Читать книгу Nicht nur am Leben bleiben - Vera Wendt - Страница 7

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„Im Besitze Ihres Schreibens vom Oktober, das mir verspätet zuging, danke ich für Ihre geflissentliche Anfrage.

Zu meinem Bedauern ist es mir jetzt nicht möglich, Ihnen mit einer Lieferung zu dienen. Der Fabrikationsanfall ist noch außerordentlich gering, und außerdem lassen die Transportverhältnisse einen Versand nicht zu.

Ich gebe aber der Erwartung Ausdruck, dass recht bald eine Besserung der Gesamtlage eintreten möge, um unsere langjährigen, angenehmen Beziehungen wieder aufnehmen zu können, und begrüße Sie

Lehmann-Leuchten

i.A. Krause“

Eine Antwort! Die Firma existierte noch, sogar am gleichen Ort in Berlin-Kreuzberg. Und immerhin kam das Wort „Fabrikation“ vor. Gleich am nächsten Tag wollte sie dort hingehen und mit Herrn Krause reden. „Gehen“ war wörtlich zu nehmen. Der Straßenbahnverkehr war zwar im Mai wieder aufgenommen worden, aber die Linien wurden erst nach und nach in Betrieb gesetzt und bis Prenzlauer Berg waren sie noch nicht gekommen.

„Bist du verrückt geworden?“, kommentierte ihre Mutter am Abend in der Küche diese Idee, „hin und zurück bist du fast den ganzen Tag unterwegs und es wird schon früh dunkel. Stell’ dich lieber nach den paar Sachen an, die wir auf Marken kriegen, damit Vater es nicht machen muss. Und die Kohlen, die wir aus Mittendorf bekommen sollten, sind auch noch nicht da.“ Der Ton hatte etwas von „So wird das gemacht“.

„Irgendwo muss ich anfangen, am besten bei den Leuten, die ich schon kenne. Der Herr Krause hat uns jahrelang zuverlässig beliefert. Er kennt mich und kann mir vielleicht Hinweise geben. Gustav soll etwas vorfinden, wenn er wiederkommt“, erwiderte Mathilde gereizt.

Sie sah am Blick ihrer Mutter, dass diese Gustavs Rückkehr für sehr unwahrscheinlich hielt, zumindest daran zweifelte.

„Mach dich nicht kaputt, Kind. Du bist ohnehin nur noch ein Strich in der Landschaft und ich kann dir außer einem Stück Brot nichts zu essen mitgeben. Schreibe dem Mann doch lieber, das ist weniger aufwändig.“

„Dann warte ich wieder mindestens zwei Wochen, bis ich eine Antwort bekomme. In der Zeit muss ich nicht hier rumsitzen, sondern ich kann etwas voranbringen. Und persönliche Kontakte sind im Geschäftsleben nun mal besser.“

„Keiner hat etwas davon, wenn du dich für die Firma kaputt machst.“

Mathilde merkte, wie der Ärger in ihr hochstieg. Ihre Mutter hatte keine Ahnung vom Geschäftsleben und hielt ihr Vorhaben für Unsinn, das war klar. Aber davon würde sie sich nicht abhalten lassen.

„Gustavs Firma ist auch meine und es gibt für mich viel zu tun, damit sie wieder in Gang kommt. Ich gehe morgen früh um 8 Uhr los, ob dir das passt oder nicht“, sagte sie nur knapp, schloss die Tür etwas lauter als sonst und ging ins Wohnzimmer, wo sie jetzt auf der alten, durchgesessenen Couch schlief.

Sie hörte, wie ihr Vater zur Mutter sagte: „Lass sie doch, Auguste, sie tut das für Gustav, das ist doch in Ordnung. Und ich gehe mich morgen anstellen.“ Ihr Vater versuchte immer zu beschwichtigen und zu vermitteln.

Als Mathilde am nächsten Tag frühmorgens in die klare, kalte Herbstluft hinausging, fühlte sie sich freier. Endlich raus aus der Wohnung! Es tat ihr leid, dass sie so schroff zu ihrer Mutter gewesen war, die das nicht verdient hatte und sie in vielen Dingen unterstützte. Aber manchmal konnte sie diesen Ton nicht ertragen. Wie hatte sie das bloß früher ausgehalten? Schließlich war sie bis zur Heirat bei ihren Eltern geblieben. Danach mit Gustav hatte sie in einer 4-Zimmer-Wohnung in Tiergarten gewohnt, davon belegte das Geschäft zwar die zwei größten Räume, aber dennoch war ihr die Wohnsituation immer großzügig vorgekommen. Und erst die Bequemlichkeiten! Wie sehr vermisste sie die Zentralheizung und das Telefon, das Gustav altmodisch „Fernsprecher“ nannte. Die Öfen in der Wohnung ihrer Eltern funktionierten zwar noch, aber Kohlen bekamen sie nur über Beziehungen. Zum Glück hatte sie im Laufe der Jahre ein gutes Verhältnis zu ihren Nachbarn in Mittendorf aufgebaut, die sich im Wald gut auskannten und wussten, wo man Holz fand.

Und sie musste froh sein, wenn Post und Verkehrsmittel einigermaßen funktionierten – oder eben laufen. Jetzt lag ein Fußmarsch von zwei bis drei Stunden vor ihr, je nachdem, wie viele Trümmer in den Straßen lagen.

Die kleine Fabrik befand sich auf einem Gewerbegelände am Mehringdamm, das auch andere Firmen beherbergte. Als Mathilde die Bombentrichter und die teilweise zerstörten Gebäude sah, vermutete sie, dass hier keine Geschäfte mehr gemacht wurden. Doch bei genauerem Hinsehen war zu erkennen, dass an einzelnen Gebäuden schon Reparaturen vorgenommen worden waren, und sie hörte Hämmern und Sägen. Das Schild „Lehmann - Fabrikation von Lampen und Leuchtmitteln“ und darunter: „Inh: Alfred Krause“ hing noch am Eingang der kleinen Fabrik. Der frühere Haupteingang war verriegelt, aber sie wusste, wo der Hintereingang war. Vorsichtig klopfte sie an.

Herr Krause öffnete die Tür. Er war ein kleiner, grauhaariger Mann, der deutlich gebeugter ging als früher. Unter normalen Umständen hätte er seine Fabrik schon längst seinem Sohn übergeben, aber der war am Anfang des Krieges gefallen.

„Frau Kuhrt, wie schön Sie zu sehen, kommen Sie rein“, rief er erfreut und bat sie in sein kleines Büro.

„Wie geht es Ihrem Mann und der Kleinen?“

Mathilde erzählte ihm mit leiser Stimme von Gustav und dem Tod von Elsbeth. Der alte Mann wirkte ehrlich betrübt.

„Was für ein Jammer! Aber ich bin überzeugt, Ihr Mann wird wiederkommen. Ich habe ihn wirklich gerngehabt, nicht nur weil er ein solider Geschäftsmann war.“

„Ich hoffe, er kehrt gesund heim“, antwortete Mathilde. „Jetzt habe ich vor, das Geschäft selbst provisorisch zu betreiben, damit er etwas vorfindet, wenn er zurückkommt. Natürlich kann ich seinen technischen Sachverstand nicht ersetzen, aber die kaufmännischen Dinge habe ich ja früher auch gemacht.“

„Im Moment kommt es auf das Technische nicht so an. Viel wichtiger ist Organisationstalent, aber das haben Sie ja. Ich habe Ihnen schon geschrieben, dass ich im Moment nichts produzieren kann. Wir kriegen zwar das Fabrikgebäude wieder einigermaßen hin, aber ich habe kein Material. Zum Glück ist im Keller ein Posten Lampenfassungen von den Bomben verschont geblieben, wenn ich Kabel hätte, könnte ich provisorische Lampen herstellen. Von meinen Arbeitern sind nicht viele übrig, entweder sie sind gefallen oder in Gefangenschaft. Die Älteren waren zum Schluss noch beim Volkssturm, da sind auch welche umgekommen. Ach, es ist schrecklich, sie waren alle lange bei mir und wir sind zusammengewachsen. Manche von den wenigen übrig Gebliebenen würden gerne zurückkommen. Es wird sicher irgendwann wieder weitergehen, aber ich kann Ihnen nicht sagen, wann. Die Tommys – wir sind hier im englischen Sektor – werden mir keine Steine in den Weg legen, die verstehen was von Wirtschaft.“

„Das ist immerhin ein Hoffnungsschimmer“, kommentierte Mathilde. „Bitte schreiben Sie mir, wenn sie anfangen.“

„Sie sind eine der ersten, die ich benachrichtige. Und dann bleibt noch das Problem des Transports. Ein Teil unseres Fuhrparks wurde zerstört, die zwei noch funktionierenden Kastenwagen haben die Russen mitgenommen. Ich kann mir vorstellen, dass der Schwiegervater meines Sohnes da inzwischen weiter ist. Er hatte ein Fuhrgeschäft und ist ein begabter Bastler. Ich weiß, dass er den Krieg überlebt hat, aber er wohnt im französischen Sektor in Reinickendorf und ich schaffe es nicht mehr zu Fuß dahin. Dazu bin ich einfach zu alt und ich habe Angst, dass ich nicht mehr bei Helligkeit zurückkomme.“

Mathilde horchte auf.

„Wenn Sie mir die Adresse geben, kann ich das vielleicht erkunden“, schlug sie vor.

„Aber das ist doch viel zu viel für Sie.“ Herr Krause war entsetzt.

„Ich bin ja auch bis zu Ihnen gekommen“, antwortete Mathilde.

„Na ja, ich gebe Ihnen mal die Adresse, das kann ja nicht schaden. Er heißt Hartwig. Und seien Sie vorsichtig, das Vorderhaus ist zerstört.“

Mathilde fiel ein, dass sie sich noch gar nicht nach der Familie erkundigt hatte.

„Wie geht es Ihrer lieben Frau?“, fragte sie.

„Ich habe sie zu ihrer Schwester aufs Land nach Thüringen geschickt. Da waren zuerst die Amerikaner und alle waren froh. Aber die sind abgezogen und nach Berlin gekommen, weil alle Alliierten ein Stück von der alten Hauptstadt haben wollten. Jetzt sind die Russen da. Immerhin haben sie auf dem Land mehr zu essen, hoffe ich jedenfalls. Da soll sie erstmal bleiben, bis es hier besser wird und die Wohnung einigermaßen wieder hergestellt ist.“

Krauses hatten über der Fabrik gewohnt, jetzt hatte Herr Krause sich in einem ehemaligen Lagerraum eingerichtet.

Wie einsam er lebte, allein ohne Familie. Mathilde kam sich schäbig vor, dass sie mit ihrer Mutter in letzter Zeit öfter Streit hatte und ihren Vater wenig beachtete. Wie gut, dass sie einander noch hatten, da sollte sie dankbar sein.

Sie verabschiedete sich von Herrn Krause und versuchte, ihre Freundin Gudrun ausfindig zu machen, die früher in Mitte nicht weit vom Bahnhof Börse zuhause gewesen war. Mathilde hatte sie immer beneidet, weil sie zu den Opern und Theatern laufen konnte und das Geld für die Straßenbahn sparte. Vor dem Krieg hatten sie öfter zusammen Aufführungen besucht. Sie dachte wehmütig an die Zeiten, in denen die Stehplätze auch für sie erschwinglich gewesen waren und sie das Musik- und Kulturangebot der Stadt gern genutzt hatte. Ob es so etwas wohl wieder geben würde?

In diesem Teil Berlins gab es noch ein paar Straßen mit niedrigen Häusern aus alten Zeiten. Einige von ihnen waren stehen geblieben. Das Haus, in dem Gudrun mit ihrer Mutter gewohnt hatte, war eine Ruine, die offensichtlich unbewohnt war. „Es leben alle“ hatte jemand mit Kreide an die Wand geschrieben. Vermutlich hatten die Bewohner frühzeitig den großen Luftschutzbunker in der Schumannstraße aufgesucht. Mathilde klopfte an die Kellertür im Nachbarhaus, hinter der sie Geräusche hörte. Eine alte Frau mit wirren Haaren öffnete die Tür einen Spalt breit.

„Was wollen Sie?“, fragte sie misstrauisch in schlesischem Dialekt.

„Können Sie mir vielleicht sagen, wo ich die Bewohner des Nachbarhauses finde? Es scheint ja, dass alle leben.“

„Woher soll ich das wissen?“, entgegnete die Frau mürrisch. „Werden wohl zu Verwandten sein, wenn sie welche haben.“

„Vielleicht kannten Sie jemand aus dem Haus?“, insistierte Mathilde. Das war wohl eine Frage zu viel.

„Was geht Sie das an? Und überhaupt, was wollen Sie hier? Bestimmt klauen und alles verschieben, das tut doch jetzt jeder. Oder kommen Sie von der Behörde und wollen armen Menschen das Leben schwer machen?“ Die alte Frau schlug ihr die Tür vor der Nase zu.

Mathilde konnte sich den Ärger der Frau nicht recht erklären. Sie hatte doch ganz höflich gefragt und im Allgemeinen half man sich gegenseitig bei der Suche nach Freunden und Verwandten. Schließlich suchten alle irgendjemand. Wahrscheinlich gehörte die Frau zu den aus Schlesien, Pommern oder Ostpreußen Vertriebenen, die alles aufgeben mussten, in langen Trecks gen Westen flüchteten und froh waren, wenn sie die Kinder und das eigene Leben retten konnten. Vielleicht hatte sie Schlimmes erlebt, war überall herumgestoßen worden und hatte schlechte Erfahrungen mit Fremden und Behörden gemacht. Mathilde hörte immer wieder schreckliche Geschichten, insbesondere von Frauen, die auf der Flucht von ihren Kindern getrennt worden waren. Für deren Verzweiflung hatte sie Verständnis.

Außer ihr war niemand auf der Straße. Es würde bald dunkel werden und sie hatte noch den Fußmarsch nach Hause vor sich. Deshalb suchte sie nicht weiter nach Gudrun. Die Freundin würde sie sicher bei ihren Eltern finden. Den Besuch in Reinickendorf verschob sie auf den nächsten Tag.

„Ein Glück, dass du kommst!“, rief ihre Mutter aus, als Mathilde todmüde um 19 Uhr die Tür aufschloss. „Es ist schon lange dunkel und ich habe mir Sorgen gemacht. Musste es denn so spät werden?“

„Es wird oft nicht anders gehen“, antwortete Mathilde leicht gereizt und betrat die Küche. „Wie soll ich es anders machen, wenn die Straßenbahn noch nicht wieder fährt und ich laufen muss?“

„Ich habe ja gleich gesagt, dass das ein Unsinn ist mit der Lauferei“, entgegnete Auguste, „viel zu gefährlich! Wer sich alles bei Dunkelheit auf der Straße rumtreibt – nicht auszudenken, was dir passieren könnte.“

„Also Mutter“, erwiderte Mathilde ärgerlich, „ich mache das nicht aus Jux und Dollerei, sondern weil ich ein Ziel habe. Um diese Jahreszeit wird es früh dunkel, aber das heißt nicht, dass die Straßen voller Krimineller sind. Allenfalls wird man von einer Militärstreife nach den Papieren gefragt, und die sind bei mir in Ordnung. Also mach‘ dir bitte keine Sorgen mehr und gewöhne dich daran, dass ich öfter spät kommen werde. Es geht nicht anders.“

„Auguste“, rief der Vater aus dem Wohnzimmer, „komm doch bitte mal her und hilf mir bei diesem Kreuzworträtsel.“

„Ich komme schon, Ernst“, brummte die Mutter und verließ grollend die Küche. Mathilde setzte sich auf einen Stuhl und holte sich ein Glas Wasser. Sie wusste, ihr Vater würde versuchen, die Mutter zu beruhigen. An ihrem festen Entschluss weiterzumachen würden die Einwände nichts ändern, aber es war so furchtbar anstrengend, auch noch zuhause kämpfen zu müssen.

Herrn Hartwig zu finden war schwierig, weil der gewaltige Trümmerberg des Vorderhauses den Zugang zu seinem Hof versperrte. Mathilde erkundigte sich bei den Trümmerfrauen, die in langer Reihe Steine zu einer Lore weiterreichten, und erreichte das Gelände über das Nachbargrundstück. Bei Herrn Hartwig sah es schon nach Werkstatt aus. Einige Männer bearbeiteten Motorteile, jedenfalls hielt Mathilde sie dafür. Sie besaß keinen Führerschein. Gustav hatte sein Auto, das er für das Geschäft dringend brauchte, immer selbst fahren wollen. Sie fragte einen der Arbeiter, der einen durchlöcherten Reifen mit Lederflicken zu reparieren versuchte, nach dem Büro und dieser zeigte auf eine Reihe demolierter Kleinlastwagen, die offenbar vom Bombenkrieg übrig geblieben waren.

„Hinter den LKWs ist eine Baracke, da finden Sie den Chef.“

Mathilde betrat das kleine Büro, das vom restlichen Teil der Baracke durch einen Vorhang abgeteilt wurde. Herr Hartwig begrüßte sie freundlich und zeigte sich gesprächig. „Ach, von Papa Krause kommen Sie. Wie geht`s ihm denn? Er ist ganz schön krumm geworden, seit der Sohn gefallen ist. Und meine Tochter wurde mit 21 Jahren Kriegerwitwe. Da werden wir wohl keine Enkel mehr erleben. Aber was rede ich da und beklage die schrecklichen Zeiten. Jetzt habe ich Sie noch gar nicht gefragt, was Sie zu mir führt.“

Mathilde erklärte ihm, dass sie eine Transportmöglichkeit suche, für den Fall, dass Herr Krause wieder die Produktion von Lampen aufnehmen könnte.

„Im Moment geht es nicht, aber wir versuchen, aus den noch verwertbaren Teilen unserer Fahrzeuge ein neues zusammenzusetzen. Doch das dauert und außerdem gibt es kein Benzin. Aus dem Grund hat ein Tüftler in Westdeutschland den Holzvergasermotor erfunden. Aber für den brauche ich sehr viel Holz und das System ist nicht besonders zuverlässig. Ich habe ja noch nicht mal Holz genug, um diese Baracke erträglich zu heizen. Wir hatten eine Wohnung im Vorderhaus und haben uns hier nach dem Bombenangriff notdürftig eingerichtet.“ Herr Hartwig zeigte auf den Vorhang. „Meine Frau und meine Tochter stehen gerade nach Brot an. Deshalb ist es hier so ruhig. Aber ich weiß nicht, wie wir in diesem kalten Loch den Winter überstehen sollen.“

„Können Sie mir Nachricht geben, wenn Sie wieder Transporte übernehmen?“, unterbrach Mathilde seinen Redefluss.

„Ich kann Ihnen gern eine Postkarte schreiben“, bot ihr Herr Hartwig an, „aber ich kann Ihnen nicht versprechen, dass es vor Weihnachten mit dem Transport was wird. Vielleicht versuchen Sie es besser mit einem Pferdefuhrwerk von einem der Dörfer. Die brauchen weder Holz noch Benzin und das Futter ist auf dem Land leichter zu beschaffen.“

Mathilde verließ die Baracke. Ihr ging die Bemerkung mit den Enkeln nach. Die Kriegerwitwen hatten wenig Chancen, wieder zu heiraten, wie überhaupt alle Frauen im heiratsfähigen Alter. Eine ganze Generation von Männern war im Krieg gefallen, verwundet oder in Gefangenschaft geraten, deren Ende ungewiss war. Es würde viele Jahre lang nur wenige Kinder geben.

Und ihr eigenes Leben? Wenn Gustav nicht wiederkam, würde sie auf Dauer das armselige und einsame Dasein einer Kriegerwitwe führen und wäre nach dem Tod der Eltern allein auf dieser Welt. So wie Frau Winterstein und viele andere.

Nein, sie durfte nicht daran denken. Es war ihre feste Überzeugung, dass Gustav zurückkommen würde, egal in welchem Zustand, da vertraute sie voll auf die göttliche Fügung. Sie hatte die Verpflichtung, für eine Existenzgrundlage zu sorgen, und diese Aufgabe wollte sie annehmen. In den letzten beiden Tagen hatte sie damit angefangen und sie war entschlossen weiterzumachen.

Nicht nur am Leben bleiben

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