Читать книгу Europa - Tragödie eines Mondes - Uwe Roth - Страница 8

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2. Das Aufstiegsschiff

Am frühen Morgen des nächsten Zyklusses bestieg Zeru die Vakuumbahn, die sie zum Kontrollzentrum der Mission bringen sollte. Da sich der Bahnhof nicht weit von ihrer Wohnsiedlung entfernt befand, begab sie sich schwimmend dort hin. Sie war froh, nicht ewig nach einer Dockingstation für ihren Flitzer suchen zu müssen. Es war lange her, dass sie auf eine solche geschäftige Flut von Maboriern traf.

Das Eingangsportal zu den einzelnen Vakuumbahnen drohte durch die Massen an Maboriern zu verstopfen. Jeder schien als Erster durch die enge Röhre die Innenhalle beschwimmen zu wollen. Zeru hatte keine Wahl. Sie musste sich in den Strom der Schwimmer einreihen. Körper an Körper drängten sich die vielen Reisenden vorwärts. Unentwegt wurde Zeru von fremden Maboriern angestoßen und zur Seite gedrängt. Deren Atemwasserzüge drangen bis tief in ihre Ohren ein, die zwar eng an ihren flachen Kopf anlagen, aber immer wieder versuchten, die vielen Geräuschen zu orten. Wäre sie nicht schon in engen, alten Ruinen herumgeschwommen, die manchmal bedrohlicher wirkten als dieser Strom an Reisenden, wäre sie in Panik verfallen. So aber schwamm sie ruhig und gelassen dem Ende der Eingangsröhre entgegen.

Sekunden später erblickte sie glücklicherweise das Ende des Tunnels. Sie sah, wie die Reisenden vor ihr auseinanderströmten und sich in der Halle verloren. Wenige Augenblicke später erreichte sie ebenfalls das Tunnelende und schwamm, wie die Maborier vor ihr, zur Seite in die Empfangshalle ein. Gegenüber der Enge der Eingangsröhre schien die Halle riesig zu sein. Aber je tiefer sie in ihr eintauchte, umso gewaltiger wurde sie. Sie war erfüllt von den Reisenden, die über ihr, unter ihr oder neben ihr wimmelten. Viele reihten sich in Schlangen vor Kiosken und Ticketterminals ein. Diesen Eindruck aber schnell beiseiteschiebend orientierte sie sich und suchte ihren Bahnzustiegsbereich.

Voller Vorfreude schwamm sie zu dem Bahnsteig, von dem ihre Bahn starten sollte. Verwundert stellte sie fest, dass sie zu früh aufgebrochen war. Dies ignorierend, ordnete sie sich in die Reihe der wartenden Passagiere ein. Eine gute Gelegenheit den Reisenden zuzuschauen, wie sie geschäftig an ihr vorbeiglitten, fand sie. Wo die wohl alle hinwollen, fragte sie sich. Da jeder Bahnzustiegsbereich nur die Höhe der vorhandenen Bahnzustiegsschleuse maß, huschten die vielen Reisenden nur in ihrer Augenhöhe an ihr vorbei. Wenn sie an die riesige Vorhalle dachte, die sie vor kurzem durchschwommen hatte, gab diese Enge dem ganzen Treiben eine klaustrophobische Atmosphäre.

Mit ihr befanden sich im Bahnzustiegsbereich etwa ein Dutzend andere Maborier, die ebenfalls auf ihre Bahn warteten. Sie stellte fest, dass der überwiegende Teil der Reisenden hier im Bahnhof von Lorkett ankamen. Sie überlegte, ob es sich bei diesen vielen Maboriern um Flüchtlinge handelte. Wenn das so wäre, würde ihre schöne Heimatstadt bald überfüllt sein. Aber davon durfte sie sich jetzt nicht ablenken lassen.

Sie dachte an die seltsamen Funksprüche, die wie einzementiert in ihrem Gehirn herumgeisterten. Wenn sie die Intelligenzen finden würde, dann könnten diese bestimmt den vielen Flüchtlingen helfen, ihre Heimat nicht weiterhin durch die Eisbarriere zu verlieren.

Sie wandte sich von dem Strom der eintreffenden Maborier ab und richtete ihren Blick nach vorn, auf die verschlossene Bahnschleuse, die die wasserleere Röhre vom Bahnsteig trennte. Eine Anzeige über der Schleuse leuchtete grellblau auf, so dass ihre Augen schmerzten. Sie signalisierte, dass die Bahn in diesem Moment einfuhr. Nun brauchte sie nur noch wenige Sekunden zu warten, um ihre aufregende Reise zu beginnen. Die Signalleuchte änderte ihre Farbe. Nur Augenblicke später öffnete sich die Schleuse und gab den Blick ins Innere der Bahn frei. Aber ehe sie die Vakuumbahn beschwimmen konnte, strömte ihr ein erneuter Schwall von Maboriern entgegen.

Die Vakuumbahn brachte sie pünktlich und sicher zum Startzentrum der Mission. Sie kannte sich hier ein wenig aus, da sie schon einige Male hierher eingeladen worden war, um sich mit den Begebenheiten vertraut zu machen. Sie schwamm durch mehrere Korridore und gelangte schnell in den für die Crew reservierten Raum.

In einer Ecke hing ein Bildfernübertragungsmonitor in Schwimmhöhe der Maborier. Er wurde von einem elegant gebogenen Korallenarm getragen, dessen kantige Form von grünen, ekligen Algen abgerundet wurde. Zeru achtete nicht weiter auf den Monitor, da eine unwichtige, belanglose Sendung lief. Sie schwamm ein wenig verloren in dem Raum umher und wunderte sich, dass man sie nicht empfing. Ich bin bestimmt wieder Mal zu früh, überlegte sie. Aber diesen Gedanken musste sie nicht lange weiterverfolgen, da sich in diesem Moment die Luke öffnete.

Sie drehte sich zu ihr um und erkannte den Captain der Mission, Captain Tarom, der gleich auf sie zu geschwommen kam. Hinter ihm schwamm ein schlaksiger, dünner Maborier in den Raum.

»Hallo, Zeru, ich heiße Sie willkommen auf unserem wundervollen Gelände. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Anreise?«, begrüßte er sie herzlich.

»Ja, danke, die Reise war schon angenehm, wenn die Züge nicht so voll wären.«

»Ja, die vielen Flüchtlinge aus den betroffenen Gebieten. Das ist schon traurig. Aber darf ich Ihnen unseren Missionsleiter vorstellen?« Tarom drehte sich zu dem anderen Maborier um, der gemeinsam mit ihm den Raum beschwamm.

»Ja, gerne«, bejahte Zeru seine Frage.

»Das ist unser Missionsleiter. Er wird uns bis zum Start begleiten. Er ist sozusagen unsere Nabelschnur zum Überwachungspersonal«, sagte er.

»Hallo, ich bin Zeru.«

»Ich heiße Sie willkommen. Es freut mich, ihre Bekanntschaft zu machen.« Der Missionsleiter reichte ihr zur Begrüßung die Flossenhand und wandte sich wieder dem Captain des Aufstiegsschiffs zu.

»Wir sollten uns in den Besprechungsraum begeben, Captain«, forderte er den ihn auf.

»Ja, Sie haben recht«, bestätigte der Tarom und schwamm voraus. Zeru und der Missionsleiter folgten ihm.

Im Besprechungsraum angelangt, erwarteten die weiteren Mitglieder ihrer kleinen Forschungsgruppe ihr Erscheinen. Ohne sich eine Pause zu gönnen, schwamm der Captain zu einem Monitor, der ebenfalls in der Ecke hing und versuchte ihre Mission mit einfachen Worten zu erklären.

»Unsere Mission besteht darin, herauszufinden, was das Oben ist, und inwieweit uns das Oben, das sich oberhalb des Schleiers verborgen hält, in der jetzigen Situation helfen kann. Wir müssen herausfinden, ob das Oben für die Katastrophen verantwortlich ist. Wir werden also an der nördlichen Barriere emporsteigen, die wahrscheinlich weit in den Schleier hinaufreichen wird. Wir halten währenddessen ständig Kontakt zur Bodenstation. Wie schließlich unser Weg weiter aussieht, entscheidet sich, wenn wir das Oben erreicht haben und wissen, was es darstellt. Dank der Forschungen unseres Mitgliedes Zeru, die unter der Leitung des ehrenwerten Professors Bereu erstaunliche Erkenntnisse gewonnen hat, vermuten wir, dass das Oben eventuell eine Art von Leben beherbergt.«

Ein Raunen ging durch die Reihen der Anwesenden. Zeru lächelte dem Captain verlegen zu. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie fühlte sich enttarnt. So sehr sie ihre Theorie weit hinaus brüllen wollte, so sehr beunruhigte sie die Tatsache, dass man sie in der Öffentlichkeit nicht ernst nahm.

»Ja, Zeru, Sie dürfen sich ruhig geehrt fühlen«, lächelte er wieder zurück und erwies ihr so seinen Respekt, »Und dieses Leben könnte genau über der Stelle existieren, die errechnet wurde, nachdem vor einem Zeitzyklus der Brockenbefall stattgefunden hatte«, redete Tarom weiter.

»Ja, ich weiß, hätte sich damals die allzeitzyklische Strömung nicht verspätet, würde Lorkett jetzt unbewohnbar sein«, erinnerte Zeru die anderen daran, wie knapp ihr Heimatort an einer Katastrophe vorbeigeschrammt war.

»Sie haben völlig recht, Zeru«, pflichtete der Captain ihr bei, »deshalb vermuten wir, dass sich genau über Lorkett eine Anomalie befinden muss.« Tarom machte eine kurze Pause, um in den Gesichtern seiner zukünftigen Mannschaft zu lesen. Er sah Neugierde und Entschlossenheit.

»Ist das unser Ziel, Captain?« fragte Zeru. Sie brauchte aber Taroms Antwort erst gar nicht abzuwarten. Sie wusste, dass das so war.

Er holte tief Atemwasser und redete weiter.

»Genau Zeru, dieser Ort stellt unser Ziel dar. Diese Abnormität werden wir suchen und entscheiden dann, was zu tun ist.«

Seine Miene verfinsterte sich mitten im Satz, als vom Nachbarmonitor, auf dem die Nachrichten liefen, eine Meldung vorgetragen wurde. Der Nachrichtensprecher wirkte nervös, so, als ob er es nicht gewohnt war, solche Berichte vorzutragen. Da das aber seit einem Zeitzyklus auf der Tagesordnung stand, fasste er sich schnell wieder und redete souverän weiter.

»Wie uns vom Ministerium der Umweltbehörde mitgeteilt wurde, bewegen sich die großen Eisbarrieren mit immer größerer Geschwindigkeit auf die noch nicht betroffenen Bereiche zu. Der Lebensraum wird kälter und wird gefrieren. Auch die bisher noch nicht betroffenen Bereiche fangen nun an, rapide an Temperatur zu verlieren.« Der Moderator sah von seinem Manuskript auf und blickte ungläubig in die Kamera. Erst jetzt begriff er, was er vorgelesen hatte. Auch im Kontrollzentrum ging ein Raunen um. Niemand konnte fassen, was da eben gesagt wurde.

In diesem Moment beschwamm ein weiterer Maborier den Raum, den Zeru nur vom Fernübertragungsmonitor her kannte. Es war der Präsident von Maborien! Gemeinsam mit seinem Gefolge schwamm er in den Besprechungsraum ein und positionierte sich vor der versammelten Mannschaft.

»Ich begrüße Sie alle«, sagte er, dessen Blick sich gleich zum Monitor wandte, auf dem vor wenigen Sekunden diese fürchterlichen Nachrichten liefen.

»Nun bringen sie es auch schon in den Nachrichten. Zu meinem Bedauern muss ich Ihnen leider mitteilen, dass das, was sie eben in den Nachrichten gesehen haben, alles der Wahrheit entspricht. Umso wichtiger ist Ihre Mission. Ich kann Sie nur anflehen, herauszufinden, was sich dort oben verbirgt. Vielleicht gibt es einen Ausweg aus dieser schlimmen Lage. Sonst sind wir alle verloren.«

Der Präsident ließ seinen Blick durch die Runde schweifen. Er sah jeden Einzelnen von ihnen direkt ins Gesicht. Seine Schuppen glänzten in dem hellen Licht der Scheinwerfer, was ein Ausdruck für absolute Anspannung war. Zeru wusste, dass dies ein Anzeichen dafür war, dass die Lage sehr ernst sein musste. Sie war nicht auf solche schlimmen Nachrichten vorbereitet und wirkte deshalb etwas abwesend. Sie war geschockt. Nachdem Zeru den Blick vom Monitor abgewandt hatte, sah sie den Präsidenten an. Sie traute sich erst nicht, ihn anzusprechen. Da aber nicht die Zeit für unnötige Schüchternheit war, fasste sie all ihren Mut zusammen und sprach.

»Mr. Präsident, mein Name ist Zeru.«

»Ja, ich weiß. Ich bin über alle Mitglieder der Expedition unterrichtet. Sprechen Sie!«

Kaum erstaunt darüber, dass der Präsident jedes Expeditionsmitglied kannte, sprach sie ihn so direkt an, als wäre er ein normaler Maborier.

»Ist es wirklich so schlimm, wie der Nachrichtensprecher berichtet hat?«, wollte sie von ihm wissen.

Der Präsident schaute verlegen in ihre Augen. Ihm gefiel es selbst nicht, dass diese Nachrichten durchdringen konnten. Er hätte am liebsten dafür gesorgt, dass man die Maborier noch ein wenig im Unklaren ließ.

»Ja, das ist es. Aber glauben Sie mir, wir werden alles Mögliche daransetzen, um diese schwere Stunde zu überstehen. Ihre Mission ist eines davon«, sprach er voller Stolz auf die Expeditionsteilnehmer.

Aber Zeru begriff trotzdem nicht, wieso die Bevölkerung so lange im Unklaren gelassen worden war. Jeder wusste inzwischen von den eingeschlossenen Städten, aber dass es so dermaßen schlimm war, hatte sie nicht geahnt.

»Sie wissen davon schon länger. Oder?«

»Ja, gut, wir wissen schon seit einiger Zeit, dass das Eis seine Geschwindigkeit erhöht hat. Aber, dass das so dramatisch erfolgen würde, ahnten wir nicht. Die Wissenschaftler, die sich damit beschäftigen, sind schon seit längerem vor Ort. Sie haben Tiefentemperaturmessungen vorgenommen. Unser Kern kühlt sich schneller ab, als bisher vermutet wurde. Und das geschieht seltsamerweise proportional. Wenn das so weitergeht, dann gibt es für unser Volk bald keinen Lebensraum mehr. Wir wissen nicht, was uns dort oben helfen könnte. Aber trotzdem legen wir alle Hoffnungen in ihre Mission zum Oben. Ich möchte Sie eindringlich darum bitten, schnellstmöglich einen Weg zu finden, um uns zu retten. Außerdem bitte ich darum, ihre Forschungen zurückzustellen. Darauf zu verzichten, unnötige, zeitraubende Ausflüge zu unternehmen, um Hirngespinsten hinterherzujagen.«

Zeru wusste genau, was er damit meinte. Der Präsident war schon längst von ihren Forschungen unterrichtet und von den hohen Gremien angewiesen worden, ihnen Einhalt zu bieten. Sie sah Tarom an, dass er ebenso von diesen Äußerungen geschockt war, wie sie selbst. Sie ließen ihn trotzdem weiterreden. Immerhin handelte es sich hier um bestätigte Daten, die nicht widerlegt werden konnten, stellte Zeru fest. Aber diese ignoranten Gremien beharrten immer noch auf ihre alte Doktrin. Zeru hörte dem Präsidenten weiter zu.

»Dabei beobachten Sie die nördliche Barriere, um eventuelle Spalten oder ähnliches zu finden. Außerdem bitte ich Sie darum, festzustellen bis zu welcher Höhe die Barriere im Schleier emporragt. So lange eine Funkverbindung besteht, senden Sie uns diese Informationen, damit wir unser Vorgehen weiter koordinieren können«, der Präsident machte eine kurze Pause und nahm einen kräftigen Schwall Atemwasser in seine Kiemen auf und erläuterte weiter, »Wenn Sie das Oben erreicht haben, suchen Sie nach Hinweisen, die uns helfen können, diese Katastrophe noch rechtzeitig abzuwenden.« Der Präsident unterbrach ein weiteres Mal seinen Vortrag, um zu sehen, ob es eine Reaktion der Mannschaft gab. Etwas eingeschüchtert von dem hohen Besuch nickte Tarom dem Präsidenten zustimmend zu. Während er weiterredete, wandte er seinen Kopf zu Zeru.

»Und wenn das Oben irgendetwas beherbergt, dass uns in dieser schweren Stunde helfen kann, dann nehmen Sie dazu Kontakt auf!«

Zeru konnte es nicht fassen. Zog man nun doch in Erwägung, dass ihre Forschungen ein Fünkchen Wahrheit enthalten könnten? Der Präsident wandte seinen Kopf zur Seite, zu dem Maborier, der mit ihm den Raum beschwommen hatte.

»Das ist Shatu. Er wird in allen Belangen darüber entscheiden, ob und wie mit potentiellen Fremden umgegangen wird.«

Shatu nickte der versammelten Mannschaft zu. Er schwebte völlig ruhig und emotionslos neben dem Präsidenten. Zeru staunte, wie wenig Flossenbewegungen dieser Shatu dazu brauchte.

»Wir müssen in dieser Lage jede noch so unwahrscheinliche Möglichkeit ergreifen, die es ermöglichen könnte, uns von der Eisbarriere zu befreien.«

Ehe Zeru ein Wort dazu sagen konnte, richtete der Präsident den Blick wieder dem Captain zu und signalisierte somit, Zustimmung zu erhalten.

»Ja, gut«, konnte Tarom darauf nur erwidern. Nachdem er sich etwas gefasst hatte, setzte er hinzu, »Gut, wir werden unser Möglichstes versuchen«, bestätigte er.

Tarom gab dem Präsidenten, was er wollte. Das fand Zeru gut. Er wurde ihr dadurch umso sympathischer. Der Präsident nickte dem Captain dankend zu.

»Darf ich Sie dann alle bitten, Ihren Blick zum Monitor zu wenden!«, forderte der Missionsleiter die Anwesenden auf.

Der bis jetzt untätig im Raum herumschwimmende Missionsleiter startete im selben Augenblick eine kurze Simulation, die der Monitor daraufhin anzeigte.

»Hier ist die Barriere«, zeigte er, »Sie Starten von hier, etwa einen Kilometer weit weg von ihr. Während Sie emporsteigen, wird die Barriere auf die Hälfte des Weges auf Sie zugewachsen sein. Sie müssen Acht geben, dass Sie der Eiswand nicht zu nahekommen. Denn dann besteht die Gefahr, dass Sie im gefrierenden Wasser stecken bleiben. Mit Ihrem heizbaren Außenmantel können Sie sich zwar wieder befreien. Das würde aber unnötige Energiereserven kosten, die Sie in brenzligeren Situationen dringender gebrauchen könnten.« Das Gesicht des Missionsleiters senkte sich. Er schwamm an die Seite des Präsidenten und überließ ihm das weitere Reden.

»Ich wünsche Ihnen also viel Glück bei Ihrer Mission.«

Nachdem er nochmals allen Mitgliedern der Expedition die Flossenhände geschüttelt hatte, verließen sie den Raum. Die Tür verschloss sich hinter ihnen. Die sechs Besatzungsmitglieder sahen dem Präsidenten mit seinem Gefolge verdutzt nach. Jedem wurde bewusst, dass ihre Welt dem Untergang geweiht war, wenn nicht ein Wunder geschah.

Der Mechaniker der Mannschaft, Kakom, ergriff als erster das Wort. Seine hellgelben Schuppen glänzten im Monitorlicht. Seine Mundwinkel zog er nach unten, so dass ein verschmitztes Lächeln zu sehen war.

»Ich werde mir erst mal die Maschine ansehen. Kontrollieren ob alle Energiespeicher aufgeladen sind. Unsere Reise wird ja nun etwas aufregender.«

»Tun Sie das, Kakom, und sehen Sie gleich noch nach, ob die äußeren Greifarme funktionieren!«

»In Ordnung, Captain.«

Damit verabschiedete sich Kakom von seinen Kameraden und schwamm zur Luke, die durch Bewegungssensoren im selben Augenblick in die Höhe schnellte und ihn nach draußen entließ.

»So, Zeru, nun kann ich Ihnen die anderen Mitglieder vorstellen,« der Captain drehte sich zu ihren zukünftigen Mitstreitern um und sprach weiter, »da wäre also unser Geologe Jirum.«

Voller Bewunderung begrüßte Jirum die junge Wissenschaftlerin.

»Sie sind das also, die diese Signale von oben aufgefangen hat. Es ist aufregend.«

Zeru war erstaunt, dass man hier schon von ihrem Institut gehört hatte und dass man sie kannte.

»Nicht nur ich allein. Das Team um Professor Bereu empfing diese Signale.«

»Was bedeuten diese Signale, Zeru, wissen Sie es?« Jirum redete begeistert von dem, was die Wissenschaftlerin entdeckt hatte.

»Wir haben seltsame Geräusche isolieren können. Wir wissen aber nicht genau woher sie stammen, noch weniger wissen wir, was sie bedeuten könnten. Was wir mit Gewissheit wissen, ist, dass sie aus dieser Anomalie kommen. Wir nehmen an, dass erst diese Anomalie das Durchdringen dieser Signale ermöglicht hat.«

»Sie meinen den Ort, von dem die Befallskatastrophe ausging?«

»Ja, genau das meine ich«, bestätigte Zeru und führte ihre Antwort weiter aus, »irgendetwas Intelligentes ist dort oben und ich lasse mir das nicht von irgendwelchen Gremien ausreden.«

Jirum dachte da etwas anders. Er war mit den alten Prinzipien seiner Welt erzogen worden, die keinerlei Freiraum für irgendwelche Spekulationen über die Existenz anderen Lebens außerhalb ihres unmittelbaren Lebensraumes zuließen. Er nahm diese Erziehung immer so hin, wie sie eben war und kümmerte, sich nie darum, ob das stimmte oder nicht. Wenn wir dort oben etwas entdecken, was nicht meiner Erziehung entspricht, dann ist es eben so. Sollten wir nicht, auch gut, dachte er. Er nahm an dieser Mission nur teil, da die Entlohnung üppig ausfiel. Dessen ungeachtet mochte er solche Herausforderungen. Aber je mehr er darüber nachdachte, desto unwahrscheinlicher hielt er eine Begegnung mit unbekannten Lebensformen. Im Grunde hatte er nie über derartige Dinge nachgedacht.

»Und Sie sind der Meinung, dass diese Signale von Lebewesen stammen könnten, die dort oben wohnen?«

Zeru überlegte, was sie ihm darauf antworten sollte. Ob sie überhaupt frei reden durfte. Immerhin handelte es sich dabei nicht nur um ihre sehnlichsten Wünsche, sondern vielmehr um vertrauliche Forschungsergebnisse. Auch, wenn sogar der Präsident in Erwägung zog, dass dort oben etwas existierte, was allgemein als unmöglich galt, wollte sie dennoch in ihren Äußerungen zurückhaltend sein.

»Ob es sich nun tatsächlich um uns ähnliche Lebensformen handelt, kann ich nicht sagen. Immerhin haben wir aber Signale aufgefangen, die nur von intelligenten Wesen gesendet sein können, da es sich um Funksignale handelt.« Sie war langsam genervt von dieser aufdringlichen Fragerei.

Captain Tarom unterbrach zum Glück dieses Gespräch, um Zeru dem Biologen der Mission vorzustellen. Einem dicklichen, kleinen, untersetzten Maborier. Seine dicken, mit laschen Schwimmhäuten besetzten, Hände ließen Zeru zögern, ihn zu grüßen.

»Das ist Waru, unser Biologe und Arzt.« Nachdem Waru vom Captain vorgestellt wurde, ergriff Zeru dennoch seine Flossenhand und grüßte ihn.

»Tja und der fünfte im Bunde scheinen Sie zu sein, Shatu«, hieß Tarom den vom Präsidenten gesandten Maborier willkommen.

»Ja, so ist es. Ich bin Regierungsbeauftragter und werde Sie als Berater begleiten, so wie es der Präsident verlangt hat.«

Zeru war geschockt. Ein Vertreter der Regierung, dachte sie. Das hat mir noch gefehlt. Erst dieser Jirum, der das ganze Problem der Einzigartigkeit unserer Welt nicht so ernst nimmt, aber immerhin, und nun noch dieser Regierungsbeauftragte.

Shatu war ein gutaussehender, junger Maborier. Seine grünen Augen schienen Zeru zu durchdringen. Sie reichte ihm dennoch die Hand zur Begrüßung. Shatu erwiderte ihre Freundlichkeit mit einem Lächeln. Er wurde durch die Gremien über die junge Wissenschaftlerin ausgiebig unterrichtet. Demnach selektierten sie und die anderen Wissenschaftler des Forschungszentrums Signale von der oberen Hemisphäre, was er besorgniserregend empfand. Auch wenn er davon überzeugt war, dass dort oben kein Leben existieren konnte, so würde er seinen vom Präsidenten auferlegten Auftrag ausführen. Aber er fand, dass diese Zeru in seinen Augen nicht sonderlich bedrohlich wirkte, eher naiv. Auch wenn ihre Erkenntnisse den Gremien Angst einjagten, so glaubte er nicht, dass von ihr und ihren Theorien eine Gefahr ausging.

»Ich begrüße Sie, werte Zeru.«

Sein charmantes Lächeln würde Zeru nicht darüber hinwegtäuschen, dass er von der Regierung geschickt wurde, um in ihre Forschungen einzugreifen. Egal ob sie es wollte oder nicht. Aber das würde sie zu verhindern wissen. Sie würde erst mal mitspielen, ihren Forscherdrang nachgehen und reagieren, wenn er sich einmischte.

»Ich grüße Sie auch«, erwiderte sie seinen Gruß, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Ich werde ihn einfach ignorieren, überlegte sie.

Nachdem sich Zeru von Shatu abgewandt hatte, stellte der Captain die Mannschaft weiter vor.

»Der, der schon weggeschwommen ist, war unser Mechaniker Kakom«, erklärte er und wies mit dem Arm zur Luke, durch die der Mechaniker vor kurzem geschwommen war.

»So, nun kennen Sie alle Mitglieder unserer Mission. Erlauben Sie mir nun, Sie zu unserem Aufstiegsschiff zu begleiten.«

Die fast komplette Mannschaft schwamm durch mehrere Gänge, die unterirdisch in einen großen Hangar führten. In der Mitte befand sich ein etwa zwanzig Meter langes und vier Meter hohes Aufstiegsschiff. Vorne lief es zu einer nach unten gebogenen Spitze zusammen. An den Seiten befanden sich kleine Aufwölbungen. Hinter diesen verbargen sich die Verschlusskappen der ausfahrbaren Greifarme. Vier Stück gab es davon. Zwei vorne, zwei hinten. Die Oberfläche des ungewöhnlichen Fahrzeugs bedeckte eine blau schimmernde Legierung. In ihr versteckten sich hocheffiziente Heizspiralen, durch die das gesamte Außenschiff beheizt werden konnte. So wollte man dem schnell voranschreitenden Einfrieren begegnen. Dies war eine besondere Entwicklung, an der auch Kakom mitgearbeitet hatte.

Das Schiff ruhte in etwa fünf Metern Höhe auf einer Rampe. Längsseits dieser Rampe befanden sich einige Überwachungscontainer, in denen sich das Überwachungspersonal aufhielt. Fünfzehn Meter oberhalb des Aufstiegsschiffes, an der Hangardecke, befand sich eine Luke, die etwas größer als der Apparat war. Durch die würde das Schiff in ein paar Stunden nach draußen gelangen, um seine Mission zu beginnen. In den oberen Ecken des Hangars thronten gigantische Strahler, die ihr gelbes Licht direkt auf das Schiff schickten.

Als sich Zeru zu dieser Mission gemeldet hatte, zeigte man ihr zwar Pläne des Aufstiegsschiffs, dass es aber so gewaltig sein würde, ahnte sie nicht. Es übertraf alles, was sie bis dahin gesehen hatte. Am Heck des Schiffes wurden die letzten Kisten mit Verpflegung und wissenschaftlichen Materialien verladen.

Die sechs Expeditionsteilnehmer schwammen auf die Rampe zu. Dort tummelten sich mehrere Mitarbeiter des Bodenpersonals. Zeru bewunderte die rege Betriebsamkeit des Personals. Jeder von ihnen hatte wichtige Aufgaben zu erledigen. Und das alles nur, um ihr diese Reise zu ermöglichen.

»Ich begrüße Sie und ihre Mannschaft, Captain Tarom.« Ein grün schimmernder Schwimmer drehte sich den Ankömmlingen entgegen.

»Ich darf Sie auf Ihre Plätze begleiten.« Der Mitarbeiter des Bodenpersonals gab ein Zeichen, ihm zu folgen.

Lautlos und voller Ehrfurcht vor dem hochaufragenden Schiff folgten sie ihm. Ein schmaler Gang führte sie ins Innere des Apparats. Links und Rechts säumten Luken den Korridor, hinter denen sich zu einer Seite die Mannschaftsquartiere und auf der Gegenüberliegenden die einzelnen Labore befanden. Kommunikatoren sowie Alarmmelder schmückten die Seiten der Luken. Beleuchtet wurde der Gang von der Decke, an der sich die unterschiedlichsten Rohrleitungen mit Flüssigkeiten für den Druckausgleich und andere Versorgungselementen entlang zogen. Die Luke zur Kommandozentrale beendete den Gang.

Zeru begab sich als Dritte in den mit Unmengen Instrumenten und Bedienelementen ausgestatteten Raum. Vorn fielen gleich die großen Fenster auf. Wie zwei riesige Augen nahmen sie fast die gesamte Vorderfront des Kommandostandes ein. Lediglich in der Mitte durchzog ein schmaler Streifen die halb gewölbte Front, an der sich ebenfalls die unterschiedlichsten Anzeigen befanden. An der rechten, bzw. linken Seite des Kommandoraumes strahlte grün schimmerndes Licht durch jeweils ein Fenster. Den vorderen Bereich beanspruchten die Sitznischen des Kapitäns und des Steuermanns, denen sich ein faszinierender Blick nicht nur nach vorn bot. Die gewölbte Fensterfront reichte bis unter die Sitzgelegenheiten der beiden. Hinter ihnen reihten sich die Sitze der übrigen Mitglieder ein. An den Wänden des Raumes befanden sich diverse Computer, Analyseaggregate und andere Instrumente.

»So, dies ist also die Kommandozentrale«, erklärte der Chef des Bodenpersonals.

Alle sechs Besatzungsmitglieder sahen sich in dem großen Raum um. Jeder von ihnen begab sich an die Konsole, die für seinen Arbeitsbereich zuständig war.

»Na, dann können wir ja starten.« Voller Enthusiasmus sah der Captain in die Runde. Er wurde vorher ausgiebig mit den vielen Möglichkeiten des Aufstiegsschiffes vertraut gemacht. Daher fühlte er sich gleich wie zuhause in seiner kleinen Wohnung, die er noch nicht allzulang bewohnte. Nach dieser Reise war es für ihn Zeit, sich nach einer Lebenspartnerin umzusehen. Er kam langsam in das Alter, um eine Familie zu gründen. Aber jetzt verlangte man er erstmal all sein Wissen und sein Können, um sicher dieses außergewöhnliche Schiff zu führen. Trotz der großen Gefahr, in die sie sich begeben würden, waren alle von ihrem Vorhaben begeistert. So verwunderte es nicht, dass jeder dem Captain mit Begeisterung zustimmte. Nachdem sich die Mannschaft vom Chef des Bodenpersonals verabschiedet hatte, schwamm dieser aus dem Schiff heraus.

»Ich wünsche ihnen viel Glück und eine erfolgreiche Mission«, sagte er.

Als er das Schiff verließ, sah er nochmal kurz zurück und erblickte in den Augen der Mannschaft Zuversicht und Begeisterung für diese Mission. Das beruhigte ihn und er konnte so mit ruhigen Gewissen das Schiff verlassen. Kakom verschloss die Eingangsluke mit einem Knopfdruck. Mit einem Zischen bewegte sich die Luke von oben nach unten und schloss die Mannschaft somit ein.

»So Freunde, nun sind wir auf uns allein gestellt. Ich hoffe, unsere Mission ist von Erfolg gekrönt. Begeben wir uns also auf unsere Plätze und warten den Startbefehl ab.«

Zeru konnte es immer noch nicht glauben, dass sie bei dieser Mission dabei war. Von dem Gedanken geprägt, bald das Oben selbst zu sehen, zu erfahren, wie das Oben geschaffen war, schwamm sie in die Kommandozentrale ein. Sie fragte sich, ob sie im Oben die Absender der Signale finden würde und ob diese Fremden tatsächlich die Erschaffer ihres Artefaktes waren. Dass alles bewegte sie so sehr. Voll Enthusiasmus und Aufregung folgte sie den Anderen.

Ruhig und geordnet begab sich jeder in seine Sitznische. Vorn nahmen Captain Tarom und der Mechaniker Kakom Platz. Kakom war gleichzeitig berechtigt, das Schiff in Vertretung von Tarom zu steuern. Hinter ihnen saßen der Regierungsbeauftragte Shatu, sowie der Geologe Jerum und Zeru. Waru, der Biologe und Arzt, saß an einer Nebenkonsole, von der er die Instrumente für sämtliche Bioscans überblicken konnte.

»Wann werden wir starten, Captain?« fragte Zeru. Ihre innere Unruhe ließ sie einfach nicht los. Sie hoffte, dass ihre Aufregung nicht zu offensichtlich bemerkt wurde. Dennoch musste sie nach dem Zeitpunkt der Abreise fragen. Der Captain drehte sich zu ihr um und wollte gerade antworten, als Shatu, der Regierungsbeauftragte ihm ins Wort fiel.

»Wir werden noch einige Stunden warten müssen. Nachdem wir die neuesten Informationen von der Eisbarriere erhalten haben, werden die dort draußen unseren genauen Kurs bekannt geben. Erst wenn das getan ist, werden wir in unser Abenteuer starten. Also haben Sie noch etwas Geduld.«

Zeru sah den Regierungsbeauftragten erstaunt an. Wie kam dieser Regierungsschwimmer dazu, sich in diese Mission einzumischen. Auch wenn es ums Überleben ihrer Spezies ging, war es immer noch eine wissenschaftliche Expedition. Und da durfte die Regierung keinen Einfluss drauf nehmen. Da war sie sich sicher.

»Ich habe mit dem Captain gesprochen und nicht mit Ihnen. Ich verstehe sowieso nicht, wieso auf unserer Expedition ein Regierungsbeauftragter anwesend sein muss.«

»Das kann ich ihnen ganz genau erklären!«, wandte er sich zu Zeru um.

Shatu, der eine Sonderstellung in der Regierung einnahm, unterbrach die junge Wissenschaftlerin ungern. Aber er wusste, dass sie ihm nur so respektieren würde. Sein gewissenhafter Umgang mit dem vielen Wissen, das er sein Eigen nannte, wenn es um die Beurteilung von fundamentalen Entscheidungen ging, machten ihn zu einem wichtigen Unterhändler dieser Mission. Sollten sie auf Dinge stoßen, die für den Weiterbestand der Maborier entscheidend waren, lag die Richtung, in welche diese Expedition ging in seinen Flossenhänden, auch gegenüber dem Captain.

»Dann versuchen Sie mir das doch zu erklären.« In Zeru machte sich großer Ärger breit. Immerhin hätte statt diesem Shatu ein wichtiger Wissenschaftler an Bord Platz gefunden. Shatu sah Zeru amüsiert über ihre naive Art neckisch in die Augen. Er war, trotz ihrer naiven Art, ganz angetan von dieser jungen Wissenschaftlerin.

»Immerhin könnte es sein, wenn ich ihnen und ihrem Professor Bereu Glauben schenken soll, dass wir Kontakt mit etwas bekommen, das für unsere Anschauung der Welt fundamentale Veränderungen bringen würde. Immerhin waren Sie es ja, werte Zeru, die diese Signale aufgefangen hat. Und so viel wie ich weiß, kennt niemand die Herkunft dieser Signale, geschweige denn, deren Bedeutung. Da macht es nur Sinn, dass jemand von der Regierung mit dabei ist. Und ich«, er betonte dieses „ich“ besonders, »werde diese Verhandlungen führen, damit wir unserer Welt so schnell wie möglich helfen können.« Voll Triumph lehnte sich Shatu in seiner Sitznische zurück.

Zeru war positiv geschockt von seiner Aussage. Nicht nur der Präsident, von dem jeder wusste, dass er eine Marionette der Regierung darstellte, sondern auch die hohen Gremien selbst, erwägten tatsächlich die Möglichkeit, dass sie und Professor Bereu recht haben könnten. All die vielen Zeitzyklen des Versteckens und des Verschweigens von Forschungsergebnissen. Sollte diese Zeit nun vorbei sein? Sie konnte es nicht glauben. Die Entscheidung, ihr Artefakt vor der Regierung geheim zu halten, hielt sie immer noch für die Richtige. Die Gremien in ihren prachtvollen, mit den schönsten Muschelwänden verzierten, Gebäuden bekamen Angst, da ihre einst so vollkommene Welt zusammenbrach. Sie sahen offensichtlich keinen anderen Ausweg, als den Spinnern in ihren Laboren etwas mehr zu vertrauen als sonst. Davon würde sich Zeru aber nicht beirren lassen. Sie würde weiterhin alles daransetzen, den Geheimnissen des Obens auf den Grund zu gehen. Aber Zeru wusste auch, dass Shatu recht hatte. Sie war die Wissenschaftlerin, die die Geheimnisse aufdeckte. Aber wie mit diesen Geheimnissen umgegangen werden sollte, das hatte sie nicht zu entscheiden. Dafür war Shatu da.

Tarom verfolgte diesen Disput eine Weile interessiert mit. Auch er hatte ein gespaltenes Verhältnis zu Regierungsbeauftragten. Aber hier und jetzt war er froh, dass einer da war.

»Na, nun ist aber gut. Sie werden sich doch nicht jetzt schon streiten, wo wir noch gar nicht losgeschwommen sind. Im Übrigen finde ich es ganz gut, dass jemand von der Regierung dabei ist. Wer weiß, über was wir noch zu entscheiden haben.«

Zeru war froh, von Tarom in ihrem Disput mit Shatu gestoppt worden zu sein. Sie hätte sich in sonst was rein steigern können. So war sie eben. Neben dem Captain amüsierte sich Kakom, der diese Diskussion ebenfalls mitverfolgte.

»Das kann ja eine lustige Reise werden«, scherzte er.

Er wusste mit all dem nichts anzufangen. Für ihn zählte nur, ob er und die anderen Konstrukteure des Schiffes gute Arbeit geleistet hatten und dass er gesund und wohlbehalten wieder von dort oben zurückkehren würde.

»Da wir noch Zeit haben, werde ich in den Laderaum des Schiffes schwimmen. Überprüfen ob auch alles ordnungsgemäß verstaut ist.« Kakoms Ansage kam zur richtigen Zeit, um diesen Zwist zu beenden.

»Tun Sie das Kakom. Ich melde mich bei ihnen, wenn wir starten.«

»In Ordnung Captain.«

Kakom löste sich von seinem Sitz und schwamm zum Ausgang. Mit einem zisch fuhr die Luke nach oben. Nachdem er durch sie hindurch war, schloss sie sich mit eben dem gleichen Zischen nach unten. Der Captain drehte sich zu Zeru um.

»Zeru, hat ihr Professor Bereu inzwischen noch mehr aus den Signalen entschlüsseln können?«

Seitdem sie von dem Forschungszentrum aufgebrochen war, stand sie ständig in Verbindung zu Professor Bereu. Sie tauschten sich über die neuesten Ergebnisse aus. Bis auf die Erkenntnisse, die sie im Zentrum erringen konnten, blieben weitere Erfolge aus. Sie fand das frustrierend. Egal, wie sie mit den Daten umging, es führte zu keinem neuen Ergebnis.

»Ich habe vor kurzem noch mit ihm gesprochen. Es gibt leider nichts Neues zu Berichten.«

»Das ist schade«, antwortete der Captain, der weiterhin an seinen Instrumenten Werte ablas.

»Ich habe aber die Dateien mitgebracht und werde in dem schicken Labor hinter uns daran arbeiten.«

Sie hatte im Vorfeld erfahren können, dass auf dem Schiff ein voll ausgestattetes Labor existierte, in dem sie ihre Forschungen weiterführen konnte. So warteten sie in dem Aufstiegsschiff auf den Startbefehl, der immer näher rückte.

Europa - Tragödie eines Mondes

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