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2. KAPITEL Im Haus meines Vaters

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Logan und ich stiegen kichernd wie Schulkinder in Boston aus dem Flugzeug. Wir waren beide so aufgeregt, daß die Stewardessen gleich gemerkt hatten, daß wir frisch verheiratet waren. »So?« fragte Logan albern. »Wie sehen frisch Verheiratete denn aus?«

»Hoffnungsvoll und lachend. Daß sie sich lieben, ist so offensichtlich, daß selbst die abgestumpftesten Menschen sie anschauen und ihnen zulächeln«, erklärte die Stewardeß, als würde sie von ihrem eigenen schönsten Traum erzählen.

»Verliebt sind wir«, antwortete Logan. So waren wir während des ganzen Fluges gewesen: schmusend, küssend und kichernd. Jedes Mal, wenn die Stewardessen vorbeigekommen waren, hatten sie gelacht.

Nun eilten wir Hand in Hand den langen Gang im Flughafen entlang, neugierig darauf, was uns dieser Besuch bei Tony bringen würde. Als wir um die Ecke in die Halle bogen, entdeckte ich Tony, der an der Pforte stand. Er trug einen seiner dunkelblauen, doppelreihig geknöpften Seidenanzüge und hatte ein zusammengefaltetes Wallstreet-Journal in der Hand. Er schwenkte es aufgeregt, als wir auftauchten. »Da ist Tony!« Ich winkte zurück. »Ich dachte, er schickt nur Miles, den Chauffeur, um uns abzuholen.«

»Das wäre nicht die feine Art, Jungverheiratete zu empfangen«, witzelte Logan.

»Du hast recht«, sagte ich, doch dann hielt ich inne. Meine Finger schlossen sich fester um Logans Hand. Vielleicht war es, weil ich so lange von Tony getrennt gewesen war, vielleicht war es die Art und Weise des Herzens, zu zeigen, daß unsere wahre Einstellung sich mehr in unseren Augen als in unseren Worten enthüllt. Jedenfalls fühlte ich eine Kraft in Tonys Augen, die mich wie ein Magnet anziehen wollte. Genau so etwas hatte ich befürchtet.

Das Grau an Tonys Schläfen hatte sich vermehrt, aber es ließ ihn nicht älter, sondern nur würdiger aussehen. Als wir näher kamen, verwandelte sich sein scharfer bohrender Blick in einen Ausdruck des Entsetzens.

»Leigh?« Es war kaum noch ein Flüstern. Dann hatte er seine Beherrschung wiedergefunden. »Heaven!« Er kam uns ein paar Schritte entgegen. »Heaven, willkommen daheim. Du hat jetzt die gleiche Haarfarbe wie deine Mutter. Blond...« Seine Stimme war erregt, noch ganz gefangen von der Vergangenheit.

»O ja, das habe ich vergessen, Tony«, sagte ich schnell.

»Ich finde, daß sie besser aussieht, wenn ihr Haar seine natürliche schwarze Farbe hat«, warf Logan schnell ein und streckte dem überraschten Tony seine Hand entgegen.

»Tony, das ist mein Gatte Logan.« Ich stellte sie einander vor, während sie sich die Hände schüttelten. Ich konnte sehen, daß Tony sofort anfing, Logan zu mustern, seine Maße zu nehmen, sein Gesicht zu durchforschen nach Spuren von Schwäche und mangelnder Willenskraft, um herauszufinden, wo und wie er ihn würde manipulieren können.

»Willkommen, Logan«, sagte Tony schließlich. Dann schaute er wieder mich an, und ich fühlte, wie sein Blick sich geradezu in mich hineinbohrte. »Ich bin so froh, daß ich dich wiedersehe, Heaven. Ich habe dich so vermißt...« Er machte eine Pause. Als er wieder sprach, war seine Stimme belegt. »Es ist schon geradezu unanständig, wie sehr ich sie mag. Ich würde gern wissen...« Dann riß er sich zusammen und wandte sich an Logan. »Und ich bin froh, daß du gekommen bist, mein Sohn.«

»Haben Sie vielen Dank!«

»Oh, bitte nenn mich Tony!« Seine blauen Augen leuchteten auf. »Ich habe genügend Leute in meiner Umgebung, die mich siezen. Hattet ihr einen guten Flug?«

»Wunderbar. Aber, irgendwo hinzufliegen, mit Heaven zusammen, ist immer wunderbar«, sagte Logan. Er legte seinen Arm um meine Schultern und drückte mich an sich. Tony lächelte amüsiert.

»Das ist gut. Ihr benehmt euch, wie es sich für ein junges Ehepaar gehört. Ich bin froh, daß ihr eure Flitterwochen in Farthy beginnt. Das Auto wartet draußen. Kümmert euch nicht um das Gepäck. Ich habe jemanden, der das erledigt. Laßt uns nach Farthy fahren, wo ihr euch ausruhen könnt, und wo wir uns schnell kennenlernen wollen«, sagte er zu Logan.

Als er sich wieder mir zuwandte, waren seine blauen Augen ruhig und verrieten nichts. Er war wieder der Mann, der sich völlig unter Kontrolle hatte.

»Wie geht es Jillian«, fragte ich vorsichtig.

»Du wirst es selber sehen«, sagte er. »Ich möchte mir jetzt noch nicht die Freude über eure Ankunft trüben lassen. Ich habe alles für einen herrlichen Empfang organisiert, und es sieht so aus, als würde das Wetter schön werden«, sagte er, als wir durch die Halle schritten. »Meine Dienstboten waren fleißig wie die Eichhörnchen, um alles herzurichten. Farthy hat noch nie so stolz und majestätisch ausgesehen, aber es hat ja auch noch nie einen derartigen Anlaß dazu gegeben.«

»Ich kann es nicht erwarten, es mit eigenen Augen zu sehen«, sagte Logan. Tony bedachte mich mit einem selbstzufriedenen Lächeln, als wir aus dem Flughafen traten. Seine lange, schwarze Limousine stand an der Auffahrt. Miles stand daneben und hielt die Autotür für uns auf.

»Miles!« Ich lief auf ihn zu und umarmte ihn.

»Schön, Sie wiederzusehen, Miss Heaven. Es freut sich hier wirklich jeder auf Ihren Besuch.«

»Vielen Dank, Miles. Das ist mein Gatte, Logan Stonewall.«

»Sehr erfreut!«

»Vielen Dank«, sagte Logan, und wir stiegen alle drei hinten in die schwarze Limousine. »So muß man reisen«, meinte Logan, streckte seine Beine weit aus und lehnte sich zurück in die üppigen Ledersitze. Dann beugte er sich schnell vor. »Gibt es hier eine Bar?«

»Ja. Möchtest du etwas trinken?« fragte Tony.

»Ich glaube schon«, antwortete Logan, was mich überraschte. Er trank nicht oft Alkohol. Tony öffnete das Barfach, und Logan bat um einen Highball.

»Heaven?«

»Nein, danke, Tony. Jetzt im Augenblick würde ich davon einschlafen«, sagte ich. Tony bereitete Logans Drink, während wir auf der Autobahn dahinrasten.

Tony schaute mich an. Sein Lächeln war fast nicht zu erkennen. Er war amüsiert. Ich fühlte, wie mein Herz schneller schlug. Die Landschaft außen raste vorbei, doch alles – die Geräusche, Formen, Farben – war vibrierend und elektrisierend.

»Ist Curtis immer noch Butler und Rye Whiskey immer noch Koch?« fragte ich Tony.

»Natürlich. Farthy wäre nicht Farthy, wenn sie nicht da wären.«

»Rye Whiskey?« Logan lachte.

»Eigentlich heißt er Rye Williams, aber jeder nennt ihn Rye Whiskey.«

»Nicht jeder«, sagte Tony. »Ich wahre zumindest den Anschein von Würde, wenn es um meine Dienstboten geht.«

Ich lenkte meinen Blick aus dem Fenster. Ich wollte in Farthinggale vorfahren genau so wie das erste Mal. Ich wollte dieselbe Aufregung spüren, dasselbe Gefühl, etwas Neues zu erleben. Ich erinnerte mich daran, wie beeindruckt ich war, daß ein Haus einen Namen hatte. Doch jetzt dachte ich, wie richtig das war, denn für mich war Farthy wie etwas Lebendiges mit einer Persönlichkeit, mit Erinnerungen und mit Vergangenheit, wie eine Matrone, die still und aus dem Hintergrund regiert. Obwohl es mir schwer fiel, es einzugestehen, war es ein Heimkommen für mich. Ich kehrte zurück zu einem Teil von mir, den ich eigentlich hatte überwinden wollen, als ich Logan heiratete.

Wir fuhren nach Norden. Bald schon wurde die Straße gesäumt von riesigen, schattenspendenden Bäumen und grünen Wiesen. Es war ein schöner Sommertag, und das Laubwerk hatte sich voll entwickelt.

»Weißt du«, sagte Logan, während wir dahinfuhren, »mir ist noch nie aufgefallen, daß diese Gegend so ähnlich aussieht wie die Willies, nur ohne die Berge und die Hütten. Diese Häuser sehen etwas anders aus als unsere Hütten, nicht wahr, Heaven?«

»Ja«, sagte ich. »Aber die Willies wären nicht die Willies ohne sie«, fügte ich sanft hinzu.

»Wir werden in Winnerow leben«, erklärte Logan schnell. »Wir bleiben die nächste Zeit noch in der Hütte, aber dann bauen wir demnächst etwas Richtiges.«

»Stimmt das?« fragte Tony und rückte ein bißchen näher an Logan heran. Fast konnte ich seine Gedanken lesen. Er war dabei, seine ursprüngliche Meinung über Logan zu ändern. Er spürte, daß da mehr war, als er erwartet hatte. »Nun gut, ihr werdet gleich etwas ganz Wichtiges von hier sehen«, fügte er hinzu. »Farthy wurde von meinem Ur-Ur-Ur-Großvater gebaut, und immer der älteste Sohn, der es übernimmt, verbessert etwas daran.«

»Wirklich?« fragte Logan mit großen Augen. Er wandte sich mir zu. Sein Gesicht glühte vor Aufregung, so daß er mich einen Augenblick lang an einen kleinen Jungen erinnerte, der ein tolles, neues Spielzeug zum Geschenk bekommen hat.

»Wir werden es gleich sehen«, kündigte Tony an. Logan beugte sich nach vorn, um durch eine Lücke zwischen den Bäumen zu spähen. Miles lenkte das Auto eine lange, schmale Privatauffahrt hinauf, die durch ein hohes, schmiedeeisernes Tor gesichert wurde. Auf dem Torbogen prangte in schöner, verschnörkelter Schrift das Wort: Farthinggale Manor.

»Einmal bin ich zu diesem Tor geritten«, sagte Logan versonnen. »Ich versuchte, den Mut zu fassen, hindurchzugehen und Heaven zu besuchen.«

»Ja? Anscheinend haben sich deine Geduld und Ausdauer bezahlt gemacht«, sagte Tony und zwinkerte mir zu. Ich drückte meine Nase an das Fenster und sah die Tannen, Eichen und Pinien vorbeirauschen, als wir auf die runde Auffahrt zufuhren. Dann tauchte das große, graue Steinhaus vor uns auf. Das rote Dach ragte weit hinauf in den Himmel und bildete einen scharfen Kontrast zu dessen Kobaltblau. Ich wunderte mich, daß mir der Anblick immer noch den Atem nahm. Ich sah, daß auch Logan beeindruckt war.

»Es sieht tatsächlich wie ein Schloß aus«, sagte er.

»Und die Prinzessin kehrt heim«, fügte Tony hinzu, legte seine Hand auf meine und lächelte.

Miles fuhr den Wagen vor die breite Treppe, die zu der handgeschnitzten, gebogenen Eingangstür führte.

»Und nun beginnt die Besichtigung«, rief Tony. Ich spürte Logans Aufregung und Begeisterung, als er den Rest seines Drinks herunterkippte und überstürzt das Auto verließ. Ich stieg sehr viel langsamer aus. Plötzlich hatte ich ein bißchen Angst. Ich blickte schnell hinüber zu den hohen Hecken, die das englische Labyrinth formten. Am anderen Ende dieser Gänge lag Troys kleine Hütte. Trotz des hellen Sonnenscheins und des blauen Himmels schien es mir, als hinge ein Nebel über diesen Hecken, der ihr Geheimnis verhüllte.

Logan wußte nicht, wohin das Labyrinth führte, aber er wußte sehr wohl, wieviel mir Troy einst bedeutet hatte. Er wußte sogar von unserer kurzen und tragischen Verlobung. Er hatte das alles erfahren, als ich mit einem Nervenfieber in meiner Hütte gelegen und er mich gesund gepflegt hatte. Es war Troy gewesen, nach dem ich gerufen hatte, Troy, den ich sogar zu sehen meinte, wenn ich meine fiebrigen Augen öffnete und Logans bestürztes Gesicht vor mir sah. Ich weiß noch, wie ihm das damals weh getan hatte.

Trotzdem hatte er mich gesund gepflegt. Nun fühlte ich mich schuldig, als ich das Labyrinth ansah und an Troy dachte, an die Liebe, die ich verlor, als er sich das Leben nahm. Ich konnte es nicht ändern, daß diese Erinnerungen mich überfielen und mir die Tränen in die Augen trieben. Ich verbarg mein Gesicht vor Logan. Ich wußte, daß es nicht richtig war, an den anderen Mann zu denken, den ich einst geliebt hatte, selbst wenn es nur für ein paar Sekunden war.

»Unvorstellbar!« sagte Logan, die Hände auf die Hüften gestützt. Sein Kopf bewegte sich hin und her, während er das Gelände vor sich betrachtete.

»Wir gehen hinein, ihr macht euch frisch, und dann führe ich euch herum... oder möchtest du das lieber selbst machen, Heaven?« fragte Tony mich schnell.

»Was? Nein, nein, das ist schon gut so. Ich sollte wohl lieber zu Jillian gehen«, sagte ich und schaute hinauf zu den großen, hohen Fenstern, hinter die meine Großmutter mütterlicherseits sich zurückgezogen hatte.

»Ja, natürlich«, sagte Tony und geleitete uns zur Eingangstür, die Curtis wie auf ein Stichwort öffnete. Er trat lächelnd einen Schritt zurück, doch ich ging auf ihn zu, um ihn zu begrüßen.

»Willkommen daheim, Miss«, sagte er und wurde rot. Als ich Tony ansah, bemerkte ich bei ihm einen Ausdruck von Befriedigung. Ich hatte fast den Verdacht, daß er Curtis angewiesen hatte, mich so zu begrüßen. Ich stellte Logan vor, und wir betraten das Haus.

Drinnen drehte sich Logan langsam im Kreis herum. Er sah dabei aus wie einer aus den Bergen, der zum ersten Mal in die Stadt kommt. Und er ließ mich ein bißchen wehmütig an meine erste furchteinflößende Besichtigung von Farthy denken. Wie lange war das schon her! Wie schnell hatte ich mich an diesen Reichtum gewöhnt!

Ich schaute in das riesige Wohnzimmer und erblickte den Flügel, auf dem Troy immer gespielt hatte, wenn er in das große Haus gekommen war. Für einen Augenblick meinte ich, wieder die Weise von Chopin zu hören, die romantische Melodie, die mich sentimental und wehmütig werden ließ. Ich stellte mir vor, daß Troy wieder hier saß und seine langen, schlanken Finger über die Tasten glitten. Ich stand zitternd in der Tür.

»Heaven?«

»Was ist?« Ich drehte mich um und sah, daß beide, Logan und Tony, mich fragend ansahen.

»Warum antwortest du nicht?« fragte Logan.

»Es tut mir leid. Was hast du gesagt?«

»Ich habe Logan gerade erzählt, daß wir deine alten Zimmer für euch hergerichtet haben. Ich dachte, daß dir das gefällt«, sagte Tony.

»O ja, natürlich. Vielen Dank, Tony! Wir gehen gleich hinauf.«

»Eure Koffer sind auch schon angekommen und werden gleich hinaufgebracht«, fügte Tony hinzu. Wir stiegen die Marmortreppe hinauf.

»Ich habe noch niemals eine solch riesige Wandmalerei in einem Raum gesehen«, sagte Logan, als er in das Musikzimmer sah. »Es ist wie in einem Museum.« Tony lachte. »Meine Frau hat früher Kinderbücher illustriert. Das war, bevor sie verrückt wurde...« Tony verschluckte den Rest des Satzes. Offenbar bereute er den letzten Satz. Er räusperte sich. »Ich fürchte, ich habe ihr hier ein bißchen zu viel Freiheit gelassen.«

Logan beugte sich zurück, um sich die gewölbte Decke anzusehen, die über und über bemalt war: mit Vögeln, einem Mann, der auf einem fliegenden Teppich saß, und einem Märchenschloß, halb versteckt hinter Wolken.

»Kindern würde es hier gefallen«, sagte Logan.

»Das stimmt«, sagte Tony schnell. »Ich hoffe, eines Tages gibt es welche, die das genießen können.« Wieder einmal blickte er mit schmalen Augen auf mich. »Warum geht ihr zwei Turteltauben jetzt nicht nach oben und macht euch frisch? Ich kann mir vorstellen, daß ihr noch ein bißchen allein sein wollt, ehe wir essen.«

Aber Logan fuhr mit seiner Betrachtung der Decke fort, als hätte er nicht gehört, was Tony gesagt hatte.

»Logan«, sagte ich. »Ich würde gern duschen.« Ich begann, die Treppe hinaufzusteigen. »Logan?«

»Was? O ja, natürlich.«

Logan eilte mir nach, und wir gingen in mein altes Zimmer.

»Mein Gott, was für Räume«, sagte er, als wir durch die Doppeltür traten. Die Bediensteten hatten unsere Koffer schon heraufgebracht, und ein Zimmermädchen war dabei, unsere Kleider in die Schränke zu hängen.

Helles Sonnenlicht strömte durch die elfenbeinfarbenen Vorhänge und ließ unser Wohnzimmer noch gemütlicher aussehen, als es ohnehin schon war. Die Farben der Blumen auf der Seidentapete wirkten noch leuchtender als gewöhnlich. Es war, als wäre das Zimmer lebendig geworden und hätte all seine Farbe und all seine Schönheit ausgebreitet, um mich zu begrüßen. Logan hatte bis jetzt nur Bruchstücke gesehen, aber er war bereits verführt und trunken von Farthys majestätischer Größe und Schönheit. Er ließ sich auf eines der kleinen Sofas fallen und streckte die Arme nach mir aus.

»Du hast wie eine Prinzessin gelebt«, sagte er. »Ich kann es nicht glauben, daß du all das aufgegeben hast, um in einer Hütte in den Willies zu wohnen.«

»Nun, das habe ich getan«, sagte ich. »Und du solltest froh darüber sein. Sonst hätten wir vielleicht nie zusammengefunden.« Dann wurde meine Stimme weicher. »Ich bin so froh, daß ich Ihre Frau bin, Mr. Stonewall.«

Ungestüm beugte er sich vor und küßte mich.

»Heaven, Liebste«, sagte er. »Ich wüßte nicht, was ich ohne dich tun sollte... Wenn du nicht...« Er packte mich an den Schultern. »Ich hätte dich für immer verloren.« Wir küßten uns wieder. Plötzlich bemerkte ich, daß das Zimmermädchen in der Tür zum Schlafzimmer stand.

»Kann ich noch etwas für Sie tun, Mrs. Stonewall?« fragte sie. Sie war neu. Sie war ungefähr vierzig, für meinen Geschmack ein bißchen zu steif und ordentlich, aber sicher eine ausgezeichnete Angestellte.

»Nein, ich glaube nicht. Wie heißen Sie?«

»Donna.«

»Danke, Donna. Wie lange sind Sie schon in Farthy?«

»Erst seit einer Woche, gnädige Frau.«

»Extra für uns eingestellt«, sagte Logan. Ich schaute ihn an und fragte mich, ob er recht hatte.

»Das wäre alles, Donna. Vielen Dank.« Ich schaute ihr noch nach, während Logan ins Schlafzimmer ging und leise pfiff.

»Wenn das kein Schlafzimmer für eine Prinzessin ist«, sagte er. Er stand vor dem riesigen Himmelbett, um dessen Baldachin sich kostbare Spitze wölbte.

»Und ein Bett für Seine Königliche Hoheit«, scherzte ich, nahm seine Hand und zog ihn neben mich.

Er drückte auf die Matratze. »Großartig!« Er stand sofort wieder auf, ging ins Bad, in die Ankleideräume und in den begehbaren Kleiderschrank, während ich mich auszog, um zu duschen. »Ich glaube, es gibt kein Hotel im ganzen Land, das ein besseres Zimmer für Flitterwochen hat«, sagte er.

»Davon bin ich nicht überzeugt, Mr. Stonewall. Das müssen wir jetzt erst einmal ausprobieren.« Ich fühlte, wie ich über und über rot wurde. Ich war begierig darauf, daß wir unsere Ehe endlich vollziehen würden. Ich kam zwar nicht als Jungfrau zu ihm, doch was ihn betraf, war ich wie eine Jungfrau, und ich sehnte mich danach, ihn als Geliebten kennenzulernen – seit über zehn Jahren hatte ich diese Sehnsucht. Jetzt war die Gelegenheit dazu da. Logan wirkte nervös und unsicher, als wüßte er nicht, wie er seine jungenhafte Liebe umwandeln sollte in die Leidenschaft eines erwachsenen Mannes für seine Frau. Ich wartete darauf, daß er mich in seine Arme nehmen und mir mit seinem Körper die Liebe beweisen würde, die seine Augen schon immer ausdrückten.

»Ich hoffe, das Hotel in Virginia ist auch so vornehm«, sagte Logan. Er drehte sich um und schaute mich an. Ich stand und hatte nichts an außer einem Slip und dem BH.

»Willst du duschen und dich umziehen?« fragte er.

»Ich glaube, ich lege mich ein bißchen hin und ruhe mich aus. Bist du nicht auch müde, mein Schatz?« Ich ließ meine Augen weich und verträumt wirken, ich wollte, daß er mich begehrte.

»Nein, ich bin viel zu aufgeregt, um mich hinzulegen. Ich gehe lieber hinunter und unterhalte mich mit Tony«, sagte er.

»Wenn du willst«, sagte ich und versuchte, meine Enttäuschung in meiner Stimme zu verbergen.

Er küßte mich kurz und ging. Das war nicht ganz so, wie ich mir diesen Nachmittag vorgestellt hatte. Mich verlangte danach, daß er mich in seine Arme nahm und all die Gespenster meiner Liebe zu Troy vertrieb, die überall in diesem Hause lauerten. Ich wollte mit ihm hier sein, mit ihm, meiner klaren, frischen Frühlingsliebe. Ich brauchte Logan, damit er mir bewies, daß ich Leidenschaft, immerwährende Leidenschaft in den Armen meines Gatten finden konnte. Warum ging mein Mann lieber auf Entdeckungstour, als unsere grenzenlose Liebe zu erforschen? Ich saß im leeren Zimmer und schaute auf mein Abbild im Spiegel. Plötzlich mußte ich lachen. »Es ist kaum zu glauben, Heaven Leigh Stonewall! Du bist tatsächlich eifersüchtig auf ein Haus. Das ist doch dumm, nicht wahr?« Die Frau im Spiegel antwortete nicht.

Nachdem ich geduscht und mich umgezogen hatte, ging ich den Flur entlang zu Jillians Zimmer. Es waren schon über zwei Jahre vergangen seit jenem Tag, als ich Farthy verlassen hatte. Damals war sie vor ihrem großen Fenster gestanden, während ihr Haar im Sonnenlicht schimmerte. Ich hatte sie gehaßt und mir eigentlich vorgenommen, sie nie wieder zu sehen.

Martha Goodman begrüßte mich im Wohnzimmer. Sie saß in dem provenzalischen Sessel direkt neben der Tür zu Jillians Schlafzimmer und strickte. Als sie mich eintreten sah, lächelte sie und stand auf.

»Ach, Heaven, es ist so gut, daß Sie wieder da sind«, sagte sie und streckte mir die Hand entgegen. »Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Hochzeit. Mr. Tatterton hat mich von Ihrer bevorstehenden Ankunft informiert.«

»Danke, Martha. Wie geht es... meiner Großmutter?« erkundigte ich mich. »Weiß sie, daß ich wiedergekommen bin? Weiß sie, daß ich geheiratet habe?« fragte ich interessiert.

»Ich fürchte, nicht. Mr. Tatterton hat sie anscheinend nicht auf Ihren Besuch vorbereitet?« fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. »Sie ist anders, Heaven, ganz anders.«

»Wie das?« fragte ich.

»Sehen Sie am besten selbst«, sagte sie, fast schon flüsternd. »Mrs. Tatterton ist am Schminktisch und macht sich zurecht für die Gäste«, fuhr sie fort, wandte ihr rundes Gesicht von mir ab und nickte traurig.

»Gäste?«

»Die Leute, die sie eingeladen hat, um mit ihr einen alten Film in ihrem Privatkino anzuschauen.«

»Ich verstehe.« Ich schaute auf die Schlafzimmertür. »Ich bringe es besser hinter mich«, sagte ich und klopfte an. Nach einem Augenblick hörte ich Jillians Stimme. Sie klang weicher, jünger, glücklicher als sonst. »Ja, bitte!«

Ich blickte Martha Goodman an, die mir freundlich zunickte, ehe sie sich wieder in ihren Sessel setzte. Also trat ich ein.

Jillian saß an ihrem mit Marmor abgedeckten Schminktisch und trug eines ihrer losen Hauskleider in Beige mit pfirsichfarbener Spitze. Sie sah aus wie ein Zirkusclown. Ihr Haar war leuchtend gelb gefärbt und so aufgesteckt, daß einzelne struppige Strähnen hochstanden. Ihr Gesicht sah aus wie rissiges Porzellan, nur an den Wangen waren leuchtend rote Flecken. Eyeliner war auf ihre Lider geschmiert, in ihren faltigen Augenwinkeln war die Linie verlaufen. Ihr Lippenstift war grell, dick aufgetragen und an den Mundwinkeln verklebt.

Doch als ich an ihr vorbei in den Spiegel sehen wollte, sah ich zu meinem Entsetzen nur die nackte Rückwand des ehemaligen Spiegels. Das Glas war entfernt worden. Jillian saß vor dem leeren Rahmen und schaute auf ihr Abbild aus der Erinnerung.

Ich schaute hinüber zu ihrem Bett und sah ein Kleid neben dem anderen auf der Tagesdecke liegen. Viele Paar Schuhe standen auf dem Boden. Schubladen waren herausgezogen, Unterwäsche und Strümpfe quollen aus ihnen heraus. All ihre Schmuckkästchen waren offen. Glitzernde Colliers, Juwelenohrringe, mit Diamanten besetzte Diademe lagen auf der Kommode. Das Zimmer sah aus, als ob es von einer Wahnsinnigen durchwühlt worden wäre. Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Jillians Zustand war viel schlimmer geworden, als ich erwartet hatte.

Sie erblickte mich und fing an, geziert zu lächeln. Ein Lächeln, das ihr clowneskes Aussehen ins Dämonische zog und mir Angst machte.

»Leigh«, sagte Jillian mit erzwungener Fröhlichkeit. »Gott sei Dank, daß du da bist. Ich werde bald verrückt, weil ich nicht weiß, was ich anziehen soll. Du weißt doch, wer heute kommt, nicht wahr?« fügte sie in lautem Flüstern hinzu. Sie schaute sich im Zimmer um, als wären da auch andere Leute, die sie hören könnten. »Jeder, der zählt. Und alle kommen sie zu meiner Vorstellung.«

»Hallo, Großmutter«, sagte ich und ignorierte ihr verrücktes Gestammel. Ich hoffte, wenn ich nicht darauf einging, würde sie es vielleicht aufgeben. Statt dessen lehnte sie sich zurück und starrte mich an, als hätte sie etwas anderes gehört.

»Was heißt das, du willst nicht kommen? Schließlich lade ich mit Absicht einflußreiche Leute nach Farthy ein, damit du sie und deren Söhne kennenlernst. Du solltest dich für junge Männer in deinem Alter interessieren. Es ist nicht gesund, wenn du... wenn du immer nur mit Tony zusammen bist.«

»Großmutter, ich bin nicht Leigh. Ich bin Heaven, deine Enkeltochter«, sagte ich und machte ein paar Schritte auf sie zu. »Ich habe geheiratet, Großmutter. Er heißt Logan, Logan Stonewall. Wir sind nach Farthy gekommen, weil Tony für uns einen großen Empfang gibt.«

Sie schüttelte den Kopf. Offensichtlich hörte sie kein Wort von dem, was ich sagte.

»Ich habe dir immer wieder gesagt, du sollst nicht so unvollständig angezogen in mein Schlafzimmer kommen. Du bist kein Kind mehr. Du kannst nicht so umherstolzieren, besonders nicht vor Tony. Du solltest etwas mehr Selbstachtung haben. Eine Dame, eine richtige Dame tut so etwas nicht. Nun geh und zieh dich fertig an!«

»Jillian!« Ich dachte, wenn ich ihren Vornamen benutzte, würde sie mich vielleicht wahrnehmen. Ich wußte, wie sehr sie es haßte, als Großmutter behandelt zu werden. »Leigh ist fort. Leigh ist tot«, sagte ich sanft. »Ich bin Heaven.«

Sie zwinkerte einige Male und setzte sich gerade hin.

»Das ist das letzte Mal, daß du so etwas mit mir anstellst«, krächzte sie. »Du nimmst jeden gegen mich ein. Aber alle kennen die Wahrheit, Leigh, die Wahrheit über dein gemeines verführerisches Verhalten. Eifersüchtig? Ich?« meinte sie arrogant. »Eifersüchtig auf meine eigene Tochter? Lächerlich!« Sie drehte sich wieder zu ihrem eingebildeten Spiegel und lächelte heiter und selbstzufrieden. »Du wirst es niemals mit meiner Schönheit aufnehmen können, Leigh. Die Schönheit einer reifen Frau. Du bist ja noch ein Kind.«

Sie betrachtete sich in dem eingebildeten Spiegel und bürstete wieder ihre Haare. »Ja, ich weiß, was du tust, Leigh«, fuhr sie fort. »Tony hat sich darüber beklagt, und ich habe es gesehen, also streite es nicht ab. Dein Körper entwickelt sich, das sehe ich wohl. Immerhin bist du ja meine Tochter. Du wirst schön werden, wirklich schön. Wenn du auf mich hörst, hart an deiner Frisur und deinem Make-up arbeitest und dich pflegst, wie ich es tue, ja, dann wirst du einmal so schön wie ich.« Plötzlich hörte sie mit dem Bürsten auf und schlug mit der Bürste auf den Frisiertisch. »Was erwartest du eigentlich von Tony? Natürlich schaut er dich an, aber das bedeutet noch lange nicht das, was du denkst. Ich habe gesehen, wie du deinen Körper verführerisch an den seinen geschmiegt hast, o ja, das habe ich.«

»Jillian...« Ich konnte es nicht glauben, daß sie immer noch meiner Mutter vorwarf, was passiert war. »Du bist eine verrückte alte Frau, total verrückt. Meine Mutter hat so etwas nicht getan. Du warst es. Du bist schuld. Meine Mutter war jung und unschuldig. Ich weiß, daß sie es war.« Ich zitterte vor Wut. Ich wollte es nicht glauben, daß meine Mutter Tony verführt haben könnte. Ich wollte, ich konnte es nicht glauben. »Durch deine Eifersucht ist meine Mutter gestorben. Selbst deine Verrücktheit kann das nicht vertuschen.«

Sie hörte auf zu reden und richtete sich nun kerzengerade auf. »Warum schaust du mich so an? Du hast es nie gemerkt, wenn ich dir gefolgt bin, nicht wahr? Du hast nie gemerkt, daß ich da war, draußen, vor der Tür, im Schatten, und euch beobachtet habe. Aber ich weiß Bescheid. Ich brachte es nicht fertig, hineinzugehen und der Sache ein Ende zu machen, aber ich war da. Ich war da«, flüsterte sie.

Ich starrte sie an. Konnte das wahr sein, was sie sagte? Konnte es sein, daß meine Mutter Tony verführt hatte? Ich weigerte mich, es zu glauben. Und dennoch... dennoch... Ich hatte Troy verführt. Ich wußte, wie leidenschaftlich mein Blut war. War es die Leidenschaft meiner Mutter, die ich geerbt hatte? Vielleicht war es das, was der Reverend gesehen hatte, als er voraussagte, ich würde alles zerstören, was ich liebe und was mich liebt.

Ich lief hinaus zu Martha Goodman, die still in ihrem Sessel saß und strickte.

»Sie müssen das beenden«, rief ich aus. »Sie dreht durch da drinnen. Sie beschmiert sich über und über mit Make-up und Rouge und Lippenstift.«

»Oh, sie wird bald müde«, sagte Martha und lächelte mild. »Ich gebe ihr ein Mittel. Ich sage ihr, es wäre ein Vitaminpräparat, das sie ewig jung halten wird. Dann wasche ich ihr das Gesicht und räume auf, und sie hält ein langes Schläfchen. Machen Sie sich keine Sorgen.«

»Aber sieht Tony denn nicht, wie schlimm es mit ihr geworden ist? Kommt denn kein Doktor?«

»Aber natürlich. Viele, meine Liebe. Die Ärzte meinen, sie gehört in eine Anstalt, aber davon will Mr. Tatterton nichts wissen. Machen Sie sich keine Sorgen. Sie ist doch die meiste Zeit glücklich.«

»Sie erinnert sich nicht an mich, oder?«

»Derzeit nicht. Sie spricht viel von Ihrer Mutter«, sagte Martha und blickte hinunter auf ihr Strickzeug. Ich erkannte, daß sie viele häßliche Wahrheiten aus dem Gebrabbel meiner Großmutter aufgeschnappt hatte.

So schnell ich konnte, verließ ich Jillians Räume. Eigentlich floh ich vor den Bildern, die sie zum Leben erweckt hatte. Als ich in unser Zimmer kam, kramte ich das dicke Fotoalbum meiner Mutter hervor. Ich betrachtete wieder einmal die Bilder aus ihrer Schulzeit in der Hoffnung, eine Bestätigung für meine Überzeugung zu finden, daß sie zwar schön, aber unschuldig, wild, aber rein gewesen war. Wenn ich nur für einen Augenblick, nur ganz kurz, tatsächlich in diese blauen Augen schauen konnte, dann wüßte ich die Wahrheit, dachte ich. Aber wollte ich es wirklich wissen?

»Erzähl mir bloß nicht, du versteckst dich noch immer in diesem Zimmer?« erschreckte mich Logan, als er den Raum betrat. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie lange ich hier gesessen und an die Vergangenheit gedacht hatte. Schnell schloß ich das Album.

»Nein«, murmelte ich. »Ich war bei meiner Großmutter.« Dann wandte ich mich meinem Mann zu und legte ein strahlendes Lächeln auf mein Gesicht. »Nun, was hat Tony dir gezeigt?«

»Alles«, sagte Logan bewundernd. »Das ganze Paradies, genannt Farthinggale Manor. Ich kann es kaum glauben, doch es gibt ein Hallenbad. Das Labyrinth, den See, die Ställe, Morgen über Morgen wunderbares Land und den Privatstrand.«

»So hat Tony mit dir die große Tour gemacht?«

»Das sage ich doch. Natürlich ist er sehr stolz darauf. Stolz auf das, was es ist, zu was er es gemacht hat, und stolz auf das, was es weiterhin sein kann«, fügte Logan hinzu. »Er ist ein faszinierender Mann, sehr scharfsinnig und eindeutig in seinen Aussagen zu Politik und Wirtschaft. Ich habe nie verstanden, was Tatterton-Spielzeug wirklich ist, bis er es mir heute erklärt hat.«

»Stimmt das?« Ich setzte mich zurück mit einem halben Lächeln. Logan benahm sich wie ein dummer Schuljunge.

Er lächelte, und ich umarmte und küßte ihn. Es war ein langer, leidenschaftlicher Kuß. Seine Umarmung wurde fester, und ich fühlte die Erregung, die mich meinen Körper enger an den seinen schmiegen ließ.

»Jedes Mal, wenn ich dich küsse«, murmelte ich in sein Ohr, »denke ich an unseren ersten Kuß. Erinnerst du dich?«

»Ja. Ich erinnere mich«, flüsterte er. Ich war damals die Forsche gewesen. Er hatte mich nach Haus gebracht und stand an dem Weg. Begeistert darüber, wie er an jenem Tag für mich gekämpft hatte, hatte ich es nicht abwarten können, daß er den Mut fand, mich in seine Arme zu nehmen.

»Du sagtest: ›Logan, wäre es in Ordnung, wenn ich dich jetzt einmal küsse? Dafür küsse, daß du so bist, wie ich es mir wünsche?‹ Und dann hast du mich geküßt, aber so leidenschaftlich...«

Ich wandte mich von ihm ab.

»Was ist los?«

»Nichts«, sagte ich. Dann schenkte ich ihm mein verführerischstes Lächeln.

»Wir haben noch Zeit vor dem Essen«, gurrte ich schmeichelnd.

»Um mit den Flitterwochen zu beginnen«, vollendete er den Satz mit einem strahlenden Lächeln.

»O Logan, ich...«

Er nahm mich in die Arme und küßte mich. Dann fing er an, mich auszuziehen. Ich schloß die Augen und ließ bei seinen sanften Berührungen alle Gedanken verstummen. Ich überließ mich vollkommen dem gemeinsamen Willen unserer Körper.

Als Logan und ich uns nebeneinander ausstreckten, zogen mich seine Küsse und Liebkosungen hinab in einen See von Zärtlichkeit. Und als er in meinen Körper eindrang, verjagte das Licht seiner Liebe alle Schatten, die noch von meiner dunklen verbotenen Liebe geblieben waren. Es war, wie es nun immer sein sollte, Logan und Heaven. Logan, der mich berührte, Logan, der mich küßte, Logan, der mich streichelte, Logan, der mich mit solch einer Zärtlichkeit liebte. Nicht die wilde, verbotene Leidenschaft, die ich mit Troy erfahren hatte, nicht diese alles verschlingende Liebe, die die Welt zum Verschwinden brachte und dazu führte, daß man sich an die Liebe klammerte wie ein Schiffbrüchiger an ein Floß. Dieses waren sanfte freundliche Wellen der Liebe, angenehm und besänftigend wie ein warmer Teich im Sommer. So sollte mein Leben mit Logan sein.

Hinterher schlief Logan zusammengerollt in meinen Armen ein. In dem Dämmerlicht des frühen Abends schaute ich mich um. Hier war ich wieder, wieder in Farthy, und hatte gerade mit meinem Ehemann geschlafen. Hatte vielleicht vor Jahren meine Mutter in diesen Mauern ihren jungen Körper gierig an den Ehemann ihrer Mutter gepreßt und damit meine verrückte Existenz geschaffen?

Ich schloß meine Augen. Nun verstand ich, was es bedeutete, wenn man sagte, daß Gespenster weiterleben. Sie leben in uns und machen, daß wir hungrig werden auf die gleichen Dinge. Meine Mutter lebte weiter in meinen Begierden. Doch meine Wünsche waren rein und vernünftig, denn ich begehrte nur meinen Ehemann und würde nie einen anderen begehren. Ich kuschelte mich an Logans warmen, friedlich schlafenden Körper.

Gebrochene Schwingen

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