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Ich+Glamour = Glamour für arme?

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Ja, ja, ja! Es geht jetzt um Klamotten! Sie denken nun vermutlich: was kommt die uns denn mit so einem oberflächlichen Thema? Wobei ich mich frage, ob es wirklich so oberflächlich ist. Denn sagt es nicht Einiges über unser Inneres aus, wie wir mit unserem Äußeren zurechtkommen? Ich frage mich nämlich oft, ob ich mich eigentlich wirklich schön finde? Es gibt ja so Tage, da fühlt man sich grandios und fabelhaft. Da schaue ich in meinen Zahnpasta bespritzten, halb blinden Spiegel und denke mir: "Ja, ist okay, kannst dich ruhigen Gewissens auf die Straße trauen!"

Dann hebe ich mein Shirt hoch und versuche ein paar nicht vorhandene Bauchmuskeln zu erkennen. Ich spanne den Bauch an, aber da will einfach nichts zu sehen sein, nicht der kleinste, mickrigste Bauchmuskel. Ich finde das von meinem Bauch mir gegenüber ziemlich dreist und überlege schon wie ich ihn die kommenden Tage für diese Unverschämtheit bestrafen könnte. Aber so, dass es ihm richtig zu schaffen macht und er sich verpisst.

Wünsche können ja bekanntlich Berge versetzen, nur leider können sie keine Fettpölsterchen schmelzen lassen. Erst recht keine Orangenhaut. Und dann, wenn das Licht gnädig fällt, umschmeichelt es immer so schön die kleinen fiesen Dellen an den Schenkeln und am Hintern und ich jubele, weil es so scheint, als hätte sich meine verhasste Freundin, Genossin Orange, mal einen Tag frei genommen. Auch meine Haare fallen an diesen Tagen wunderbar und mein Teint strahlt heller als Vaters Höhensonne. Ich bin jedes Mal richtig von mir selber geblendet. Solche Tage sind toll.

Ich liebe auch diese Tage, an denen ich das perfekte Outfit spazieren trage. Also wenn man sich zum Beispiel was hübsches Neues zum Anziehen gekauft hat und das dann das erste Mal trägt, das ist doch jedes Mal ein grandioses Gefühl. Man fühlt sich wie neu geboren. Und am allerliebsten würde man, ich meine natürlich Frau, sofort nochmal in den Laden stürzen und das Outfit ein zweites Mal kaufen. Zur Sicherheit, falls mit Outfit Eins irgendwas Unvorhersehbares passiert. Meine Devise lautet: das Beste sollte man doppelt und dreifach haben. Ziemlich dekadent, finden Sie nicht auch? Vielleicht gibt’s das ja morgen schon nicht mehr, denke ich dann in meinem Wahn, alles raffen zu wollen, vielleicht ist es ja morgen schon ausverkauft, vielleicht gibt’s ja morgen überhaupt keine Läden mehr, im ganzen Land nicht. Alle zu! Wirtschaftskrise, Inflation, Insolvenz. Da muss man natürlich drauf vorbereitet sein! Und dann eben für den Notfall auch gut gekleidet.

Höchst interessant finde ich aber die Metamorphose eines jeden Lieblings-Outfits. Es verändert sich nämlich ziemlich rasant. Und zwar gnadenlos. Denn wenn man exakt dasselbe Outfit ein paar Wochen später erneut anzieht, ist die Wirkung: Na? Genau! Verpufft! Und zwar völlig. Als wäre die Prise Magie dieser Klamotten-Kombination, in der ich mich noch ein paar Tage zuvor wie die Herzogin von Rummelsburg gefühlt habe, mit dem letzten Schleudergang gnadenlos weggespült worden.

Also, was lernen wir daraus? A) Genießen wir diesen Zauber des ersten Klamotten-Mals. Und B) Wir brauchen ständig neue Klamotten! Denn möglicherweise ist genau das der Grund, warum wir Frauen immer vor unseren - aus allen Nähten platzenden - Kleiderschränken stehen und jammern, wir hätten nichts zum Anziehen. Weil uns der Kick fehlt! Und den haben wir nun mal nur mit neuen Klamotten. Na ja, zumindest ein Teil von mir. Kein großer, nur so schlappe neunzig Prozent. Da können mich die alten Klamotten im Schrank noch so sehr anlächeln, keine Chance. Und deshalb müssen wir Frauen auch öfter shoppen gehen. Finden Sie nicht auch, dass so eine, zugegeben, nicht sehr weise Einsicht dennoch einem Hauch von Erleuchtung gleichkommt? Ja, ich könnte mit meiner Einsicht nämlich gegen das gefährliche Shopping-Gen ankämpfen, aber nö, ich kriege ja den Hals nicht voll. Raff, raff, raff...Bald kann ich mir von meinen Klamotten ein Zelt nähen. Es ist wie eine Droge, das mit den neuen Klamotten. Gelegentlich überlege ich schon, eine Anfrage bei der Bundesregierung für einen Untersuchungsausschuss einzureichen: "Frauen und Klamotten: Wie die Suchtgefahr abrupt eingedämmt werden kann."

Verrückt finde ich übrigens auch, dass ich mir oft schon am Abend vorher den Kopf zerbreche, was ich wohl am nächsten Tag anziehe. Als hätte ich sonst nichts zu tun! Manchmal probiere ich den Mist sogar extra vorher an. Jetzt verdrehen Sie mal nicht die Augen! Es kommt nämlich noch schlimmer. Ich suche mir sogar die passenden Schuhe raus, passende Ohrringe, den passenden Haargummi. Meistens artet das Ganze in einer stundenlangen Ich-zerr-alles-aus dem-Schrank-Session aus. Hinterher überkommt mich natürlich nie die Lust, die Sachen wieder ordnungsgemäß einzuräumen und so stopfe ich alles in die Fächer, um es irgendwann später mit enorm hohem Zeitaufwand wieder ordentlich zusammenzulegen. Dabei ist das vollkommen sinnlos, dieses Schrank-Aufräumen. Die Ordnung hält keine zwei Tage. Aber ich mach's trotzdem. Obwohl ich weiß, dass es sinnlos ist, obwohl ich weiß, dass es nur zwei Tage schön in meinem Schrank aussieht, obwohl ich das alles weiß! Hübsch sortiert hängen Gürtel neben Gürtel, Blusen neben Blusen und so weiter. Vielleicht ist es aber auch so, dass ich nur aus einem einzigen Grund dafür sorge, dass in meinem Schrank immer wieder alles tutti paletti ist: weil ich ahne, dass ich da eines Tages selber drin hängen werde! Weil dieses Mode-Chaos mich nämlich über kurz oder lang ins Kleiderschrank-Grab bringen wird. Ich sorge somit also schon vor, richte es mir da drin ein bisschen ein, mach's mir vorab für die nächsten zehn Millionen Jahre schon mal gemütlich.

Übrigens: Geht es Ihnen auch so, dass wenn Sie sich ein besonders schönes Outfit ausgedacht haben, Sie sich auch so doll auf den nächsten Morgen freuen? Kurioserweise hat sich der Blick auf dieses Outfit über Nacht aber irgendwie geändert. Weiß der Geier wie das passieren konnte! Das, was ich am Vorabend noch phänomenal fand, sieht plötzlich am Morgen lächerlich aus. Als hätte ich einen im Tee gehabt, als ich das ganze Gedöns anprobiert habe.

Ich ärgere mich über mich selbst, schimpfe wie ein Rohrspatz, dass ich wieder viel zu viel Geld für die falschen Klamotten ausgegeben habe und dass ich wirklich überhaupt keine Ahnung von Mode zu haben scheine. Dann ärgere ich mich, weil ich mich so sehr über diese eigentlich banalen Dinge ärgere. Die Welt geht vor die Hunde und ich mach mir Gedanken über das Dienstags-Outfit. Mit mir stimmt was nicht! Ja, ich könnte mir am laufenden Band ständig selbst einen Vogel zeigen. Doch dann sage ich mir tapfer: "Das Aussehen ist doch nicht alles!", ziehe die olle Leggins und das verwaschene, viel zu kurze Kleid an, das am Hintern inzwischen ganz widerlich unvorteilhaft aufträgt und dann ist der Tag gelaufen.

An genau solchen Tagen ist man beileibe wahnsinnig anfällig für Neidattacken. Wenn ich dann eine Frau sehe, die wie die wunderschöne Französin Marion Cotillard persönlich daher kommt, dann fühle ich mich wie ein Wiener Würstchen, das versehentlich unterm Sofa gelandet ist und dort seit Wochen vor sich hin schrumpelt. Nicht mal der Hund findet mich noch appetitlich. Der blöde Köter. Ich halte hier gerade meine eigene Therapiesitzung ab, merken'se auch, ne?

Ist es nicht komisch, dass wir Frauen gelegentlich einfach nur neue Klamotten brauchen, um uns wieder besser zu fühlen? Doch natürlich genügt es uns eher selten, nur ein Kleid zu besitzen oder zwei oder zehn, wir denken ständig, dass wir im Grunde genommen eigentlich ganz dringend wieder was Neues zum Anziehen gebrauchen könnten. Ist in meiner Firma ein Fest, denke ich: ich brauche dafür ein neues Kleid, am Wochenende geht’s mit den Freundinnen zur "langen Nacht der Museen", ich hätte dafür gern neue Stiefel und immer so weiter, ja, leider, immer so weiter! Dabei kann ich diese prominenten Damen, die für Kamerateams ihre Kleiderschränke öffnen und den Damen zuhause vor der Mattscheibe einen Blick in ihr heiliges Klamotten-Reich gewähren, meistens überhaupt nicht leiden. Ich hab mir schon einen richtig arroganten Blick angewöhnt, wenn ich bei Frauke Ludowig sehe, dass irgend so eine reiche Schnepfe in Bell Air oder vom Starnberger See ihren begehbaren Schrank zeigt. Und sie dabei einerseits ein sehr stolzes, andererseits aber auch ein sehr verzweifeltes Gesicht macht, so in dem Sinne: "ja, also, eigentlich ist der Schrank - wie Sie sehen können - rammelvoll, aber ich habe nicht die leiseste Ahnung, was ich morgen zum Business-Dinner anziehen soll. Und am Abend ist das Pferderennen, da hab ich auch noch nix für!" Mir kommt da jedes Mal die Galle hoch, ich ereifere mich richtig und laufe rot an. Mein Mann fragt mich dann: "Wieso schaltest du denn nicht um, wenn du dich darüber so aufregst?" Womit er natürlich vollkommen Recht hat. Aber weil ich eben auch neidisch bin – ja, gebe es zu – und mich in diesem Dilemma wiedererkenne, hocke ich wie gebannt vor der Glotze und rege mich fürchterlich auf. Da ist jedes Mal Zeter und Mordio angesagt. "Haben die keine anderen Probleme?", meckere ich so sehr, dass ich schon kurz vor einem Herzkasper stehe, aber umschalten? NEIN! Niemals. Ich muss das sehen. "Wozu braucht die olle Pute dreihundert Paar Sandalen, wenn die Schuhe sich alle ähneln und man sie mit bloßem Auge gar nicht voneinander unterscheiden kann?", rege ich mich künstlich auf. Oft sieht man in den überfüllten Schuhschränken dieser Ladys auch Exemplare, die weder für den Alltag noch für eine Party geeignet sind. Schuhe, die so hohe Absätze haben, dass man darin keine hundert Meter zum Bus rennen könnte. Ich denke, dass es diesen Damen nicht um modische Vielfalt geht, sondern nur ums Horten und Raffen. Tja ja, das müssen die sich wohl bei mir abgeschaut haben oder anders herum. Welche traurig-schaurige Erkenntnis es doch ist, die reiche Damenwelt für das Anhäufen von Klamotten doof zu finden und selbst kein Deut besser zu sein.

Ich habe inzwischen übrigens drei verschiedene Schränke. Sie sind nicht riesengroß aber sie sind, jeder einzelne, bis an den Rand gefüllt. Ich habe sogar ein Regal, in dem die ausrangierten Sachen darauf warten, in der Altkleiderspende zu landen. Aber immer wenn ich mir vornehme: So, diese Hose oder jenes Oberteil könntest du nun entsorgen, das hattest du seit Jahren nicht mehr an, kriege ich ein nervöses Zucken in den Fingern. Sie werden augenblicklich ganz steif und verkrampfen sich. Messie-Syndrom lässt grüßen! Na tolle Wurst! Oh Gott, werden sich jetzt gewiss vor allem meine Leserinnen fragen: hat die denn wirklich, wirklich, wirklich keinen anderen Probleme? Doch! Hab ich! Das ist ja das Schlimme!

Sie können sich nicht vorstellen, was für eine enorme Macht der Kleiderstapel in meinem Schrank auf mich ausübt! Der hat mich so was von im Griff! Ich fühle mich von dem bösen Stapel regelrecht unterdrückt und eingeengt. Von Demokratie kann in meinen Kleiderschränken keine Rede mehr sein, dort herrscht Diktatur!

Neulich habe ich mir in so einem italienischen Schuhladen sündhaft teure Schuhe geleistet. Im Nachhinein ist es schwer nachvollziehbar, was während des Kaufs dieser blöden Treter in meinem Gehirn abging: Ich betrachtete die Schuhe hundertmal. Als seien sie ein Geschenk, das mir mein Vater gemacht hat. Mit beiden Händen und geschlossenen Lidern bin ich mit den Fingern über die Schuhe gefahren, um das weiche Material zu fühlen und stellte fest: Schwarz wirkt immer eben, Lila angeraut, Rot zu lackiert, Weiß fühlt man nie. Vor dem Spiegel drehte ich den Kopf x-Mal zur Seite und legte die Hand auf die Brust, um das zu schnelle Pochen darunter etwas zu zügeln. Ich atmete tief ein und weit aus und zog die Augenbrauen halb kritisch nach oben, damit ich wenigstens mal kurz so aussehe, als würde ich mir Gedanken um den Preis machen. Und dann, jetzt kommt der Knaller: Habe ich die Botten gekauft und nicht ein einziges Mal getragen! Später habe ich sie bei Ebay verhökert. Für einen Spottpreis.

Mich ärgert mit dem Alter aber auch immer mehr, wie das heutige Bild der Frauen in der Gesellschaft aussieht, wie es geformt und zurecht gewurschtelt wird, wie Medien versuchen, jungen Mädchen zu suggerieren, dass sie erfolgreich sein werden, wenn sie schön und dünn sind. Blub, blub, blub. Neulich hielt ich in der Kaufhalle eine dieser Mode-Zeitschriften in den Händen. Dort gab es auf jeder Seite mindestens fünf Frauen, die allesamt Stil-Ikonen waren. Ich hab mich bei dem Anblick der Frauen gefragt, ob ich ja vielleicht auch eine Stil-Ikone bin ohne es zu wissen. Möglich wäre es doch. Nur, dass man mich mit i e schreibt: Stiel-Ikone für Arme.

Sie kennen bestimmt auch diese Model-Sendung mit unserem deutschen Exportschlager Heidi Klum, oder? Ich mag diese Sendung ja eigentlich überhaupt nicht, muss aber gestehen, dass wir sie in netter Frauen-Runde oft geschaut haben. Das war oft sehr amüsant. Vor allem die jeweiligen Abschlussfinale! Neben uns schauten sich hundert Millionen Deutsche vor den heimischen Flachbildschirmen die Augen wässrig und lauschten inbrünstig dem leicht nasalen Singsang samt Versprecher, Huhu's und Tschüssi's von Heidi Klum, Moderatorin der "sensationellen" Show. Das war ein "absoluter Wahnsinn", als die Heidi mit ihren 35 Zentimeter hohen Absatzschuhen auf die Bühne stakste, ganz oft "keine Spucke mehr im Mund" hatte, weil sie "wirklich sehr sehr aufgeregt" war, in einer Riesenhalle eine Riesenshow vor einem Riesenpublikum zu moderieren. Live! Alle (Publikum inklusive!) sahen "supertoll" und "Hammer" aus und freuten sich. Wir natürlich auch. "Sensationell, Wahnsinn, einfach großartig", diese Topmodels! Was die alles geleistet und auf die Beine gestellt haben! Ja, das muss ich schon zugeben, verdient Respekt. Ist bestimmt ja auch nicht so einfach, für ein Foto-Shooting in Amerika so lange von zuhause weg zu sein, in blöden Millionen-Villen zu wohnen, die in den meisten Fällen - wie furchtbar! - über einen hauseigenen Pool verfügen. Nicht zu vergessen, dass die armen Models dieser Show nach Hawaii, New York und sogar ins Meer mussten. Zum Arbeiten! Wie doof ist das denn?

Wenn man als Fernsehzuschauer nicht das Glück hatte, bereits während der Show vor Fremdschämen gestorben zu sein, ist man spätestens fünf Minuten nach dem Finale schamdurchpulst hinter das heimische Sofa gekippt. Und dennoch war ich überrascht, dass sich die Mädchen so "unheimlich" wünschten, auf dem Cover einer deutschen Modegazette zu sein. Meines Erachtens zählen diese Heftchen zu den oberflächlichsten, und werbelastigsten Lesematerialien, die wir im Lande haben. Wenn ich schon an deren Chefredakteurinnen denke, die keine C, D und F-Promi-Party mit ihrer Abwesenheit verschonen, möchte ich ihnen am liebsten morgens auflauern, wenn sie in Schlappen und mit Falten am Hintern durch ihre sonnendurchfluteten Zimmer auf die Dachterrasse schlurfen und verpennt in ihr Knäckebrot beißen. Für die Falten möchte ich ihnen dann zu gern eine dieser Proben reichen, die sich zwischen den Seiten ihrer Zeitschriften lümmeln. Vermutlich würden sie die Dinger selbst nie benutzen, denn Frau Chefredakteurin schwört garantiert auf Hyaluronsäure und Turn around Visible Skin Renewer für einen ebenmäßigen Teint. Wahnsinn!

Ich mag Mode! Ich ziehe gern neue Sachen an und probiere Verschiedenes aus, aber es passiert nur noch selten, dass ich mich von Frauenzeitschriften inspirieren lasse. Neulich hatte ich, wie gesagt, seit Ewigkeiten mal wieder eine Frauenzeitschrift in der Hand. Ich blätterte und blätterte und Folgendes fiel mir dabei auf: Wozu noch Journalistinnen für Reportagen und Interviews losschicken, wenn man die interessantesten Leute in den eigenen Reihen sitzen hat? Da ist man doch nicht blöd und berichtet über Lindsay Lohans Trendbewusstsein, wenn das der hauseigenen Redakteurin Nancy Schmidt mindestens genauso groß ist! Also wird die Nancy fotografiert und aufpoliert und auf Seite fünf geklatscht. Den Brüller lieferte aber die Chefredakteurin dieser Zeitschrift: Weil die Frau W. immer so hart arbeitet, dabei aber trotzdem gut aussieht, hat sie es verdient, mal so richtig schön in Urlaub zu fahren. Nett und kollegial wie sie ist, natürlich mit dem gesamten Kamerateam! Selbiges folgte der Chefin überall hin wie ein Hündchen und war deshalb stets: "Bei Fuß!" Alle im Urlaub geschossenen Fotos (minimal retuschiert) waren im Heft zu sehen, verpackt in einer knackigen Urlaubsreportage mit Tipps und Tricks von Frau Chefin herself. Ganz wichtig für uns Frauen, den Leserinnen der Frauenzeitschrift: die käuflich zu erwerbende Cartier-Uhr!!! Für nur schlappe 40.000 Euro sollte Frau sie unbedingt am Mann bzw. Arm haben, um zu wissen, wann es Zeit für einen "Rosè am weißen Strand ist". Ich bin in letzter Zeit sowieso schon total verzweifelt, weil ich überhaupt nicht weiß, wohin mit meinen ganzen Millionen. Und ich weiß wirklich nie, wann es Zeit für einen eisgekühlten Rosé am Strand ist. Noch schlimmer, ich hab nicht mal welchen! Doof genug, dass ich keine Cartier-Uhr besitze, besitze ich auch keinen Rosé und keinen Champagner. Und noch doofer: es ist mir bis dato nicht mal negativ aufgefallen, dass ich die Uhrzeit von einer normalen Quarzuhr ablese, die ich für Fünf Mark auf dem Flohmarkt erworben habe.

Natürlich hat die Frauenzeitschrift-Chefredakteurin uns Frauen auch erklärt, dass man im Urlaub nicht nur gut aussehen, sondern auch gut riechen muss! Weil wir im Urlaub nämlich alle durch die Bank dermaßen abstinken, wir gemeinen Frauenzeitschriften-Leserinnen. Deshalb empfahl sie uns gleich mal das neue Chanel-Parfüm für 2000 Euro. Es ist nämlich so, dass wir Frauen jeden Monat ein Heidengeld verdienen, mindestens 5000 Euro und mehr! Wir wissen wirklich nicht mehr, was wir mit der Kohle anstellen sollen. Und natürlich tragen wir alle edelste Markenklamotten und Trinity-Ringe von Tiffany. Nicht kleckern, klotzen heißt die Devise. Ja, diese Chefin ist ein Vorbild! Und die Vorbildfunktion erfüllt sie, indem sie uns Sonnencreme von Lagerfeld empfiehlt, denn von der guten alten Florena kriegt man bestimmt Hautkrebs. Ja, is' klar.

Sowieso sind sich die Frauen in den Frauenzeitschrift-Redaktion ihrer Vorreiterrolle bewusst. Deshalb wachen die meisten Redakteurinnen dieser Zeitschrift morgens schon mit Lidstrich auf, kennen die "Must Haves" des Monats auswendig, tragen nie Taschen aus der letzten Saison und wissen sogar, ob Frau unten rum "Landebahn" oder "aalglatt" tragen sollte. Wildwuchs war gestern! Das ist unerotisch und weil Frauen heutzutage nicht nur sexy aussehen, sondern sich auch sexy fühlen, wissen sie genau, wo rasiert, epiliert, entfernt, gepolstert, geschnippelt, gefüllt, abgesaugt und ran geklebt wird.

Klingt gemein? Nicht doch! Es gab in dieser Zeitschrift auch Seiten mit Niveau: Seite 10: Bindenwerbung, Seite 11: Joop-Werbung, Probepackungen auf den Seiten 24, 36 und 45 und auf Seite 99 erfuhr Frau, was sie tun muss, wenn sie mal Liebeskummer hat. Tipp Nr. 1: Nicht mehr an ihn denken! Daaaaanke! Da wären wir Trottel ja im Leben nicht drauf gekommen! Auch die ganz Anspruchsvollen unter uns kamen in dieser Gazette auf ihre Kosten: Auf Seite 2 wurde verraten, dass 7/8 Hosen im kommenden Frühling ein "absolutes No-Go" und Nerd-Brillen wieder "in" sind, weil sie "unsere" intellektuelle Seite betonen. Wahnsinn, denn jetzt, wo die dicken Brillen, Marke Kassenmodell, wieder getragen werden dürfen, muss Frau nicht mehr zum Augenlasern latschen. Das alles und noch viel mehr gab es für schlappe drei Euro.

Ich habe kurz überlegt, ob ich mich für diese wichtige Lektüre bedanken soll und denen einen Leserbrief schicke. Aber selbst dort beweihräucherten sie sich bereits selbst. Ich weiß inzwischen: Die Leserbriefe sind gefaked. Bestimmt gibt es auch gute Zeitschriften für Frauen, mir fällt nur auf Anhieb keine ein.

Jedenfalls: zurück zu meinem Kleiderschrank. Wir waren beim Aussortieren. Ich hatte es vor, ja doch, ich wollte ihn auf Vordermann bringen, denn wie gesagt, habe ich viel zu viel Kram. Jesus Maria, haben die Motten meines Kleiderschrankes ein Haufen zu fressen. Da ist von der Vorspeise bis zum Dessert alles dabei! Die Motten meines Kleiderschrankes führen, abgesehen von der Diktatur dort, ein glückliches Leben. Sie kriegen viele kleine Mottenkinderchen und sind alle miteinander verwandt. Ich wollte die eng gestrickte Familien-Fehde natürlich nicht zerreißen, aber so ein inzestuöses Familienverhältnis in meinem Haushalt ist auf Dauer auch nicht die feine englische.

Also wurde ausgemottet, anprobiert, fotografiert und ein paar Sachen zum Verkauf erneut auf Ebay gestellt. Die ersten Momente auf dieser Plattform haben meines Erachtens ein Drittel Heiliges. Da sitzt du vor deinem PC, guckst, lädst hoch, lutscht am Daumen, wackelst, rutscht auf dem Stuhl hin und her und wartest die ersten Reaktionen ab. Schließlich willst du die Angelegenheit ja so schnell wie möglich hinter dich und die Klamotten an die neue Frau bringen. Meine erste Reaktion in der Ebay-Kategorie: Damen/ Jacken und Mäntel/ Trenchcoat kam aber von robertsuchtgeilensex@hotmail.com und lautete: "Hallo, ist der weiße Trenchcoat noch zu haben?" Oh Gott, dachte ich: Was will dieser Robert mit meinem unschuldsfarbigen, weißen Trenchcoat? Ich habe ihm geschrieben: "Robert, wenn du den guten, weißen Mantel einsauen und schmutzig machen willst, gebe ich ihn lieber dem Vetter 6. Grades von Motte Nr. 21, ist das klar?"

Also, vergessen Sie niemals: Sie sind cool, Sie sind viel cooler als alle Chefredakteurinnen sämtlicher Frauenzeitschriften dieser Welt. Wenn Sie sich heute nicht wohl in Ihrer Haut fühlen, verzagen Sie nicht, denken Sie einfach an mich: ich hab mich schon gestern nicht wohl in meiner Haut gefühlt. Und es glatt vergessen. Sie haben keinen flachen Bauch? Scheiß drauf! Nix im Kleiderschrank? Egal! Sie haben ja jetzt mich. Schreiben Sie mir! Der Motten-Boss in meinem Kleiderschrank-Ressort kann gewiss ein kleines Ensemble für Sie zusammenstellen. So oder so: Allein Ihr Lächeln ist mehr wert als hundert Modekollektionen! Es sei denn natürlich, Sie leiden gerade an einer ruinierten Zahnfront. Obwohl, wenn ich genau drüber nachdenke: Sie könnten mit zwei abgebrochenen Schneidezähnen zur Stil-Ikone avancieren. Einen Fan hätten Sie schon mal. Mich!

Auf jeden Fall nichts mit Menschen

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