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Die handschriftliche Überlieferung 15
ОглавлениеAlle bekannten Handschriften (etwa 55) gehen, darüber kann kein Zweifel bestehen, direkt oder indirekt auf einen einzigen, verlorenen Archetypus (A) zurück, der in angelsächsischer Minuskel geschrieben war. Darüber jedoch, welche Handschriften direkte Abschriften von A sind, gehen die Meinungen auseinander. Granger hält den Harleianus 2767 (H) für die einzige direkte Kopie. Rose hält auch den Gudianus 69 (G) und den Gudianus Epitomatus 132 (E) noch für direkte Abschriften von A, Degering und Thielscher darüber hinaus noch den Scletstatensis 1153 bis (S), und die Vaticani reginenses 1328 und 2079. Zum mindesten alle übrigen Handschriften sind Abschriften von einer dieser Handschriften15.
Die älteste Handschrift ist nach allgemeiner Ansicht H. Sie gehört, auf nicht einwandfreiem Leder geschrieben, noch ins 9. Jh. und ist die getreueste Kopie von A. Wo H entstanden ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Grangers Annahme, H sei in England geschrieben, ist auf starken Widerspruch gestoßen und kaum haltbar. Degering nimmt an, H sei der codex Einhards und eine Abschrift des angelsächsischen Exemplars Alcuins, B. Bischof, PhW 62, 1904, 504, vermutet als Entstehungsort das Grenzgebiet zwischen Ost- und Westfranken, etwa Aachen. Der Schreiber war der lateinischen Sprache offensichtlich wenig kundig. H zeigt Wort- und Reihenlücken, die nicht in G und E sind.
G, nach Rose im Anfang des 11. Jh.s geschrieben, gehörte nach Degering ursprünglich nach Köln. Daß G von H unabhängig ist, zeigen nach Rose etwa 56 Stellen, die in G, aber nicht in H stehen, und fast ebenso viele Stellen, die in H stehen, aber in G fehlen. Zweifellos war der Schreiber von G im Lateinischen bewanderter als der Schreiber von H, und er suchte den verderbten Text von A zu emendieren (nicht immer gut, wie 96,5 zeigt, wo G aedem statt eadem = simulschreibt). Daß jedoch die Ausfüllung nicht aller Lücken von H durch G reine Konjekturen des Schreibers von G sind, zeigt außer anderen Stellen 77,14, wo die Worte quartae — torus in H ausgelassen sind. Entweder hat hier der Schreiber von H, veranlaßt durch das sich wiederholende Wort torus, eine Zeile übersprungen oder aber er hat einen Nachtrag am Rande übersehen.
S, eine von sechs abwechselnd schreibenden Schreibern gefertigte Pergamenthandschrift, zeigt 2 große Lücken: 200,26—208,25 und 258,2—267,21. Die Lesungen stimmen im allgemeinen mit H überein, doch zeigt S auch selbständige Zusätze (1,17; 2,8; 46,25) und mehrfach Wortumstellungen. Rose setzt die Handschrift noch ins ausgehende 10. Jh., Krohn hält sie für einen Enkel von H, Degering für eine direkte Abschrift von A, Thielscher für die letzte Abschrift von A.
E enthält Exzerpte aus Buch 1—3 und 6—10, durchsetzt mit einzelnen Kapiteln aus Faventin. Rose setzt die Handschrift noch ins 10. Jh. In dem von Degering noch für eine direkte Abschrift aus A gehaltenen Vatic. Reginensis 1328 fehlen 200,26—208,25, die auch in S fehlen. Vom Schicksal A ergibt sich nach Thielscher aus der Blattversetzung (Vgl. Anm. 461) und den großen Lücken in Vatic. 1328 und in S folgendes Bild: Zuerst wurde in A das Blatt, das mit 175,22 auf der Vorderseite begann und mit 178,25 auf der Rückseite endete, lose und seitenverkehrt eingeklebt. In diesem Zustand wurden H, E und G abgeschrieben. Dann wurde, nachdem A 200,26—208,25 verloren hatte, der Vatic. 1328 abgeschrieben und schließlich, nach dem weiteren Verlust von 258,2—267,21, S.
Alle übrigen Handschriften sind als Abschriften von Abschriften für die Textherstellung wertlos, so daß auf den Versuch, einen vollständigen Stammbaum aller Handschriften herzustellen, verzichtet werden kann.