie nicht flächig werden zu lassen.
Man kann sich auch ein unscharfes Foto vorstellen als Hilfe.
Um das Volumen deutlich herauszuarbeiten, bis in die tiefste Schwärze hineinarbeiten.
Alles von INNEN nach AUSSEN gestalten, als wolle man mit Ton modellieren, in dem man immer mehr Material an den kräftigsten Stellen aufträgt.
Zum besseren Formverständnis tastet man mit geschlossenen Augen z.B. eine Vase ab, und lässt dabei die Vorstellung der Form im Kopf entstehen. Auch beachte man, auf welche Art die Finger, und die gesamte Hand sich über die Form hinwegtasten. Und, wie lange es dauert, bis sich die Vorstellung bildet.
Daraus kann auf die Dauer der Wahrnehmung und deren Umsetzung in eine Zeichnung geschlossen werden.
Man stellt fest, dass dies wesentlich länger dauert, als es im täglichen Leben bewusst ist.
Verschiedene Gegenstände nun üben:
Eine Kugel, eine Tasse, ein Gesicht, alles was einem einfällt.
Diese Gegenstände werden nun auf dieselbe Weise mit unterschiedlichen Grauwerten abgetastet und mit der Kritzelschrift dargestellt. Wieder keine Konturen. Innen anfangen und sich in die Größe und Räumlichkeit hineintasten!
WICHTIG: nicht absetzen beim Kritzeln, ununterbrochen arbeiten, den Bleistift unablässig auf dem Papier behalten, eine Zeichenmotorik entwickeln, die der eigenen individuellen Geschwindigkeit entspricht. Den Blick hauptsächlich auf dem Gegenstand ruhen lassen, nur selten auf das Papier sehen. Nicht kontrollieren auf "Richtigkeit". Übernommene Vorstellungen, wie eine "richtige" Zeichnung auszusehen hat, ignorieren, auch wenn es schwerfällt. Nicht an "richtige" Proportionen denken.
Mehrere Gegenstände sowohl räumlich voneinander, als auch innerhalb ihrer eigenen Form in der Helligkeit unterscheiden.
NUR ZEICHNEN, SO LANGE MAN BETRACHTET = SIMULTANMETHODE