Читать книгу Losing Game - Valuta Tomas - Страница 8
LEVEL 4
ОглавлениеUm kurz nach Mitternacht fährt Neve endlich nach Hause um diesen beschissenen Tag zu Ende zu bringen. Er war lang und stressig genug, das reicht definitiv für einen Tag.
Sie hält noch an einem 24h Supermarkt um ein paar Lebensmittel zu kaufen. Eine viertel Stunde später steht sie gähnend und die rettende Luft in sich einsaugend, an der Kasse und beobachtet ein junges Paar, dass sich am liebsten gleich auf das Kassenlaufband werfen würde. Vielleicht machen sie damit ja auch noch Karriere und ordentlich Geld. Denn dieser Supermarkt hat in allen Ecken Kameras, die jeden Schritt aufnehmen.
Als Neve an der Reihe ist und mit kraftlosen Bewegungen ihren Einkauf in der Papiertüte verstaut, hört sie, wie ein Streifenwagen auf das Geschäft zufährt. Zum Glück hat sie Feierabend. Sie wäre jetzt nicht mehr annähernd fähig dazu, auch nur eine Schnecke zu verfolgen. Die würde wie ein Blitz vor ihr flüchten. Also nur eben kurz hinschauen und sich freuen, dass ihr beschissener Tag vorbei ist, während ihre Kollegen von der Streife noch bis acht Uhr morgens arbeiten müssen, bis der Schichtwechsel kommt.
Neve blickt mit verschlafendem Blick durch die Scheibe und hört die Sirenen näherkommen. Dann schießt plötzlich ein schwarzer 89´er Chevy Pick Up an ihr vorbei. Dicht dahinter der Streifenwagen. Sofort ist Neve hellwach. Im Bruchteil einer Sekunde, nimmt sie den Grund dieser Verfolgung wahr. Ein defektes Rücklicht! Ein beschissenes defektes Rücklicht! Eine Mistgeburt von defektem Rücklicht kann Sam das Genick brechen!
»Nein, nein, nein, nein, nein«, schimpft Neve brüllend und rennt zur Ausgangstür des Supermarktes.
»Ma´am!! Sie müssen noch bezahlen!!«, ruft die Kassiererin ihr scharf hinterher.
»Ja verdammt!!«, keift Neve, fummelt hektisch Geld aus der Hose, schmeißt der armen Mitarbeiterin fünfzig Dollar auf die Kasse, schnappt sich die Einkaufstüte, rennt zum Auto raus, schmeißt dort rücksichtslos den Einkauf auf die Rückbank und startet sofort den Wagen. Mit wenigen Handgriffen, hat sie ihr Blaulicht montiert und die Sirene eingeschaltet. Mit quietschenden Reifen rast sie auf die Fahrbahn und sieht eine viertel Meile weiter, wie der Streifenwagen am Straßenrand stehengeblieben ist. Sams Pick Up davor steht. Als Neve ihr Auto hinter dem Streifenwagen parkt, hört sie Sam auch schon wütend brüllen.
»Nimm deine dreckigen Finger von mir!«
»Hey Peter, sind neuerdings defekte Rücklichter dein Opfer?«, versucht Neve ihre schlechte Laune zu unterdrücken, als sie sich dem Pick Up nähert. Ihr Kollege hat währenddessen Sams Arme auf dem Rücken gedreht, ihr Handschellen angelegt und drückt sie gegen die Fahrertür.
»Eigentlich nicht, aber mir ist schlecht geworden, als ich ihr Kennzeichen überprüft habe«, erklärt er sich. Er hat Schwierigkeiten Sam unter Kontrolle zu halten. Sie reißt sich nach allen Seiten hin und her, nur um von dem kalten Stahl an ihren Handgelenken wegzukommen. Dann blickt sie zu Neve.
»Verdammt Neve. Kannst du deinem scheiß Kollegen sagen, dass er mir gerade die Arme bricht?!«, faucht sie aufgeputscht. Überrascht blickt Peter zu Neve und fragt sie »Du kennst sie?«.
»Flüchtig« antwortet Neve kühl.
»Flüchtig? Flüchtig?? Du kennst mich flüchtig?«, fragt Sam leise und überraschend ruhig. Im nächsten Moment, beginnt sie aber sich so stark zu winden, dass sie Peter etwas wegdrückt und sich ein klein wenig von ihm entfernen kann.
»Lass mich los, du Scheißkerl!«, brüllt sie wie verrückt und versucht verzweifelt von ihm loszukommen. Sie hat nicht die geringste Chance. Peter hält sie fest im Griff.
»Neve, könntest du bitte eben die Wagentür aufmachen?«, bittet Peter seine Kollegin. Er hat große Mühe Sam noch länger festzuhalten.
Mit einem Gefühl der Genugtuung, aber gleichzeitig schlechtem Gewissen, drückt Neve Sams Kopf etwas runter, damit sie sich beim Einsteigen diesen nicht stößt.
»Meine Güte ist das vielleicht ein Biest«, stöhnt Peter pustend.
»Woher kennst du sie eigentlich?« Gerade als Neve ihm sagen will, dass es unwichtig ist, haut er auf das Autodach und blickt in den Wagen, in dem Sam mittlerweile tiefer in die Rücksitzbank gerutscht ist und mit den Füßen immer wieder gegen die Tür auf der anderen Seite tritt.
»Hör sofort auf damit!«, fordert er sie bestimmend auf, bis Neve ruhig gegen die Scheibe klopft. Für einen kurzen Moment hört Sam auf und schaut sie an. Neve schüttelt den Kopf und will ihr eigentlich damit zu verstehen geben, dass sie mit diesem Kindertheater aufhören soll, aber sie hätte es besser wissen müssen.
»Leck mich am Arsch! Du kannst mich mal!«, schreit Sam sie an und beginnt wieder gegen die Tür zu treten.
»Peter, ich glaube es ist besser wenn ich sie ins Departement bringe. Du kannst mit meinem Wagen fahren. Ich kümmere mich um sie.«
»Nichts lieber als das.«, grinst ihr Kollege und nimmt den Wagenschlüssel, den ihm Neve entgegenhält. Sie öffnet die Fahrertür des Streifenwagens, setzt sich hinein und greift nach dem Funkgerät.
»Zentrale!? Hier 1327. Ich benötige einen Abschleppwagen in die Sutter Street. Ein schwarzer Chevy Pick Up mit San Francisco Zulassung und dem amtlichen Kennzeichen SAM 07. Die Schlüssel liegen auf der Ladefläche.« Es dauert einige Sekunden, bis eine kratzige Männerstimme antwortet.
»Zentrale verstanden, 1327, Abschleppwagen ist unterwegs.« Neve steckt das Funkgerät in die Halterung zurück und steigt aus.
»Fass meinen Wagen an und ich breche dir alle Knochen!!«, brüllt Sam.
»Halt deine Klappe!!«, antwortet Neve kalt, geht zum Pick Up, schließt ihn ab, legt die Wagenschlüssel, wie der Zentrale durchgegeben, auf die Ladefläche und geht zum Streifenwagen zurück.
Kaum hat sie sich gesetzt und die Tür geschlossen, tritt Sam gegen das Gitter, das die vordere von der hinteren Fahrgastzelle trennt. Sofort schlägt Neve mit der Faust dagegen.
»Sam hör auf, es reicht jetzt!!«
»Fick dich!!«, brüllt Sam und tritt erneut gegen das Gitter.
»Was hätte ich denn sagen sollen?«, schreit Neve genervt zurück und spricht somit genau das Thema an, das der Grund für Sams maßlose Wut ist.
»Vielleicht die Wahrheit!«
»Die Wahrheit?? Wenn ich mit der Wahrheit anfangen würde, würdest du nie wieder einen Schritt in Freiheit machen!!«, versucht sie Sam zu beruhigen. Aber es wäre leichter ein Rudel kleine Tiger zum Schlafen zu überreden, als diese pubertierende Göre zu beruhigen.
»Das wäre mir egal! Ich würde mich niemals für dich schämen und dich verleugnen!«
»Tatsächlich? Das wäre dir egal?«, keift Neve zurück und setzt ein fieses Grinsen auf.
»Sehr schön! Endlich eine vernünftige Aussage von dir! Ich bringe dich persönlich ins Gefängnis! Mir reicht es mit dir!«
»Ich bring dich um, das schwöre ich dir!! Ich bring dich um!!«, brüllt Sam aus Leibeskräften und tritt mit aller Kraft gegen das Gitter.
»Das hat doch alles keinen Sinn!!«, flucht Neve und fährt Peter zum Departement hinterher.
Dort angekommen, will sie Sam aus den Wagen ziehen, als diese auf der Rücksitzbank liegend beginnt nach ihr zu treten.
»Sam hör auf, verdammte Scheiße noch mal!!« Immer wieder muss sie einen Schritt von der Tür weggehen, weil Sam wie eine Verrückte mit unglaublicher Brutalität nach ihr tritt.
»Peter! Komm her!«, ruft sie ihren Kollegen zu sich.
»Ich lass mich doch nicht von dir verarschen!!«, schimpft Neve und geht um den Streifenwagen, während Peter von der einen Seite versucht Sam zu fassen zu kriegen.
Neve öffnet die Tür und dann fällt ihr Sam im wahrsten Sinne des Wortes schon entgegen.
»So schlau und doch so blöd«, lacht sie. Ihr tut dieser Satz schon ein Stück weit selbst weh, aber sie ist im Moment einfach zu wütend auf Sam. Sie kann nicht fassen, dass Sam erst heute Nachmittag ein Auto geklaut hat, obwohl sie ihr versprochen hat, auszusteigen.
»Sam hör endlich auf! Noch einmal sage ich es dir nicht!« Sie packt Sam an beiden Armen und versucht sie zuerst alleine ins Departement zu bringen. Als sie aber merkt, dass Sam sich einfach zu stark nach allen Richtungen hin- und herreißt, hilft ihr Peter. Zusammen bringen sie Sam in das Gebäude und drücken sie auf einen der Stühle.
»Hey Rick, einmal das übliche bitte«, begrüßt sie ihren Kollegen hinter dem Tresen, der sie erstaunt anschaut.
»Ich dachte du bist schon zu Hause.«
»Das dachte ich auch, aber es ist ja immer was auf der Straße los. Machst du sie soweit klar?«
Nach Luft ringend, wirft Neve einen kurzen Blick zu Sam, die von Peter mit beiden Händen auf den Stuhl gedrückt wird. Ihr Blick bringt sie fast um.
Während Neve zu ihrem Schreibtisch geht, kann sie kaum glauben, dass sie wirklich die letzte Nacht mit Sam verbracht hat. Sie war so unglaublich liebevoll und zärtlich, wie Neve es zuvor noch nie von einer Frau erlebt hat. Und von Sam hätte sie diese Einfühlsamkeit schon gar nicht erwartet. Die junge Frau hat sie nach allen Regeln der Kunst bis ins kleinste Detail vollkommen verwöhnt und sie spüren lassen, dass sie ernsthaft etwas für sie empfindet. Und jetzt? Jetzt sitzt sie kochend vor Wut bei ihr im Departement und beschimpft sie bis aufs Schlimmste.
Neve stützt ihren Kopf auf den Schreibtisch, atmet tief durch und dann wird es laut im Raum. Wie eine Verrückte schlägt und tritt Sam brüllend um sich, als Rick ihr die Handschellen abnehmen will.
»Nimm deine dreckigen Finger von mir!!«, brüllt sie und versucht sich mit einem Tritt gegen den Tresen von dem Polizisten zu befreien.
»Hey, bin ich hier im Zirkus oder was??«, ruft Neve wütend durch das ganze Departement. Sie kann nicht glauben, dass sich Sam so sehr gegen all das wehrt.
Sie geht nach vorne zum Tresen, packt Sam an beiden Armen, die mittlerweile wieder in Handschellen auf dem Rücken fixiert sind und schiebt sie zu ihrem Schreibtisch.
»Sam, ich warne dich!! Mach keinen Scheiß!!«, flüstert sie ihr ins Ohr und will sie damit eigentlich vor noch mehr Dummheiten bewahren. Aber Sam ist das vollkommen egal.
Als die beiden Frauen am Schreibtisch ankommen, tritt Sam mit einem Fuß gegen den Stuhl und schleudert ihn somit einige Meter durch das Departement. Dann tritt sie so stark gegen den Schreibtisch, dass dieser sich einige Zentimeter verschiebt. Jetzt platzt Neve der Kragen.
Mehr als brutal greift sie Sam in die Haare, knallt ihren Oberkörper auf den Schreibtisch und drückt sie mit aller Kraft herunter.
»Hör auf!! Du willst es echt auf die verdammt harte Tour, nicht wahr?? Kannst du haben, damit habe ich keine Probleme!! Ich habe die Schnauze so gestrichen voll von dir, das glaubst du gar nicht!!«, schreit sie die junge Frau an.
»Du kannst mich mal!!«, brüllt Sam zurück.
»Du mich auch!!«
Neve reißt sie vom Schreibtisch hoch und schiebt sie mit einer Hand noch immer in den Haaren und der anderen am Rücken, vor sich in einen langen Gang und stößt sie gegen eine Tür, so dass diese mit einem lauten Knall aufspringt.
Ohne Kontrolle über ihr Gleichgewicht, stürzt Sam in den Raum, der sich als Vernehmungsraum herausstellt und prallt hart zu Boden.
Neve betritt den Raum, knallt die Tür hinter sich zu und beobachtet Sam mit scharfen Augen, wie sie sich auf die Knie stützen will. Sie geht zu ihr hin, packt sie am Kragen ihres Shirts, zieht sie hoch und drückt sie gegen eine Wand.
Sam blickt ihr direkt in die Augen und fängt an zu lachen.
»Was ist? Kommst du dir jetzt wichtig vor, nur weil du ein verfuckter scheiß Bulle bist?« Kochend vor Wut reißt Neve sie herum und schleudert sie gegen den Tisch. Sam knallt mit den Rippen gegen die Kante und fällt wieder zu Boden.
»Was zum Teufel glaubst du eigentlich wer du bist??«, schreit Neve durch den ganzen Raum, beugt sich zu Sam herunter, greift ihr erneut an den Kragen und will sie hochziehen, als sich die Tür öffnet.
»Neve?«, ruft Peter ruhig.
»Was??«, brüllt sie zurück und lässt Sam nicht aus den Augen.
»Ihr Wagen ist da. Den solltest du dir mal anschauen!«
Etwas verwirrt schaut Neve zu Peter zurück. Als sie in seinen Augen erkennen kann, dass es keine gute Nachricht ist, wirft sie Sam einen Blick zu, bei dem jeder normale Mensch tot umfallen würde.
»Was zum Teufel hast du…??«
»Leck mich am Arsch!!«, lacht Sam nur. Neve lässt sie los und wirft sie auf den Boden zurück.
»Ach, das hat doch alles keinen Sinn mit dir!!«
Ohne ein weiteres Wort, verlässt sie den Vernehmungsraum, wobei ihr Peter bis auf den Parkplatz des Reviers folgt.
»Bisher weiß nur ich davon. Ich weiß jetzt ja nicht wie euer Verhältnis zueinander ist, aber das hier wird dich bestimmt nicht rosig stimmen.« Er klettert auf die Ladefläche des Abschleppwagens, auf dem der Pick Up steht, öffnet die Beifahrertür und greift zuerst unter den einen und dann unter den anderen Sitz. Er zieht zwei Rucksäcke hervor und hält sie Neve entgegen. Sie öffnet den Reißverschluss und dann bleibt ihr die Spucke weg.
»Oh Gott wie viel ist das?« Peter zuckt mit den Schultern.
»Ich würde mal so auf siebzig oder achtzigtausend tippen. Der Rucksack hier wird dir aber noch weniger gefallen.« Peter gibt ihr den zweiten Rucksack. Direkt nach dem Öffnen, platzt aus Neve sämtliche aufgestaute Wut heraus.
»Jetzt reicht es!! Ich dreh dir den Hals um!! Du kommst hier nicht mehr lebend raus!!«
Als würde der Teufel sie verfolgen, stürmt Neve ins Departement zurück und geht mit großen Schritten zum Vernehmungsraum. Als sie die Tür aufstößt, sieht sie, wie Sam mittlerweile auf einem Stuhl am Tisch sitzt.
Sam sieht die beiden Rucksäcke in Neves Händen und diese unbändige Wut in ihren Augen. Erst jetzt wird ihr klar, dass Neve jeden Augenblick explodiert.
Neve knallt die Tür zu, hebt beide Rucksäcke hoch und schmeißt sie mit voller Wucht auf den Boden.
»Oh Shit!« Das erste Mal an diesem Abend, springt Sam ängstlich vom Stuhl hoch, als Neve auf sie zurast. In Sekundenschnelle packt sie Sam am Shirt, reißt sie mit unglaublicher Kraft über die Stuhllehne und drückt sie gegen die Wand.
»DREHST DU JETZT VÖLLIG DURCH???«, brüllt sie sie aus Leibeskräften an.
»Ich stecke dich ins Gefängnis, das schwöre ich dir!! Die nächsten Jahre deines beschissenen Lebens kannst du in einer acht Quadratmeter großen Zelle darüber nachdenken was du gemacht hast!!« Anstatt etwas darauf zu antworten, schaut Sam sie mit ängstlichen Augen an. Dann versteinert sich ihr Blick.
»Dann steck mich doch endlich ins Gefängnis!! Wäre sowieso nicht das erste Mal!! Du kannst mich echt am Arsch lecken!! Das hätte mit uns beiden sowieso nie geklappt!!«
»Da sind wir ja endlich mal einer Meinung!!«, keift Neve und pfeffert Sam auf den Stuhl zurück, verlässt den Raum und kommt mit einer Papiertüte, einer kleinen Plastiktüte und einer Akte zurück. Sie setzt sich Sam gegenüber an den Tisch und beginnt die Akte durch zu blättern.
»Mit zehn aus dem Heim abgehauen, mit elf das erste Mal straffällig geworden. Mehrere Handtaschenraube, Diebstahl und Zerstörung von mehreren Autos. Mit zwölf für ein Jahr in einem Jugendgefängnis.« Neve schaut Sam an und schüttelt den. Sam blickt währenddessen mit leerem Blick auf die ganzen Papiere, die Neve nach und nach umblättert.
»Mit dreizehn kommst du aus dem Gefängnis und dann geht’s wieder weiter. Mit fünfzehn diesmal für eineinhalb Jahre im Jugendgefängnis. Du musst dich da ja schon richtig heimisch gefühlt haben.« Neves Stimme strotzt vor Ironie, während Sam das alles vollkommen kalt lässt.
»Es geht mit siebzehn weiter. Der erste Überfall auf eine Tankstelle, Vandalismus, Autodiebstahl, Angriff auf einen Polizeibeamten, Verkauf von Drogen, Sachbeschädigung, räuberische Erpressung und schwere Körperverletzung. Das geht die ganze Zeit so weiter!« Neve klappt die Akte zu und schiebt sie zu Sam herüber.
»Jetzt kommt wieder Autodiebstahl dazu. Widerstand gegen die Staatsgewalt, unerlaubter Waffenbesitz, erneuter Handel mit Drogen, Mordversuch an einer Polizistin und zu guter Letzt, auch noch Zerstörung von Staatseigentum.«, addiert Neve Sams Straftaten dazu, die sie selbst live miterlebt hat.
Sie lehnt sich zu Sam hinüber und blickt ihr direkt in die Augen.
»Was hast du vor? Willst du einen Rekord aufstellen? Arbeitet man sich so in eurer Gang hoch? Verdient man sich so den nötigen Respekt?« Sam dreht ihren Kopf zur Seite und blickt auf den Boden, während Neve die Plastiktüte in die Hand nimmt, in der sich die Waffe befindet, mit der Sam sie am Abend der Razzia angeschossen hat.
»Eine Sig Sauer Modell P226, 9mm Luger. Kompliment, Geschmack hast du ja.«, staunt Neve über die Waffe.
Sie öffnet die Papiertüte und schüttet den Inhalt auf den Tisch aus. Ein kleiner Schlüsselbund, eine Packung Kaugummi, Portemonnaie, eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug. Neve öffnet das Portemonnaie und beginnt nach und nach, den dort darin befindlichen Inhalt auf den Tisch zu legen.
»Führerschein, Kreditkarten, alles auf deinen Namen ausgestellt! Wie hast du das denn gemacht?«, grinst Neve ironisch.
»Das geht dich einen Scheißdreck an«, faucht Sam leise, aber noch immer in einem scharfen Ton.
»Oh wow, ich bin überrascht, ein Waffenschein.« Neve überprüft die Daten in dem Schein mit denen der Waffe und pfeift einmal ironisch auf.
»Das haut mich ja glatt um. Na dann können wir den unerlaubten Waffenbesitz ja streichen. Stimmt ja alles vollkommen überein.«
»Bekomme ich eine Zigarette?« Sam macht eine Kopfbewegung zu der Schachtel, ohne Neve dabei anzusehen. Neve schiebt ihr die Schachtel quer über den Tisch, die direkt auf Sams Beine fällt. Sam blickt zuerst auf die Schachtel und dann zu Neve hoch.
»Willst du mich verarschen oder willst du jetzt guter Bulle böser Bulle spielen? Wie soll ich mir denn so eine Zigarette anzünden?« Neve zuckt ironisch mit den Schultern.
»Keine Ahnung. Ist mir auch vollkommen egal. Genauso wie dir dein Leben egal ist, das du gerade aus dem Fenster wirfst.«
»Was soll die gequirlte Scheiße? Dich geht mein Leben einen verdammten Dreck an. Ich mische mich auch nicht in deines ein, also lass mich endlich in Ruhe.« Neve steht von ihrem Stuhl auf, geht zu Sam und schließt ihr die Handschellen auf.
»Du hast mich auf eine gute Idee gebracht. Ich spiele jetzt mal den guten Bullen, denn dann weiß ich endlich was du aus deinem weiteren Leben machen willst.«
Ohne zu zögern holt Neve ihre Waffe am Bein hervor, legt sie Sam direkt vor die Nase auf den Tisch und setzt sich wieder auf ihren Stuhl.
Sam reibt sich die Handgelenke, greift nach der Schachtel Zigaretten und steckt sich eine in den Mund. Als sie sie anzünden will, beugt sich Neve nach vorne und schlägt ihr diese aus dem Mund. Sam blickt der Zigarette hinterher, wie sie auf den Boden fliegt und starrt Neve mit unglaubwürdigem Blick an.
»Ich habe dir schon mal gesagt, dass sie ungesund sind!«
Innerhalb einer Sekunde nimmt Sam die Waffe, die vor ihr liegt, entsichert sie und hält sie Neve direkt an die Stirn. Anstatt überrascht oder geschockt darüber zu sein, lacht Neve nur.
»Ich habe auch nichts anderes von dir erwartet!«
»Du hast ja keine Ahnung!«, flüstert Sam leise, setzt sich in den Stuhl zurück und sichert die 38´er.
Ganz langsam legt sie die Waffe auf den Tisch, greift nach den Zigaretten und will sich erneut eine anzünden, als diese ebenfalls von Neve direkt aus ihrem Mund geschlagen wird.
»Ich fasse es nicht!! « Sam schüttelt den Kopf und verschränkt die Arme vor der Brust.
»Ich lasse mir das echt von dir gefallen!!«
»Du lässt es dir von mir gefallen weil du mich liebst, aber so kann es nicht weitergehen!«
Ganz langsam hebt Sam den Kopf und blickt Neve mit großen Augen fragend an.
»Ich weiß echt nicht mehr was ich mit dir machen soll. Weißt du überhaupt wie schwer das für mich ist? Ich bin Polizistin und du begehst ein Verbrechen nach dem anderen. Ich könnte dich jetzt tatsächlich für die nächsten Jahre ins Gefängnis stecken.«
»Und warum machst du es nicht endlich?«
»Weil ich gemerkt habe, dass ich zwischen zwei Stühlen sitze!« Sams Augen werden immer größer. Sie will gerade etwas sagen, als Neve von ihrem Platz aufsteht und Sam von ihrem Stuhl hochzieht. Sie schiebt sie aus dem Vernehmungsraum und ruft ihren Kollegen zu sich.
»Haben wir noch ein Zimmer für die Dame frei?«
»Wow, wie hast du die denn gebändigt?« Beide Frauen folgen Rick, der in einem abgeschotteten Teil des Polizeireviers eine Zelle aufschließt.
»Neve, was soll das?«, stottert Sam, als Neve sie in die kleine Zelle schubst und die Tür zuschiebt. Ohne ein weiteres Wort verlässt sie mit Rick diesen Bereich.