Читать книгу Eiswolken - Victor Schmidt - Страница 6
Sonne und Wolken
ОглавлениеEs war ein sonniger Morgen. Ich saß am Frühstückstisch und hörte, so wie jeden Morgen, die Nachrichten.
Der Traum von letzter Nacht ließ mich noch immer nicht los. Ich habe selten Träume und erst recht sehr selten derart erschreckende. Während viele Menschen ihre Träume ignorieren, insbesondere diese, die ihnen nicht angenehm sind, versuche ich stets, aus jedem Traum etwas Gutes für mich mitzunehmen. Und auch bei diesem Traum konnte ich mich nicht beschweren, immerhin habe ich die Gefahr gebannt und das unbekannte Wesen besiegt. Wie angenehm es sich doch mit einer positiven Lebenseinstellung lebt, schoss mir durch den Kopf. Wenn mir noch mehr interessante Träume kommen, dann schreibe ich bestimmt noch ein Buch, dachte ich mir und drehte das Radio lauter.
Wieder einmal ging es um die Eiswolken. In unserer Welt sind die Eiswolken die geheimnisvollste Legende überhaupt.
In manchen Nächten tauchen sie hoch am Himmel auf und lassen ihn gläsern-blau erstrahlen und funkeln. Doch was so schön erscheint, ist nur die kalte Schönheit einer tödlichen Naturgewalt, die keine Gnade kennt und vor niemandem Halt macht.
Wenn es während ihrer Anwesenheit hagelt, dann werden durch die Bruchstücke der Eiswolken ganze Häuser und Dörfer scheinbar willkürlich ausradiert. Es ist ein offenes Geheimnis, dass noch kein Gegenstand oder Mensch die direkte Berührung mit dem Eis der Eiswolken unbeschadet überstanden hat. Als vor einigen Monaten ein Kristall in der Größe eines Kleinwagens in einem mehrstöckigen Gebäude in der Vorstadt eingeschlagen war, musste wegen Frostgefahr das ganze Gebäude geräumt werden, bis das mysteriöse Eis im Sonnenlicht verdampft war - solch eine Kälte strahlen die Eiswolken aus.
Wieder dachte ich an meinen letzten Traum und an die Kälte, die das unbekannte Wesen erzeugt hatte. Starke Neugier packte mich. Bestand etwa ein größerer Zusammenhang zwischen den Eiswolken und meinem Traum? Und wenn ja, was bedeutete das für mich? Ich goss mir einen Mangosaft ein.
Soeben erzählte der Radiosprecher: „Die Legende der Eiswolken, die so alt ist wie unsere Zivilisation selbst, besagt, dass die Eiswolken sich nur einer Person beugen. Doch mittlerweile glaubt fast niemand mehr daran, dass sich eines Tages, in einer schicksalhaften Nacht, diese Person finden wird.“
Ich stellte das Glas beiseite und traf eine Entscheidung.