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„Holst du mich ab?“

Undine hatte eingepackt und Reiner angerufen. Sie wollte noch ein bisschen durch die Stadt laufen und sich dabei bei Reiner einhaken.

„Ja, kann ich machen.“

Reiner klang nicht so, als wenn er sich freuen würde, aber Undine ignorierte das. Sie wusste, dass er sauer war, hatte sie doch alle, die ihr von den verschwundenen Schuhen erzählt hatten, zu Reiner geschickt.

Sie hatte gesagt: „Der Reiner ermittelt. Er ist aber heute zuhause, geh doch mal hin und rede mit ihm. Er interessiert sich bestimmt für deine Aussage.“

Der Bürgermeister war dann tatsächlich zu ihm gegangen. Sie wusste auch, dass Lene ihm ebenfalls ihre bisherigen Ermittlungsergebnisse präsentiert hatte. Undine und Lene hatten sich vorgestellt, den Täter heute zu überführen, doch die Aktion war schief gegangen. Die Autorin war zerknirscht an Undines Stand erschienen und hatte gebeichtet, dass sie eingeschlafen war.

„Aber deine Schuhe sind weg?

„Ja, spurlos verschwunden.“

„Dann brauchen wir jetzt doch die Polizei.“

„Du meinst Reiner?“

„Wen denn sonst? Er ist schließlich mein Kommissar. Eben war der Bürgermeister hier und auch bei ihm war der Dieb, ich habe ihn zu Reiner nach Hause geschickt. Ich denke mal, du gehst am besten mal zu ihm und klärst ihn auf über unsere Recherche.“

Lene hatte genickt und war gegangen.

Es dauerte nur wenige Minuten, da stand Reiner auf der Straße und sah Undine streng an. Sie schloss die Seitenwände und kam fröhlich lachend auf Reiner zu.

„Hallo Schatz, ich möchte noch ein bisschen laufen. Schön, dass du da bist.“

„Was hast du dir denn dabei gedacht?“, polterte er direkt los.

„Wobei?“

Reiner winkte ab, denn Undine sah ihn so scheinheilig an, dass er einfach nur bedient war. Musste sie sich denn immer in seinen Beruf einmischen? Irgendwie hatte sie schon oft den richtigen Riecher, doch es kränkte ihn immer wieder in seiner Ehre. Er wusste, dass diese Frau nun mal einen Dickkopf hatte und dagegen war er machtlos. Auf dem Weg hierher hatte er sich allerdings vorgenommen, nicht zu allem Ja und Amen zu sagen.

„Ich hatte meinen freien Tag und trotzdem saßen drei Leute in meiner Bude und haben mich mit beruflichem Kram belästigt.“

„Ach ja?“

„Es hat sich herausgestellt, dass du die mir auf den Hals geschickt hast!“

„Nicht Jennifer, die kam von selbst.“

„Und das macht es besser?“

„Was willst du denn eigentlich? In meiner Stadt geht ein Verbrecher um und du musst den schnappen. Punkt!“

Sie liefen eine Weile schweigend nebeneinander. Undine hatte sich bei Reiner eingehakt, auch wenn der geknurrt hatte. Sie sah, dass er sauer war, jedoch ahnte sie auch, dass er nur aus Prinzip schimpfte, und beschloss einzulenken.

„Du hast ja recht. Es wäre viel netter gewesen, den ganzen Tag zu putzen. Aber ich dachte, du wirst dich eh irgendwann mit dem Fall auseinandersetzen müssen. Lene und ich haben ja nur ein bisschen Vorarbeit geleistet.“

„Jaja.“

„Und Jennifer hält zu uns.“

„Jaja, und darum geht sie auch zum Chef und lässt sich auslachen. Und du, mein Fräulein … wie oft muss ich dir denn sagen, dass du dich nicht einmischen sollst? Dass das auch schlimm enden kann, weißt du ja wohl noch.“

„Aber das ist doch kein Mörder, sondern ein Dieb.“

„Und wenn Lene sich ihm in den Weg gestellt hätte und verletzt worden wäre, weil der Dieb sich in die Enge getrieben fühlte?“

Daran hatten sie gar nicht gedacht. Undine runzelte die Stirn. Reiner hatte recht: Jemand, der unter Druck steht und bei einer Straftat ertappt wird, tut schon mal etwas, was er nicht geplant hat. Er hätte Lene schlagen oder stoßen können. Nicht auszudenken, wenn etwas passiert wäre.

„Du hast recht, entschuldige unseren Alleingang. Werdet ihr nun ermitteln?“

„Was denkst du denn? Das Volk reißt uns den Kopf ab, falls wir nichts tun. Wenn sogar der Bürgermeister unter den Opfern ist …“

Sie waren jetzt auf dem Heimweg, als eine Frau winkend auf sie zukam. Es war Alina Barolsen.

„Na, Herr Kommissar, wie war das Feuerwerk?“

„Es war sehr schön. Und ehe Sie jetzt über mich herfallen: Wir werden im Fall der verschwundenen Schuhe ermitteln. Zufrieden?“

„Sicher! Ich wollte mich nur nochmal davon überzeugen, dass Sie mich ernstnehmen. Schließlich kostet alles Geld, auch Schuhe. Aber darum geht es mir gar nicht, sondern ums Prinzip. Was, wenn er in Zukunft auch andere Sachen klaut? Oder gerade jetzt, wo alle auf dem Oktobermarkt sind, die Häuser der Leute ausräumt? Dann mache ich Sie verantwortlich, das schwöre ich. Schließlich ist ein prominenter Bürger unter den Opfern.“

„Wer? Herbert?“

Reiner wollte Alina nur ärgern, wusste er doch, wen sie meinte.

„Herbert? Welcher Herbert? Der von der Feuerwehr? Der ist doch nicht prominent!“

Alina hatte sich direkt provozieren lassen und stemmte die Fäuste in die Taille.

„Ich meine den Bürgermeister!“, fuhr sie Reiner an.

Undine hatte zwischen den beiden hin und her geschaut und grinste heimlich vor sich hin. Sie wollte sich ausnahmsweise nicht einmischen.

„Undine!“, rief die forsche Blondine. „Jetzt sag doch auch mal was!“

Die Angesprochene winkte ab.

„Der Reiner kümmert sich. Wir finden den Dieb.“

„Dein Wort in Gottes Ohr. Dann wünsche ich euch noch einen schönen Abend. Soll ich Montag ins Präsidium kommen oder schauen Sie am Wochenende bei mir rein?“

„Ich schaue“, sagte Reiner seufzend und zog Undine hinter sich her.

Er wollte jetzt nur noch weg und den Abend auf der Couch ausklingen lassen. Undine küsste ihn, verabschiedete sich und lief nach Hause. Reiner trödelte gemütlich weiter und ließ sich in seiner Wohnung auf die Couch sinken. Zufrieden schaltete er den Fernseher ein.

„Verstehe einer die Frauen“, murmelte er.

Am nächsten Morgen wachte Reiner auf der Couch auf. Sein Rücken tat weh und das rechte Bein war eingeschlafen. Er fluchte, weil er noch müde war. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es gerade erst sechs Uhr war.

„Oh nein, noch mitten in der Nacht. Und das am Wochenende.“

Er rappelte sich hoch, versuchte mit ein paar Dehnübungen die Rückenschmerzen zu vertreiben und schlurfte ins Bad, wo er sich erstmal unter die heiße Dusche stellte. Danach öffnete er das Fenster und atmete tief ein und aus. Es war noch nicht richtig hell, aber die Luft war nach ein bisschen Landregen in der Nacht frisch und klar. Ihn fröstelte.

Die Straße lag in völliger Stille, denn samstags ging es hier immer sehr ruhig zu. Die Autos glänzten nass und Laub lag auf dem Gehweg. Drei Häuser weiter gingen rappelnd die Rollläden hoch.

„Ah, der Paul, der alte Frühaufsteher.“

Reiner sah weiter hinaus, während er sich abtrocknete. Er wusste, dass Paul spätestens halb acht mit seinem extrabreiten Besen vor die Tür trat und nach einem Rundumblick zu kehren begann. Oft hatte sich Reiner um diese Zeit auf den Weg zu Undine zum Frühstück gemacht, mit einem kleinen Umweg zum Bäcker, um frische Brötchen zu holen. Noch war von Paul nichts zu sehen, aber eine Gestalt in schwarzer Jeans, grauer Kapuzenjacke und dunklen Sportschuhen kam hinter einer Hausecke hervor. Er hielt etwas unter dem Arm und Reiner sah genauer hin.

„Das sind doch Schuhe!“

Jetzt riss sich Reiner das Handtuch vom Körper, schlüpfte in Bademantel und Schlappen und eilte hinaus. Seine Haare standen ihm zu Berge, aber das war ihm egal. Wenn das der Schuhdieb war und er ihn direkt verhaften konnte, dann wäre das leidige Thema vom Tisch.

Er sah sich um, aber der Mann in Grau war nirgends zu sehen. Er lief ein Stück die Straße herunter, auf der anderen Seite dann wieder zurück. Das Gesicht des Mannes hatte er nicht erkennen können. Die Kleidung war nichts Besonderes, es gab sie an jeder Straßenecke und sicher hatte der Mann sie nicht in einer exklusiven Boutique gekauft. In dem Moment war sich Reiner nicht mehr sicher, dass der Mann Schuhe unter dem Arm hatte. Vielleicht war es auch ein Besucher und musste jetzt schnell zum Bus.

Kurz entschlossen ging er zu dem Haus, hinter dessen Ecke der Mann hervorgekommen war, und klingelte. Nach fünf Minuten hörte er schlurfende Schritte. Gisela Rätzeck riss entsetzt die Augen auf, als sie den Mann mit den wirren Haaren im Bademantel vor der Tür stehen sah. Er wirkte gehetzt.

„Guten Morgen, Frau Rätzeck.“

Die alte Dame lebte allein, sie hatte ihm einmal erzählt, dass ihr Mann schon zehn Jahre tot war. Sie hatte keine Kinder, aber Katzen. Reiner hatte sich bei seinem Einzug bei allen Nachbarn vorgestellt, denn Undine hatte ihn dazu genötigt.

„Ach, Sie sin‘s, Herr Kommissar, ich hon Sie gaa nit erkannt in Ihr‘m Uffzuch. Is was passiert?“

Auch Gisela trug einen Bademantel, allerdings war der bunt geblümt und voller Rüschen. In den weißen Haaren hatte sie Lockenwickler und die Reste einer grünen Creme waren im Gesicht verteilt.

„Ich weiß es nicht. Hatten Sie Besuch?“

„Naa. Wiesu?“

„Ich habe eben jemanden um Ihr Haus herumschleichen sehen. Könnten Sie bitte mal nachschauen, ob etwas fehlt? Ist Ihre Hintertür verschlossen?“

„Komme Se renn, mer kenne zesomme nogugge.“

Reiner folgte ihr an die Tür zum Garten, die Gisela öffnete, um sich dann umzusehen.

„Ah!“, rief sie plötzlich. „Mei alde Goadeschou! Die hon hei gestanne und jetzt senn se fodd.“

„Dachte ich es mir doch. Also waren es wirklich Schuhe unter seinem Arm.“

„Sie honn den gesehn?“

„Ja, als ich im Bad war oder denken Sie, ich besuche meine Nachbarn immer im Bademantel?“

Reiner ärgerte sich, war ihm der Dieb doch tatsächlich durch die Lappen gegangen.

„Ich gehe rüber und ziehe mich an. Laufen Sie hier nicht rum, ich rufe die Spurensicherung.“

„Ach Gott, so en Uffreschung weje dene alde Goadeschuh!“

Reiner lief los. Vor der Tür traf er auf Paul, der ihn komisch ansah.

„Was machen Sie denn in dem Aufzug bei Gisela?“

„Ich bin ihr neuer Liebhaber, was dachten Sie denn?“

Diebe in Nastätten

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