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Ganz für mich allein

Ute Dombrowski


1. Auflage 2017

Copyright © 2017 Ute Dombrowski

Umschlag: Ute Dombrowski

Lektorat/Korrektorat Julia Dillenberger-Ochs

Satz: Ute Dombrowski

Verlag: Ute Dombrowski Niedertiefenbach

Druck: epubli


Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors und Selbstverlegers unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.


Und manche, so da lächeln, fürcht ich, tragen im Herzen tausend Unheil.“

William Shakespeare

Julius Cäsar, 4. Aufzug, 1. Szene, Octavius

Er sah die junge Frau auf der anderen Straßenseite den Gehweg betreten. Sie zog den Mantel vor ihrer Brust enger zusammen und schaute nach links und rechts. Dann lief sie los. Kurze Zeit später verließ sie die hell erleuchtete Hauptstraße und verschwand in der Dunkelheit der engen Gasse, die zum Rhein führte. Es war kurz vor Mitternacht. Er hatte lange dort gestanden und hoffte, dass sie endlich aus dem Haus kommen würde. Nun atmete er auf.

Er drückte sich mit der Schulter an der Mauer ab, wo er im Schatten des Torbogens gewartet hatte, zog sich die große Kapuze über das Gesicht und folgte der Frau schnellen Schrittes, ganz leise und unbemerkt. Seine Augen waren mit einer weißen Maske bedeckt. Leichter Nieselregen machte den Abend im Januar ungemütlich. Die Absätze der Frau klapperten laut auf dem Pflaster. Die Temperatur lag knapp über Null, ein unangenehmer Wind zerrte an ihrem Mantel.

Jetzt war sie stehengeblieben und sah sich ängstlich um, als hätte sie ein Geräusch wahrgenommen. Rasch presste sich der Mann mit der schwarzen Kleidung an die Mauer. Die Frau zuckte mit den Schultern, schüttelte den Kopf und lief weiter.

Als sie die Umrisse des alten Oestricher Krans vor sich sah, bog sie nach rechts auf den Parkplatz ab, wo sie auf ihr Auto zuging. Sie hatte es wie immer heute früh hier abgestellt, weil es der einzige Ort war, wo man kostenlos parken konnte. Im Ortskern nach einem Parkplatz zu suchen, war ihr auf die Nerven gegangen und so genoss sie bei schönem Wetter den kleinen Fußmarsch durch die romantischen Gassen des Ortes. Heute allerdings hätte sie das Auto gerne in der Nähe ihres kleinen Cafés gehabt.

Sie hatte noch aufgeräumt, nachdem Günther, der letzte Gast, den warmen Raum verlassen hatte.

„Bis morgen, Mädchen. Gute Nacht. Lass dich nicht wegfangen.“

„Ach was!“, hatte sie ihm hinterhergerufen und abgewinkt.

Sie holte das Geld aus der Kasse, rechnete ab und schloss alles im Tresor ein. Sie hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, das Geld nicht im Dunkeln zur Bank zu tragen, sondern tat das stets vor der Arbeit am kommenden Mittag.

Das kleine Café öffnete um zwölf Uhr und schloss meistens schon um acht. Heute hatte es einen Gitarristen gegeben, der wunderbare, melancholische Klänge durch den Raum schwingen ließ. Er war nach der fünften Tasse Cappuccino und drei Laugenbretzeln genauso schweigend gegangen wie er mit fliegenden Fingern völlig in sich gekehrt seiner Gitarre die Melodien entlockt hatte. Die eigenartige Stimmung hatte sich auch auf die Gäste übertragen, die ihr Café bis zum letzten Platz gefüllt hatten. Niemand hatte gesprochen, selbst die Tassen flüsterten nur leise mit Löffel und Teller. Nachdem die junge Frau die Tische abgeräumt und abgewischt hatte, setzte sie sich noch kurz an die kleine Theke und streckte die Füße aus.

Vor zwei Stunden war auch das Licht im gegenüberliegenden Taschenladen ausgegangen und die Inhaberin, die jetzt noch einmal nach dem Rechten sah, winkte ihr durch die Scheibe freundlich zu, als sie zu ihrem Auto eilte.

Zitternd durchsuchte sie ihre Handtasche nach dem Autoschlüssel, denn sie wollte schnell in ihre warme Stube im Weingut ihrer Eltern nach Eltville zurückfahren. Als er nirgends zu finden war, breiteten sich die Unruhe und das Unbehagen rasch in ihrem ganzen Körper aus.

Plötzlich legte sich eine Hand von hinten auf ihren Mund, irgendetwas drückte auf ihren Kehlkopf und ehe sie schreien konnte, wurde ihr die Luft abgeschnitten. Sie begann um sich zu schlagen, aber die Schlinge um ihren Hals zog sich unerbittlich enger.

Der Mann mit der weißen Maske hatte die Frau gegen das Auto geschoben und stemmte sich mit ganzer Kraft gegen sie. Ihre Abwehr wurde schwächer und als er spürte, wie sie in sich zusammensackte, ließ er sie vor ihrem Auto zu Boden sinken. Er zog noch eine Weile an dem Seil, das er extra für diesen Moment gekauft hatte, um sicher zu gehen, dass sie nicht wieder zu sich kommen würde.

Bevor er ging, fühlte er an ihrem Hals nach dem Puls. Nichts regte sich. Das Leben hatte die Frau verlassen. Der Mann atmete auf, zog sich die Maske vom Gesicht und steckte das Seil ein.

„Nummer eins“, flüsterte er erleichtert und eilte durch die Dunkelheit davon.

Ganz für mich allein

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