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Kapitel 1

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MAYA

Ein Jahr zuvor

Bereits draußen vor der Tür des Clubs kann ich den Bass spüren.

Ein beständiges Wummern, dass ganz langsam Besitz von meinem Körper ergreift und mit jedem weiteren Wummern, wird die Wut in mir ein Stück weniger. Mein Puls beruhigt sich langsam.

Die ersten Blicke, die ich zugeworfen bekomme, bestätigen mir, was ich in meinem kleinen Wohnheimzimmer versucht habe zu erreichen. Ich sehe gut aus. Vielleicht sogar ein klein wenig umwerfend. Meine Haare fallen mir in leichten Wellen über die Schultern, meine Hose betont meine Beine und meinen Hintern und mein Oberteil zeigt nicht zu viel und nicht zu wenig Haut. Meine Schuhe sind vielleicht einen Tick zu hoch, aber das ist mir egal. Heute Nacht will ich tanzen bis mir die Füße weh tun. Das ist vielleicht auch der nötige Schmerz den ich brauche, damit ich nicht vergesse was mich hier her gebracht hat.

Eigentlich sollte ich es ja besser wissen. Ein Wochenende bei meinen Eltern kann nur in Streit und Frust ausarten. Doch heute haben sie dem Ganzen noch eine Stufe oben drauf gelegt. Ich werde nie verstehen, wie sie so verbohrt und engstirnig sein können. Wie man so in seinem dörflichen Leben und Denken festhängen kann, dass man der Tochter das eigene Leben madig redet, sich schämt und man sie zur Schande der Familie ernennt, nur weil sie studieren will. Man sollte doch meinen, dass sie stolz auf mich wären. Stolz, dass ich es nach dem College geschafft habe mir einen Studienplatz zu ergattern. Dass ich es außerdem geschafft habe ein Vollstipendium zu erhalten und ihnen damit nicht auf der Tasche liege. Aber nein. Das ist offensichtlich alles nicht richtig. Denn ich mache es ja nicht wie meine Schwester. Meine ach so tolle und großartige Schwester. Tja, aber leider möchte ich noch nicht heiraten und ich möchte mir auch noch kein Haus kaufen und noch viel weniger möchte ich jetzt schon Kinder haben. Wer hätte gedacht, dass diese Einstellung einen riesigen Streit auslöst, der damit endet, dass ich aus dem Haus meiner Eltern - dem Haus meiner Kindheit - geworfen werde und man mir nahe legt, dass ich nicht länger erwünscht bin? Dass ich besser nicht mehr hier her komme? Ich hätte es nicht gedacht. Aber so ist es. Meine Eltern wollen mich nicht mehr in ihrem Haus haben. Wobei das so wohl nicht ganz richtig ist. Gestritten habe ich mich, wie so oft, mit meiner Mutter. Nicht mit meinem Vater. Doch meinem Vater fehlt es eindeutig am nötigen Mut um sich gegen meine Mutter durchzusetzen und so ist, was sie, sagt Gesetz in diesem Haus und dieser Familie. So war das schon immer. Und so wird das auch immer bleiben.

Den gesamten Weg zurück ins Wohnheim habe ich so sehr gekocht vor Wut. Heulend saß ich hinterm Steuer und ich wusste selbst nicht, ob ich eigentlich vor Traurigkeit weine oder nur aus lauter Wut. Vielleicht hing ein kleines bisschen Traurigkeit mit dazwischen, aber in erster Linie war ich wütend. Wütend und enttäuscht. In meinem Zimmer angekommen hätte ich am liebsten etwas gegen die Wand geworfen. Doch zum einen muss ich jeden Schaden, den ich verursache, selbst zahlen und zum anderen ist dieses Zimmer so winzig, dass ich vermutlich das Teil direkt wieder an den Kopf gepfeffert bekommen hätte. Als würde die Wand sich wehren wollen. Statt mir also selbst ein blaues Auge zu verpassen, habe ich mich dazu entschlossen, dass ich es lieber mache wie das halbe Wohnheim. Ich werde mir den Samstagabend nicht verderben lassen, ich werde feiern gehen. Die ganze Nacht tanzen und morgen früh mit einem gepflegten Kater aufwachen. Also habe ich mir noch schnell eine Flasche Bier von meinem Zimmernachbar geschnorrt und meine ganzen Stylingkünste ausgepackt. Und es hat geholfen. Meine verheulten Augen sind unter einer ordentlichen Schicht Make-up verschwunden und die richtige Menge Mascara lässt meine Augen dennoch strahlen und frisch aussehen.

Und nun stehe ich hier vor dem beliebtesten Club der Stadt. Eigentlich ist das gar nicht mein Fall, aber heute muss es eben genau das sein. Laute Musik, viel zu teure Drinks, schummriges Licht und keine Möglichkeit für Gespräche. Einzig die Schlange vor dem Eingang könnte noch dafür sorgen, dass ich einen Rückzieher mache.

Meine Güte, wollen die da alle rein?

Das kann sich ja nur um Stunden handeln und ich mag mir gar nicht vorstellen wie voll es dann erst im Club selbst sein wird.

Aber egal. Ich gebe mir selbst einen Ruck und begebe mich zum Ende der Schlange. Kaum drei Schritte später werde ich von einem großen Mann angesprochen. Er ist unglaublich breit gebaut, trägt schwarze Kleidung, hat eine ordentlich polierte Glatze und trägt ein Headset. Das perfekte Klischee eines Türstehers.

„Hey, willst Du direkt rein?“

„Was? Ich? Äh, ja klar!“

Jetzt bin ich mir sicher, dass ich ganze Arbeit geleistet habe und definitiv gut aussehe. Ich fange mir einige böse Blicke ein, als der Türsteher mich an der Schlange vorbei führt und mich direkt rein lässt. Nicht mal Eintritt muss ich zahlen. Der Abend darf definitiv so weiter gehen.

Oben an der Garderobe gebe ich noch meine Jacke und gehe die lange und kaum beleuchtete Treppe runter. Immer dem Bass hinterher. Und darauf bedacht mit meinen hohen Absätzen nicht umzuknicken und gleichzeitig auch noch elegant auszusehen. Mir kommen zwei Mädels entgegen, die auf ihren hohen Schuhen sichtlich Probleme haben und wohl den einen oder anderen Drink zu viel hatten. Ich denke noch, dass sie hoffentlich gehen, denn sie sehen nicht mehr so aus, dass sie den Weg runter schaffen ohne sich dabei einen Knöchel zu brechen.

Und schon stehe ich am Ende der Treppe und vor mir eröffnet sich der Blick auf einen unglaublich stylischen und coolen Club. Ich bahne mir meinen Weg vorbei an diversen Menschen, die am Rand der Tanzfläche stehen und mit ihren Drinks die Tanzfläche beobachten. Mein erster Eindruck ist, dass ich wirklich von Glück reden kann, dass ich reingekommen bin. Egal ob Männer oder Frauen, alle sehen so aus als würden ihre Kleider mehr kosten als ich in einem Monat Geld zur Verfügung habe und diese ganzen großen Uhren können einfach nicht günstig sein. Doch ich will mich davon nicht einschüchtern lassen. Ich werde mir jetzt einen Drink holen und mich dann auf die Tanzfläche begeben. Mir selbst Mut zusprechend bahne ich mir meinen Weg weiter Richtung bar. Doch noch bevor ich mir einen Drink ordern kann, steht eine Kellnerin in einem verdammt sexy Pailettenkleid vor mir und hält mir ein Sektglas unter die Nase.

„Hier, ein Glas Champagner für dich! Der geht den ganzen Abend aufs Haus!“, spricht sie, drückt mir das Glas in die Hand und macht sich auf dem Weg zu den nächsten Gästen, die entweder noch ohne Glas in der Hand sind oder - noch schlimmer - ein leeres in der Hand halten. Damit wäre dann auch geklärt wie ich durch den Abend komme. Champagner ist zwar nicht unbedingt mein Getränk, aber wenn ich ihn umsonst bekomme, dann will ich mich nicht beschweren. Ich trinke meinen ersten Schluck und lasse den kühlen Champagner einen Moment auf meiner Zunge verweilen, bevor ich ihn hinunterschlucke. Er schmeckt erstaunlich gut und ich nehme noch einen weiteren Schluck während ich ein paar Schritte weiter gehe.

Die Tanzfläche ist wirklich großzügig und ein wenig in den Boden eingelassen, sodass man auch von außen einen guten Blick auf das Geschehen hat. Hier geht es eindeutig um gesehen und gesehen werden. Rund um die Tanzfläche erkenne ich noch zwei weitere Bars und immer wieder Sitzgruppen, die mit gemütlich aussehenden Sofas umstellt sind, die in einem dunklen Samtstoff bezogen sind. Nicht unbedingt das Material, dass man sonst in Clubs antrifft, da es schwer zu reinigen ist, aber ich vermute sinnlose Saufgelage finden hier eh nich statt. Alles hat hier einen sehr schicken Touch und wirkt irgendwie ausgewählt. Von der Decke hängen riesige Kristallleuchter, die das Licht der Strahler rundherum gekonnt brechen und ein unglaubliches Licht machen. Überall glitzert und strahlt es nur so. Und in den Sitzecken hängen auch kleine Kristallleuchter. Der Besitzer hat sich das Ganze viel Geld kosten lassen und hier etwas sehr exklusives geschaffen. Ich möchte mir gar nicht erst ausrechnen was für Umsätze an einem Abend über den Tisch gehen. Vermutlich könnte ich davon gut ein paar Monate leben. Oder sogar mein Studium finanzieren. Aber ich bin nicht hier um mir meinen Kopf über solche Dinge zu zerbrechen, sondern einzig und allein zum Tanzen. Ich will tanzen und tanzen und tanzen. Mir den Frust von der Seele tanzen und mich von der Musik einfangen lassen.

Und so leere ich mein Glas, stelle es auf einem Stehtisch mit einer Vase mit echten Blumen ab und gehe auf die Tanzfläche. Schnell fühle ich mich in die Musik ein und finde es gar nicht mehr seltsam, dass ich ganz alleine hier bin und nur für mich tanze. Ich tanze von Lied zu Lied und nehme die Menschen um mich herum gar nicht wahr. Für mich gibt es nur die Musik, die tanzenden Lichter und meinen Körper der sich dazu bewegt. In meinem Kopf drehen sich keine unterwüschen Gedanken mehr und ich fühle mich so unglaublich gut. Ich habe gar kein Gefühl für die Zeit und weiß schon gar nicht mehr wie viele Songs ich durchgetanzt habe. Mein trockener Mund erinnert mich aber daran, dass es schon einige Lieder gewesen sein müssen. So begebe ich mich an eine der Bars und bin erstaunt wie voll es mittlerweile geworden ist. Ich kann auf den ersten Blick keine Kellnerin ausmachen, die den Champagner austeilt, also entschließe ich mich dazu, dass ich mir dann doch etwas selbst kaufen werde.

Doch dazu soll es nicht kommen. Noch bevor ich einen der Barkeeper auf mich aufmerksam machen kann, werde ich von einem äußerst attraktiven Typen angesprochen.

„Hey, darf ich dich auf einen Drink einladen?“

„Äh, hi! Äh, ja warum nicht. Ich nehme ein Glas Champagner.“

Warum es nicht einfach mal schamlos ausnutzen, dass mich einer auf ein Getränk einladen will. Ich hätte ja erwartet, dass er zurückzuckt, wenn ich sage, dass ich einen Champagner möchte, aber offensichtlich scheint ihn das nicht weiter zu wundern oder zu irritieren. Meine bisherigen Dates wären jedenfalls in diesem Moment schreiend weg gelaufen. Vielleicht sollte ich mir das einfach für das nächste schlechte Date merken, wenn ich den Kerl loswerden möchte. Über dieses Gedanken muss ich laut lachen.

„Na, was ist denn so lustig?“

„Ach, ich musste gerade daran denken, dass sonst jeder Mann wegrennen würde, wenn man einen Champagner trinken möchte.“

„Das kann ich mir ja gar nicht vorstellen, dass dir ein Mann weglaufen könnte. Da hast du eindeutig die falschen Männer um dich gehabt.“

„Das mag sein.“

Da legt sich einer direkt ins Zeug. Eigentlich bin ich mir gerade gar nicht sicher, ob ich Gesellschaft möchte. Wenn der Typ jetzt denkt, dass ich mit ihm den Abend verbringe, nur weil er mir einen Drink ausgeben hat, dann hat er sich jedenfalls gewaltig geschnitten.

„Bist du häufiger hier? Ich glaube, du bist mir bisher noch nie hier aufgefallen.“, fragt der Getränkespender äußerst einfallsreich.

„Nein, ich bin heute zum ersten Mal hier. Ich hatte Lust auf einen Abend alleine und wollte in aller Ruhe ein wenig tanzen.“

Damit sollte mein Standpunkt deutlich geworden sein und ohne seine Reaktion abzuwarten, gehe ich mit meinem Glas wieder zurück auf die Tanzfläche und arbeite mich zur Mitte vor, um wieder ungestört tanzen zu können. Erleichtert stelle ich fest, dass mir der Spendierer meines Drinks nicht gefolgt ist. Wieder verliere ich mich in der Musik und lasse mich von ihr treiben. Als ich das nächste Mal meinen Weg Richtung Bar antrete, merke ich, dass der Kerl von vorhin noch immer dort steht und mich beobachtet. Seltsamer Weise fühle ich mich dadurch gar nicht gestört. Vielmehr nutze ich meinen Weg dazu ihn mir genauer anzuschauen. Er ist wirklich groß. Die Männer neben ihm sind alle ein gutes Stück kleiner. Ich schätze ihn auf locker 1,90 Meter. Er trägt ein dunkles Hemd zu einer dunklen Hose und beides sitzt perfekt und wirkt sehr teuer. An seinem linken Handgelenk blitzt eine große silberne Uhr und in der linken Hand hält er einen Cognac-Schwenker aus Kristallglas.

Als ich direkt vor ihm stehe, lächelt er mich mit einem unwiderstehlichen Lächeln an und zeigt dabei strahlend weiße Zähne. Seine Augen sind von einem tiefen Braun, fast schwarz und schauen mich undurchdringlich an. Er hat etwas Raubtierhaftes in seinem Blick. Als würde ein Löwe seine nächste Beute anvisieren. Ein kleiner Schauer läuft mir über den Rücken.

„Du warst vorhin so schnell weg, da konnte ich dich gar nicht nach deinem Namen fragen.“, spricht mein Spendierer gerade laut genug, damit ich ihn bei der Lautstärke verstehen kann und reicht mir dabei ein neues Glas mit Champagner.

War seine Stimme vorhin auch schon so sexy?

„Danke! Ich bin Maya.“

„Maya. Das ist ein sehr schöner Name. Maya, möchtest du vielleicht mit mir rüber kommen in mein Separee? Da können wir uns ein wenig ungestörter unterhalten.“

„Äh, ja gerne.“ Offensichtlich bin ich meiner Sprache beraubt und bringe nur leicht dämliche, kurze Antworten zustande. Ich folge meinem weiterhin unbekannten Spendierer in eine der spärlich beleuchteten Sitzecken, die aber bei genauerer Betrachtung etwas anders aussieht als die restlichen Sitzecken.

Sie ist umgeben von semitransparenten Glasscheiben, die dadurch einen kleinen Raum bilden, der deutlich ruhiger ist als der restliche Club, aber einen auch nicht abschottet von der Party. Auf dem Weg dorthin habe ich das Gefühl, dass die Leute uns Platz machen, aber das mag ich mir auch einbilden. Welchen Grund sollte es schon geben, dass man uns ausweicht oder uns gar den Weg bereiten?

Im Separee angekommen, nehme ich auf einem der weichen Sofas Platz und auf dem kleinen Tisch in der Mitte steht ein Kühler mit einer Flasche Champagner und daneben eine Karaffe mit einer goldbraunen Flüssigkeit. Ich tippe auf Cognac.

„So, Maya, hier können wir uns doch gleich viel besser unterhalten.“

„Das stimmt. Verrätst du mir nun auch deinen Namen?“

Bevor er mir antwortet, lacht er ein warmes und wieder sehr sexy Lachen. Habe ich irgendwas Komisches gesagt?

Mit einem süffisanten Lächeln schenkt er sich ein Glas Cognac ein und lehnt sich lässig in die Lehne des Sofas.

„Oh, wie angenehm. Du kennst mich nicht. Da fühle ich mich doch direkt geschmeichelt. Ich bin Marc und mir gehört dieser Club."

*****

Was auch immer ist

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