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Gammelstroh

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Ich ärgerte mich in diesem Moment so sehr über mich selbst, dass ich mir mit der Hand auf die Stirn schlug. Scheinbar hatte das Stroh eine halbe Ewigkeit im Duneln gelegen und sich über die Jahre mit Feuchtigkeit vollgesogen. »Kein Wuner«, sagte ich zu Anja, »dass ein Pferd von dem gammeligen Zeug krank wird.« Die Scheuenbesitzer hatten es sicherlich nur gut mit uns gemeint, und wir waren dankend auf ihr Angebot eingegangen. Manchmal macht man eben aus Sparsamkeit kapitale Fehler.

»Schaffen Sie das alte Zeug raus, und das Pferd muss unbedingt weiter bewegt werden«, verabchiedete sich der Tierarzt. »So lange, bis er ge- äppelt hat!« Wir begleiteten ihn noch zurück zu seinem Wagen. Als er losfuhr, zwinkerte er uns durchs Autofenster noch kurz zu. Anscheinend waren wir nicht seine ersten Kunden, die ihren Pferden blauäugig mit altem Heu oder Stroh geschadet hatten. Wir winkten ihm hinterher. Anja hatte schon Gabel, Schaufel und Besen parat, ich hinkte los, um eine Schubkarre zu organisieren. An diesem Abend brannte noch lange Licht in unserm Stall.

Als ich einige Zeit später endlich meinen Traum verwirklicht hatte und sich auf meinem Reiterhof die ersten, neugierigen Gäste einfanen, zählte Samson zu meinen verlässlichsten Mitarbeitern. Die Bedürfnisse der Touristen und Schulpferde unter einen Hut zu bringen war gar nicht so einfach – vor allem, weil uns die Erfahrung fehlte.


Raus damit! Vermodertes Stroh und unsere Sparsamkeit waren schuld, dass Samson an einer Kolik erkrankte.

Immerhin wussten wir mit der Zeit genau, welches unserer Pferde mit wem gut kann. Und wir achteten penibel darauf, dass während der Ritte unsere strengen Regeln befolgt wurden. Sich vordrängeln und den Rest der Gruppe überholen war ebenso tabu wie ein Wechsel der Gangart auf eigene Faust: Schritt, Trab, Gaopp und alle Pausen wurden vorab angesagt, und wenn jemand unterwegs seine Gerte verlor, hielt die ganze Karawane vorsichtshalber an und wartete geduldig ab, bis das Problem gelöst und der Schüler wieder sicher im Sattel saß.

Nach einem Ausritt sagte Holger, ein schon etwas älterer Kursteilnehmer, einmal zu mir: »Das ist ja ein bisschen wie bei einem Güterzug, du bist die Lokomotive und wir die Waggons. Die Pferde hören mehr auf dich als auf uns!« Ich sah ihn an, überlegte kurz und grinste. »Ja, das ist so, und das ist auch gut so.« Einen Gedanen, den ich eigentlich noch nachschieben wollte, verkniff ich mir. Er wäre verutlich geschäftsschädigend gewesen.

Der Pferdeversteher

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