Читать книгу Umweg ins Glück - Ute Dombrowski - Страница 11

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Marius hatte sich mit einem innigen Kuss verabschiedet und war nach Hause gefahren. Dort lag er in seinem hell erleuchteten Zimmer und schlief kurze Zeit später erschöpft ein.

Nelly lag auch noch eine Weile wach. Es waren so viele Dinge in ihrem Kopf, die sich nur schwer ordnen ließen. Zuerst die Sache mit Paolo, dann die bevorstehende Verhandlung, Simonas Verzweiflung und dazu kam noch das bedrohliche Geheimnis, das Marius mit sich herumschleppte. Seufzend lag sie in ihrem Bett und hatte Mühe einzuschlafen.

Als es leise klopfte und Katja hereinschaute, setzte sie sich noch einmal auf und berichtete von ihrem Tag.

Katja sagte sanft: „Ich bin froh, dass du mit Paolo im Reinen bist. Dass ihr jetzt Simona helfen wollt, finde ich super. Manchmal muss man einem Freund wehtun, um ihn vor sich selbst oder vor Gefahren zu retten. Ich bin stolz auf euch. Oliver ist ja sowieso ein toller Kerl, und ich muss sagen, dein Marius gefällt mir ausgesprochen gut. Sei geduldig mit ihm. Mache es besser als ich, will ich damit sagen, denn Geduld zählt nicht zu meinen Stärken.“

„Gute Nacht, Mama, danke für alles.“

Nelly schlief endlich ein und machte sich am nächsten Morgen neugierig auf den Weg zum Weingut. Dort frühstückten sie und anschließend folgte sie Oliver und Marius unter die Kastanie. Oliver hatte die halbe Nacht recherchiert und tatsächlich einen Freund in Berlin gefunden, der selbst Musiker war und Noah Friesert kannte. Er hatte ihn sofort angerufen und erfahren, dass es wirklich ein Seminar gegeben hatte, bei dem sich die beiden Musiker begegnet waren, aber dieses Seminar hatte nur vier Tage gedauert. Der Freund hatte mit Noah die Telefonnummern ausgetauscht und heute würde er ihn anrufen, um zu fragen, ob er noch in Berlin sei. Wenn Noah das bestätigte, würde er ihn zu einem kleinen Konzert einladen.

„Aha, ich hatte also recht mit meinem schlechten Gefühl!“, rief Nelly empört. „Dieser Mistkerl amüsiert sich mit einer anderen und lässt sich den Spaß sogar noch von Simona finanzieren. Wie kann man nur so mies sein?“

„Schatz, wie fies Menschen sein können, weißt du doch am besten, oder? Oliver, was fangen wir denn nun mit unserem Wissen an?“

„Ich habe einen Vorschlag, aber dazu müsst ihr auch etwas beisteuern.“

Nelly nickte und forderte Oliver zum Reden auf.

Der erklärte: „Wenn sich mein Kumpel Rocco heute nochmal meldet und mir sagt, dass er mit Noah verabredet ist, dann mache ich mich auf den Weg und treffe die beiden bei dem Konzert, das kommendes Wochenende ist. Vielleicht ist eine andere Frau dabei. Das würde alles leichter machen, aber mein Kumpel will ihn auch gleich fragen, ob er vielleicht seine Freundin mitbringen will.“

Marius war nachdenklich geworden.

„Hast du deinem Kumpel gesagt, um was es geht?“

Oliver nickte.

„Ist er denn zuverlässig und verrät nichts?“

„Rocco ist absolut zuverlässig und fand Noah sowieso schon sehr merkwürdig, denn der hat wohl auf dem Seminar versucht, so ziemlich alle Musikerkollegen anzupumpen.“

„Aha!“, rief Nelly abermals und war aufgesprungen. „Simona hat ihm ihr ganzes Geld überwiesen.“

„Wenn wir dem das Handwerk legen können, ist es eine gute Sache, auch für die anderen Frauen und Mädchen, die ihm auf dem Leim gegangen sind. Das geht schon viel zu lang. Leider gibt es immer wieder Menschen, die auf solche Typen hereinfallen“, sagte Oliver sachlich.

„Mann, das ist wie im Krimi. Aber wie geht es dann weiter? Simona wird nichts davon glauben.“

Das wusste Nelly und sie durften kein Risiko eingehen. Natürlich würde sie verletzt sein und alles abstreiten, nur war es besser so: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Das sagte auch Marie immer. Sie hörte nun wieder Oliver zu.

„Wenn sich das alles bestätigt, dann kommt ihr ins Spiel. Wir müssen auch die anderen einweihen, denn du musst dir deine Freundin schnappen und Marius muss euch nach Berlin fahren. Sie wird mitkommen, denn ihr müsstet ihr einreden, wir besuchen am Tag nach dem Konzert den armen, kranken Noah und du willst ihr damit eine Freude machen. Am Ende kommen wir wieder nach Hause und kümmern uns um Simona. Einverstanden?“

Oliver hielt ihnen eine Handfläche hin und die beiden schlugen ein. Die Männer gingen mit Benjamin und Christian im Weinberg an die Arbeit und Nelly kümmerte sich um die Vinothek. Katja war mit Cora und Bea nach Potsdam zu Kirsten gefahren. Hannes besuchte seine Kinder, Michel arbeitete in Spanien.

Bald sind die Ferien zu Ende, dachte Nelly, dann muss Simona sich auf ihr Abitur konzentrieren. Nelly rief Leon an, denn sie hatte einen Gedanken im Kopf, der sie nicht mehr losließ.

„Hallo Nelly, ist etwas passiert?“

„Das ist etwas schwierig zu erklären, hör zu.“

Nelly schilderte die Geschichte von Noah und Simona und was sie jetzt geplant hatten.

„Ist das eigentlich Betrug und sollen wir oder Simona das anzeigen?“

„Es wäre gut, wenn sie ihn anzeigt, aber noch besser wäre es, wenn wir noch mindestens eine Frau finden, mit der er das auch abgezogen hat.“

„Hm, das ist ein Problem, die einzigen Menschen, die die anderen Mädels jemals gesehen haben, sind Gabriel und Martin. Nur die können wir ja schlecht befragen. Aber … warte … ähm, da gibt es noch Linda, die immer mit den beiden auf den Partys war. Ich weiß aber nicht, wo sie wohnt.“

„Das lass mal meine Sorge sein. Wie ist denn ihr Nachname? Ich finde sie für euch und frage sie. Versprochen.“

Nelly nannte Lindas Nachnamen und bedankte sich. Sie legten auf und Nelly fühlte sich wie ein Detektiv. Hoffentlich habe ich danach noch eine Freundin, dachte sie voller Angst. Am Abend saßen sie nach dem Essen zusammen und Oliver erläuterte noch einmal ihren Plan.

Christian war nicht wohl dabei, also sprach er seine Bedenken aus: „Wie stellt ihr euch das vor? Eigentlich ist es doch eher ein Fall für die Polizei.“

Nelly sah ihren Vater offen an und sagte: „Papa, ich verstehe dich. Darum habe ich auch schon mit Leon geredet, damit alles in den richtigen Bahnen läuft.“

Sie gab jetzt das Gespräch mit Leon wieder und alle nickten.

„Das ist eine gute Idee“, meinte nun Benjamin, der bisher nur zugehört hatte. „Der Typ muss bestraft werden. Ich denke, auf Leon ist Verlass. Christian, ich finde Olivers Idee gut, also lass ihn und die beiden anderen fahren, wenn wir damit Simona helfen können. Sie ist zwar eine Schnattertante, aber schon so lange mit Nelly befreundet. Wir sollten froh sein, dass es zwischen den Mädchen wieder stimmt.“

„Einverstanden. Aber keine Alleingänge! Mein altes Vaterherz verkraftet nicht noch mehr Kummer.“

Nelly war aufgestanden und umarmte Christian. Sie versprachen, keine unüberlegten Entscheidungen zu treffen und im Ernstfall sofort Kontakt zu Leon aufzunehmen. Christian machte sich auf den Heimweg, während sich die jungen Leute noch unter die Kastanie setzten. Benjamin war ins Bad gegangen und danach gleich ins Bett.

„Macht nicht mehr so lange!“

„Nein, Papa, ich komme gleich nach.“

In dem Moment klingelte Olivers Handy und sein Freund aus Berlin war dran. Ihr Plan ging auf, denn Noah hatte sich über die Einladung zum Konzert sehr gefreut und versprochen, seine Freundin mitzubringen. Als Oliver aufgelegt hatte, war er wütend.

„Dieser Scheißkerl! Es ist nicht zu fassen.“

Er fasste das Gespräch zusammen und danach planten sie ihre Reise. Oliver wollte am Donnerstag fahren, Nelly und Marius würden mit Simona am Freitag folgen.

„Weißt du was? Das ist doch Quatsch, wenn wir nicht alle vier am Donnerstag zusammen fahren. Ich kläre das morgen mit Simona und kriege sie schon zu einem schönen Wochenende überredet. Ich sage ihr, es ist eine Überraschung von uns allen. Sie wird schon mitkommen, schließlich hat sie ja sonst nichts vor.“

Oliver würde morgen seine Eltern anrufen und sie vom Besuch in Kenntnis setzen. Er küsste Nelly auf die Wange und ging schlafen. Marius nahm ihre Hand und begleitete sie heim. Sie küssten sich lange und Nelly wollte gerade fragen, ob er nicht bei ihr schlafen könnte, da schüttelte er den Kopf, so, als hätte er ihre Gedanken gelesen.

„Nicht böse sein, Süße. Bald schlafen wir zusammen ein. Ich liebe dich.“

„Gute Nacht, ich werde geduldig sein.“

Der Mittwochmorgen begann mit einem Gewitter. Nelly war schon um acht Uhr wach, obwohl sie heute ausschlafen wollte, und schaute den großen Regentropfen zu, die gegen ihr Fenster platschten. Sie streckte sich und schob die Beine aus dem Bett. Dort hangelte sie mit dem großen Zeh nach ihrem Shirt und zog es an. Wuschel hob im Körbchen seinen Kopf. Sie gingen gemeinsam ins Wohnzimmer, wo Nelly die Tür zum Garten öffnete. Der kleine Hund war kein Freund von Regen, also rannte er nur schnell zum Apfelbaum und hob sein Bein, um sich gleich danach neben Nelly das Wasser aus dem Fell zu schütteln.

„Du kleines Schwein“, schimpfte sie und forderte ihn auf, mit in die Küche zu kommen.

Sie stellte die Kaffeemaschine an und deckte für ein schnelles Frühstück den Tisch, als ihr Handy piepte.

„Bist du wach? Kuss, Marius“, stand dort.

Nelly antwortete: „Ja, eben aufgestanden. Ich komme, wenn das Gewitter vorbei ist. Frühstückt ohne mich.“

In dem Moment läutete es an der Haustür. Nelly fiel Marius um den Hals, der dort mit einer Tüte Brötchen unter einem riesigen Schirm stand.

„Das ist ja lieb! Müsstest du nicht im Weingut sein?“

„Benjamin hat mir bis Sonntag frei gegeben, damit wir das mit Simona planen können. Ich dachte, wir frühstücken erstmal und danach nehme ich dich mit zu meinen Eltern. Es wird Zeit, dass sie meine Traumfrau kennenlernen. Einverstanden?“

Nelly nickte und musste lachen.

„Ich muss ja nur noch deine Mama kennenlernen. Wie ist denn dein Vater drauf, wenn er privat ist? Ich sollte mich sicher besonders gut benehmen. Oh mein Gott, ich besuche meinen Schulleiter.“

Marius war in ihr Lachen eingestimmt und küsste sie auf die Nase.

„Du bist doof. Mein Vater ist voll nett und meine Mama ist die Beste. Benimm dich einfach ganz normal. Wir haben Ferien. Und jetzt habe ich Hunger.“

Nelly zog ihn an den Küchentisch, ließ die Brötchen in den kleinen Korb gleiten und stellte noch schnell einen Teller und eine Tasse dazu. Jetzt setzte sie sich zu Marius, der Kaffee eingoss und noch einmal aufstand, um im Kühlschrank nach der Milch zu suchen. Sie frühstückten und nach dem Abräumen folgte Marius seiner Freundin nach oben, wo Nelly vor dem Schrank stand, um nach einer Hose zu suchen.

Marius war hinter sie getreten und hatte seine Hände um ihre Taille geschlungen. Seine zitternden Lippen berührten ihren Nacken und Nelly schloss die Augen. Sie drehte sich um, schlang die Arme um seinen Hals und schob ihn zum Bett. Dort ließen sie sich der Länge nach hineinfallen und Marius küsste sie leidenschaftlich, während Nelly die Beine um seine Hüfte legte. Plötzlich biss er sich auf die Unterlippe und zog sich zurück.

„Es tut mir leid, aber es geht nicht. Noch nicht. Verzeih mir.“

Nelly seufzte traurig, aber sie hatte versprochen Geduld zu haben. Also zog sie ihn wieder an sich und flüsterte: „Halt mich nur noch eine Weile fest. Mehr nicht. Wir warten.“

Erleichtert kuschelte sich Marius an sie. Nach einer halben Stunde fragte er, wann sie mit Simona reden würde.

„Lass uns doch gleich noch bei ihr vorbeifahren. Dann erzählen wir ihr gemeinsam, dass wir für morgen eine Überraschung geplant haben. Am Abend muss ich das auch noch Mama sagen, sie kommt heute aus Potsdam zurück. Ich denke, sie wird uns genauso unterstützen wie Papa und Benjamin.“

„Dann los, ab ins Bad. Wir essen bei meinen Eltern zu Mittag. Ich hoffe, du kannst mit Messer und Gabel umgehen.“

Das große Kopfkissen traf ihn mitten ins Gesicht, als Nelly aus dem Bett sprang und ins Bad eilte.

„Du Affe!“, rief sie von dort und stellte sich unter die Dusche.

Marius hatte solange mit Wuschel gespielt und als sie fertig angezogen war, zufrieden und stolz seine hübsche Freundin angesehen.

„Kann ich so bei deiner Familie auftauchen?“

„Natürlich, du bist meine Prinzessin.“

Sie verließen das Haus und brachten Wuschel ins Weingut, um danach zu Simona zu fahren. Die hüpfte vor Freude in ihrem Bett auf und ab, als die beiden Freunde sie auf eine Überraschungstour eingeladen hatten.

„Super! Ich habe euch lieb. Mir ist schon ganz schlecht vor Langeweile. Ich freue mich, wo fahren wir denn hin?“

„Was hast du an dem Wort Überraschung nicht verstanden?“, fragte Marius trocken.

Nelly umarmte Simona. Schnell verabschiedeten sie sich, um sich auf den Weg zu Marius‘ Familie zu machen. Im Auto wischte sich Nelly eine Träne aus dem Augenwinkel. Marius strich ihr zärtlich über das Haar.

„Ich komme mir so mies vor. Simona denkt, es wird ein schönes Wochenende, aber eigentlich zerstören wir ihr Leben.“

„Süße, es scheint so, aber glaube mir, es ist das Beste für sie. Sie hat diesen Scheißkerl nicht verdient.“


Umweg ins Glück

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