Читать книгу Umweg ins Glück - Ute Dombrowski - Страница 10

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Oliver hatte Nelly daheim abgeholt und sah nun ab und zu zur Seite, wo sie schweigend auf der Unterlippe kaute. Er fuhr durch die Weinberge auf die Bundesstraße am Rhein in Richtung Koblenz. In Assmannshausen blinkte er und hielt schließlich vor einem kleinen Restaurant, wo unter einem Dach aus Blättern und Blüten zahlreiche Tische hübsch eingedeckt waren.

Nelly schaute Oliver an und seufzte. Er nahm ihre Hand und drückte sie zärtlich.

„Ich bin da, was immer auch passiert. Also mach dir keine Sorgen, es wird schon gutgehen.“

„Oh Mann, ich habe eine riesige Angst. Danke, Oliver, dass du bei mir bist. Du bist echt mein allerbester Freund.“

Sie beugte sich zu Oliver hinüber und küsste ihn auf die Wange. Dann öffnete sie die Tür und stieg aus. An einem der Tische sah sie Leons dunkle Locken. Paolo saß mit dem Rücken zu ihr und hatte den Arm um eine blonde Frau gelegt. Nelly erschrak. Paolo war nicht allein nach Deutschland gekommen?

Oliver erschien neben ihr und schob sie sanft vorwärts. Nelly schluckte und ging auf den Tisch zu. Leon erhob sich lächelnd und begrüßte auch Oliver mit einem festen Handschlag. Paolo und die Frau waren ebenfalls aufgestanden.

„Hallo Paolo“, sagte Nelly heiser.

„Guten Tag Nelly, es ist gut, dass du gekommen bist. Darf ich dir meine Freundin Teresa vorstellen? Sie hat mich aus Italien hierher begleitet.“

Die junge Frau mit den blonden, glatten Haaren lächelte nicht, sondern sah Nelly mit zusammengekniffenen, dunklen Augen an. Sie murmelte eine Begrüßung auf Italienisch und setzte sich wieder. Oliver rückte Nelly einen Stuhl zurecht und drückte sie darauf. Sie atmete tief durch.

„Du hast also eine neue Freundin. Das freut mich für dich.“

„Nelly, es tut mir leid, was dir passiert ist. Wer konnte denn ahnen, dass wir die Opfer einer Intrige werden? Ich bin froh, dass du noch lebst.“

„Danke, ich bin auch froh, dass Marius mich aus dem Wasser gezogen hat. Wir sind jetzt zusammen.“

„Komm, wir gehen ein Stück.“

Paolo war aufgestanden und zog Nelly von ihrem Platz. Sie liefen nebeneinander durch die Fußgängerunterführung zum Rheinufer. Dort lehnte sich Paolo an das Geländer und sah in das schnell dahinfließende Wasser. Vor ihnen erhob sich ein Stück Felsen im Fluss.

„Es tut mir leid, dass ich dich im Stich gelassen habe, aber du hast mich sehr verletzt. Nach einer langen Zeit habe ich Teresa kennengelernt und ihr alles erzählt. Sie war für mich da und nun bin ich endlich wieder glücklich. Erzähl, wie alles gekommen ist.“

Nelly begann am Tag der Familienfeier und endete im Rettungswagen. Tränen liefen über ihre Wangen und Paolo legte eine Hand auf ihren Rücken. Als sie geendet hatte, schwiegen beide bedrückt. Entschlossen wischte Nelly ihre Tränen fort.

„Ich habe Simona wiedergewonnen und damit konnten Gabriel und Martin nicht alles zerstören. Dass ich dich betrogen habe, tut mir heute noch leid. Es war nicht fair. Vielleicht kannst du mir irgendwann verzeihen.“

„Ich habe dir verziehen, als mir Leon gesagt hatte, was passiert war. Diese Menschen haben eine schwere Strafe verdient. Ich hoffe, du schaffst das, wenn die Verhandlung ist. Leon wird da sein.“

„Ich weiß, alle sind für mich da: Mama, Papa, Oliver, Simona und noch viele mehr. Marius muss wie ich als Zeuge aussagen. Vielleicht kann ich endgültig damit abschließen, wenn das vorbei ist. Sei nicht mehr sauer, ich wollte wirklich an dem Abend reinen Tisch machen. Die Liebe war fort, aber ich habe noch Freundschaft für dich empfunden, also wollte ich dir nicht wehtun.“

„Du hast mir sehr wehgetan und mich gedemütigt, darum konnte ich nicht bleiben. Es hätte nicht funktioniert, auf dem Weingut zu leben und zu arbeiten und womöglich dich mit dem Kerl zu sehen, der dich mir weggenommen hat. Für Benjamin tat es mit sehr leid, er war immer für mich da und ich habe ihn im Stich gelassen. Ich bin ihm unendlich dankbar.“

„Fahre doch mal vorbei und sage ihm das persönlich, ehe du wieder nach Italien gehst. Ich wünsche dir von Herzen alles Gute mit Teresa. Sie ist schon eine starke Frau, wenn sie dich sogar heute begleitet hat. Keine Angst, ich empfinde Freundschaft, wenn ich so mit dir spreche, nicht mehr. Danke, dass wir reden konnten.“

Sie gingen langsam zu den anderen zurück. Oliver sah Nelly entgegen und atmete auf, als sie nickte. Teresa griff sofort nach Paolos Hand und zog ihn neben sich auf den Stuhl.

Leon fragte: „Wie geht es dir damit, dass du die beiden vor Gericht wiedersiehst?“

„Mir ist ganz schlecht, wenn ich daran denke. Ich hoffe, sie sind einsichtig und ich kann mit dem Gefühl der Gerechtigkeit dort hinausgehen.“

Oliver nahm Nellys Hand und hielt sie fest. Bald verabschiedeten sie sich. Leon und Paolo umarmten Nelly, Teresa nickte nur. Oliver gab den Männern die Hand. Paolo hatte versprochen, bei Benjamin vorbei zu schauen und sich zu bedanken.

Bevor sie heimfuhren, parkte Oliver noch einmal in den Weinbergen. Er stieg aus und wartete auf Nelly, um noch ein Stück mir ihr zu laufen. Nach einigen Schritten kamen sie an eine Bank und Nelly setzte sich.

Sie zog Oliver neben sich auf den Platz und schlang die Arme um ihn, um ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Oliver streichelte Nellys Rücken, bis sie wieder aufhörte zu weinen.

„Danke“, schniefte sie hörbar, „es ist ganz gut zu wissen, dass Paolo mir verziehen hat und mich nicht mehr hasst. Wie konnte ich mich nur auf Gabriel einlassen? Ich dachte wirklich, es ist Liebe.“

„Man weiß manchmal erst nach sehr langer Zeit, wer der oder die Richtige ist. Ich bin froh, dass es dir nach dem Gespräch gut geht. Diese Teresa war nicht so begeistert, dich zu sehen, aber sie hat nur italienisch mit Leon geredet, ich habe nichts verstanden. Ich saß daneben wie ein Trottel.“

Oliver lachte und Nelly stimmt ein.

„Das ist bescheuert, da denkt man immer, die reden über einen, wenn man nichts versteht. Ich bin froh, dass ich dich mitgenommen habe und nicht Marius. Wer weiß, wie er reagiert hätte. Danke für alles.“

Noch einmal schlang Nelly die Arme um Olivers Hals, dessen Herz wild klopfte, aber er verbot sich jeden Gedanken, der jenseits von freundschaftlichen Gefühlen war.

„Komm, wir fahren heim. Marius wird schon warten.“

So war es auch. Als Nelly ausstieg, kam ihr Marius entgegengelaufen. Er fragte, wie es gewesen war und Nelly erzählte alles wahrheitsgemäß.

„Und jetzt ist er mit Teresa zusammen und glücklich. Ich bin froh, dass er mir verziehen hat. Ist es so in Ordnung für dich?“

Marius nickte, küsste Nelly und erwiderte: „Ihr habt beide einen guten Neuanfang verdient. Jetzt bringen wir noch die Verhandlung hinter uns und dann wird nur nach vorne geschaut.“

„Aber … Marius … ich spüre seit langem, dass du mir etwas sagen möchtest. Wann wirst du das tun? Ich glaube, wenn wir beide zusammen nach vorne blicken wollen, ist das ganz wichtig.“

Marius wäre am liebsten weggelaufen, aber er wollte Nelly nicht vor den Kopf stoßen. Mit hängenden Schultern stand er vor ihr.

„Ich … ja, ich muss dir noch so viel erzählen, aber es ist schwierig. Gib mir noch ein bisschen Zeit. Ich ringe jeden Tag mit mir.“

„Hat es mit mir zu tun?“

„Nein, um Himmels willen, es hat nur mit mir zu tun und mit der Vergangenheit. Ich verspreche dir, immer ehrlich zu sein, du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich muss einen guten Zeitpunkt erwischen.“

„Einverstanden. Ich werde dich nicht drängen. Dafür bist du mir zu wichtig.“

In diesem Moment bog Simona mit ihrem Fahrrad um die Ecke und riss die beiden aus ihren Gedanken. Sie war aufgeregt und ein Sturzbach von Tränen lief über ihre Wangen. Nelly fing sie auf, als sie vom Rad sprang. Sie gab Marius ein Zeichen, er nickte und ließ die beiden alleine.

„Simona, was ist passiert? Noah?“

„Ja … ja“, schluchzte die Freundin und konnte kaum richtig reden. „Er ist krank geworden und kann noch zwei oder drei Wochen nicht heimkommen. Eigentlich wollte er morgen zurück sein aus Berlin, aber er kommt nicht! Noah ist im Krankenhaus. Wenn er wieder da ist, hat die Schule schon begonnen und dann habe ich kaum noch Zeit wegen des Abiturs. Das ist alles total unfair!“

„Es tut mir so leid“, sagte Nelly und schimpfte innerlich über den falschen Freund.

Sicher war er bei einer anderen, aber Simonas Brille war immer noch rosarot wie am ersten Tag. Wie viel Mist und Lügen Martin auch erzählt hatte, die Bilder und die Geschichten über Noah waren leider wahr. Nelly dachte: Wie kann ich ihr bloß helfen? Da fiel ihr Oliver ein. Nachdem sich Simona den ganzen Nachmittag bei ihr ausgeweint hatte und auf andere Gedanken gekommen war, als Nelly von dem Treffen mit Paolo berichtet hatte, suchte sie Oliver. Er war in der Vinothek und trank mit Marius ein Glas Traubensaft.

„Ist Simona weg?“, fragte Marius mitfühlend.

„Sie ist am Boden zerstört und ich befürchte, dass sie mit der wirklichen Wahrheit über Noah gar nicht klarkommt. Ich mache mir echt Sorgen. Noah ist ein Mistkerl und es wird ihr den Boden unter den Füßen wegziehen. Was soll ich nur machen?“

„Nelly“, begann Oliver, „ich finde es großartig, dass du für sie da bist, auch wenn sie dich in deiner größten Not fallengelassen hat. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann sag es bitte.“

Marius nickte und schlug dem Freund auf die Schulter.

Er versprach: „Auf meine Hilfe kannst du auch zählen. Simona ist zwar eine Nervensäge, aber eine liebe.“

„Ich habe eine Idee. Einer von euch muss nach Berlin fahren und Noah dort finden. Er soll angeblich ein Seminar haben, aber das ist sicher gelogen. Er wird bei einer Frau sein.“

Oliver schüttelte den Kopf.

„Wie stellst du dir das vor? Wir können doch nicht in dieser riesigen Stadt an allen Türen klingeln und nach Noah fragen. Das geht einfach nicht!“

„Aber … aber vielleicht kennst du ja Leute dort, die wiederum ihn als Musiker kennen. Bitte, Oliver, versuche es!“

„Einverstanden. Ich setzte mich heute Nacht an den Computer und versuche etwas herauszubekommen. Morgen sehen wir weiter. Geh du mal schlafen, Süße. Marius bringt dich sicher sehr gerne heim.“

Der rutschte vom Hocker, nahm Nellys Hand und zog sie hinter sich her. Oliver setzte sich im Büro an den Computer und begann zu recherchieren.


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