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Marhbabik heiβt Willkommen

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‚Marhbabik‘ heißt willkommen - willkommen in Marokko!

Für Gelassenheit suchende, abenteuerlustige oder kulturinteressierte Europäer ist Marokko unbestreitbar verlockend, liegt es doch gewissermaβen komfortabel vor der Haustür und bietet dabei trotzdem so viel faszinierend Fremdes: Arabische Medinas und royale Städte mit beeindruckender Architektur im ganzen Land, zwei Küsten mit warmen Sandstränden im Norden, imposante Atlasberge im Zentrum, Wüste mit trutzigen Kasbahs und Oasen im Süden, vor allem aber ein vages Versprechen von Zauber und Exotik. Es ist eine andere Welt, ein Sehnsuchtsort; ganz nah und doch auch weit weg: Gut drei Flugstunden nur sind es von Frankfurt nach Casablanca und zwischen Tarifa und Tanger, an der engsten Stelle zwischen Europa und Afrika, gerade einmal läppische 14 km.

Von der anderen Seite aus gesehen jedoch ist es eine schiere Unendlichkeit, schwer überwindbar und doch der Traum fast aller, vor allem junger Marokkaner, von einem besseren Leben auf der anderen, der europäischen Seite.

Arabische Geographen nannten das Land im Norden Afrikas, das sich in ihren Augen wie eine Insel vom Rest der arabischen Welt abhob, einst 'Djeziraat el Maghreb', so etwas wie Insel der untergehenden Sonne und auch heute noch umschreibt der arabische Name Marokkos 'Al Mamlakat al Maghribija', was man nüchtern mit Westreich, poetischer mit Königreich des Sonnenuntergangs übersetzen könnte, nicht nur die geografische Lage, sondern auch die sinnliche Anziehungskraft des Landes. Heute haben wir von Ländern, die wir nicht wirklich kennen, meist zwei Bilder im Kopf: Für Marokko ist das eine sicherlich so eine Art Tausend-und-eine-Nacht-Romantik, orientalisch-fremdartig, sinnlich-verheißungsvoll; bei Lichte betrachtet auch kitschig, unwirklich, sagt uns unser Verstand, doch sehr verlockend, so unser Gefühl. Man denkt sofort an Marrakesch, eine Stadt, deren Namen allein schon wie ein Zauber klingt und auf die auch der Name des Landes Marokko zurückgeht, als in alten Zeiten Europäer mit diesem Namen der damaligen Hauptstadt, schlicht das ganze Land benannten. Die Geräusche, die Farbenpracht, die Suks, die Straßenverkäufer, Kameltreiber und Bettler, kurzum die 'Stimmen von Marrakesch', wie sie Elias Cannetti (1968) so malerisch beschrieben hatte, weckten später und wecken wohl noch immer in vielen eine Sehnsucht nach einer anderen, gelasseneren Art des Seins. „Trinke einen süßen Minztee. Köstlich. Die Verwandlung des Lichts und der Farbe in den zwanzig Minuten des Sonnenuntergangs sind unglaublich“, so erlebt Ernst Schnabel (1979) auf seiner Geo-Reise den Moment, als die Sonne über Marrkechs berühmtem Platz, dem Jemma-el-Fna, verschwindet. Und es stimmt, es ist schon wunderbar, dort das Sein zu genießen, den Duft des Tees, die Farben, das Licht; auch heute noch. Selbst wenn der Charme des berühmten Platzes längst schon dem Ansturm der Touristen und den allzu drängenden Angeboten der Verkäufer und Gaukler zum Opfer gefallen ist und im Laufe der Zeit auch einiges von seiner Vielfalt eingebüβt hat, bleibt das bunte Treiben dort ein Magnet für Touristen und Einheimische. In Marrakesch haben aus aller Welt schon Blumenkinder und Aussteiger ihr Glück, Künstler ihre Inspiration und die Schönen und Reichen märchenhaften Luxus gesucht und sicher oft auch gefunden. Das ist wohl das eine Bild von Marokko in unserem Kopf.

Auf dem Jemma-el-Fna, ‚der Versammlung der Toten‘, haben aber auch schon viele Menschen ihr Leben gelassen. In alten Zeiten war der Platz von den Sultanen als zentraler Platz für Hinrichtungen und zum Zurschaustellen der abgetrennten Köpfe genutzt worden. In unserer Zeit sind dort vierzehn Menschen Opfer eines Anschlags geworden, der ausgerechnet im Argana, dem berühmtesten Café auf dem Platz verübt wurde, auf dessen Balkon Einheimische wie Touristen gern ihren süβen Minztee schlürfen und das bunte Treiben auf dem Platz verfolgen. Aber ist nicht selbst bei irgendwelchen ausgeübten oder vereitelten Anschlägen in Europa, von denen wir in den Nachrichten hören, immer auch ein Marokkaner mit im Spiel? Man muss sich vor Marokkanern in Acht nehmen, sagte vor langer Zeit schon meine Vermieterin in Frankreich; das sind alles Diebe und Frauenunterdrücker sowieso. Und wurden die Nachbarn bei ihrem letzten Urlaub in Marokko mit ihrem schlecht vernähten Puff, den es im schwedischen Möbelhaus für weniger als das halbe Geld gab, nicht gnadenlos über den Tisch gezogen? Marokko, so das zweite Bild in unserern Köpfen, steht auch für Terrorismus und Islamismus, zumindest jedoch für Kriminalität, Gaunerei und Betrug und es macht, so gesehen, ein wenig Angst.

Beides ist Marokko natürlich so nicht; andererseits enthalten Bilder im Kopf oft auch einen Funken Wahrheit. Marokko erscheint jedenfalls voll von Gegensätzen und Widerspüchen: Es ist ein kaltes Land mit heißer Sonne, ein armes Land mit großem Reichtum, ein gastfreundliches Land hinter hohen Mauern. Es ist modern und rückwärtsgewandt, arabisch, afrikanisch und europäisch und dabei irgendwie immer auch auf der Suche nach sich selbst. Im Reiseführer heißt so etwas gern 'Land der Extreme', aber selbst Marokkaner fragen sich angesichts all dieser Widersprüche schon manchmal, ein wenig ironisch zwar, aber doch auch ernst gemeint: „Wie kann man Marokkaner sein?“ und dies durchaus nicht nur im Buchtitel des marokkanischen Autors Abdesselam Cheddadi (2009).

Eine Antwort darauf, wie man überhaupt Marokkaner sein kann, soll und kann natürlich ausgerechnet hier auch nicht gefunden werden. So gesehen scheint aber auch schon ein Ratgeber für ein besseres Verstehen des Landes und einen pflegeleichten Umgang mit Marokkanern, eine Art Reise-Knigge für Marokko als Anleitung für richtiges Verhalten in allen Fällen, ein aussichtsloses Unterfangen zu sein, das eigentlich nicht gelingen kann. Andererseits tut Orientierung not, gerade angesichts der Widersprüchlichkeiten. Ein Fettnäpfchen ist da nämlich sonst schnell gefunden. Höchste Zeit also dennoch ein paar Erfahrungen und Tipps aus den nun mehr als fünfzehn Jahren, die ich hier in Marokko verbracht habe, aufzuschreiben. Dies geschieht mit großer Zuneigung für das Land, bisweilen auch mit einem leichten Augenzwinkern und alles dank der Einsichten und Ansichten, die ich durch meine marokkanische Familie, als auch durch die Studenten, mit denen ich hier arbeiten durfte, gewonnen habe. Dem großen Vorbild aller Ratgeber durchaus ähnlich, kann ich vorab schon einmal sagen, dass man mit Freundlichkeit, Respekt und Fingerspitzengefühl, aber auch mit Wissen und Verständnis sicher am weitesten kommt und eine wirklich schöne Zeit in Marokko verbringen kann.


Foto: Marokkaner, Graffiti in Marrakesch

Marokko

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