Читать книгу Joayna - Victoria M. Castle - Страница 5
ОглавлениеProlog
Der Wind blies kräftig gegen die Bäume eines kleinen Waldes, ließ die Äste aus der Wurzel heraus erschaudern, riss dabei das ein oder andere schwache Blatt unbarmherzig zu Boden oder schickte es auf eine weite Reise in die Ferne. Hinweg über einen großen See aus leichtem Grün, vorbei an den hellen, glatten Mauern eines großen, beeindruckenden Schlosses aus beigem Stein gebaut, welches tief verborgen hinter dem Wald auf einem kleinen Berg zu finden war.
„Du musst mir versprechen, dass du gut auf sie aufpassen wirst, verstanden?“, durchbrach eine tiefe, aber recht junge Stimme das sanfte Rauschen des Windes.
„Ja“, antwortete ein kleiner Junge mit dunkelbraunen Haaren, nicht unweit entfernt des kleinen Waldes, und unterdrückte nur schwer die Tränen, die über seine Wangen zu fließen drohten. Er durfte jetzt nicht weinen, er musste stark sein, denn sonst würde Gabriel nicht gehen.
Und er musste doch gehen.
Sein großer Bruder mit den hellblonden Haaren, aber den gleichen markanten Gesichtszügen wie der kleine Junge sie hatte, strich dem Kleinen sanft über den Kopf.
Er warf einen Blick nach oben entlang der hellen Steine des Schlosses hinauf zu einem der Fenster, von dem er wusste, dass dahinter friedlich im Bett ein junges Mädchen schlafen würde.
„Komm, Angelos“, sagte eine ruhige, bärige Stimme hinter dem Kleinen und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
Gabriel, der sich hinab zu seinem jüngeren Bruder gebeugt hatte, richtete sich nun wieder auf, blickte zielstrebig in das Gesicht des Mannes hinter Angelos und nickte diesem leicht zu.
„Du weißt, wofür du das tust“, sagte dieser nur an den gerade einmal sechzehn Jahre alten Gabriel gewandt und dieser nickte erneut.
Gabriel wandte sich von beiden ab und ging auf eine Gruppe von Männern in braunen Leinenmänteln zu, alle die Kapuze tief ins Gesicht gezogen und mit einem Schwert bewaffnet, auf dessen Klinge ein Wappen zu sehen war, welches einen Halbmond zeigte, dessen linke Seite mit der Sonne zu verschmelzen schien, die hell erstrahlte, während die Seite des Mondes düster wirkte. Ein Schwert, dessen Spitze auf den Mond gerichtet war, schien beinahe bedrohlicher als die düstere Seite des Mondes.
Es war sein erster Außeneinsatz.
Anfänglich wollte er nicht zu den Kriegern von Arthargo gehören, denn er verstand nicht, was sie taten, verstand nicht ihre wertvolle Aufgabe für die Mönche im Kloster, die Bewohner des nahegelegenen Dorfes Thagor, wenn er auch dennoch zu ihnen aufsah.
Es waren mutige Männer, die das Kloster von Arthargo vor Dämonen beschützten.
Solche Dämonen, die damals das Dorf, in dem Gabriel aufgewachsen war, heimgesucht und niedergebrannt hatten und ihm und seinen beiden Geschwistern alles nahmen, was ihnen wichtig gewesen war.
Bei dem heutigen Außeneinsatz, bei dem Gabriel seine Fähigkeiten endlich unter Beweis stellen durfte, ging es um einen dieser Dämonen, der zur Vernichtung von Geysin beigetragen hatte. Der genauer gesagt der Mörder seiner Eltern gewesen war, so hatten es ihm die Krieger von Arthargo gesagt.
Das war das entscheidende Argument für Gabriel gewesen, sich den Kriegern letzten Endes doch anzuschließen.
Er wusste, normalerweise würde man erst mit Vollendung des achtzehnten Lebensjahres sich den Kriegern offiziell anschließen und seinen ersten Einsatz haben dürfen, doch Gabriel war ehrgeizig und er schien der Einzige zu sein, dem man in diesen jungen Jahren genügend Reife zugetraut hatte.
Er war stolz darauf, denn mit den Jahren war Arthargo der einzige Sinn für ihn geworden, nachdem seine beiden Geschwister und er das Kloster als Zuflucht gefunden hatten.
Gabriel zog den Mantel fester um seine Brust und schnürte die dicke Leinenschnur um seine Taille noch etwas enger, denn der Mantel war ihm noch etwas zu groß und löste sich schnell wieder, hatte er trotz der Schwertkampf- und Tai Chi Ch'uan-Stunden nicht die Größe und Muskeln erreicht, die üblich für einen Krieger gewesen waren. Beides war in Arthargo ein wichtiger Bestandteil der Ausbildung.
Während der Schwertkampf alles über den Angriff lehrte, brachten die Tai Chi Ch’uan-Stunden die Verteidigung, Balance und die Ruhe, welche für den Kampf nötig waren.
Hinter ihm rief der Kleine noch einmal seinen Namen, doch Gabriel schloss nun die Augen.
Er musste seine Eltern rächen.
„Er ist noch viel zu jung, Matthäus“, flüsterte eine Stimme hinter Angelos dem Bruder, dessen Hand noch immer auf seiner Schulter ruhte, zu.
„Du weißt, wieso es wichtig ist, ihn jetzt an Arthargo zu binden“, raunte dieser nur und zog Angelos unsanft an der Schulter zurück ins Kloster.
Der Kleine hatte die Worte der Mönche kaum wahrgenommen, versuchte er doch, die Trauer und Angst in seiner Brust zu unterdrücken, hoffte er, Gabriel würde wohlbehalten zu ihm zurückkehren.
Die Luft wurde stickiger, der Sauerstoff immer knapper.
Kaum mehr ein Lichtstrahl durchdrang die tiefe Finsternis der Felswände unter der Erde an diesem schmutzigen Ort, der mit einigen Fackeln mühselig erleuchtet war.
Hier war es, das Ziel, dass Gabriel seit Jahren verfolgte.
Hier würde er endlich den Dämon zur Strecke bringen können, der seine Eltern getötet hatte.
Zwei der Krieger von Arthargo gingen vor ihm her, erhellten mit Fackeln den Weg. Es ging für einen kurzen Moment etwas steil nach unten, ehe sie in einen größeren Raum, der in den Felsen gehauen war, traten.
Kurz konnte Gabriel erkennen, dass bereits zwei weitere Krieger den Dämonen mit ihren Schwertern in Schach hielten, ehe die restlichen eingetroffen waren.
Flüchtig glitt sein Blick durch den Raum und er erkannte ein, zwei Schüsseln aus dunklem Holz mit einer brei-ähnlichen Substanz und Holzlöffeln daneben auf einem nicht mehr vollständig intakten Tisch aus hellerem Holz. In der Ecke des Raumes kauerten zwei Kreaturen aneinandergeklammert und blickten zitternd zu den Kriegern herauf.
Gabriel erkannte, dass die beiden Kreaturen keine Flügel hatten, wie es für Dämonen üblich war, sondern beinahe aussahen wie ganz normale Bauernkinder, die in einem fragwürdigen Unterschlupf hausten.
Ehe er erneut einen Blick zu dem Dämon wenden konnte, um ihn sich noch einmal genauer anzusehen, stieß einer der Krieger auch schon den Jungen zu den beiden Kreaturen auf den Boden.
„Widerliche Dämonen“, knurrte der Krieger, der Gabriel gestoßen hatte, fuhr sich mit der dicken Hand durch das aschblonde kurze Haar und erhob mit der rechten sein Schwert.
„Halt!“, sagte Gabriel und hob die Hand, um den Krieger davon abzuhalten, seine Klinge auf die beiden Kreaturen hinabsausenzulassen, ohne den Blick von eben diesen abzuwenden.
„Seid ihr sicher, dass das der richtige Dämon ist?“, flüsterte der Junge leise mit seiner bereits tiefen Stimme und drehte langsam den Blick zu dem Dämon, der von den zwei Kriegern nicht weit entfernt in eine Ecke gedrängt worden war.
„Spielt doch keine Rolle“, raunte einer der Krieger. „Mach endlich, Kleiner.“
Gabriel zögerte.
Er war sich nicht mehr so sicher, ob sie hier wirklich das Richtige taten.
Waren das tatsächlich böse Dämonen, die kaltblütig Geysin ausgerottet und seine Eltern ermordet hatten?
Langsam schüttelte er den Kopf und blickte noch einmal von den beiden Kreaturen, die ihm eher wie harmlose Kinder erschienen, zu der Kreatur in der Ecke, die für ihn lediglich wie ein obdachloser Mann in einer fragwürdigen Behausung aussah.
Nun erst fiel ihm die Tür nicht weit von ihm entfernt auf und er fragte sich, ob der lange Weg durch den Felsen notwendig gewesen war oder sie nicht nur einfach durch den Keller des Hauses eingebrochen waren.
„Ich weiß nicht so Recht, Markus“, sagte er langsam und blickte zögernd zu einem der Krieger, der ihm am vertrautesten von allen war.
Nun erst richtete der Mann in der Ecke das Wort an die Krieger, während sein Körper zitterte und seine Stimme bebte: „Bitte, ich werde nichts sagen. Das verspreche ich, aber bitte versch-“
Noch bevor er seinen Satz zu Ende sprechen konnte, hatte Markus auch bereits sein Schwert erhoben, es mit geschickter Hand gewendet und die Kehle des Mannes durchschnitten. Blut strömte augenblicklich aus seinem Hals und seine Miene wurde starr und leer.
Gabriel erschrak und zuckte zurück.
„M... Markus?“, stotterte er und sah den leblosen Körper des Mannes an, der mittlerweile zu Boden gefallen war.
Die Kinder in der anderen Seite des Raumes schrien laut auf und wieder stieß ihn einer der Krieger zu diesen.
Völlig erschrocken blickte Gabriel langsam vom leblosen Körper des Mannes zu den beiden Kindern.
„Vergiss nicht, wer der Feind ist“, raunte Markus ihm zu und wischte die blutverschmierte Klinge an einem weißen Leinentuch, welches er aus seiner Hosentasche gezogen hatte, ab.
Die Worte hallten Gabriel im Kopf wieder und wieder und er zitterte, spürte er in diesem Moment den Knauf seines eigenen Schwertes fest in seiner Hand, welches noch immer in der Scheide an seinem Gürtel steckte und welches er bereit war, jederzeit zu ziehen, seitdem sie in den Schutz der Felsen getreten waren.
Nun war er sich jedoch nicht mehr sicher, ob er wirklich bereit war.
Die Situation kam ihm so falsch vor.
Vergiss nicht, wer der Feind ist.
Einer der Krieger hatte schließlich mit den Augen gerollt und den Jungen beiseitegestoßen, hatte das Schwert erhoben und ließ es auch schon mit mehreren schnellen Bewegungen auf die Kinder hinabsinken.
Immer und immer wieder.
Gabriel weitete seine Augen, spürte er das warme Blut in feinen Tropfen auf sein Gesicht spritzen, ehe er wenige Schritte zurücktaumelte.
Langsam sah er zu dem Krieger, dann zu Markus, ehe er auf dem Absatz kehrtmachte und durch die Tür rannte, welche wie erwartet in den dunklen Abend führte, hinaus inmitten einer Reihe von Häusern, die unschwer auf eine Stadt hinzudeuten schienen.
Kurz blickte er über seine Schulter, um sich zu vergewissern, dass man ihm nicht folgte, ehe er zwischen den Häuserreihen verschwand.
„Gabriel“, rief Markus ihm eher halbherzig und beinahe schon genervt hinterher, hatte er auch bereits den Daumen und Zeigefinger an die Seiten seines Nasenrückens gepresst und die Augen geschlossen.
„Sollen wir ihn zurück holen?“, fragte einer der anderen Krieger, ehe er sich leicht im Raum umsah.
„Nein“, antwortete Markus ruhig. „Er wird von allein zurückkehren.“