Читать книгу Andrea – Liebe ist nicht heilbar. - V. A. Swamp - Страница 6
Die Party
ОглавлениеÜbermorgen ist Andreas Party. Ich gebe es ungern zu, aber ich habe mich in den letzten Tagen ständig mental mit dieser blöden Party beschäftigt. Ich musste mir darüber im Klaren werden, ob ich wirklich dahingehen möchte. Dazu habe ich eine Liste der Gründe, die für und die gegen einen Besuch sprechen, aufgestellt. Die „Dafür-Liste“ hat bis heute Morgen sechs gute Gründe enthalten, die „Dagegen-Liste“ nur vier. Das war ein ziemlich eindeutiges Ergebnis. Dann sind mir aber heute Morgen noch zwei wichtige Gründe, die gegen einen Besuch sprechen, eingefallen: Erstens bin ich überhaupt nicht in Stimmung für eine solche Party und zweitens weiß ich nicht, was ich anziehen soll. Der zweite Grund klingt blöd aus dem Mund eines 66 Jahre alten Kerls, der ohnehin in einem Modemagazin nichts mehr zu suchen hat. Aber wer weiß, wie die anderen Gäste aussehen, und da will ich keineswegs over- oder underdressed daher kommen. Ich könnte mich ein bisschen auf jugendlich trimmen. Immerhin habe ich noch eine relativ brauchbare Figur, zumindest im Vergleich mit den meisten Kerlen in meinem Alter. Der leichte Bauchansatz fällt bei meiner Körpergröße von fast zwei Metern kaum auf, besonders wenn ich gerade gehe, was mir allerdings nicht mehr gelingt. Außerdem habe ich noch ziemlich volles Haar, friedhofsblond zwar, aber mit meinem gebräunten Gesicht, welches meinen Golfaktivitäten geschuldet ist, geht das schon.
Bei meinen Klamotten gibt es im Grunde nur zwei Variationen, schwarz oder braun. Am liebsten trage ich schwarz, weil das am besten zu meinen Haaren passt. Aber schwarz zu einer Party? Vielleicht ist das zu trist? Auf alle Fälle sollte ich mir ein neues Oberhemd kaufen. Irgendetwas Besonderes, von OLYMP zum Beispiel. Ich liebe diese Hemden, bei denen sind Manschetten und Kragen und manchmal auch noch andere Hemdenteile innen und außen unterschiedlich gestaltet. In so was fühle ich mich wohl. Mein Blick fällt auf meine Hände. Eine Maniküre wäre auch nicht schlecht. Rita bestand immer darauf, dass ich das regelmäßig machen lasse. Überhaupt waren ihr bei mir kurze, glatte und gepflegte Nägel extrem wichtig. Auch damit ich sie nicht verletze, wenn ich mit ihrer Pussy oder ihrem Popoloch gespielt habe. Nur mit meinen Fingern und ein paar schmutzigen Worten konnte ich sie oft zum Orgasmus bringen. Am Anfang unserer Beziehung ist Rita oft auf mir geritten und hat dabei ihren Kitzler an mir gerieben. Das hat ihr dann auch zum Orgasmus verholfen. Ein paar Jahre lang war es unser Ehrgeiz, nach Möglichkeit gleichzeitig zu kommen. Irgendwann aber war mit dem Reiten Schluss. Ihr hat das plötzlich keinen Spaß mehr gemacht, und Spaß ist ja bekanntlich das Wichtigste beim Sex. Verdammt Rita, Du fehlst mir so sehr, dass es wehtut. Ich gehe noch einmal die Liste der „Pros“ und „Contras“ durch. Richtig überzeugend ist keine Seite. Soll ich eine Münze werfen? Da fällt mir wieder das Telefongespräch mit Andrea ein. Ich habe ihr versprochen, zu kommen. Ist man an solche Versprechen gebunden? Einklagbar ist so was jedenfalls nicht. Wahrscheinlich fällt es ohnehin nicht auf, wenn ich nicht erscheine. Ach was, ich werde mich heute um „OLYMP-Hemd“ und Maniküre kümmern, basta. Dann werde ich weiter sehen.
Das mit dem OLYMP-Hemd gestaltet sich schwieriger, als ich dachte. Die Auswahl ist einfach zu groß. Schließlich entscheide ich mich für ein rötlich-braunes Hemd mit feinen dunkelbraunen Streifen. Kragen und Manschetten sind mit einem rot-weißen Pepita-Muster gefüttert. Das Hemd wird gut zu meinem Harris Tweed-Jackett und meiner dunkelgrünen POLO-Cordhose passen. Dazu werde ich meine braunen TODDS anziehen und fertig ist die Laube. Den Flitz mit den Designer-Klamotten hat mir Rita eingepflanzt. Besondere Klamotten waren ihr extrem wichtig. In irgendwelche Billigläden hat sie niemals einen Fuß reingesetzt. Da bin ich schon anders gestrickt. Falls es preisgünstig geht, dann nehme ich die Gelegenheiten wahr. Deshalb liebe ich das Internet, wegen seiner Gelegenheiten und Vergleichsmöglichkeiten. Als ich bei dem Nagelstudio ankomme, lese ich, dass die heute geschlossen haben. So ein Mist! Ich überlege einen Moment, ob ich ein anderes Nagelstudio aufsuchen soll, entscheide mich dann aber dagegen. Ein wenig Feilen muss reichen. Dann mache ich mich auf den Heimweg.
Heute ist Party-Tag. Andrea und ihre Freunde haben zu 19 Uhr eingeladen. Das heißt, es gibt wahrscheinlich auch etwas zu essen. Ich überlege, ob ich das Auto nehmen soll, entscheide mich dann aber dagegen, weil ich sonst um Alkohol einen Bogen machen muss, da mir mein Führerschein schon wegen des Golfspielens lieb und teuer ist. Mein Golfplatz liegt fast 50 Kilometer entfernt von meiner Wohnung, irgendwo in der Brandenburger Pampas. Da würde ich schlecht mit dem Fahrrad hinkommen. Fahrradfahren finde ich überhaupt doof. Ja, ja, ich weiß, das ist heute nicht mehr politisch korrekt, da sich die meisten Politiker im engagierten Verteufeln des Autos gefallen. Und sich dann mit den dicken AUDIS und BMWs durch die Lande kutschieren lassen. Warum lassen wir Wähler uns das eigentlich gefallen, diese Bigotterie? Passt hier eigentlich der Begriff „Bigotterie“ oder verwendet man den nur im Zusammenhang mit Glaubensdingen? Na, was solls. Jedenfalls würde eine Party ohne Alkohol eher der Jahresversammlung der Blaukreuzler ähneln. Außerdem muss ich mir eventuell die anderen Gäste schön saufen, Andrea eventuell eingeschlossen. Auch gibt es für mich weder gesundheitliche noch religiöse Schranken, die mir den Alkoholgenuss verbieten würden. Ich entscheide mich deshalb für Bus und U-Bahn. Zurück werde ich mir ein Taxi gönnen.
Die Adresse habe ich gegoogelt. Streetview hat mir ein leicht verschwommenes, aber anscheinend sehr imposantes Wohnhaus gezeigt – in Britz! Kann aber auch eine pompöse Villa sein. Google-Maps zeigt mir einen Garten mit beachtlichen Ausmaßen. Bin ich schon jemals in dieser Gegend gewesen? Immerhin gibt es eine U-Bahn Station in der Nähe. Rita hat U-Bahn-Fahren gehasst. Ich mag U-Bahn-Fahren. Man sieht dort immer, wie bunt unsere Stadt ist. Na ja, zugegeben, einige Fahrgäste sind ganz schön gruselig, aber das gehört eben dazu. Um diese Zeit ist die U-Bahn ganz schön voll, aber ich habe einen leidlich bequemen Sitzplatz ergattert. Mir gegenüber sitzen zwei sehr abgefahrene Typen. Besonders der mit den vielen Tattoos und Piercings fasziniert mich. Ob er seinen Schwanz auch tätowiert hat? Falls ja, das würde ich mir gerne anschauen. Da fällt mir der Witz mit dem Seemann ein. Ich meine den, der im Krankenhaus war. Als er kurz vor der Entlassung stand, fragte ihn die Krankenschwester, was die merkwürdigen Kürzel auf seinem Penis bedeuten: „RUMBALOTTE“. Der Seemann grinste. Dann lüftete er das Geheimnis. Im erigierten Zustand sei zu lesen „Ruhm und Ehre der Baltischen Flotte“. Gab es überhaupt jemals eine „Baltische Flotte“? Ich muss das unbedingt einmal googlen. Besonders faszinierend bei meinem Gegenüber sind die Ohrläppchen. In denen stecken schwarze hohle Ringe. Also nicht die üblichen Ohrstecker, sondern man hat die Ohrlöcher solange gedehnt, bis diese Ringe hineingepasst haben. Richtige Durchfahrten hat der Typ in seinen Ohrläppchen, unglaublich. Ich hole, etwas verstohlen, mein iPhone heraus und google „Mann Ohrschmuck“. Mit ein paar Clicks werde ich fündig. Das, was der Typ mir gegenüber trägt, heißt „Flesh Tunnel“. Klingt schrecklich: „Fleisch-Tunnel“. Igitt! Nach Wikipedia sind solche extrem gedehnten Ohrlöcher keine neue Erfindung. Die bisher ältesten nachgewiesenen Ohrlöcher dieser Art wurden bei der 1991 entdeckten Gletschermumie Ötzi aus der Jungsteinzeit, also etwa 3.359 bis 3.105 vor Christus, nachgewiesen. Es heißt, dass Ötzi etwa sieben bis elf Millimeter gedehnte Ohrlöcher besessen habe. Ich kann es schlecht einschätzen aber ich glaube, die Durchmesser meines Gegenübers sind noch größer. Sicher bin ich mir aber nicht.
Die beiden Typen sind bei der letzten Station ausgestiegen. Die anderen Mitreisenden in meinem Blickfeld sind nicht so interessant. Ich kann mich jetzt auf das vor mir liegende Event konzentrieren. Wie wird Andrea aussehen? Ist sie auseinandergegangen wie eine Hefekuchenteig? Haben sich die Falten ihres gesamten Gesichtes bemächtigt? Sieht ihr Mund aus wie ein Faltenrock und ihr Hals wie der eines Truthahnes? Ich bemerke, dass ich mich unwillkürlich mit dem Rücken ganz fest in den Sitz presse, so als wollte ich auf diese Weise vor den schrecklichen Bildern ausweichen, die auf einmal vor meinem geistigen Augen vorbeiziehen. So ein Blödsinn. Vielleicht wird es ein netter Abend und falls nein, dann bringt mich die U-Bahn ganz schnell von Britz nach Kreuzberg. Da gibt es inzwischen jede Menge angesagter Kneipen, hat man mir zumindest erzählt. Kreuzberg steht schon lange auf meiner Agenda, aber aufgerafft zu einem Besuch habe ich mich seit Ritas Tod noch nicht.
Das Haus macht von außen richtig Eindruck. Tatsächlich ist es ein ganz schöner Klotz. Seine Fassade erinnert mich an ein Haus im alten Süden der USA, in dem Rita und ich vor langer Zeit einmal einen wundervollen Urlaub verbracht haben. Mir fällt der Name des Ortes nicht ein, aber der Bundesstaat war bestimmt Louisiana. Gut, die Säulen rechts und links vom Eingang waren in den USA noch wesentlich eindrucksvoller, aber die Fenstersimse und die Haustür weisen eine gewisse Ähnlichkeit auf. Ein solches Haus in Britz? Das ist schon reichlich ungewöhnlich. Ich habe wohl Britz unterschätzt. Für mich war das bislang eine eher groß gewordene Laubenpieperkolonie und nichts, wo man wohnen möchte. Schon die Entfernung zur City hat mich bislang davon abgehalten, mich mit Britz zu beschäftigen. Ich muss erst gar nicht nach einer Klingel suchen, das Eisentor vorne an der Straße und die Haustür stehen weit offen. Mich empfängt moderater Partylärm. Im Eingangsbereich stehen ein paar Gäste eher gelangweilt herum. Ich sage höflich „Guten Abend“ und frage mich, ob einer der Gastgeber darunter ist. Andrea ist es vermutlich nicht. Die würde ich doch erkennen, oder?
Im Haus selber scheint es keine Aktivitäten zu geben, aber hinter dem Haus erstreckt sich ein riesiger Garten. In der Mitte befindet sich eine große Rasenfläche, die lediglich durch ein paar Obstbäume unterbrochen wird. Den Rasen hat man wohl erst kürzlich geschnitten, aber die Bäume machen einen eher ungepflegten Eindruck. Dort, wo der Rasen aufhört, stehen hässliche Büsche und etwas, was wie verwildertes Gemüse aussieht. In diesem Garten hat schon lange kein grüner Daumen mehr gewirkt. Eine Menge Leute stehen in kleinen Grüppchen herum und quatschen. Ich habe schon eine Menge Geburtstagsfeiern miterlebt, aber das hier übertrifft, was die Anzahl der Gäste angeht, wohl alles bislang Erlebte. Hinten nahe der Grundstücksgrenze hat ein Discjockey seine Technik aufgebaut. Derzeit kommt von dort moderate Hintergrundmusik, wahrscheinlich will man zunächst den Gästen Gelegenheit geben, sich kennenzulernen, ohne dass die sich anbrüllen müssen. Sehr rücksichtsvoll! Ich gehe an den Besuchergrüppchen vorbei in der Hoffnung, irgendwo Andrea oder sonst ein bekanntes Gesicht zu sehen. Als ich bei dem Discjockey angekommen bin, stelle ich fest, dass dieser ein Mädchen mit sehr kurzen Haaren ist. So was nennen die Freaks heute „DJane“. Habe ich von meinem Sohn gelernt. Da fällt mir ein, dass ich schon länger nichts von ihm gehört habe. Das ist allerdings nicht weiter verwunderlich. Seine Frau kann mich nicht ausstehen. Das wäre nicht schlimm, wenn sie nicht den Kontakt zwischen meinem Sohn und mir vergiften würde. Na, scheiß der Hund drauf. Wir hatten bis zu seiner Hochzeit ein tolles Verhältnis. Die Erinnerung daran muss eben reichen.
Links und rechts der DJane hat man zwei Open-Air-Bars aufgebaut. Die linke bietet Schnäpse, Liköre und Cocktails an. An der rechten Bar gibt es ausschließlich Champagner. Mann, hier ist wirklich alles vom Feinsten. Allerdings ist es mir für Schnäpse und Liköre noch zu früh und von Champagner kriege ich leicht Sodbrennen. Ich bin unschlüssig, was ich trinken möchte, da kommt ein hübsches Mädchen mit einem Tablett voll Getränken vorbei. Champagner, Orangensaft und Campari hat sie im Angebot. Champagner kommt nicht infrage. Orangensaft trinke ich nur zum Frühstück. Ich entscheide mich für einen Campari Soda. Auf der rechten Seite des Rasens steht ein Partyzelt. Es ist ein schöner Sommerabend, deshalb hat man die Seitenwände geöffnet. Meine Neugier lässt mich das Zelt betreten. Geizig scheinen die Gastgeber auch hier nicht zu sein: Jumbo-Shrimps-Spieße nach Cajun-Art, Platten mit Graved Lachs, Red Atun, Sushi und viele andere Leckereien werden dort auf kleinen Schildern in goldener Schrift angepriesen. Neben dem Buffet steht ein Kerl mit einer großen Kochmütze vor einem dampfenden Spanferkel und wartet anscheinend auf Hungrige. Nicht schlecht, aber Hunger habe ich derzeit noch keinen.
Ich schlendere mit meinem Campari an den Besuchergrüppchen vorbei. Dann sehe ich, dass man neben dem Haus einen kleinen Bierwagen aufgestellt hat. Dort füllt ein Kerl mit einer großen Lederschürze, die seinen riesigen Bauch nur unvollständig bedeckt, Bier in hübsche Keramikkrüge. Also, verdursten wird hier keiner. Verhungern wohl auch nicht. Wo ist Andrea und wer sind die anderen Geburtstagskinder? Nirgends kann ich jemanden entdecken, der mich an Andrea erinnern würde. Allerdings habe ich auch nur noch eine ganz blasse Vorstellung von ihr. Meine bisherige Gästebilanz fällt nicht gut aus, zumindest was Aussehen und Zustand der Gäste angeht. Die Mehrzahl der Leute hat ihr Verfallsdatum schon längst überschritten. Gehöre ich eigentlich auch dazu? Irgendwie komme ich mir hier vor, wie auf einer Geriatrieversammlung. Dabei habe ich keinerlei Grund, mich über die anderen lustig zu machen, oder? Ich entdecke niemanden, mit dem ich in näheren Kontakt treten möchte. Da tippt mir jemand unvermittelt auf die Schulter.
»Raimar, Mensch alter Junge, was machst Du denn hier?«
Ich zucke zusammen, drehe mich um und blicke in ein rotes Arschgesicht, an dem ein feister Körper hängt. Ich bemühe mich, nicht unhöflich zu sein, obwohl es mich reizt, dem Kerl etwas Freches zu antworten. Und obwohl das den Typ ja nun wirklich nichts angeht, sage ich ihm spontan die Wahrheit.
»Ich war einmal mit einem der Geburtstagskinder verheiratet,« und dann füge ich noch hastig hinzu »vor gefühlt hundert Jahren.«
Der Typ grinst. Dieses Grinsen macht ihn noch unangenehmer. Ich beschließe, ihn von jetzt ab „Schweinchen Schlau“ zu nennen, nur zu mir natürlich.
»Wer war es denn, Andrea oder Annegret?«
Ich brauche einen Moment, um überhaupt die Frage zu verstehen. Dann quetsche ich mir ein »Andrea« heraus, was der Typ mit einem spöttischen »Aha!« quittiert und dann ergänzt er noch schnell:
»Gefühlt hundert Jahre muss es auch schon her sein, dass wir zusammen studiert haben.«
Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Mein Personengedächtnis ist ohnehin nicht das Beste, und es fällt mir partout nicht ein, wo ich Schweinchen Schlau hintun soll.
»Ach das Studium,« ist alles, was ich entgegnen kann, »wir hatten damals eine tolle Zeit.«
»Dass Du Dich daran erinnerst, finde ich super!« ist seine Antwort. Ich kann mich allerdings nicht im geringsten an ihn erinnern und mein einziger Gedanke ist, den Kerl schnellstmöglich loszuwerden. Aber so einfach scheint das nicht zu sein. Der Typ quasselt weiter auf mich ein.
»Wir sollten uns unbedingt einmal treffen und über die alten Zeiten reden. Es ist ja seitdem so ungeheuer viel passiert. Ich gehe übrigens schon eine Weile mit dem Gedanken schwanger, alle unsere ehemaligen Kommilitonen zu einem Treffen einzuladen.«
»Zu einem Treffen? Wie meinst Du das?« ist alles, was ich entgegnen kann.
»Na ja, ich kenne da eine wunderbare Kneipe, wo wir uns treffen könnten und über die alten Zeiten plaudern können. Ich sammel derzeit Kontaktdaten und habe schon einiges beisammen.«
Ich schaue ihn an und merke, dieser Typ ist nicht zu bremsen. Plötzlich hält er mir sein Handy unter die Nase. Es zeigt auf dem Display eine Telefonnummer.
»Na los, nimm mal Dein Handy raus und ruf diese Nummer an, dann haben wir beide unsere Telefonnummern und können uns demnächst einmal verabreden.«
Ich bin sprachlos ob dieser Dreistigkeit, aber ich mache genau das, was er mir aufträgt. Nachdem ich die Nummer gewählt habe, klingelt bei Schweinchen Schlau das Handy. Er grinst triumphierend.
»Na siehst du, jetzt ist alles Paletti.«
Ich finde gar nichts ist „Paletti“. Ich bin soeben Opfer eines Telefonnummernraubes oder zumindest einer Telefonnummernabschöpfung geworden.
»Ich bin mit einer ganzen Gruppe hier. Die sind alle aus meinem Betrieb. Da ist leider keiner von damals dabei. Na egal, wir bleiben jetzt in Verbindung, nicht wahr? Ich kümmere mich jetzt erst einmal um die anderen.«
Das Schicksal hat mit mir ein Einsehen – Gott sei Dank. Ich grinse ihn an und wünsche ihm viel Spaß auf der Party. Er grinst zurück, nicht ohne mir das Versprechen abgenommen zu haben, dass ich ihn anrufe, wenn ich Zeit habe. Ich nicke und weiß genau, dass ich ihn niemals anrufen werde. Außerdem ist mir immer noch nicht sein Name eingefallen. Egal, Schweinchen Schlau reicht ja. Als Nächstes muss ich unbedingt seine Nummer wieder aus meinem iPhone entfernen! Schweinchen Schlau verschwindet in Richtung seiner Gruppe. Ich schaue auf mein Glas mit dem Campari. Eigentlich bräuchte ich jetzt einen stärkeren Drink. Als unbegleitete Einzelperson ist man solchen Angriffen schutzlos ausgeliefert, denke ich. Verdammt noch mal, Rita, warum musstest Du mich so früh verlassen? Du hättest mit deiner zeitlosen Schönheit diesen Verein ganz schön aufgemischt! Wieder tippt mir jemand auf die Schulter und für eine Sekunde fürchte ich die Rückkehr von Schweinchen Schlau. Als ich mich umdrehe, sehe ich in ein frisches, freundliches Gesicht.
»Raimar? Du bist es doch? Na klar, mit Deiner Körpergröße ist es leicht, Dich zu erkennen.«
Ich stehe da wie ein Blödmann. Wahrscheinlich hat es mir die Sprache verschlagen. Das ist Andrea? Sie sieht nicht aus wie sechzig. Wenn ich nicht wüsste, dass sie es ist, hätte ich sie auf höchstens Anfang fünfzig geschätzt. Sie hat immer noch braunes volles Haar mit einem leichten Rotstich, den man aber nur sieht, wenn das Licht unmittelbar darauf fällt. Ihre dunkelbraunen Augen haben mich schon damals fasziniert. Und dann ihre Hände. Was hat das Mädchen immer noch für tolle Hände mit Fingern lang und schön wie frisch geschälter Spargel, die dünne Variante natürlich. Sie scheint immer noch sehr schlank zu sein. Genau sehen kann ich das vor lauter Aufregung nicht. Sie trägt ein hübsches bonbonfarbenes Kostüm mit einem leicht ausgestellten Rock. Ich verstehe ein bisschen was von Damenmode. Das hat mir Rita beigebracht. Vermutlich stammt Andreas Kostüm von ESCADA. Billig sieht es jedenfalls nicht aus. Auch Andreas Beine scheinen immer noch o.k. zu sein. Jedenfalls sind sie noch immer schlank, das gefällt mir. Ich glaube, sie mag es nicht, wie ich so taxiere. Da wird mir bewusst, dass ich sie mit offenem Mund anstarre.
»Du kannst jetzt deinen Mund wieder schließen. Komm, ich werde Dich meinem Mann vorstellen.«
Andrea nimmt mich an die Hand wie einen Zwölfjährigen und zieht mich über den Rasen. Ihre Hand ist warm und weich und für einen kurzen Moment habe ich einen unreinen Gedanken. Ich meine, wie sie sich wohl an meinem Schwanz anfühlen würde. Irgendwie bin ich verwirrt. Ob das am Campari liegt? Oder an dem Wiedersehen mit Andrea?
Ihr Mann ist kein Hit, auch wenn er offenkundig teure Klamotten trägt und eine goldene Rolex mit Brillis schwer von seinem Handgelenk fällt. Solche Dinger hat man in Bangkok damals für ein paar Mark auf der Sukhumvit Road kaufen können. Ich vermute allerdings, dass Müllers Rolex echt ist und nicht aus einer asiatischen Fälscherwerkstatt stammt. Trotzdem, mit seiner Rolex und seiner schweren goldenen Halskette sieht er ein bisschen aus wie ein Zuhälter oder ein Mafiosi. Hoffentlich kann Andrea meine Gedanken nicht lesen. Müller ist so breit wie hoch und mit dieser Figur könnte man ihn leicht über den Rasen rollen. Aber er gibt sich sehr charmant und vermittelt mir das Gefühl, ein sehr willkommener Gast zu sein. Irgendwie hat er aber auch etwas Schleimiges an sich, so als wollte er in mich hineinkriechen wie ein ekliger Bandwurm. Ich bemühe mich, mit ihm Konversation zu machen. Andrea steht unbeteiligt daneben. Ich fühle mich irgendwie unbehaglich. Dann verliert Müller plötzlich das Interesse an mir, entschuldigt sich und wendet sich abrupt wieder den Leuten zu, mit denen er vorher im Gespräch war. Bin ich nun hier willkommen oder nicht? Ach Scheiß der Hund drauf. Immerhin ist Andrea geblieben und da fällt mir ein, dass ich ihr noch nicht zum Geburtstag gratuliert habe. Sie lacht und da ist es wieder, dieses freundliche, frische, bezaubernde Lachen.
»Dann gib mir einen richtigen Geburtstagskuss.«
Was versteht sie darunter? Ein richtiger Geburtstagskuss? Ich schaue irritiert zu ihrem Mann, doch der widmet sich intensiv seinen anderen Gästen.
»Na los, wie lange soll ich noch warten?«
Andrea nähert sich gefährlich nah meinem Gesicht. Sie riecht extrem gut. Der frische natürliche Duft ihrer Haut wird durch ein ganz leichtes Parfüm unterstützt und ich fühle mich auf einmal extrem zu ihr hingezogen. Unsere Lippen treffen sich und dann, ohne mein geringstes Zutun, schiebt mir Andrea ihre weiche, lüsterne Zunge in den Mund. Ich bin wie paralysiert, aber ich genieße diesen Augenblick, auch wenn ich mich von tausend Augenpaaren beobachtet fühle. Aber kein Mensch nimmt Notiz von uns. Andrea schmeckt immer noch verdammt gut und jetzt muss ich zu allem Überfluss auch noch an Rita denken. Ist das jetzt besser oder schlechter im Vergleich mit Rita? Verdammt, ich kann mich nicht an Ritas Küsse erinnern. Was mache ich hier? Meine sechzigjährige Ex gibt mir einen heißen Zungenkuss und ihr Mann kann sich jeden Moment umdrehen, um nach seiner Frau zu schauen. Andrea grinst, als wir uns voneinander lösen.
»Ich merke, Du hast nichts verlernt.«
Blitzschnell zaubert Andrea ein Papiertaschentuch hervor und wischt ihren Lippenstift von meinen Lippen.
»Lippenstift hat Dir noch nie gestanden. Ich finde es supertoll, dass Du hier bist. Ich muss mich allerdings jetzt erst einmal um die anderen Gäste kümmern. Misch Dich unters Volk. Auch wenn man das auf den ersten Blick nicht erkennt, es sind eine Menge interessanter Leute dabei. Sobald ich Gelegenheit dazu habe, werde ich Dir einige vorstellen. Bis dahin hab Spaß. Ach ja, und danke, dass Du gekommen bist. Das war mir sehr wichtig.«
So schnell, wie sie gekommen ist, ist Andrea auch wieder verschwunden. Ich stehe da, wie ein Trottel und erst jetzt stelle ich fest, dass ich bei dem Zungenkuss die Kontrolle über meinen Campari verloren habe. Der ist inzwischen im Rasen versickert. Ich brauche jetzt unbedingt einen neuen Drink. Das Mädchen mit den Getränken ist nicht zu sehen, also gehe ich zu der Bar neben der DJane. Ich kann jetzt etwas Stärkeres vertragen und entscheide mich für Rum und Coke. Der „Bartender“ meint es gut mit mir. Fast zu gut, denn der Drink besteht zu über der Hälfte aus Rum! Ich nehme meinen Drink und schlendere weiter über den Rasen in der Hoffnung, doch noch auf ein bekanntes Gesicht zu treffen. Dabei achte ich peinlich genau darauf, nicht noch einmal Schweinchen Schlau zu begegnen. Der ist aber gottseidank nirgends zu sehen. Ich stelle mich abwechselnd zu einer der Grüppchen, aber niemand scheint auch nur das geringste Interesse an mir zu haben. Viele Gesprächsthemen drehen sich um die Berliner Theaterszene, und da bin ich schlecht aufgestellt. Die anderen Themen sind eher öde und geistlos – flaches Partygeschwätz eben. Ab und zu hole ich mir bei dem Bartender Nachschub. Die DJane hat inzwischen den Lautstärkeregler aufgedreht, wohl in der Hoffnung, dass das die Gäste zum Tanzen animiert. Es tanzt aber keiner.
Andrea bleibt verschwunden. Seit unserem Zungenkuss fehlt jede Spur von ihr. Ich hätte sie so gerne nach den beiden anderen Geburtstagskindern befragt. Wie viele Drinks hatte ich in der Zwischenzeit? Ich rechne nach. Es müssen so um die fünf oder sechs gewesen sein. Das ist definitiv zu viel! Gegessen habe ich nichts. Als ich Hunger bekam, war das Buffet stark umlagert und später waren all die guten Dinge in den Bäuchen der anderen Gäste verschwunden. Ich denke, dass es nunmehr Zeit ist, zu gehen. Vorher muss ich allerdings noch Pipi, sonst wird es eng auf dem Nachhauseweg. Hinten links an der Grundstücksgrenze haben sie zwei Dixie-Klos aufgestellt. Davor stehen aber schon sechs oder acht Personen. Außerdem finde ich Dixie-Klos irgendwie abartig. Im Haus muss es ja wohl auch eine Toilette geben. Ich mache mich auf den Weg. Im Erdgeschoss werde ich nicht fündig, alle Zimmer sind abgeschlossen, man will offensichtlich die Gäste im Garten halten. Ich versuche es im ersten Stock. Irgendwie sieht das ganze Haus unbewohnt aus. Oben sind die Zimmer zwar nicht verschlossen, aber alle leer. Eine Toilette finde ich auch hier nicht. Ich werde wohl doch zum Dixie-Klo gehen oder auf dem Nachhauseweg irgendwo in eine dunkle Ecke pissen müssen. Da öffnet sich eine Tür, die ich bislang übersehen habe und heraus kommt Andrea. Wir schauen uns irritiert an.
»Hast Du mich gesucht?« fragt sie etwas spitzbübisch.
»Eigentlich suche ich eine Toilette, aber Du bist mir natürlich noch lieber.«
Ich weiß nicht, warum ich so rede. Will ich jetzt eine Charme-Offensive starten? Aber Andrea überhört meinen dümmlichen Spruch.
»Komm mit, hier hinten im Zimmer gibt es ein Bad. Da kannst Du Dein Problem lösen.«
Andrea führt mich in ein Zimmer, welches genauso leer ist, wie die anderen Zimmer, in denen ich vorher gewesen bin. Lediglich ein großer, sehr schöner und sehr neu aussehender massiver Holztisch steht in dem Raum. Was für ein Holz ist das? Ist auch egal, sieht jedenfalls schön aus. Stühle gibt es keine. Vermutlich werden die später geliefert. Andrea deutet auf eine Tür hinten im Raum.
»Dort ist es! Die Tür lässt sich nicht verriegeln, aber ich warte, bis Du fertig bist.«
Ich bedanke mich und finde tatsächlich eine saubere Toilette vor. Ich bin ein geübter Sitzpinkler und ich finde anschließend auch noch Gelegenheit, meinen Schwanz und meine Hände zu waschen. Jetzt steht einem entspannten Nachhauseweg nichts mehr im Wege.
Andrea lehnt an dem Tisch. Ihren Blick kann ich nicht deuten, aber ich denke das Beste wird sein, schnellstmöglich die Party zu verlassen.
»Bevor Du gehst, möchte ich noch einen Gutenacht-Kuss.«
Ich drücke ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
»Was war das denn? Zu mehr bist Du heute nicht mehr fähig?«
Sie zieht mich zu sich heran und wieder fühle ich ihre weiche fordernde Zunge in meinem Mund. Na wenigstens steht ihr Mann hier nicht irgendwo herum. Diesmal kostet sie den Kuss ausgiebig aus. Dann fühle ich ihre Hand an meinem Schritt und ich frage mich, ob dies hier alles mit rechten Dingen zugeht. Andrea lässt nicht locker und an ihrer Atmung merke ich, dass für sie diese Sache noch nicht zu Ende ist. Sie öffnet meinen Gürtel, dann den oberen Hosenknopf und schließlich den Reißverschluss, bis der schwere Gürtel die Hose nach unten zieht und die Gürtelschnalle krachend auf den Boden fällt. Ihre Zunge erkundet weiterhin meinen Mund und meine Lippen. Seit Ritas Tod hat niemand mehr mit mir so etwas Schönes gemacht. Andrea zieht ihren Glockenrock nach oben. Dann löst sie sich einen Moment von mir, um ihren Slip auszuziehen und lässt diesen auf den Boden fallen. Ich sehe, dass Andrea rasiert ist – eine Pussy wie eine Zwölfjährige. Meine Geilheit brennt jetzt wie Zunder. Andrea setzt sich auf den Tisch und zieht mich zu sich heran. Wir berühren uns eng aneinander gepresst, und ich fühle ihre warmen Schenkel an den Meinen.
Ich weiß gar nicht, ob ich das noch kann. Ich habe es seit Jahrzehnten nur mit Rita getrieben und in den letzten Jahren auch nicht mehr im Stehen. Andrea zieht meine Boxershorts nach unten und streichelt meinen Schwanz, bis er richtig hart ist. Ihre Atmung schaltet den Turbo ein, während sie meinen Schwanz langsam in ihrer Pussy aufnimmt. Ich weiß, dass ich jeden Moment aufwachen werde, aus diesem wundervollen feuchten Traum. Und ich genieße es, ich hatte schon lange keinen so irren Traum mehr. Meine Bewegungen in ihr werden schneller und es tut mir gut. Verdammt gut. Andrea japst, nein sie röchelt und dann fällt sie plötzlich in sich zusammen. Sie rutscht an der Tischkante lang und ich kann sie nur mit Mühe halten.
»Andrea, was ist? Andrea, ist Dir nicht gut?«
Andrea ist bewusstlos, ihre Atmung ist ganz flach. Ihr Brustkorb bewegt sich kaum. Ich lege sie vorsichtig auf den Boden. Das ist nicht ganz einfach, immerhin stehe ich noch in meinen heruntergefallenen Hosen. Ich kämpfe gegen eine aufkommende Panik. Was ist hier soeben geschehen? Trifft mich eine Schuld? Ich versuche mich zu konzentrieren. In jedem Fall braucht Andrea Hilfe und die muss ich ihr besorgen. Aber zunächst muss ich meinen immer noch erigierten Schwanz verstauen und mich wieder anziehen. Zumindest atmet Andrea noch. Allerdings gibt sie ein merkwürdiges Bild ab, wie sie dort mit hochgezogenem Rock liegt. Ich weiß zwar nicht, wie ein Mädchen nach der Vergewaltigung aussieht, aber so ähnlich könnte es sein. Ich ziehe ihren Rock wieder in Richtung der Knie und streife ihn dann so gut es geht glatt. Jetzt sieht es nur noch so aus, als wenn sie gefallen wäre. Vorsichtshalber stecke ich noch Andreas Slip ein. Es muss schließlich niemand wissen, was wir soeben hier getan haben oder versucht haben zu tun. Andrea ist weiterhin bewusstlos und ihre Atmung ist kaum wahrnehmbar. Ich drehe sie auf die Seite. Irgendwo habe ich gelesen, dass man das bei Bewusstlosen machen soll, damit sie nicht an ihrer Kotze ersticken.
Hier oben im Haus ist es still, lediglich Partygeräusche aus dem Garten kann man wahrnehmen. Ich bin ein wenig wacklig auf den Beinen, als ich über die Treppe nach unten gehe. Im Erdgeschoss stehen ein paar Gäste. Sie sind mir eben nicht aufgefallen, als ich nach der Toilette gesucht habe. Sie schauen mich komisch an, bilde ich mir jedenfalls ein. Wahrscheinlich fragen sie sich, woher ich komme und was ich da oben im Haus gemacht habe. Ich grinse sie an und das sieht bestimmt bescheuert aus. Dann gehe ich zügig in den Garten. Die Party ist jetzt in vollem Gang. Liegt wahrscheinlich daran, dass die DJane den Lautstärkeregler noch weiter aufgedreht hat und vor allem richtig heiße Musik spielt. Ich höre „Hotel California“ von den Eagles. Die alten Hits sind immer noch die Besten. Haben unsere Eltern wahrscheinlich auch zu „ihrem Schrott“ gesagt. Es ist schwer in dem Gewühl Andreas Mann ausfindig zu machen. Dann endlich sehe ich ihn. Er steht mit anderen Gästen vor dem Partyzelt. In der Hand hält er ein Lachsbrötchen. Das gab es definitiv nicht mehr, als ich das letzte Mal am Buffet war. Wahrscheinlich hat man um diese Zeit noch einmal etwas für das Buffet nachgeliefert. Er wirkt erstaunt, als ich auf ihn zusteuere.
»Haben sie Spaß? Gefällt Ihnen unser kleines Fest?«
Ich habe keine Ahnung, wie ich darauf reagieren soll, ohne einen Verdacht zu erregen. Verdacht? Worauf? Hier ist keine Zeit für Spielchen und deshalb platzt es aus mir heraus:
»Herr Müller, Ihre Frau liegt ohnmächtig im Haus, oben im ersten Stock.«
Müller schaut mich entgeistert an. Hat er mich bei der lauten Musik überhaupt verstanden? Ich mache einen neuen Anlauf, der hoffentlich glaubwürdig rüberkommt.
»Ich war auf der Suche nach einer Toilette und da habe ich sie gefunden. Sie liegt ohnmächtig auf dem Boden.«
Müller scheint meinen Worten wenig Glauben zu schenken. Immerhin macht er sich mit mir auf in den ersten Stock. Das Zimmer ist leer, von Andrea fehlt jede Spur. Müller schaut mich belustigt an. In der Hand hält er immer noch sein angebissenes Lachsbrötchen.
»Kann es sein, dass ihnen unsere Getränke nicht bekommen sind?«
Ich überhöre die freche Bemerkung und versuche erst gar nicht, irgendetwas zu erklären. Müller begleitet mich kopfschüttelnd nach unten und geht dann zügig wieder in den Garten. Ich beschließe, die andere Richtung zu nehmen. Nur schnell weg hier, bevor noch Schlimmeres passiert. Als ich schon fast auf der Straße angelangt bin, verstellt Andrea mir den Weg. Wie aus dem Nichts ist sie aufgetaucht.
»Bitte verzeih mir. Ich habe ein kleines gesundheitliches Problem und dann passiert manchmal so was.«
»Du hast mir einen Mordsschrecken eingejagt. Ich war schon bei Deinem Mann und der hält mich jetzt wohl für betrunken oder bekloppt oder beides.«
Ich versuche, meine Gedanken zu sortieren.
»Ich bekomme manchmal akute Atemnot und es ist auch schon mal vorgekommen, dass ich dadurch ohnmächtig wurde. Aber das passiert sehr selten. Ich denke, dass es das Beste ist, wenn wir gleich noch einmal nach oben gehen.«
Während sie insbesondere ihre letzten Worte auf mich wirken lässt, fügt sie mit spitzbübischem Lächeln hinzu:
»Von wegen, angefangene Dinge sollte man immer zum Ende bringen, nicht wahr mein Großer?«
Jetzt werde ich gleich ohnmächtig, denke ich. Das kann doch alles nicht wahr sein. Vor ein paar Minuten habe ich befürchtet, dass Andrea den Löffel abgibt und jetzt lädt sie mich schon wieder zum Ficken ein? Andrea lacht.
»Keine Angst, Großer. Für heute hast Du Dich genug bemüht. Ich wollte nur noch einmal Dein Gesicht sehen, wenn ich Dir den nächsten Fick androhe.«
Was ist das überhaupt für eine Ausdrucksweise? War Andrea damals auch schon so locker?
»Bekomme ich noch einen Abschiedskuss?«
Ich schaue mich hastig um, aber im Moment ist niemand außer uns zu sehen. Ich gebe Andrea hastig noch einen Kuss, bei dem sie wieder ihre Zunge ins Spiel bringt.
»Noch einen Moment, Großer.« ruft sie mir nach, als ich zum Sprint Richtung Taxi-Stand ansetzen will.
»Trägst Du ab jetzt meine Schlüpfer?«
Ich glaube, ich werde rot wie ein Teenager, der beim Schummeln erwischt wird, als ich ihren Slip aus meiner Tasche ziehe.
»Entschuldigung, ist doch nicht meine Größe.«
Dann verschwinde ich schnell, ohne mich noch einmal umzudrehen.