Читать книгу Genesis - Veit Lindau - Страница 18
Wer sind deine wahren Eltern?
ОглавлениеIm offiziellen Gesellschaftsspiel unseres Lebens hast du also einen Namen und einen Geburtstag und erfüllst gewisse Rollen. Doch du bist in Wahrheit wesentlich älter. Dies ist der kosmologische Spiegel, in den ich dich bitte zu schauen.
Du bist mindestens 13,5 Milliarden Jahre alt.7
Was löst dieser Satz in dir aus? Hältst du die Behauptung für verrückt? Für abgedreht? So reagieren wir oft, wenn ein Paradigma infrage gestellt wird. Ich fordere dich nicht auf, mir blind zu glauben. Ich lade dich ein, einmal verspielt darüber nachzudenken: Was wäre, wenn …
Vielleicht bist du sogar noch älter. Doch das ist alles, was wir bisher über deine Geschichte wissen. Denn vor 13,5 Milliarden Jahren war da, wo du jetzt gerade dieses Buch liest, …
… nichts.
Kein Nichts, das wir uns in unserem Verstand wirklich vorstellen könnten. Aber lass uns so tun, als ob. Stell dir eine große, unermesslich dunkle Dunkelheit vor. Ein mächtiges NICHTS, stiller als still. Ohne Grenzen. Etwas, das du zwar nicht denken, aber erfahren kannst, wenn du meditierst und durch die Lücke zwischen zwei Gedanken in den inneren Raum eintauchst, in dem du nichts und alles zur selben Zeit bist. Dieses powervolle Nichts war damals überall. Dieses Nichts war nicht leer. Es muss über alle uns vorstellbaren Dimensionen hinaus voll und potent gewesen sein. Schwanger mit purer, formloser Energie. Dieses Nichts war und ist der Ruhezustand der Schöpfung. Auch heute noch werden in deinem Leben die frischesten, kreativsten Impulse aus Augenblicken des Stillstands und des Nichtwissens heraus geboren. Uns Menschen treiben zwei scheinbar gegensätzliche Bedürfnisse an. Freiheit und Sicherheit. Ausdehnung ins Unbekannte und ein stabiles Zuhause. Es gibt verschiedene Ansätze, diese Sehnsüchte zu erklären. Eine Möglichkeit besteht darin, ganz an den Anfang unseres Universums zu gehen. Zum Nichts. Dieses Nichts können wir nicht mit unserem Verstand erfassen, doch wir können es erfahren. Wenn wir meditieren. Wenn wir die Augen schließen und durch die Lücke zwischen zwei Gedanken in jenen stillen, weiten Raum unseres Bewusstseins eintauchen. Wenn wir uns an einen Baum lehnen und seine leise Natur in uns aufnehmen. Wenn wir versuchen, uns den ozeanischen Frieden eines Säuglings im Bauch seiner Mutter vorzustellen. In dieser Stille bist du keine Person mit einem Namen. Du hast kein Alter, kein Geschlecht. Du bist einfach. Ein ungeheuer wohltuendes, weil befreiendes und nährendes Sein. Diese Stille war der Ursprung unseres Universums und ist immer noch sein Hintergrund. Wenn du offen dafür bist, findest du diese Stille auf dem lautesten Marktplatz des Lebens. Und aus dieser Leere gebiert sich in einem Urknall unser Universum. Niemand weiß, warum es überhaupt passiert ist. Die Mystiker*innen sagen: Gott hat geschlafen und hat dann, einfach weil ER/SIE/ES es kann, ein Universum geboren, welches sich seitdem immer noch weiter ausdehnt und austobt. Brahman, die Weltenseele, beginnt zu tanzen und wir alle tragen einen Funken davon in uns – Atman. Physiker*innen erlauben sich nicht den Luxus, über das Warum zu spekulieren. Doch sie wissen, dass sich seitdem eine absolut unbegreiflich machtvolle Energiequelle ausdehnt. Zuerst als Licht, dann als Form und Galaxien, Sterne und Planeten gebärend. Was sie beschreiben, erinnert an den Spruch aus dem ersten Buch Mose aus der Bibel: »Es werde Licht!« (Gen 1,3)
Vielleicht fragst du dich, warum ich dir das erzähle. Geht es hier nicht eigentlich um deine Geschichte? Genau! Nicht nur poetisch, sondern logisch betrachtet, hast auch du damals begonnen! Das Licht dieses ersten Urknalls verdichtete sich in Form. Diese Form erwachte irgendwann zu Leben und dieses Leben entwickelte intelligentes Bewusstsein – bis hin zu der Komplexität, die sich nun in dir und mir all diesen unbequemen Fragen stellt, anstatt einfach weiter wild wie ein Kaninchen drauflosrammeln zu können. Stell dir vor, wie anders sich unsere gesellschaftliche Kultur, unser Miteinander, unsere Wirtschaft entwickeln würden, wenn wir uns alle weniger als feste Formen, sondern als uralte und zugleich ewig frische, lebendige Prozesse begreifen würden? Wenn wir in dem Wissen aufgezogen worden wären, dass unsere wahren Eltern das erste allumfassende Nichts und der omnipotente Urknall sind? Wir beide sind Geschwister. Unser beider Eltern waren die Stille und das erste Licht. Wir alle suchen nach demselben Zuhause und werden von denselben Ahnungen angetrieben. Du bist ein 13,5 Milliarden Jahre alter Prozess der Evolution und des damit verbundenen Erwachens von Bewusstsein. Deshalb wird es dich auf Dauer niemals glücklich machen, dich nur auf Fleischklöpschenniveau zu befriedigen oder hart an deiner körperlichen Vervollkommnung zu arbeiten. Warum solltest du ein Wunder therapieren wollen?
Schau dir jetzt einmal eine deiner Hände an. Ich habe hier einige bemerkenswerte Fakten zu deinem Körper für dich. Er setzt sich aus folgenden Elementen zusammen: 63 Prozent Wasserstoff, 25,5 Prozent Sauerstoff, 9,5 Prozent Kohlenstoff, 1,4 Prozent Stickstoff, 1 Prozent Phosphor, 1 Prozent Chlor, 0,31 Prozent Calcium, 0,23 Prozent Natrium, 0,05 Prozent Schwefel, 0,06 Prozent Kalium und 0,01 Prozent Magnesium.8 Wenn du deinen Körper berührst, wirkt er relativ fest, stimmt’s? Doch wusstest du, dass die Atome, aus denen er sich zusammensetzt, zu 99,9 Prozent aus leerem Raum bestehen?9 (Da ist sie wieder, die Stille!) Er wirkt nur so groß und stabil, weil die kleinen Teilchen innerhalb eines Atoms wie wild umherflitzen. Würde der ganze Leerraum implodieren, bliebe nur ein winziges Häufchen Staub übrig. Ich liebe diese Perspektive. Wenn du regelmäßig über sie meditierst, schenkt sie dir so viel Gelassenheit. Wenn du dich das nächste Mal am Frühstückstisch mit deinem Liebsten streitest, schau noch einmal hin. Zwei gehäufte Esslöffel Staub, die sich zu wichtig nehmen. Wenn deine Chefin wieder einmal versucht, dich mit einem Wutanfall einzuschüchtern, schließ kurz die Augen und sieh, wie ihr aufgeplusterter Körper zu einem winzigen Häufchen Mineralien implodiert.
Ja, der Körper besteht nur aus ein bisschen Staub. Dies ist jedoch keine Einladung, ihn zu missachten. Es ist nämlich nicht irgendein Staub. Dein Körper besteht im wahrsten Sinne des Wortes aus 4 Milliarden Jahre altem Sternenstaub. Warum nicht 13,5 Milliarden? Weil die Atome deines Körpers von Sternen der sogenannten dritten Generation stammen.
Wir Menschen sind so wichtig. Wir behandeln 200 Jahre alte Gemälde oder Münzen wie ein Heiligtum. Doch wenn wir am Morgen im Spiegel ein Milliarden Jahre altes Wunder sehen, sehen wir nur die »Makel« in Form von Falten, Dehnungsstreifen oder Übergewicht. Was für eine schräge Vorstellung von Schönheit und Wert haben wir uns da aufschwatzen lassen? Wenn das nächste Mal ein Speckröllchen dazukommt, solltest du es feiern! Es bedeutet schließlich etwas mehr von diesem unendlich kostbaren Sternenstaub!
Hier eine Einladung an alle, die denken, Drogen nehmen zu müssen, um staunen zu können. Mach dir Folgendes bewusst: Du befindest dich gerade auf einem klitzekleinen, blaugrünen Planeten, perfekt abgestimmt auf deine Überlebensbedürfnisse, in einem unendlich großen, 13,5 Milliarden Jahre alten Universum, welches sich, während du diese Zeilen liest, weiterhin mit unvorstellbarer Geschwindigkeit ausdehnt.10 Du verfügst bis zu einem gewissen Maß die Kontrolle über einen Körper, der sich aus 30 Billionen Zellen zusammensetzt, die aus irgendeinem Grund alle wissen, was zu tun ist.11 Doch jetzt kommt das Verrückteste: Vielleicht hast du in deinen wilden, jungen Jahren mal LSD genommen und warst dann völlig außer dir, weil deine Küchenpflanze plötzlich mit dir sprechen konnte. Dieses Ding, dein Körper, spricht die ganze Zeit. Etwas in dir denkt, fühlt, liebt. Etwas in dir ist sich seiner selbst bewusst, kann Fragen entwerfen und den Antworten folgen. Das ist crazy. Du bist ein Wunder! Mach dir bewusst, dass du nicht nur ein x-beliebiger Mensch, sondern eine Vorhut des Kosmos bist. Die Fragen, die in dir auftauchen, stellt sich das Universum selbst. Jeder Gedanke, jede Handlung, alles ist Neuland. Kein Ende des Forschens ist in Sicht. Wenn du das nächste Mal mit einer guten Freundin zusammensitzt und dich dabei ertappst, zu glauben, du wüsstest, was passiert, wach auf! Deine Freundin ist keine begrenzte Person. Sie ist ein uralter und zugleich immer frischer lebendiger Prozess. Es ist der Kosmos selbst, der sich unterhält, entwickelt und erkennt, wenn ihr miteinander sprecht.
Dies ist keine Spinnerei, sondern Fakt: Du bist Kosmos, der sich in dir seiner selbst bewusst wird. Und – so ganz nebenbei – macht uns das alle zu Geschwistern. Unsere gemeinsamen Eltern sind die allumfassende Stille und das erste Licht.
Meditationstipp
Du findest im Downloadbereich (siehe Anhang) unter »Kind des Kosmos« eine geführte Meditation, die dich dazu einlädt, diesen Ursprung direkt zu erfahren.