Читать книгу Marokko - Utina Kiani - Страница 7

Oase Figuig, oder: Was den Bauern auf die Palme bringt

Оглавление

In der Oase ist Wasser alles. Es verbindet alle und entscheidet alles. In einer der schönsten Oasen des Landes, in der Stadt Figuig, am äußersten Südostzipfel Marokkos, 370 km südlich von Oujda gelegen, kommt es aus über dreißig Quellen und sein Weg verläuft teils gut sichtbar, teils aber auch völlig verborgen. Denn das Wasser tritt hier meist nicht vor Ort und von selbst aus der trockenen Erde. Die Oasenbewohner haben es vom Gebirgspalteau Oudaghir hergeleitet und dieses weite System unterirdischer 'Foggaras' schon vor langer Zeit angelegt. In einem der rund zweihundert Bassins in der Oase wird das kostbare Nass dann gesammelt und schließlich innerhalb der Oase nach einem traditionellen, genau ausgeklügelten System durch über hundert Kilometer lange, offene Kanäle, sogenannte Seguias, von Garten zu Garten verteilt. Das Wasser bestimmt somit alles, auch das soziale Miteinander der Oasenbewohner und so wacht ein besonders ehrbarer Mann als Wasserwächter, 'Sraifi', auch über die gerechte Zuteilung der kostbaren Tropfen. Sicherlich nicht die schlechteste Art ist es, beim Erkunden der Oasenstadt einfach dem Lauf des Wassers zu folgen und sich durch das Labyrinth der Gassen treiben und die Farben und das Spiel von Licht und Schatten auf sich wirken zu lassen. Man trifft dabei auch auf Frauen mit traditionellem Haik, einem groβen weiβen Baumwolltuch, das den ganzen Körper umhüllt und mit einer Hand vor dem Gesicht zusammengehalten wird, so dass oft nur ein Auge frei bleibt. Nach wie vor leben in Figuig vor allem Berber vom Stamm der Beni Guil von traditioneller Landwirtschaft, in deren Mittelpunkt natürlich die Dattelpalme steht. Der Legende nach soll Gott, nachdem ihm bei der Schöpfung noch zwei kleine Klumpen Erde verblieben waren, aus dem einen das Dromedar, aus dem anderen die Dattel geschaffen haben und für die Oasenbewohner soll die Schöpfung damit wohl perfekt gewesen sein. Dazu zu zählen wären vielleicht nur noch die nomadisierenden Viehzüchter, die mit ihren Tieren, Schafen der gleichnamigen Rasse Beni Guil, deren Fleisch ob der kargen, kräuterreichen Nahrung besonders gut schmecken soll, durch die karge Steppenlandschaft Dahra ziehen, welche Figuig mit ihrem riesigen Palmenhain umgibt.

Was den Bauern in der Oase auf die Palme bringt, sind natürlich zuallererst einmal seine Datteln. Die Datteln sind der Reichtum der Oase. Die Palme mit ihren zuckerhaltigen Früchten gedeiht, so sagt man, mit dem Fuß im Wasser und dem Kopf im Feuer und ist dabei Sonnenschutz für darunterliegende Etagen des Obst- und Gemüseanbaus. Mitte Februar ist Blütezeit der bis zu 40 Meter hohen Palmen und zwar auf nach Geschlecht getrennten Bäumen. Um Wasser und Platz zu sparen, kultivieren die Oasenbewohner Figuigs nämlich bei etwa 190.000 weiblichen nur rund 100 männliche Bäume und so ist eine Befruchtung auf natürlichem Weg über Insekten oder Wind nicht effizient möglich. Der Gärtner klettert daher mit einem männlichen Blütenstand auf jede einzelne seiner Palmen. Erntezeit ist dann ab August. Auch dies ist ein wichtiger Moment im Jahr. Die ganze Familie ist mobilisiert und der Gärtner klettert wiederum auf seine Palmen, jetzt um die Fruchtstände abzuschneiden, die unten mit einem großen, gespannten Tuch aufgefangen, gesammelt und dann zum Verkauf, zum Eigenverbrauch und zum Nachreifen auf der Dachterrasse sortiert werden.


Foto: Mit der Dattelpalme und dem Dromedar war die Schöfung perfekt

Was den Bauer aber sicher noch auf die Palme bringt, im übertragenen Sinn jetzt, ist seine unsichere Zukunft. Früher wurden in Figuig bessere Datteln geerntet und es gab auch mehr verschiedene Palmenarten. Von ehemals über zwanzig Arten sollen nur noch gut die Hälfte übrig geblieben sein und vor allem die guten Sorten, wie Majhoul, die Königin der marokkanischen Datteln und Bouffaggous, sind weiter im Verschwinden begriffen. Schuld daran ist vor allem ein mikroskopisch kleiner Gegner namens fusarium oxysporum, ein Pils, der sich langsam von der Wurzel bis zum Palmenherz frisst und damit das Ende die Palme besiegelt. Gut achttausend Exemplare sollen in Figuig davon betroffen sein. Aber fast alle marokkanischen Oasen und Palmenhaine kennen das Problem. Den Kampf gegen die Plage erkennt man überall an verkohlten Palmstümpfen und an vertrockneten Blättern.

Grund zur Sorge bereitet hier und anderswo in den Oasen aber auch das Wasser, denn Trockenheit und Überweidung haben den Ausstoß der Quellen in den letzten Jahren um einiges reduziert: in Figuig von insgesamt gut 200 Litern pro Sekunde in den 80er Jahren auf derzeit etwa 120 Liter. Aber nicht nur das Wasser verschwindet, auf der Suche nach Zukunft sehen auch viele junge, oft gut ausgebildete Leute in der Oasenstadt keine gesicherte Zukunft und suchen Arbeit und Glück anderswo. Um die Zukunft der Oasen zu sichern, wurden überall im Land Kooperativen zur Kommerzialisierung der Datteln und des traditionellen Handwerks gegründet. Hoffnung gesetzt wird auch auf einen sanften, solidarischen Kultur- und Ökotourismus, der das fragile System nicht zerstört und die Seele der Oase bewahren soll. In Figuig locken seitdem Nomaden der Umgebung mit Landrover-Expeditionen in die Steppe, die sie 'Tourisme de Poussiere', getauft haben.

Diese sogenannten 'Staubtouren' sind neu, der Umgang mit Fremden jedoch hat in Figuig Tradition. Schlieβlich war die über tausend Jahre alte Oasenstadt schon in den alten Zeiten des großen, transsaharischen Handels von Bedeutung als Rastplatz der Karawanen, die mit ihren Kamelen und Dromedaren die Wüste durchzogen. Später war die Stadt ein Zankapfel zwischen Algerien und Marokko - eine Auseinandersetzung in die auch das koloniale Frankreich verwickelt war. Feindseligkeiten jedoch gab es auch schon früher, was auch an der wehrhaften Baustruktur der Oase abzulesen ist. Denn eigentlich besteht Figuig aus sieben einzeln befestigten Dörfern, Ksour genannt, die allesamt von einer eigenen Mauer geschützt wurden und zu deren Kern neben den überdachten Gassen, den Saba, mit ihren eng zusammenstehenden, in traditioneller Stampflehmbauweise errichteten Häusern auch umfriedete Gärten und natürlich Palmenhaine gehörten. Feindseligkeiten untereinander sind heute natürlich überwunden, die meisten Mauern aber leider auch zu Staub verfallen und man bewegt sich heute in Figugig, für Marokko fast ungewöhnlich oft mit dem Fahrrad, ohne Probleme zwischen den sieben Ksour (Hammam Foukani, Hammam Tathani, Laâbidat, La Maiz, Loudaghir, Ouled Slimane und Zenaga), die alle miteinander verschmolzen sind und trotzdem auch eine gewisse eigene Identität bewahrt haben.

Wer jedoch nicht nur Steppe mit Halfagras und Wüste nicht nur als Staubtour mit Geröll, sondern mit feinem Sand und atemberaubenden Dünen erleben möchte, muss von Figuig aus eine gute Tagesreise weiter südlich ziehen nach Merzouga oder Erfoud. Von hier aus kann man einen Trip in die Dünen Erg Chebbi machen und dabei am besten eine Nacht in der Wüste verbringen. Die Infrastruktur ist hier gut auf Touristen vorbereitet, aber dennoch bleibt es ein unvergessliches Erlebnis, die absolute Stille der Wüste wahrzunehmen und zu erleben, wie die Sonne in der Wüste untergeht.


Foto: Beni Guil bezeichnet einen Berberstamm rund um Figuig, aber auch eine Rasse Schafe, deren Fleisch durch die karge Nahrung dort besonders gut schmecken soll.

Marokko

Подняться наверх