Читать книгу Herrschaft für ein Jahr | Erotischer SM-Roman - Ven Rouven - Страница 8
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Ich habe eine Übernachtung inklusive Frühstück gebucht und nach der anstrengenden und sehr langen Nacht plagt uns ein mächtiger Hunger. Wir gehen duschen, ziehen uns an und verlassen das Zimmer in Richtung Frühstücksraum.
Für den Neuling ist das erotische Dom/Sub-Abenteuer nun zu Ende. Zumindest wird das gedacht. Ich aber verabscheue alle normalen Handlungen innerhalb meiner BDSM-Welt. Es gibt zu viele Möglichkeiten abseits des Bettes, um eine weitere, eine andere Art der Dominanz und Demut auszuleben. Sie wird diese andere Art sehr rasch kennenlernen.
***
Sich unbedacht zu Tisch zu setzen und gedankenlos Nahrung in sich hineinzustopfen, ist etwas, das mir im BDSM-Kontext zuwider ist. Ein gemeinsames Frühstück hat, wie jede Mahlzeit mit mir, zu etwas Besonderem zu werden. Und weil für mich das Detail stimmig sein muss, sind auch hier von Anfang an die Regeln vorgegeben und exakt einzuhalten.
»Du hast dich immer mir gegenüber zu platzieren. Dabei ist von dir darauf zu achten, dass dein Stuhl mit dem meinen in einer Linie steht. Ebenso dein Teller. Du hast ab sofort nur sehr langsam und sehr bewusst zu essen«, sage ich. Ich merke, wie sich in der Frau tausend Fragen auftun und doch schweigt sie artig.
Selbst die Nahrung darf von ihr in meiner Gegenwart nicht als etwas Alltägliches angesehen werden. Im Zeitalter der Schnelllebigkeit und Fast-Food-Ketten fordere ich diese Verlangsamung des Tuns ein. Eine Aufgabe, die ihr noch besonders viele Mühen abverlangt.
Was sie frühstückt, überlasse ich ihr, jedoch kontrolliere ich ihre Haltung und die Geschwindigkeit der Nahrungsaufnahme.
So schwer ihr auch dieses erste gemeinsame Frühstück fallen mag, es sollte ihr schon bald keine großen Anstrengungen mehr bereiten. Im Gegenteil. Sehr schnell wird sie gelernt haben, sich meinen Wünschen und den Anforderungen anzupassen und diese auch genießen. Sie wird sich in Windeseile zu einer, für mich, perfekten Dienerin entwickeln.
***
Bei allem, was wir tun, versuche ich immer den Fokus auf den Augenblick zu legen. Nichts soll einfach nur so nebenbei geschehen. Nichts! Weder das Essen noch die Autofahrt, noch nicht einmal die Kleidung, die man trägt. Einen ersten Eindruck von meinen Erziehungsmaßnahmen in Bezug auf den »Fokus« erhält die Frau bei diesem Frühstück.
Ich bemerke, wie unangenehm es ihr ist, von mir beim Essen beobachtet zu werden. Wie schwer es ihr fällt, weil ich sie studiere. Es ist für sie kaum auszuhalten und noch weniger erträglich, es zu verheimlichen. Ich weide mich an meinem Wissen von ihrem Leid. Ein Kellner tritt an unseren Tisch.
»Darf es noch etwas sein?«, fragt der junge Mann.
»Für mich nichts, danke«, antwortet die Frau mir gegenüber. Meine Blicke durchbohren sie voller Zorn. Nun erst begreift sie mein Schweigen und erkennt ihren Fehler.
»Wünschen Sie noch etwas?«, fragt der junge Mann mich. Ich ignoriere ihn und seine Worte. Mein Interesse gilt einzig und alleine der Frau mir gegenüber. Der Kellner wartet geduldig.
»Habe ich dir erlaubt zu sprechen?«, frage ich meine Begleitung. Die Farbe im Gesicht meines Gegenübers ist grandios. Die Schamröte folgt sofort. Ob der junge Ober ebenfalls peinlich berührt die Gesichtsfarbe wechselt, kann ich nicht feststellen. Ich schenke ihm keinerlei Aufmerksamkeit. Die Frau ist merklich nervös und stirbt soeben hundert Tode. Ich bemerke aus dem Augenwinkel heraus, dass der junge Mann nun ebenfalls unruhig wird. Ich genieße es.
»Nein, Herr«, antwortet sie befangen.
Der Kellner verlässt nach einer halben Ewigkeit unseren Tisch. Ich fühle seine ratlosen Blicke in meinem Nacken. Mein Gegenüber hingegen versucht Haltung zu bewahren. Sie weiß, dass dies von ihr verlangt wird. Auch wenn sie in diesem Moment am liebsten schreiend aus dem Speisesaal laufen möchte.
»Die Strafe für dein Vergehen darfst du nachher im Zimmer empfangen!«
»Danke, Herr«, antwortet sie unterwürfig.
***
Wir haben aufgegessen.
»Darf ich mir ein Glas Orangensaft holen, Herr?«
Ich erlaube es.
Wenig später kommt sie zurück, nippt kurz an ihrem Glas und geht, nicht ohne zuvor um Erlaubnis gefragt zu haben, noch einmal zum Buffet um eine Nachspeise auszufassen. Wieder an unserem Tisch sieht sich fragend um.
»Was ist los?«, sage ich.
Sie ist irritiert, denn ihr Glas mit dem Orangensaft ist fast leer. Ein etwas größerer Schluck befindet sich noch darin.
»Ich bin offensichtlich noch voll durch den Wind. Ich war der Meinung, von dem Saft nicht so viel getrunken zu haben. Aber wahrscheinlich stehe ich, aufgrund der langen Nacht, nur etwas neben mir und realisiere nur die Hälfte«, sagt sie und setzt sich auf ihren Stuhl.
»Nein. Du hast dein Glas nicht ausgetrunken. Ich war es!«, sage ich. »Aber nicht, weil ich Durst hatte, sondern wegen deines Vergehens. Du hast dir heute nicht mehr Orangensaft verdient!«
Die Frau ist verunsichert. Sie weiß, sie muss mit dieser Strafe klarkommen. Sie trinkt den kläglichen Inhalt ihres Glases.
»Herr, darf ich mir noch ein Glas Orangensaft holen? Ich habe wirklich sehr großen Durst.«
»Es ist dir gestattet!«, sage ich. »Allerdings nur exakt dieselbe Menge, die du eben vorgefunden hast. Nicht mehr und auch nicht weniger!« Die Frau sieht mich verblüfft an.
Im Gegensatz zu ihr hatte ich den Inhalt genau betrachtet und weiß, wie viel sie in das leere Glas nochmals einzufüllen hat.
»Schaffst du es nicht, erhältst du eine weitere Strafe. Ich werde dich darauf trainieren, den Fokus jederzeit auf absolut alles, was uns betrifft, zu legen. Nichts sollst du als gewöhnlich oder unwichtig ansehen.«
Um es kurz zu machen; sie schafft es nicht. Noch ist sie zu ungeschliffen, weiß nicht, worauf es mir ankommt. Aber sie wird es lernen. Mit der Zeit wird sich ihr Horizont verkleinern, aber dafür intensivieren. Es wird nicht mehr das große Ganze geben, sondern nur noch den Augenblick. Ich nehme dieses »Versagen« auch nicht als ein wirkliches Versagen wahr. Zu viel Neues und Ungewöhnliches prasselt fast minütlich auf sie hernieder. Sie kann gar nicht fehlerlos bleiben. Niemand kann das nach solch einer kurzen Zeit.
Mir geht es aber auch nicht darum, irgendwelche Nebensächlichkeiten zu finden, um eine Strafe aussprechen zu können. Das ist mir zu simpel. Es geht darum, alle Sinne zu schärfen. Der Partner (egal, ob Dom oder Sub) soll alles vom anderen wissen, aber auch alles sehen. Welche Kleidung man trägt, was gesprochen wird, was man an Speisen zu sich nimmt. Nichts soll, so wie im alltäglichen Leben, einfach nur so hingenommen werden. In unserem Zeitalter, in dem man ein Wort wie Multitasking wie eine Auszeichnung vor sich herträgt, will ich die Sinne wieder für die einfachen und alltäglichen Dinge schärfen. Das, was uns unmittelbar umgibt. Die Reduktion auf das Wesentliche!
»Darf ich etwas sagen, Herr?«, fragt sie mich. Ich erlaube es.
»Ich möchte Ihnen danken. All diese Dinge wie das Frühstück, der Orangensaft, die Autofahrt. Sie zeigen mir eine ganz neue andere Welt. Eine Welt, in der Dinge, die kaum noch einen wirklichen Wert in meinem Leben haben, plötzlich eine ganz neue Bedeutung erfahren. Und ich liebe bereits jetzt schon diese völlig mir fremde neue Welt und ich hoffe und bitte und bete darum, dass Sie mich weiterhin in Ihr Universum mitnehmen. Ich möchte, wenn ich darf, an Ihrer Seite sein. Jetzt und für immer.«
Schweigend betrachte ich sie. Eine Antwort erfolgt nicht und ich zeige auch keine Regung. So einfach mache ich es diesem Wesen nicht. Eine Dienerschaft muss erst erarbeitet werden.
Wir verlassen den Speisesaal und gehen zurück auf unser Zimmer.
»Hose runterziehen, streck mir deinen nackten Arsch entgegen! Für deinen Ungehorsam, ohne meine Erlaubnis mit dem Kellner zu sprechen, erhältst du 100 Schläge mit dem Rohrstock. Und zähle laut und deutlich mit! Du darfst dich jetzt dafür bedanken.«
»Danke, Herr.«
Eins!
***
Die Strecke zurück zur Fabrik und zu ihrem Fahrzeug ist dieselbe wie bei der Hinfahrt. Und doch ist sie um so vieles kürzer, so viel schwerer für die Frau neben mir. Sie weiß längst, dass sie ihren Herrn gefunden hat, dem sie uneingeschränkt alle Wünsche erfüllen und dem sie dienen möchte. Und sie will sich nicht von ihm trennen.
Bei der Rückfahrt sind wir beide sehr schweigsam. Zu schwer fällt ihr das bevorstehende Auseinandergehen. Ich lasse sie mit ihren Gedanken alleine, lasse sie sich auf das Unvermeidliche vorbereiten.
»Herr, ich möchte Sie nicht gehen lassen. Bitte bleiben Sie.«
Was folgt ist Stille.
Es kommt kein Wort über meine Lippen. Ich weiß, mein Schweigen wird eine Wunde hinterlassen. Die Frau wird mir später einmal gestehen, wie sehr sie dieses Stumm-Bleiben verletzte. Sie wird mir sagen, dass sie diese Lautlosigkeit als eine Art Gleichgültigkeit interpretierte. Kein Schlag konnte ihr solche Schmerzen zufügen wie mein eisiges Schweigen.
Diesmal genieße ich ihr Leid nicht.
Ich weiß dies alles und doch will ich ihr nicht sagen, dass auch ich mich nicht von ihr trennen möchte. Ich könnte ihr gestehen, wie wunderschön diese Nacht war, wie sehr auch ich es hasse, sie nun verlassen zu müssen und wie groß die Sehnsucht nach einem nächsten Treffen ist. Aber es wird den Abschied für uns nicht leichter machen und so bleibe ich stumm.
Nach der Trennung sind meine Gedanken so durcheinandergewürfelt, dass ich zehn Kilometer in die falsche Richtung fahre. Ich bin mehrmals nahe daran, umzudrehen und zu ihr zurückzukehren, um sie noch einmal zu umarmen und zu küssen. Aber ich tue es nicht! Ein Top darf doch keine Gefühle und keine Schwäche zeigen …
Es ist das letzte Mal in meinem Leben, dass ich auf derart abgetretenen Klischees wandere, mich zu einem Bild hinreißen lasse, das andere vorgegeben haben, aber das für mich schon lange nicht mehr passt. Ein Dom kann und soll Gefühle und Schwäche zeigen. Denn dies zeugt erst von seiner wahren Stärke.