Читать книгу Ganz für mich allein - Ute Dombrowski - Страница 7
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Оглавление„Haben Sie schon Hinweise auf den Täter?“, fragte Dr. Hans-Martin Rosenschuh, der neue Staatsanwalt.
„Nein“, erklärte Michael und zuckte mit den Schultern.
„Und wann gedenken Sie mir ein paar Hinweise zu präsentieren?“
„Wenn ich welche habe“, knurrte der Kommissar.
Er mochte den Staatsanwalt nicht, denn der benahm sich eher wie ein Beamter vom Ordnungsamt. Ständig zitierte er Paragraphen oder Verordnungen. Anscheinend kannte er sie alle auswendig.
„Herr Verskoff, ich bitte mir ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit aus! Eine junge Frau ist tot und Sie brummen hier nur herum. Was wissen wir denn schon?“
Michael fasste das Wenige zusammen, was sie ermittelt hatten und beobachtete, wie das Gesicht seines Gegenübers immer düsterer wurde.
„Hatte sie nun einen Freund oder nicht?“, fragte Hans-Martin Rosenschuh aufgebracht.
„Benedikt hat die Eltern ausgefragt und ja, sie hatte vor über einem Jahr einen Freund, aber anscheinend war das eine ganz geheime Sache. Vielleicht war er verheiratet und die Tote wollte ihn nicht in Schwierigkeiten bringen.“
„Na gut, nein, natürlich nicht gut. Es ist bereits eine Woche her und Sie haben nichts, aber auch gar nichts. Der Chef hätte Sie vielleicht doch besser versetzen sollen.“
Mit einem süffisanten Lächeln drehte er sich um und verließ das Büro. Michael nahm die Akte und warf sie ihm hinterher. Der blaue Ordner klatschte gegen die Tür und fiel wie ein Stein zu Boden. Der Inhalt ergoss sich über den grauen Teppich. Michael seufzte, erhob sich und sammelte die Unterlagen wieder ein. Dann rief er Bianca an und erzählte ihr vom Auftritt des Staatsanwaltes.
„Mein armer Schatz, das tut mir leid. Es ist Mittag, komm, wir fahren irgendwo essen und überlegen, wer die junge Dame getötet haben könnte.“
Michael lächelte nun wieder, griff nach seiner Jacke und traf sich am Auto mit Bianca. Er schaute sich um, fühlte sich unbeobachtet und küsste sie liebevoll.
„So ein Arsch. Ich will Nele zurückhaben. Was bildet der sich ein? Denkt der, wir sitzen nur rum und drehen Däumchen?“
„Ja, genau das denkt er und im Falle von Benedikt hat er vielleicht recht? Wo ist der Typ schon wieder?“
„Ich habe keine Ahnung. Aber wenn er sich mal wieder blicken lässt, frage ich ihn.“
Lachend stiegen sie ein, fuhren an den Rhein und bestellten sich ein üppiges Mittagessen. Danach küsste Michael Bianca abermals und sie liefen ein Stück an Rheinufer entlang. Auf einer Bank setzten sie sich und unterhielten sich über den Fall. Gerade schaute die Sonne zwischen den Wolken hervor. Bianca sehnte sich nach dem Frühling und schmiegte sich an Michael.
„Dorothee hat gesagt, dass sie manchmal ein sehr attraktiver Mann abgeholt hat. Ob das der war, mit dem sie zusammen war? Wir vermuten, dass er verheiratet war.“
„Hm“, sagte Bianca, „wenn ich einen verheirateten Liebhaber hätte, würde ich ihm nicht erlauben, mich auf der Arbeit zu besuchen. Und dieser Mann würde sich mit mir auch nicht in der Öffentlichkeit zeigen. Vielleicht gibt es einen zweiten Mann. Oder sie hat ihn aus einem anderen Grund nicht den Eltern und der Freundin vorgestellt. Gibt es eine Beschreibung?“
„Dunkle kurze Haare, braune oder blaue Augen, gepflegter Dreitagebart, sportlich und schlank, gut gekleidet. Aber so sehen viele Männer aus. Dorothee hat ihn nur aus der Ferne gesehen.“
Bianca lachte jetzt und sagte: „Deine Dorothee muss ich mir bei Gelegenheit mal ansehen. Sie scheint dich ja mächtig beeindruckt zu haben.“
„Süße, du bist doch nicht etwa eifersüchtig? Dorothee hat mir unaufgefordert einen Kaffee gemacht und dann versuchte sie mich zum Lesen zu bewegen, obwohl ihr Laden kein Buchladen ist. Sie liebt Bücher und flüchtet mit ihnen in ferne Welten. Ich glaube, ich wäre ihr als Mann viel zu real. Du musst keine Sorge haben, aber ich stelle sie dir gerne mal vor. Du kannst dann in ihre Seele schauen und findest heraus, was sie vorhat.“
„Ich bin gespannt. Aber eines ist richtig: Die Beschreibung passt auf viele Männer. Gerade der Bart ist aktuell absolut in Mode.“
„Soll ich meinen wieder wachsen lassen?“
„Nein, ich mag dich so, wie du bist. Glatt und sanft.“
Sie küsste Michael zärtlich auf die Wange. Dann fiel ihr etwas ein.
„Der Typ, der mich wegen des Lichtes angesprochen hatte, sah auch so aus. Wir haben ihn gestern Abend in der Winzerstube getroffen und er hat Fabienne gut gefallen. Wollen wir sie verkuppeln?“
„Ich glaube nicht, dass sich deine Freundin verkuppeln lässt. Aber dieser Mann … ähm … was hat er da gemacht?“
„Jetzt bist du eifersüchtig? Ich weiß nicht, was er dort gemacht hat, wir haben ihn erst entdeckt, als wir gehen wollten.“
„Wir sind dann wohl quitt: Dorothee gegen den schönen Unbekannten.“
Nach ihrer Rückkehr ins Büro saß dort Benedikt am Computer und starrte auf den Bildschirm.
„Kommt mal her, schnell!“, rief er, ohne seinen Blick von den Bildern zu lösen.
Bianca und Michael gingen um den Schreibtisch herum und sahen Benedikt über die Schulter. Er hatte ein Programm aufgerufen, mit dem man Phantombilder erstellen konnte. Bianca blickte in das Gesicht des schönen Unbekannten, auch wenn es vereinzelte Fehler enthielt. Sie war zusammengezuckt.
„Wer ist das?“
„Das ist der, der Sophia am Café abgeholt hat. Ich war in jedem Laden und habe an jeder verdammten Haustür geklingelt. Tatsächlich hat ihn ein älterer Herr genauer gesehen. Der Opa saß direkt an der Tür und als dieser Mann hereinkam, lächelte Sophia nach seinen Angaben total verliebt. Opa dachte sich: Die müssen ein Paar sein. Soll ich ihn herholen lassen oder willst du hin?“
„Er hat doch nicht rumgesessen und Däumchen gedreht, sondern gearbeitet“, sagte Bianca. „Erstaunlich.“
Michael lachte und sah dabei Benedikt an, der wieder einmal gar nichts verstand. Der junge Mann war in seiner Naivität kaum zu toppen und verschwand manchmal stundenlang, aber merkwürdigerweise tauchte er immer mit handfesten Ergebnissen wieder auf.
„Gut gemacht!“, lobte Michael. „Ich möchte, dass wir zusammen nochmal dorthin fahren. Was denkst du, ob er es war?“
„Ob er was war? Der Sophia umgebracht hat? Solange wir das Motiv nicht kennen, ist alles reine Spekulation. Also dann, Chefin, wir sind weg!“
Bianca lachte schallend über den eifrigen, frechen Kerl und winkte ihnen nach. Auf der Treppe nach oben traf sie Jürgen.
„Was gibt es Neues von der Chef-Front?“
„In drei Wochen ist der vorletzte Lehrgang. Ich bin froh, wenn das vorbei ist und ich euch endlich herumkommandieren kann.“
„Liebe Kollegin, ich kann mir keinen besseren Kommandeur vorstellen. Komm mal mit in mein Büro, dann bekommst du einen Kaffee und wir reden über den Fall.“
Bianca folgte Jürgen und setzte sich mit ihm an den Schreibtisch. Er kochte frischen Kaffee und kramte aus der Schublade eine Tafel Schokolade hervor. Diese zerbrach er in kleine Stückchen und ließ sie auf einen Teller rieseln. Bianca stieg der Duft in die Nase und sie überlegte, wie lange sie keine Schokolade mehr gegessen hatte.
„Das tut jetzt gut, danke! Hat der Täter DNA hinterlassen oder vielleicht ein einzelnes Haar?“
„Schön wäre es, aber es war windig. Ein Haar hätte der Wind mitgenommen. Es gibt einen winzigen Fussel aus schwarzer Baumwolle. Mehr nicht. Er hat eine Jacke oder Handschuhe oder einen Pullover oder eine …“
„Hör auf! Mist, Baumwolle trägt heute jeder. Aber dieses einfache Material passt nicht zu dem Mann, der vielleicht ihr Freund war. Benedikt hat ein Phantombild angefertigt“, erklärte Bianca. „Der ist richtig gut.“
„Ich dachte erst, er ist ein Komödiant, der nur einen auf Polizist macht, aber ich glaube, er tut nur so albern, damit ihm keiner in sein schlaues Köpfchen schauen kann. Einen Verdächtigen würde sein Verhalten auf jeden Fall dazu bringen, ihn zu unterschätzen.“
„Damit hast du sicher recht. Danke für den Kaffee und den Fussel.“
Sie lief hinüber in ihr Büro und rief Michael an, um ihm von Jürgens Entdeckung zu berichten.