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Erstes Kapitel

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Hacienda de la Luz, Kastilien, 1439

»Ein erlesenes Pferd! Werfen Eure Güter so viel ab, dass Ihr Euch ein solch schönes Tier leisten könnt?« Don Alvaro Aguirre trat neben seinen künftigen Schwiegersohn und schaute geradezu missbilligend auf den edlen kastanienbraunen Hengst und das goldbeschlagene Sattelzeug.

»Fürchtet Ihr, Eure Tochter könnte an meiner Seite verarmen?«, fragte Don Diego de Ciento schalkhaft, ein hoch gewachsener, lebhafter junger Mann mit blitzenden Augen, dessen Ton leichte Gereiztheit verriet. Don Diego war bekannt für sein aufbrausendes Wesen. »Das braucht Ihr nicht. Meine Bauern sind fleißig, die Ernten hervorragend. Und dieser Hengst hat mich obendrein keinen Maravedi gekostet. Eine kleine Cabalgada zu unseren maurischen Freunden, und das Tier lief mir geradewegs zu ...«

Lächelnd streichelte Diego den Hals des Pferdes.

»Sprich, ein Überfall im Nachbarland! Wie sollen wir hier jemals in Frieden leben, wenn Ihr die Mauren immer wieder reizt!«

Don Alvaro, ein kleiner, drahtiger Mann, in dessen dichtes, dunkles Haar sich die ersten weißen Fäden mischten, schüttelte den Kopf. Er war kein Friedensengel, und natürlich fuchste es auch ihn, dass Teile der Iberischen Halbinsel seit Jahrhunderten in heidnischer Hand waren. Aber seine Hacienda lag im Grenzland zum Emirat Granada, und es waren seine Bauern, die unter einem Vergeltungsschlag der Mauren zu leiden hatten. Und der folgte für gewöhnlich auf dem Fuße; Immer wenn sich die Christen aus Kastilien einer Grenzverletzung schuldig machten, griffen anschließend die Granadiner an — und umgekehrt. Die Christen nannten diese Raubzüge ›Cabalgadas‹, die Mauren ›Ghazus‹. Der Effekt war stets der gleiche: versklavte Menschen, gestohlene Tiere, brennende Bauernhöfe.

Don Diegos ›kleine Cabalgada‹ mochte insofern leicht gefährliche Folgen haben. Don Alvaro nahm sich vor, auch die Teilnehmer der heutigen Jagd ausdrücklich auf die mögliche Gefahr aus dem Süden hinzuweisen.

Don Diego nahm die Sache dagegen gelassen. Seine Güter lagen weiter im Inland, und die Teilnahme an solchen Raubzügen betrachtete er schlichtweg als Zeitvertreib – ähnlich wie die Jagd, zu der Don Alvaro heute geladen hatte. Natürlich boten Cabalgadas mehr Aufregung – aber dafür würde er heute das Vergnügen haben, der schönen Beatriz Aguirre einen ganzen langen Jagdtag hindurch nahe zu sein. Ohne Anstandsdame. Beatriz’ ältliche Zofe weigerte sich strikt, einem Pferd auch nur nahe zu kommen. Beatriz selbst dagegen...

Diego wandte seine Aufmerksamkeit endgültig von Don Aguirres Predigt ab, als er sie jetzt auf sich zukommen sah. Beatriz saß bereits im Sattel ihrer eleganten, schwarzen Stute. Der strahlende Blick ihrer meerblauen Augen umfing sowohl ihren Vater als auch ihren Verlobten.

»So trübsinnig, Vater?«, fragte sie fröhlich. »An einem so herrlichen Tag?«

Tatsächlich war der Herbsttag in Kastilien wie geschaffen für eine Reitjagd. Die sommerliche Hitze war sanftem Sonnenschein gewichen, und ein leichter Wind spielte mit Beatriz’ rotgoldenem Haar. Wie immer hatte sie es nur flüchtig aufgesteckt, um der Schicklichkeit gerecht zu werden. Schon beim ersten Galopp würden sich die Strähnen lösen und die Locken frei im Wind wehen lassen. Beatriz liebte das Gefühl, mit offenem, wehendem Haar zu reiten, und sie freute sich bereits darauf, ihr Pferd tollkühn anzutreiben und den Männern vorauszustürmen. Die Reitjagd gab ihr die seltene Gelegenheit, ihr wildes Temperament voll auszuleben ... die Jagd und die seltenen Stunden, die sie bisher allein mit Diego de Ciento verbringen durfte. Der heißblütige junge Hídalgo entfachte Leidenschaften, an die nicht einmal der wildeste Galopp durch die Felder heranreichte. Schon seine leichteste Berührung ließ Beatriz innerlich erglühen – so wie jetzt, als er wie nebenbei nach ihrem Steigbügel griff, um scheinbar etwas am Sattel zu richten. Ihr dunkelblaues Reitkleid fiel züchtig weit über den Damensattel und ließ nur die Spitze ihrer Stiefelette sehen, aber Diegos Hand wanderte unauffällig ihre Wade hinauf und kitzelte sanft die zarte Haut ihrer Kniekehle. Dabei schien er ganz unschuldig mit ihrem Vater zu plaudern. Beatriz schluckte und entzog ihm entschlossen ihr Bein, bevor ihr die Röte der Erregung endgültig ins Gesicht stieg.

»Das ist nun also der maurische Hengst«, begann sie eine unverfängliche Unterhaltung. »Dabei sagte man mir, die Heiden dort drüben seien zu feige, um richtige Pferde zu beherrschen. Ziehen sie nicht Stuten als Reittiere vor?«

»Das stimmt«, bemerkte Don Alvaro mürrisch. »Eine alte arabische Sitte. Obwohl ich mich der Deutung hier nicht anschließen würde. Oft ist eine edle Stute schwerer zu bändigen als ein grobschlächtiger Streithengst – was das angeht, haben Frauen und Pferde manches gemeinsam ... Wo habt Ihr das Tier erbeutet, Don Diego?«

De Ciento warf sich in die Brust.

»Wenn Ihr Euch nur den stärksten Feinden stellt, so findet Ihr auch unter den Mauren richtige Männer!«, erklärte er stolz und wandte sich dann augenzwinkernd an Beatriz. »Der aufbegehrende Hengst verlangt die starke Hand des Kämpfers, die ungebärdige Stute die geschickte Hand des Künstlers ...« Spielerisch liebkosten seine Finger die Schulter von Beatriz’ Reitpferd, während seine Augen den zarten Hals seiner Verlobten und den Ansatz ihrer Brüste zu streicheln schienen. Beatriz meinte, seine zärtlich forschenden Bewegungen auf ihrer Haut zu spüren. Sie atmete rascher, kein Gedanke mehr an eine unverfängliche Erwiderung ...

»Dann zeigt uns mal, was Ihr könnt – als Reiter!«, brummte Don Aguirre, der die Tändelei der beiden zweifellos bemerkte. Für seinen Geschmack ging Don Diego hier erheblich zu weit. Beatriz war ihm zwar versprochen, aber bis zur Hochzeit würden noch Monate vergehen ... Don Aguirre hoffte sehr, dass die beiden solange wenigstens vor dem letzten Schritt zurückschreckten.

»Und du, Beatriz, steck dein Haar ordentlich auf! Die Reiter sollen dem Wild nachstellen, nicht deiner hübschen Larve ...«

Beatriz lachte befangen, zog sich dann aber wirklich von Diego zurück. Auch der junge Mann schwang sich nun in den Sattel. Vielleicht würden sich später noch weitere Momente ergeben ... Das Jagdfeld blieb selten geschlossen, und womöglich fand sich die Gelegenheit, mit Beatriz zurückzubleiben. Hasen und Wildschweine jagen konnte er jeden Tag – die Erforschung weiblicher Reize lockte ihn weitaus mehr.

Beatriz’ Blick verriet ihm, dass sie ähnliche Gedanken hegte. Im Sonnenlicht schienen ihre Augen tiefblau zu leuchten – wie das Meer veränderten auch sie ihre Farbe je nach Stimmung und Tageszeit –, aber ab und zu blitzten aquamarinblaue Sterne darin auf. Sie betrachtete den schlanken jungen Mann an ihrer Seite mit unverhohlener Leidenschaft. Schließlich war auch Don Diego eine strahlende Erscheinung – mit seinem dichten Haar und der hoch gewachsenen Gestalt stach er unter den meisten kastilianischen Rittern hervor. Dazu wusste er sich zu kleiden. Wohlgefällig betrachtete Beatriz sein eng sitzendes dunkelgrünes Wams, unter dem sich die Muskeln seines Oberkörpers deutlich abzeichneten. Seine Taille war eng gegurtet, die kostbare Gürtelschnalle ebenso ein Blickfang wie der steife, gestärkte weiße Kragen, der sein Wams Richtung Kinn erweiterte. Nach neuester Mode waren seine Hosenbeine geschlitzt und dezent mit braunem Stoff unterlegt. Sie verdeckten nur einen Teil seiner muskulösen Oberschenkel, der Rest bot sich Beatriz’ neugierigen Blicken in moosgrünen seidenen Strümpfen dar. Hohe, kostbare Lederstiefel rundeten das Bild des Caballero ab. Zudem trug Diego selbstverständlich parfümierte Handschuhe – Beatriz’ Herzschlag beschleunigte sich, wenn sie an den Duft ihres Geliebten dachte: ein bisschen Moschus, edelstes Leder, ein Hauch von Pferdeschweiß, der den Ritter vom Dandy unterschied ...

»Was ist, meine Liebste, träumt Ihr?«, fragte Diego lächelnd.

Beatriz riss sich zusammen. Während sie ihren lüsternen Gedanken nachhing, hatte sich das Jagdfeld zum Aufbruch formiert. Don Aguirre führte die Reiter durch das Tor seiner Hacienda hinaus auf freies Feld. Die Hunde stöberten herum und nahmen Witterung auf. Beatriz und Diego mussten sich beeilen, den Anschluss nicht zu verlieren. Während die Reiter zunächst durch Don Alvaros Dattel- und Orangenpflanzungen ritten, blieb die Gruppe zusammen. Beatriz und Diego plauderten mit anderen Jagdteilnehmern, und mehr als einer der Reiter warf Beatriz bewundernde, Diego jedoch neidische Blicke zu. Nur selten ritten Frauen mit auf die Jagd, und kaum eine saß so verwegen zu Pferde wie Don Aguirres schöne Tochter. Kerzengerade und mit unvergleichlicher Anmut thronte sie im Seitsattel; aus ihrer Frisur hatten sich erste Strähnen gelöst und umspielten ihr schmales Gesicht. Beatriz Aguirre war klassisch schön. Sie hatte volle, klar geformte Lippen, hohe Wangenknochen, eine gerade Nase und einen sehr hellen Teint – lediglich die etwas schräg stehenden Augen verrieten die Leidenschaft, die sich hinter aller Zurückhaltung der wohlerzogenen jungen Adligen versteckte. So mancher Ritter träumte davon, sie einst zu wecken, aber bislang hatte Beatriz nur an Diego de Ciento Interesse gezeigt. Nun passte die Verbindung zum Glück hervorragend: Diego war ein Mann von Adel, vermögend und von bestem Ruf – nur ein bisschen zu tollkühn und großspurig für Don Aguirres Geschmack. Trotzdem hatte Beatriz’ Vater keinen Grund gefunden, seinem Werben um Beatriz nicht zu entsprechen. Im letzten Jahr war die Verlobung gefeiert worden. Das Mädchen fieberte seitdem der Hochzeit entgegen.

Inzwischen hörte man aufgeregtes Bellen – mehrere Hunde hatten Wildspuren aufgenommen. Die Windhunde der Kastilier folgten der Fährte nicht in der Meute, wie es in England der Brauch war. Stattdessen stöberten sie einzeln umher, taten dann aber durch laute Geräusche kund, wenn sie sich auf eine Spur setzten. In der Regel schlossen sich ihnen dann andere Hunde an, und auch die Reiter folgten ihnen – wobei sich das Feld auseinander zog, wenn mehrere Hunde gleichzeitig verschiedene Fährten verfolgten. Diego und Beatriz warteten zunächst ab und ritten dann einem großen, schwarzen Galgo hinterher, der sich in atemberaubender Geschwindigkeit auf die Spur eines Fuchses gesetzt hatte. Kaum ein anderer Reiter konnte mit ihm Schritt halten, zumal der Fuchs auch noch in ziemlich unwegsames Gelände floh. Diegos schlanker maurischer Hengst folgte dem Windhund aber mühelos, und auch Beatriz’ Stute, ein englisches Jagdpferd, ließ sich nicht abhängen. Als der Hund schließlich die Fährte verlor, fanden sich die beiden weit entfernt vom Hauptfeld wieder. Diego lächelte Beatriz verschwörerisch zu.

»Wollen wir die anderen suchen, meine Schöne, oder steht Euch der Sinn vielleicht nach einer Rast? Euer Pferd wirkt abgekämpft ...«

»Nicht mehr als das Eure, mein Herr!«, gab Beatriz etwas gereizt zurück. Auf ihr Jagdpferd ließ sie nichts kommen. »Meine Stute könnte noch stundenlang weitergaloppieren. Allerdings macht der Hund einen müden Eindruck ...«

Sie zwinkerte Diego mutwillig zu. Der junge Mann lachte.

»Dann wollen wir dem armen Tier doch etwas Ruhe gönnen.«

Diego erspähte einen schattigen, grasbewachsenen Platz zwischen ein paar Felsen. Selbst wenn sich jemand von der Jagdgesellschaft hierhin verirren sollte, würde er sich kaum unbemerkt nähern und heimliche Blicke erhaschen können. Der junge Mann sprang vom Pferd und hob Beatriz aus ihrem Damensattel. Nur zu gern überließ sie sich dem Griff um ihre Hüfte. Ganz langsam ließ Diego das Mädchen zu Boden gleiten.

»Ihr seid leicht wie eine Feder, meine Schöne«, sagte er galant.

Beatriz lachte. »Dafür fasst Ihr recht fest zu, Don Diego. Ein Federchen wäre längst zerbrochen ...«

»Könnt Ihr mir noch einmal vergeben? Kommt, lasst mich Euch beweisen, dass meine Hände auch sehr zart sein können!«

Diego geleitete seine Liebste in die Senke hinter den Felsen. Zärtlich strich er ihr das wirre Haar aus dem Gesicht, ließ die Fingerspitzen leicht über ihre Schläfen, ihre Augenbrauen und ihre Wangen wandern und zeichnete schließlich die Kontur ihrer Lippen nach. Dann hob er ihr Kinn sanft an, und sie bot ihm den Mund zum Kuss. Diego öffnete ihre Lippen zunächst zart mit seiner Zunge, aber dann übernahm Beatriz die Initiative und presste sich wilder an ihn. Aus dem scheuen Kuss wurde ein leidenschaftlicher Austausch von Zärtlichkeiten. Beatriz’ Hände tasteten sich über die Seide seiner Beinkleider und liebkosten die Innenseite seiner Schenkel. Diego öffnete Beatriz’ züchtig geschlossenes Reitkleid und nahm ihren Duft von Rosen und Magnolien in sich auf. Das Mädchen erzitterte unter seinen Küssen und hob ihm den Körper leidenschaftlich entgegen, als er ihre weißen Brüste freilegte und ihre Brustwarzen zunächst mit seinen geschickten Fingern, dann mit der Zunge zum Schwellen brachte. Befreit von der Enge des Reitkleids wirkte sie nicht mehr mädchenhaft schlank, sondern bot Diego weiche Rundungen oberhalb des Korsetts zur Liebkosung dar. Sie schrie erregt auf, als er die Brustwarzen zwischen die Lippen nahm und leicht daran saugte, während seine Hände tiefer zu den Achselhöhlen wanderten. Der junge Mann machte Anstalten, das Mädchen auch von den Fischbeinstangen des Korsetts zu befreien.

Doch Beatriz wehrte sich mit heiserer Stimme. »Nein ... nicht, liebster, wenn du die Bänder löst, wirst du mich nachher neu schnüren müssen ...«

»Es gibt nichts, was ich lieber täte!« Diego knüpfte das Band auf, das ihr Korsett schloss, und hielt kurze Zeit inne, als sich ihm Beatriz’ Körper in seiner vollen Schönheit offenbarte. Dann malten seine Fingerspitzen kleine Kreise auf ihren flachen Bauch und hinab zu ihrer Scham, Beatriz gab zarte, heisere Schreie von sich. Als Diego sich über sie schob, fühlte sie die Härte zwischen seinen Beinen.

»Nicht, Diego, das dürfen wir nicht!« Ernüchtert wehrte Beatriz ihn ab und richtete sich auf. »Ein bisschen ... Tändelei ... ist in Ordnung, aber das letzte Geheimnis will ich mir bis zur Hochzeitsnacht bewahren.«

Sanft entfernte sie seine Hand von dem zarten Seidengespinst, das ihre intimsten Reize vor seinen Blicken verbarg. Mit zärtlichen Gesten forderte sie ihn auf, sich nun seinerseits niederzulegen und zu entspannen. Ihre Finger öffneten sein Wams und tasteten sich über stählerne Muskeln und festes Fleisch nach unten, während sie seine Brust mit Küssen bedeckte. Diego bäumte sich auf vor Lust, als sie sein Geschlecht schließlich scheu und forschend streichelte. Beatriz’ Bewegungen wurden schneller, als es in ihren Händen anschwoll und pulsierte. Sie wagte nicht, es ganz zu umfassen, aber ihr vorsichtiges Streicheln reichte aus, um ihn zum Höhepunkt zu bringen.

»Eine Feder genügt, um dich zu erregen!«, lachte sie spitzbübisch, als sie sich in seine Arme schmiegte, während er wieder zu Atem kam. »Das waren die Hände der Künstlerin. Willst du nun die Kraft der Herrin spüren?«

Diego wollte etwas erwidern, aber Beatriz verschloss ihm den Mund mit einem Kuss und griff nun fordernder nach seinem Körper. Sie schob seine Hosen über seine Hüften, traktierte sein Fleisch mit leichten Bissen und brachte ihn in Windeseile zu neuer Erregung. Diego umfasste ihre Schultern, vergrub sein Gesicht zwischen ihren Brüsten und gab die winzigen Bisse zurück. Diesmal schrie auch Beatriz auf, während Diego sich ein weiteres Mal in der Leidenschaft verlor.

Zitternd und schwer atmend lagen sie nebeneinander.

»Kann das noch schöner werden, wenn du die Pforte meiner Jungfräulichkeit aufstößt?«, fragte sie schließlich. »Gibt es wirklich noch Möglichkeiten, das zu steigern?«

Diego lächelte selbstbewusst.

»Meine Geliebte, ich verspreche dir Wonnen, von denen du jetzt noch nicht einmal träumen kannst. Wie du es sagst, noch stehen wir vor der Pforte. Mehr als ein Blick durchs Schlüsselloch ist dir bisher nicht gewährt worden. Wenn du mich jedoch ließest ...«

»Keine Einbrüche, Geliebter! Das Tor wird sich im rechten Augenblick öffnen!«, wehrte Beatriz ihn zärtlich, aber entschlossen ab. »Und nun solltest du mich schnüren. Wir müssen zurück zur Jagd. Ich bin sicher, dass man uns bereits vermisst.«

»Und wir haben nicht mal ein Häschen als Beute vorzuweisen!«, lachte Diego.

»Was ist mit dir, du fauler Hund? Konntest du nicht ein wenig Beute machen, während wir uns hier vergnügten?« Diego wandte sich an den Galgo, der bislang hechelnd im Schatten gelegen hatte. Wie auf Kommando sprang das Tier auf und begann warnend zu bellen.

»Sieh, wie er sich an seine Pflicht erinnert!«, höhnte Diego und warf einen Stein nach dem Hund. Der bellte daraufhin noch wütender. Beatriz und ihr Geliebter beachteten ihn nicht. Beatriz stöhnte auf, als Diego die Bänder ihres Korsetts mit einem kräftigen Ruck anzog.

»Nicht so fest! Ich bin kein Pferd, dessen Sattelgurt du anziehst!«

Diego zupfte nun sanfter, küsste dabei ihre Schultern und erntete Wonne- statt Protestlaute.

Aber dann übertönte eine klangvolle, höhnische Stimme das Bellen des Hundes: »Wie anrührend! Der große Krieger in der Rolle einer Kammerfrau! Nun, es ist nicht das erste Mal, dass Ihr Euch weibisch zeigt!«

Diego und Beatriz fuhren erschrocken herum. Entsetzt erkannte Beatriz einen Mann in maurischer Kleidung, der mit gezücktem Krummschwert am Rand der Senke stand.

Diego tastete nach seiner Waffe. Um ihn herum klang Lachen auf. Beatriz schaute hektisch nach rechts und links. Tatsächlich bewahrheitete sich ihre böseste Ahnung. Sie waren umzingelt! Und einer der kleinen, nach maurischer Sitte vermummten Männer schwenkte lachend Diegos Schwert.

»Heiden, feige Strauchdiebe! Was habt Ihr nun vor? Wollt Ihr einen unbewaffneten Mann niedermetzeln?«

Der Maure, offensichtlich der Anführer dieses Trupps, schüttelte den Kopf. Seine untere Gesichtshälfte war nach dem Brauch der Wüstenkrieger mit einem Tuch bedeckt, aber das Aufblitzen der Augen verriet ein spöttisches Lächeln.

»Das hätten wir eben schon haben können. Den Rücken habt Ihr uns oft genug zugedreht! Nein, ›Don Diego‹, du sollst deinem Bezwinger ins Auge sehen! Vielleicht hast du es nicht verdient, aber ich gewähre dir trotzdem einen gerechten Kampf.« Der Mann wandte sich seinem Gefolge zu. »Gebt ihm sein Schwert zurück!«, forderte er gebieterisch. »Aber lasst ihn vorher seine Hose schließen!«

Die Männer lachten schallend, während Diego, hochrot im Gesicht, seine Beinkleider richtete. Der kleine Maure warf ihm daraufhin sein Schwert zu und stellte sich ihm auch gleich zum Kampf. Während Diego seine Angriffe geschickt abwehrte, schloss Beatriz hastig ihr Kleid. Einer der maurischen Kämpfer rief ihr eine Bemerkung zu, woraufhin die anderen lachten. Diegos Gegner wurde das zum Verhängnis. Als er seine Aufmerksamkeit einen Moment lang abzog, stieß Diego zu und verwundete seinen Schwertarm. Sofort sprang ein anderer in die Bresche.

»Feige Halunken! Fünf gegen einen!«, schrie Beatriz und stürzte sich von hinten auf den neuen Kämpfer. Ihr plötzlicher Angriff hätte den Mann um ein Haar zu Fall gebracht. Diego schlug ihm das Krummschwert aus der Hand und setzte zum tödlichen Stoß an, aber der Maure rollte weg. Zwei Männer hielten die tobende und um sich schlagende Beatriz fest, während sich nun der Anführer zum Zweikampf stellte. Die ersten Gefechte, das erkannte sie schnell, waren nur Vorgeplänkel gewesen. Jetzt aber ging es um Leben und Tod. Beide Männer waren den Angriffen des anderen ohne jeden Schutz ausgeliefert. Der Maure trug zwar einen Helm und einen leichten Lederpanzer, legte aber beides ab, als Diego einen spöttischen Blick darauf warf.

»Du wirst zwar keine Gelegenheit mehr haben, mir Feigheit vorzuwerfen, aber du sollst auch nicht mit der Genugtuung in deine Hölle fahren, in einem ungleichen Kampf unterlegen zu sein.«

Der Maure schleuderte seinen Panzer zu Boden und stürzte sich auf Diego. Die Männer fochten erbittert, Stahl traf auf Stahl. Diego war seinem Gegner an Kraft klar überlegen. Dafür schien der Maure aber beweglicher und geschickter zu sein.

Beatriz wurde immer noch festgehalten, hatte aber längst aufgehört, sich gegen den Griff der Männer zu wehren. Ebenso gebannt wie die Gefolgschaft des Mauren verfolgte sie den Kampf. Schließlich gelang Diego ein gewaltiger Stoß gegen die Waffe des Gegners. Dem Mauren fehlte die Kraft, ihn voll abzufangen. Mit erhobenem Krummschwert fiel er auf die Knie. Triumphierend hob Diego sein schweres Schwert aus Salamanca zum letzten Schlag – und bot dem Mauren damit seinen ungeschützten Unterkörper. Der Maure zögerte nicht. Mit elegantem Schwung ließ er den Säbel sinken und stieß ihn unterhalb des Rippenbogens in Diegos Brust.

Beatriz schrie auf. Diego stand einen Herzschlag lang wie erstarrt, das Schwert noch erhoben. Aber dann entfiel es seinen Händen, er sank zu Boden, die Hand auf seine Wunde gepresst.

»Diego, Geliebter!« Beatriz versuchte verzweifelt, sich loszureißen.

Der Anführer der Mauren hatte sich inzwischen aufgerichtet und sah auf den sterbenden Mann zu seinen Füßen.

»Lasst sie los!«, sagte er ruhig und wiederholte es dann noch einmal in der Sprache der Mauren.

Als der Griff der Männer sich lockerte, stürzte Beatriz zu ihrem Geliebten. Schluchzend sank sie neben ihm zu Boden.

Diego suchte ihren Blick mit brechenden Augen. »Nun werden wir ... die Pforte niemals zusammen durchschreiten ...«, flüsterte er.

»Diego, Liebster, du musst leben! Die Wunde kann nicht so schlimm sein ... Wir werden einen Arzt finden, du ...« Beatriz brach ab. Auch wenn sie es nicht glauben wollte, sie sah doch das Leben aus Diegos Gesicht schwinden. Zitternd zog sie seinen Kopf in ihren Schoß und streichelte seine Stirn und seine Wangen. »Ich liebe dich. Ich werde dich immer lieben!«

Diego drückte ihre Hand. »Der Himmel ... kann nur eine Enttäuschung sein ... nach all den Wonnen, die ich in deinen Armen schauen durfte ...«

»Im Himmel werden wir uns wieder sehen. Sie werden mich ja auch töten. Und sonst ... du bist meine einzige Liebe, Diego. Für immer. Ich werde nie einem anderen gehören ... Mein Geliebter, mein versprochener Gatte ...«

Beatriz wusste nicht, ob Diego ihren Schwur noch hörte. Sie schluchzte auf, als sein Körper in ihren Armen erschlaffte. Noch einmal küsste sie sein Gesicht, sein blondes Haar ... Noch einmal roch sie seinen Duft, aber jetzt mischte sich der Geruch von Blut und Tod mit Leder und Rosen ...

»Das reicht jetzt, nehmt ihn ihr ab!« Die schneidende Stimme des maurischen Anführers durchbrach ihre Trauer. »Wo ist Touhami?«

Der Mann wandte sich den Pferden zu, während seine Männer Diegos Körper aus Beatriz’ Armen rissen. Das Mädchen wehrte sich verzweifelt – und stellte gleich darauf fest, dass sie nicht nur um die Leiche ihres Geliebten kämpfte. Wie es aussah, wollten die Männer sich jetzt auch an ihrem Körper schadlos halten. Vorhin waren sie Zeuge ihres Liebesspiels mit Diego gewesen, was sie zweifellos erregt hatte. Nun sahen sie sich der Beute nahe. Während einer von ihnen Beatriz festhielt, riss ein weiterer ihr Kleid auf und griff lüstern nach ihren Brüsten. Urplötzlich erkannte Beatriz, dass Cabalgadas und Ghazus auch andere Seiten hatten als den kostenlosen Erwerb schöner Pferde. Bislang hatte sie den dabei vergewaltigten Frauen, den getöteten oder versklavten Männern nie einen Gedanken geschenkt. Verzweifelt trat sie nach dem Geschlecht eines ihrer Peiniger. Was, zum Teufel, tat der Anführer? Sollte er die Männer nicht an solchen Ausschreitungen hindern?

Der Maure schien jedoch anderweitig beschäftigt. Beatriz erkannte aus dem Augenwinkel, wie er sich Diegos Hengst näherte. Zutraulich wieherte das Tier ihm zu.

»Da bist du, Touhami! Ich bin gekommen, dich heimzuholen!«

»Ihr habt den Kampf hier wegen eines Pferdes geführt?«

Beatriz wollte dem Mann ihre Wut entgegenschleudern, aber sie war zu sehr damit beschäftigt, die Männer abzuwehren, die sie jetzt brutal zu Boden stießen. Einer nahm sein Tuch vom Gesicht, entblößte harte, falkenartige Züge und unreine Haut und rammte Beatriz wollüstig die Zunge in den Mund. Beatriz biss ihn, woraufhin er nach ihr schlug. Schließlich hielt sie still, während er ihre Brüste knetete. Schwer atmend zerrte er an ihrem Kleid, riss seine Hose herunter und gab den Blick auf sein gewaltig angeschwollenes Geschlecht frei.

Beatriz wimmerte und biss nach der Hand, die ihren Mund verschloss. Sie trat nach dem Mann, als er ihr Kleid hoch zerrte und den dünnen Seidenstoff zerfetzte, der eben noch ihr heiligstes Geheimnis vor Diego verborgen hatte. Beatriz versuchte, die Beine zusammenzupressen, doch der Mann drängte sie brutal auseinander.

Aber dann griff der Anführer ein.

»Das reicht jetzt!«, befahl seine schneidende Stimme.

Anscheinend hatte er sich von Diegos Pferd losgerissen und rief jetzt seine Männer zur Ordnung. Das Ergebnis war ein Wortschwall in seiner Landessprache, denn die Krieger protestierten lauthals, weil man sie ihrer Beute berauben wollte.

Der Anführer schüttelte dazu gebieterisch den Kopf und antwortete seinerseits mit einem arabischen Sermon. Seine Worte klangen jedoch nicht wie ein Befehl, sondern eher wie eine Erklärung. Und die Männer schienen sie anzunehmen ! Jedenfalls löste sich der eiserne Griff um Beatriz’ Arme. Der Mann, der sie fast vergewaltigt hätte, breitete das Kleid wieder über ihre Scham und bedeckte sein Geschlecht. Er murrte zwar, zog sich aber zurück.

Der Anführer schenkte Beatriz einen kurzen Blick.

»Alles heil und in Ordnung?«

»Heil und in Ordnung?«, keifte sie. »Wie könnt Ihr so etwas fragen, nachdem Ihr mir eben den Geliebten und beinahe noch die Ehre geraubt habt? Was habt Ihr diesen ... Tieren gesagt, um sie von mir abzubringen?«

Der Mann lächelte. »Beinahe der Ehre beraubt und doch schon wieder neugierig ... Ihr gefallt mir. Nennt mir Euren Namen.«

»Wieso sollte ich mich Euch vorstellen? Sind wir auf einem Ball? Mein Name geht Euch nichts an!«, erreiferte sich Beatriz.

Der Mann zuckte die Schultern. »Schön, dann muss ich Euch eben selbst einen Namen geben. Bei uns ist das Sitte, wisst Ihr. Pferden und Frauen geben wir Namen und richten sie darauf ab. Der da heißt Touhami«. Er wies auf den kastanienbraunen Hengst.

Beatriz’ Augen blitzten vor Wut. »Mich werdet Ihr nicht abrichten! Was ist das überhaupt für eine Sprache! Was glaubt Ihr, was ich bin? Euer Eigentum? Denkt Ihr, Ihr hättet mich erobert?«

Der Maure lächelte. »Ihr habt es erfasst. Genau das ist der Fall. Ihr seid eine Sklavin, das Eigentum von mir und meinen Männern. Erworben in einem ehrlichen Kampf.«

Beatriz schluckte. Aber dann gewann die Empörung wieder die Oberhand. »So? Und warum habt Ihr die Kerle dann gehindert, Besitz von mir zu nehmen? Warum habt Ihr sie nicht gewähren lassen? Sicher hätten sie mir hinterher die Freude gemacht, mich zu töten!«

Der Mann schüttelte den Kopf, und in seinen Augen blitzte wieder dieses spöttische Lächeln, das Beatriz rasend machte. Beatriz registrierte, dass er volles, langes Haar hatte, schwarz, leicht gelockt und in der Mitte gescheitelt.

»Ihr wollt nicht wirklich sterben«, sagte er sanft. »Mal ganz abgesehen davon, dass meine Männer Euch nicht getötet hätten. Sie hätten nur Euren Wert gemindert Nach dem, was wir hier vorhin mit ansehen durften, nahmen sie nicht an, dass Ihr Jungfrau seid. Ich aber entnahm Euren rührenden Abschiedsworten für meinen geehrten Gegner« – die letzten Worte spuckte er nur so aus –, »dass Ihr trotz all der Liebeswonnen, deren Zeugen wir wurden, doch noch unberührt seid. Und eine Jungfrau Eurer Schönheit bringt mehr auf dem Sklavenmarkt in Granada, als diese Männer in drei Jahren verdienen. Das habe ich ihnen vor Augen gehalten, und klug wie sie sind, verzichteten sie auf das kurze Vergnügen zu Gunsten des Reichtums. Wollt Ihr mir nun sagen, wie Ihr heißt?«

Beatriz fehlten die Worte. Ein Sklavenmarkt? Ein horrender Preis? Natürlich wusste sie, dass sowohl die Mauren wie die Christen ihre Kriegsgegner versklavten. Aber sie hätte niemals gedacht, dass es sie selbst treffen könnte! Waren die Sklaven, von deren Eroberung Diego oft fröhlich erzählt hatte, nicht sowieso Leibeigene? Bauern und anderes, niederes Volk?

»Ich bin Beatriz Aguirre! Mein Vater besitzt weitläufige Ländereien bei Lorca. Er wird mich auslösen!« Wie gut, dass ihr das wieder eingefallen war. Natürlich, wenn reiche Leute in Gefangenschaft gerieten, löste ihre Familie sie aus! Selbstverständlich würde Beatriz nicht auf dem Sklavenmarkt enden.

»Sieh an, eine Hídalga!« Der Maure übersetzte Beatriz’ Worte schnell für seine Männer, die sich darüber zu freuen schienen. »Das wird Euren Preis noch weiter in die Höhe treiben!« Er nickte wohlgefällig.

»Habt Ihr nicht gehört? Es gibt keinen Preis! Mein Vater wird mich auslösen!« Beatriz hätte am liebsten laut geschrieen, zwang sich aber zur Ruhe.

»Er wird zweifellos die Möglichkeit dazu erhalten«, lächelte der Maure. »Aber hängt Euer Herz nicht an diese Idee. Euer Wert mag den der Güter Eures Vaters weit überschreiten. Dazu zeigen sich christliche Herren im Allgemeinen recht knickerig, wenn sie befürchten müssen, die Ware käme beschädigt zurück. Und ich kann ihm kaum Euer unversehrtes Jungfernhäutchen zur Ansicht schicken.«

Beatriz rang nach Luft.

»Ihr seid ...« Sie suchte nach Worten und ballte die Fäuste, als wollte sie sich gleich auf ihn stürzen.

»Verzeiht mir, ich bin nur ein unwissender Heide!«, lachte der Maure. »Und nun kommt, meine schöne Sklavin, ich helfe Euch aufs Pferd. Es wird Zeit, dass wir uns auf den Weg machen. Sonst sucht man Euch womöglich, und wir müssen noch mehr Männer Eures Vaters in die Hölle schicken!«

Einer der Mauren hatte Beatriz’ Stute bereits geholt und übergab die Zügel nun seinem Anführer. Der Mann machte Anstalten, Beatriz’ Unterschenkel zu umfassen, um ihr das Aufsteigen zu erleichtern.

»Auf den Weg? Wohin? Ich ...« Beatriz wollte vor der Berührung zurückweichen, sah aber, dass jede Flucht sinnlos war.

»Auf den Weg nach Granada natürlich. Wahrscheinlich auch Eure neue Heimat. Es wird mir ein Vergnügen sein, Euch zu begleiten.« Der Maure deutete eine höfische Verbeugung an, verlor dann aber die Geduld. »Nun macht schon! Und ziert Euch nicht. Ich will Euch nur aufs Pferd heben. Eurem Diego habt Ihr eben noch ganz andere Berührungen erlaubt.«

Als ob das miteinander vergleichbar wäre! Beatriz’ entzog sich dem Griff des Mannes und versuchte, ihr Pferd ohne Hilfe zu ersteigen. Der Mann war die Verzögerungen jetzt aber endgültig leid. Geschickt leistete er Hilfestellung, und obwohl es Beatriz widerstrebte, war sein Griff um ihr Bein fest und sicher, gab Halt, aber tat nicht weh und wahrte auch die Schicklichkeit. Beatriz’ Reitkleid verrutschte nicht, und sie glitt weich und geschmeidig in den Sattel.

Auch die Mauren machten nun Anstalten, sich auf die Pferde zu schwingen. Der Anführer legte den Brustpanzer und den Helm wieder an, bevor er aufsaß; Anscheinend befürchteten die Männer also durchaus noch Feindberührung. Beatriz schöpfte bei diesem Gedanken ein wenig Hoffnung. Vielleicht stießen sie ja auf christliche Ritter, die sie befreiten.

Dann suchte ihr Blick Diegos Leiche. Die Mauren hatten sie achtlos hinter einen Felsen geworfen. So schnell würde hier niemand den Toten finden.

»Wollt Ihr ihn da liegen lassen?«, fragte sie entsetzt. »Den wilden Tieren zum Fraß?«

Der Maure verdrehte die Augen. »Wir können ihn kaum mit nach Granada schleppen«, sagte er gelassen und griff nach den Zügeln von Beatriz’ Pferd.

Beatriz schossen erneut die Tränen in die Augen, und diesmal konnte sie ein Schluchzen nicht unterdrücken. Der Maure hatte wohl eher mit einem erneuten Aufbrausen gerechnet. Als er das Mädchen jetzt weinen sah, schien sein Blick weicher zu werden.

Schließlich bellte er ein paar Befehle, woraufhin einer seiner Männer den Jagdhund einfing, der immer noch am Rand des Geschehens wartete. Beatriz schluchzte auf und zitterte. Was würden sie jetzt wohl mit dem Hund tun? War es Sitte bei den Mauren, auch die Tiere ihrer Opfer abzuschlachten?

»Ein hübsches Tier. Bestimmt wird Euer Vater ihn vermissen«, bemerkte der Anführer mit einem Seitenblick auf das Mädchen. »Und im Gegensatz zu Eurem Liebsten stehlen wir nichts, was ein anderer abgerichtet hat.«

Beatriz verfolgte mit brennenden Augen, wie der Krieger den Hund an einen Baum band. Danach gab der Anführer endgültig den Befehl zum Abritt.

Der verlassene Jagdhund begann sofort jämmerlich zu heulen, als die Reiter sich entfernten, und endlich erkannte das Mädchen die Absicht ihres Entführers. Wenn Don Aguirre Männer schickte, um Diego und Beatriz zu suchen, würden sie das Gebell unzweifelhaft hören. Beatriz musste widerwillig zugeben, dass der Maure damit Größe bewies. Schließlich erhöhte sich sein Risiko, unentdeckt zu entkommen, wenn Don Aguirre Diegos Leiche fand.

Das Mädchen warf dem Geliebten einen letzten Blick zu.

All ihre Träume und Sehnsüchte waren mit seinem Blut ausgelöscht worden. Was mochte die Zukunft für sie bringen?

Schleier des Herzens

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