Читать книгу Joayna - Victoria M. Castle - Страница 7
ОглавлениеKapitel 1
Die Luft erstickte in vollkommener Dunkelheit.
Kein Laut war zu hören.
Selbst ihr leises Atmen verschwand in der Düsternis, die sie vollständig umschlossen hatte.
Für den Bruchteil einer Sekunde war sie sich nicht einmal mehr sicher gewesen, ob sie überhaupt noch am Leben war.
Sie zögerte, erhob ihr Kinn und drehte den Kopf beinahe in Zeitlupe, doch blieb alles beim Alten.
In jeder Richtung war diese vollkommene Dunkelheit verzeichnet.
Tief sog sie die Luft zwischen den Zähnen ein, versuchte, zumindest ihre Umgebung ertasten zu können, etwas zu spüren, das ihre Haut berührte, doch nichts kam ihr ins Bewusstsein.
Ihre Hände schienen ins Leere zu greifen, ihre Füße zu schweben, ihr Körper im Nichts zu versinken.
Sie war Eins mit der ewigen Leere geworden, als sie nach einer Weile von der Ferne doch einen Funken aufglimmen sah.
Es erschien ihr wie ein winziger Blitz weit in der Ferne zu sein, der sich mit rasender Geschwindigkeit auf sie zuzubewegen schien.
Je näher er kam, umso klarer wurden die Farben des Blitzes, ein grelles Orange, dass sich in ihren Augapfel fraß, ihr tief in die Seele starrte und das Feuer in ihr weckte, welches in der Dunkelheit augenblicklich versuchte, auszubrechen, bis es in ihrer Gesamtheit vor ihr erschien und das Schwarz um sie herum erleuchtete.
Sofort sah sie sich um, drehte sich um ihre eigene Achse, merkte die weiche Erde unter sich, die schwarze Asche, die ihre Schritte mit jedem Tritt dämpfte.
Sie ging ein paar wenige davon, trat um einen großen Felsbrocken herum, welcher ihr den Weg versperrt hatte, drehte sich noch einmal um ihre eigene Achse, bis die Fasern auf ihrer Netzhaut die Bilder dahinter in ihr Innerstes schickten, um diese dort zu verarbeiten.
Mehrmals musste sie blinzeln, als sie vor sich mehrere tausende Körper am Boden liegen sah.
Ein paar wenige Meter weiter erkannte sie einen der Körper unter den vielen wieder, sein dunkles Haar, welches ihm in fettigen Strähnen ins Gesicht hin.
Sofort weitete sie die Augen, rannte zu dem Körper, der eine große, klaffende Wunde am Brustkorb trug, und schlang direkt ihre Arme um das weiße Hemd des muskulösen Körpers, ehe sie diesen mühelos zu sich heranzog, als wäre es nur der Körper einer Puppe, und an den ihren presste.
„Nein, lass mich nicht auch noch allein!“, hallte ihre eigene Stimme in ihrem Kopf wieder und wieder, doch entwich ihren Lippen kein einziger Laut. Wie eine Spieluhr, die man aufgezogen hatte, welche immer wieder ihre Arbeit vollführte, bis auch sie ihren letzten Ton hervorgebracht hatte, zu müde um aus eigenem Antrieb sich erneut ins Leben zu rufen.
Die Asche währenddessen, die sich um sie herum auf dem Boden befand, schien wie in Zeitlupe auf entgegengesetztem Wege von der Erde zum Himmel zu regnen und hüllte die leeren, toten Körper um sie herum in tiefe Schwärze und erneut schien sich die Dunkelheit langsam auszubreiten. Sie presste den Körper in ihren Armen noch enger an sich, wollte ihn nicht loslassen.
Wieder und wieder hallte der Satz in ihrem Gedächtnis und mit jeder Silbe zog sie den Körper noch enger an sich heran, ehe die Asche ihre Sinne benebelte, den Körper in ihren Armen einhüllte, ihre Arme um diesen schwärzten und sich schließlich auch auf ihre Augen legten. Grau wurde ihr Blickfeld, die Asche brannte in ihren Augen, ehe sie gezwungen war, diese zu schließen, und die Dunkelheit erneut von ihrer Umgebung Besitz ergriff.
Lindsay fuhr erschrocken auf, ihr Atem raste.
Mehrmals blinzelte sie, um die Asche, welche sich auf ihre Netzhaut gelegt hatte, hinab zu wischen.
„Verdammt!“, entwich es ihren Lippen, viel zu laut, viel zu grell. Sie verkrampfte ihren gesamten Körper, kniff ihre Augen sofort wieder zusammen, schlang ihre Arme um den eigenen Körper und krallte sich mit ihren Fingern in ihre Oberarme, auf denen schnell blutige Schrammen entstanden, die sich jedoch binnen weniger Sekunden zu schließen begannen, um sich schließlich erneut durch ihre Berührungen zu blutigen Spiegeln ihrer Seele zu bilden.
„Linds. Linds, beruhige dich“, sprach eine Stimme neben ihr, die ihr in diesem Moment im Vergleich zu ihrer eigenen Stimme so unglaublich ruhig und entspannt vorkam, vertraut und gleichzeitig weit entfernt.
„Linds!“, sagte die Stimme nun noch mit ein wenig mehr Nachdruck und sie spürte die rauen Berührungen auf ihren Unterarmen, harte Finger, die sich um ihre Handgelenke schlossen und sie mit Gewalt zwangen, von ihren Oberarmen abzulassen.
„Sieh mich an“, befahl die Stimme neben ihr und Lindsay zwang sich dazu, langsam ihre Augen zu öffnen, um in ein tiefes Meeresblau zu blicken.
Mehrmals blinzelte sie, hätte sie schwören können, das Grau noch einen Moment wahrnehmen zu können, doch alles was sie nun sah, war das tiefe Blau von seinen Augen. Langsam entspannten sich ihre Muskeln und sie lockerte ihren Griff, ließ ihn die eigenen Hände von ihrem Körper ziehen, ehe sie sich zu einem matten, schiefen Lächeln zwang.
„Entschuldige, Schatten“, sagte sie leise, ehe sie ihre Hände erneut von ihm wegzog und sich augenblicklich von ihm wegdrehte.
Mit einem Schlag war sie wieder im Hier und Jetzt.
Lindsay war mit übernatürlicher Schnelligkeit und Leichtigkeit von einem überdurchschnittlich großen, weichen Bett gesprungen, welches in einem breiten Oval geformt war und aus einem sanften, seidenen, beinahe schon papierartigen Stoff bestand, der so unglaublich fein wirkte, als könnte er mit wenig Widerstand zerreißen, jedoch in Wahrheit so widerspenstig war, dass selbst Lindsay Mühe hatte, diesen zu zerreißen, was – so hatte Shadow es ihr gesagt – so einiges zu bedeuten hatte.
Für sie waren es Worte gewesen, die sie hingenommen hatte, auch wenn sie bisher nie wirklich verstand, was er ihr hatte damit sagen wollen.
Ganze zweihunderteinundneunzig Tage war sie nun schon hier, wohnte in seinem Haus und war darauf angewiesen, dass das, was er ihr erzählte, der Wahrheit entsprach.
Lindsay durchschritt mit schnellen Schritten den großen Raum, welcher auf drei großen Podesten, die aufeinander aufgebaut waren, geteilt worden war und so beinahe schon eine Art Bühne bildeten, auf der das Bett sich befand. Das Zimmer war ansonsten vollkommen leer, enthielt es doch keine weiteren Möbelstücke.
An jeder der vier Wände stattdessen ging eine prächtige Tür ab, welche aus Wurzeln eines großen Baumes geformt zu sein schienen, die sich nun in dicken Strähnen zu einer runden Öffnung bewegen ließen. Die Tür an der linken Seite des Bettes führte nach draußen in den kleinen Innenhof des Hauses, welcher vollkommen von Blättern des Baumes, in dem das Haus sich befand, bedeckt war, durch welche die Sonne als rotes Schimmern hindurch erschien und dem kleinen, moosbewachsenen Platz eine gewisse Ruhe und Romantik verlieh.
Die zweite Tür führte in ein geräumiges Badezimmer, das an der Wand geradeaus eine große, dicke Wurzel aus der hölzernen Mauer kommend besaß, die sich bis über den Boden erstreckte und welche eine tiefe Einkerbung hatte, groß genug für einen Halbdrachen. Durch die Einkerbung floss klares, hellgrünes Wasser, das aus der Wurzel kam und immer eine solch angenehme Temperatur hatte, dass es entspannend war, darin zu baden.
An der rechten Wand befand sich eine aus ähnlichen Wurzeln stammende Toilette, welche auf ähnliche Art und Weise funktionierte, ohne dass man irgendwelche Knöpfe betätigen musste, was Lindsay in so manchen Momenten durchaus merkwürdig, suspekt und unangenehm erschien, wo auch immer all ihre Hinterlassenschaften hin transportiert wurden und sie wagte nicht eine Sekunde zu glauben, dass der Baum, in dem sie wohnten, durch eben dies so kräftig und stark geworden war.
Bei diesem Gedanken huschte ihr doch tatsächlich ein Grinsen über die Lippen, hatte sie Shadow immer und immer wieder mit dieser Vermutung zur Weißglut gebracht und er verzieh es ihr nur mit Mühe, dass sie als Fremde in Tiéfwâas mit diesen Umständen nur schwer vertraut war und sich vielleicht sogar niemals daran gewöhnen könnte, welche Wunder die Natur doch für sie bereithielt, wenn sie auch zugab, dass diese stets nett anzusehen waren.
Lindsay jedoch hatte sich dagegen entschlossen, durch eine der beiden Türen zu verschwinden, missachtete auch die dritte Tür, welche sie bisher nie betreten hatte, war dies doch allein Shadows Reich, und ging stattdessen gegenüberliegend des Bettes durch die Wurzeltür hinaus in den kleinen Flur, um diesen mit nur wenigen Schritten zu durchschreiten, um anschließend zu einer großen Tür zu treten, die nach draußen führte, als Shadow auch schon zu ihr gekommen war.
„Du brauchst nicht zu gehen“, sagte er ihr mit ruhiger Stimme und sie drehte sich langsam zu ihm um, das gewohnte schiefe, matte Lächeln auf den Lippen.
„Die Elfen beim Talbrunnen brauchen noch eine Hand. Der Drachentrupp von gestern hat einige Wurzeln hinabgedrückt und ich habe ihnen bereits zugesagt, dass ich ihnen beim Wiederaufbau helfen werde“, hatte Lindsay mit schnellen, festen Worten geantwortet ohne ihn dabei wirklich anzusehen, ehe sie augenblicklich die Hand erhob, um Shadow daran zu hindern, etwas zu entgegen.
„Du hast nun anderes zu tun“, fügte sie noch schnell hinzu, ehe sie ihr Lächeln für einen Augenblick etwas breiter werden ließ, ihn für den Bruchteil einer Sekunde ansah, um ihren Worten mehr Nachdruck zu verleihen, als sie auch schon ihre Schulter, auf dessen immer noch seine Pranke lag, leicht kreisen ließ, um diese abzuschütteln. Dann drehte sie sich erneut von ihm weg und drehte auch mit flinken Fingern die knaufartige Ausbuchtung der Wurzel, um die Tür zu sich heranzuziehen.
Shadow hatte langsam Luft geholt. Er hatte es früh aufgegeben, mit ihr zu diskutieren oder sie gar bei ihren Vorhaben zu hindern. Er wusste, sie brauchte die Zeit für sich, war dies doch auch nicht verwunderlich gewesen.
Eine Gänsehaut überkam ihn bei dem Gedanken daran, wie es wohl sein würde, würde sie sich eines Tages endlich wieder erinnern können.
Lindsay durchschritt die kleinen Gassen hinter dem Baum, der sie in das dunklere Dickicht eines Waldes führte. Das weiche Moos unter ihren Füßen fühlte sich angenehm warm an, trug sie doch nicht einmal Schuhe.
Das war auch eine der Dinge, die sie in Tiéfwâas angenommen hatte. Wenn sie auch nicht so naturverbunden war, wie es die Bewohner des Tales waren, so genoss sie doch ab und zu die kleinen Berührungen, welche die Natur für sie bereithielt, die Gänsehaut, welche warmes, weiches Moos unter ihren nackten Füßen auf ihre Haut zaubern konnte, während sie sich schnell darüber hinwegbewegte.
Ab und zu hatte sie das innehalten und lächeln lassen, als hätte man ihr für diesen einen Moment die Zeit angehalten. Sie hatte die Augen geschlossen, tief Luft geholt und ihre Reinheit gespürt, welche an keinem anderen Ort der Welt, den sie je gesehen hatte, so ehrlich war wie in Tiéfwâas.
Doch am heutigen Tage schenkte sie dieser Reinheit keinerlei Aufmerksamkeit.
Das Moos unter ihren Füßen wurde schnell kälter, zog sich zurück aus der Dunkelheit des kalten Steines, welchen sie betrat.
Ein paar Stufen stieg Lindsay hinab und spürte die Kälte immer dichter werden, als sie im Inbegriff war, unter den Wurzeln hinweg in einen winzigen Teil des Tals zu gelangen, der am Rande des „Unterholzes“ lag.
Das „Unterholz“ war eine Gegend, die sich unter der Erde befand. Dort fand meistens das rege Treiben der Arbeiter statt, Produktionen von Materialien, welche außerhalb von Tiéfwâas zum Export an andere Städte gebracht wurden. Ganz am Rande des „Unterholzes“ in den tiefen kalten Stein gehauen befanden sich die Schmieden, welche das hochgeschätzte, seltene Elfenstahl zu harten, mit Magie besetzte Waffen formten. Und hier am Rande dieser Schmiede war Lindsays geheimer Unterschlupf, ein Ort, an den sie sich zurückzog, wenn sie die Kälte brauchte, die der Stein ausstrahlte, die Ruhe hinter den dicken Wänden.
Sie hatte es bisher geschafft, in all der Zeit hier nicht einmal entdeckt worden zu sein, wenn sie durch den winzigen Spalt schlüpfte, durch den ein Arbeiter der Schmiede nicht einmal passen würde. So war es auch, dass sie heute nicht entdeckt worden war, als sie sich durch den kalten Stein presste, der ihr am Rücken entlanglief und durch den leichten, schwarzen, dünnen Stoff strahlte, der sich über ihren zierlichen Körper spannte und so die eisige Kälte hineinließ.
Diese Kälte ließ Lindsay ihren Schritt beschleunigen, als könnte sie es kaum noch erwarten in das Innere des Felsens zu gelangen, aus dem diese zu kommen schien.
Als sie sich schließlich durch den kleinen Spalt gezwängt hatte, machte dieser Platz für einen großen Raum, welcher in vollkommene Dunkelheit gehüllt war und so all seine Geheimnisse für sich behielt.
Lindsay zögerte nicht einen Moment, ging geradewegs einige große Schritte in den Raum hinein, als wüsste sie genau, wo sich jeder einzelne Stein auf dem Boden befand, der sie hätte zum Stolpern bringen können. Sie duckte sich kurz, um den Kopf nicht an einem groben Felsen, der von der Decke ragte, zu stoßen, ohne diesen vor sich zu sehen, und lief zielstrebig auf die gegenüberliegende Wand zu.
Erst dort blieb sie stehen, straffte ihre Schultern und hob ihre linke Hand, um schließlich mit einem kleinen Schnippen zwischen Mittelfinger und Daumen eine winzige Flamme entstehen zu lassen, welche den Raum nur insofern erhellte, dass sie geradeso wenige Zentimeter die Wand vor sich wahrnehmen konnte.
Leicht bückte Lindsay sich, griff mit der rechten Hand in einen winzigen Spalt im Stein, durch den ihre dünnen Finger geradeso hindurchpassten, und zog geschickt aus dem engen Schlitz ein kleines Messer heraus, welches einen groben Holzgriff hatte, der bereits am Ende abgebrochen war und von der Zeit in der Dunkelheit der Höhle und von Feuchtigkeit an der Klinge gezeichnet worden war. Doch für ihr Vorhaben reichte dieses alte Messer, denn alles, was sie tat, war es an die kalte Felswand zu heben und die schon abgerundete Spitze anzusetzen, um eine etwa drei Zentimeter große Markierung in die Wand zu ritzen.
Nachdem sie dies getan hatte, holte Lindsay tief Luft, steckte das Messer wieder zurück an seinen Platz im Schutze des Steines und richtete sich erneut auf. Im winzigen Schein des Feuers zwischen ihren Fingern betrachtete sie sich die Markierung, welche sie vollführt hatte und ließ ihren Blick nach links gleiten, schienen dort noch weitere solcher Markierungen zu sein. Einen Moment fixierte sie diese, ehe sich ihr Blick verhärtete und sie sich mit einer schnellen Bewegung umdrehte und das Feuer zwischen ihren Fingern zu einem großen Strahl wurde, der in der runden Bewegungen ihres Armes den gesamten Raum erhellen ließ und so die wahre Größe des Raumes freigab, in dem ohne Schwierigkeiten fünfhundert Mann Platz finden konnten.
Und mit dem Blick auf den übrigen Raum, gab das Feuer auch den Blick auf die restlichen Wände frei, in welchen sich weitere dieser kleinen Markierungen befanden.
„Zweihunderteinundneunzig“, sagte Lindsay und hörte ihre eigene Stimme kalt von den Wänden widerhallen.
Ein weiterer Tag hatte begonnen.
Lindsay hatte den großen Marktplatz durchschritten, jedoch war es für sie noch immer sehr ungewohnt, durch Tiéfwâas zu wandern. Schon von Beginn an war es schwierig für sie gewesen, hier umher zu wandeln, waren die Wesen hier allesamt doch auf ihresgleichen nicht gut eingestellt.
Es musste Shadow viel Überredungskunst gekostet haben, sie hier hereinzubringen, wenn sie sich auch daran nicht erinnern konnte, wie sie hierher gelangt war.
Doch als sie schnell sich bewiesen hatte, mit ihrer Kraft viel anpacken zu können, und so einige der Probleme für die Elfen im Tal aus dem Weg schaffen konnte und man festgestellt hatte, dass trotz ihrer Ankunft die Dämonenangriffe gänzlich auf null gesunken waren, musste man sie wohl für würdig gehalten haben.
Zumindest fürs Erste.
Ihr Einzug in Tiéfwâas gehörte jedoch zu dem Teil ihrer Erinnerungen, die in tiefster Dunkelheit versunken waren. Alles, was ihr blieb, waren ein paar Erzählungen von Shadow und die Gegenwart.
Am Ende des Marktplatzes befand sich ein großes, beachtliches Gebäude, welches von vielen Wurzeln umschlungen war und aus denen ganze Gesichter und Figuren geformt waren, die wie Wächter des Gebäudes wirkten.
Es war die Kirche von Tiéfwâas.
Hierher hatte man sie gebeten zu kommen, nachdem sie von den Zerstörungen des Trupps gehört hatte.
Vermutlich ging es jedoch nur um Kleinigkeiten, die schnell behoben sein würden, gab es hier in Tiéfwâas doch nie wirklich gravierende Reparaturen.
Von Zeit zu Zeit kamen die Drachentrupps aus Schlachten weit entfernt des Tales zurück und vergaßen oftmals in ihrem Siegesrausch, dass die Größe der Drachen teilweise nicht kompatibel war mit manchen Gegenden der Stadt, sodass es hier und da ein paar eingebrochene Baumwurzeln oder zerknickte Astdächer gab, die es zu korrigieren galt, wie es sicher auch heute der Fall sein würde.
Lindsay schaute sich flüchtig auf dem Platz um, als sie erkannte, dass die Freiwilligen hier wohl bereits mit dem Aufbau fertig zu sein schienen, während sie auf dem Weg zur Kirche gewesen war.
Sie schüttelte leicht den Kopf und dachte darüber nach, den Weg zur „Baumkrone“ entlang zu gehen, war dies doch die Strecke gewesen, welche der Trupp gestern nach ihrem Sieg sicherlich gegangen war, um nachzusehen, ob es dort noch eine helfende Hand benötigte.
„Dämon“, hörte sie hinter sich eine alte, krätzige Stimme sagen und sie wandte sich um, ehe sie in das Gesicht einer alten Elfenfrau sah, die dank ihrer grazilen, zierlichen Gene noch zerbrechlicher wirkte, als es bei einem Menschen der Fall gewesen wäre.
„Wie bitte?“, fragte sie, wenn sie auch genau verstanden hatte, worauf die Elfenfrau hinauswollte.
Sie gehörte nicht hierher.
Es gab niemand anderen wie sie hier im Elfental und das aus gutem Grund.
„Sie werden zurückkommen“, fuhr die alte Frau fort und hatte ein Funkeln in den Augen, welches Lindsay nicht zu deuten vermochte.
„Glaubt nicht, dass dies ihre letzte Tat gewesen war. Sie werden zurückkommen“, sprach sie weiter und Linds verengte die Augen, als könnte ihr geschärfter Blick ihr mehr Klarheit in die Aussagen der alten Elfenfrau bringen.
„Wer?“, fragte sie sofort und sah ihr nun mit ehrlichem Interesse entgegen.
„Schmerz!“, rief die Frau mit einem Schlag lauter und war erschreckend schnell für ihr Alter auf Lindsay zugekommen, sodass diese zurückgetreten war und ihre linke Hand eine Steinfigur hinter sich berührt hatte.
Mit einem lauten Zischen verbrannte die Haut an ihrer Handinnenfläche und Lindsay zog diese zurück, während sie schmerzerfüllt Luft geholt hatte.
Einen Blick warf Linds zu ihrer Hand, dann zu der Statur und ließ ihre Miene wieder weicher werden.
„Komm, Nana“, hörte sie eine deutlich jüngere Stimme hinter der Frau sagen, welche die alte Elfin sanft am Oberarm von Lindsay wegzog in Richtung der Kirche, auf welchem Weg die Alte wohl gewesen sein mochte.
Die Elfendame ließ sich von der jüngeren fortführen, die Lindsay ein leichtes Lächeln schenkte.
Diese war den beiden mit ihrem Blick gefolgt, ehe sie ihn flüchtig über das Gebäude der Kirche schweifen ließ, welche sie wohl nie wieder in ihrem Leben würde betreten können.