Читать книгу Lichter aus und Kerzen an - Victor Dahms - Страница 11

Süßer die Glocken nie klingen oder Der Lärm der stillen Nächte

Оглавление

Ein Dialog zwischen Victor Dahms und Wendelin Renner


R: Das Gebimmel morgens in aller Herrgottsfrühe ist Ruhestörung, Lärmbelästigung.

D: Das Läuten der Glocken begleitet mein ganzes Leben. Das sind Heimatklänge, vertraut, erbaulich.

R: In einer Zeit, als es noch keine Uhren gab, mussten mit diesem höllischen Krach die Bauern zum Gottesdienst gerufen werden. Das Mittelalter ist vorbei, Victor.

D: Nun lass aber mal die Kirche im Dorf, Wendelin …

R: Da gehört sie auch hin, aber nicht in die Stadt, in der es bekanntlich Nachtmenschen wie mich gibt. Als wenn es nicht tagsüber schon laut genug wäre! Ich arbeite nachts und gehe selten vor zwei Uhr ins Bett, da will ich nicht vom Angelusläuten um halb sieben aus dem Schlaf gerissen werden.

D: Für Brauchtum und Religion müssen wir alle Opfer bringen, mein Lieber. Ohne die Glocken gingen wohl noch weniger in den Gottesdienst.

R: Wegen dieser achtzehn reiferen Damen, die am 8. Sonntag nach Trinitatis in die Kirche gehen, soll ich leiden?

D: Wann ist der 8. Sonntag nach Trinitatis? In den Sommerferien! Da sind die Kirchgänger natürlich beim Ballermann auf Mallorca. Aber im Winter ist das Gotteshaus gut besucht. Ich kenne außer dir keinen, der Anstoß nimmt am Geläut.

R: Ein Dr. Kahl hat in einem Brief im „Stern“ geschrieben: „Ich zünde ja auch nicht jeden Morgen einen Kanonenschlag aus Freude darüber, dass es keinen Gott gibt!“ Der Mann hat darauf ein ganzes Paket Kanonenschläge zugeschickt bekommen – anonym, vermutlich von einem Pfarrer.

D: Dennoch leben wir im christlichen Abendland. Glocken gehören zu unserer Kultur.

R: Aber doch nicht so früh am Morgen zu einer unchristlichen Zeit! Brutal setzt sich die Kirche über sensible Naturen hinweg, wie immer!

D: Schlaf doch einfach weiter. Diese Glocken haben viel Geld gekostet. Nimm billigend in Kauf, dass du von der Kirche ab und zu geweckt wirst …

R: Ab und zu?! Jeden Morgen! Mein Tinitus kommt daher! Ich werde Schadenersatz vom Oberkirchenrat fordern!

D: Die Kirchenglocken werden den vom Bundesimmissionsschutzgesetz festgelegten Grenzwert für Lärmbelästigung von 40 Dezibel als Dauerschallpegel in Wohngebieten nicht überschreiten.

R: Ich werde das messen lassen. Ganz bestimmt wird dieser Grenzwert überschritten – katholische und evangelische Glocken läuten ja, wenn auch nicht synchron, um die gleiche Stunde.

D: Eine Klage kannst du dir sparen. In einem Rechtsstreit gegen das Läuten alle fünfzehn Minuten der Dorfkirche im saarländischen Blieskastel-Lautzkirchen hat ein Ehepaar verloren, obwohl ständig über 70 Dezibel gemessen wurden. Die Richter erkannten der Kirche gegenüber der Industrie einen so genannten Lärmbonus zu (Aktenzeichen AZ 8 R 7/91).

R: Einen Bonus? Dann ist es gut.


Lichter aus und Kerzen an

Подняться наверх