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Das Werk. Die Zeit der Niederschrift

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De architectura ist das einzige aus dem Altertum erhaltene Werk über Architektur und bedeutete bei seinem Erscheinen insofern etwas Neues, als es als erstes das Gesamtgebiet der Architektur im weitesten Sinne umfaßt. Es ist dem Augustus gewidmet, damit er die Qualität der von ihm schon errichteten und noch geplanten Bauten beurteilen könne, sollte aber doch zugleich ein Lehr- und Nachschlagebuch für Fachleute und Laien sein.

Buch 1 behandelt die von V. für notwendig erachtete Ausbildung des Architekten, eine Definition der ästhetischen Grundbegriffe, die Einteilung der Architektur in ihre Einzelgebiete und schließt mit einer Vorschrift über die Anlage von Städten. Auf Buch 2, das die Baumaterialien behandelt, folgen in Buch 3 und 4 Vorschriften über den Tempelbau, in Buch 5 die zweckmäßige Anlage öffentlicher Gebäude, in Buch 6 und 7 die Anlage der Privathäuser und ihre Innenausstattung. Buch 8 bringt Anweisungen über Auffindung von Wasser und Bau von Wasserleitungen, Buch 9 nach einer Erörterung astronomischer Fragen den Bau von Uhren, Buch 10 schließlich den Bau von Maschinen. Die Anlage des Werkes folgt also der 15,5 gegebenen Einteilung der Architektur. Eingeschoben sind Buch 2 über die Baumaterialien und Buch 8 über das Wasser.

Jedes Buch bildet eine in sich abgeschlossene Einheit, und jedem Buch ist eine Vorrede vorangestellt. Diese Vorreden stehen in keiner oder doch höchstens sehr loser Beziehung zum Inhalt des Buches, dem sie vorangestellt sind, enthalten aber eine kurze Inhaltsangabe der vorhergehenden Bücher und einen Hinweis auf den Inhalt des folgenden Buches. Sie haben nach Schramm4 den Zweck, auf den hohen Nutzen des Werkes hinzuweisen.

Die Annahme Schramms, daß sie alle nach Vollendung des Werkes verfaßt sind, scheint mir bestätigt durch die Vorrede zu Buch 2. Hier (32,23) charakterisiert sich V. als einen Mann, dem das Alter das Gesicht entstellt, Krankheit die Kräfte genommen hat. Wäre V. vor der Abfassung von Buch 2 ein solcher kranker Mümmelgreis gewesen, wäre er kaum in der Lage gewesen, noch die übrigen 8 Bücher zu schreiben. Ob freilich die Vorreden alle der Reihe nach „wie aus einem Guß“ niedergeschrieben sind, mag hier zunächst dahingestellt bleiben5.

Für die Entstehungszeit des Werkes haben wir nur einen direkten Hinweis auf den Beginn der Arbeit: Nach des Verfassers Angabe war der schon oben erwähnte Gnadenerweis des Augustus für ihn der Anlaß, das Werk zu beginnen, d.h. daß er seine Arbeit ein Jahr oder mehrere Jahre nach seiner Emeritierung begonnen hat. Ein bestimmtes Jahr ist damit nicht gewonnen, aber man wird nicht fehlgehen, wenn man den Beginn der Arbeit in die zweite Hälfte der dreißiger Jahre setzt, und zwar noch vor 33 v. Chr., da V. im dritten Buch (69,19) die porticus Metelli erwähnt, die nach 33 v. Chr. durch die porticus Octaviae ersetzt wurde6.

Daß ein solches Werk, das umfassende Vorarbeiten erfordert, nicht in einigen wenigen Jahren verfaßt sein kann, liegt auf der Hand, aber wie lange V. daran gearbeitet hat, läßt sich nur aus einzelnen Stellen des Werkes selbst erschließen.

107,3 ist von dem aspectus pronai Augusti7 die Rede. Augustus hieß der Kaiser erst seit 16. Januar 27 v. Chr. Folglich muß V. nach diesem Zeitpunkt an Buch 5 gearbeitet haben. Ferner hat Wistrand darauf hingewiesen, daß wohl 203,6 Africa parens et nutrix ferarum bestiarum als eine Reminiszenz an Horaz Oden 1,22,15: nec Jubae tellus generat, leonum arida nutrix anzusehen ist. Da die 3 Bücher Oden Sommer 23 v. Chr. herausgegeben sind, kann, wenn Wistrands Vermutung zutrifft, Buch 8 frühestens 23 v. Chr. verfaßt worden sein.

Dafür, daß man die Vollendung des Werkes noch weiter herabverlegen kann, liegen keine Anzeichen vor. In der Vorrede zu Buch 10 (243,19) spricht V. von der Ausrüstung der Spiele durch die Prätoren und Ädilen. Nach Dio Cassius wurde diese Ausrüstung 22 v. Chr. allein den Prätoren übertragen. Sind die Vorreden nach Vollendung des Werkes abgefaßt, dann muß also Buch 10 vor 22 v. Chr. fertig Vorgelegen haben und damit das Gesamtwerk zu diesem Zeitpunkt vollendet gewesen sein8.

Zwischen der Vollendung des Werkes und der Herausgabe hat V. nach der Vorrede zu Buch 1 (1,5ff.) eine gewisse Zeit verstreichen lassen. Thielscher weist darauf hin, daß in den Worten 1,6 non audebam, tantis occupationibus, de architectura scripta edere vielleicht eine Reminiszenz an Horaz Episteln 2,1,1 zu sehen ist: cum tot sustineas et tanta negotia solus, res Italas tuteris, moribus ornas, legibus emendes: in publica commoda peccem, si longo sermone morer tua tempora, Caesar. Da diese Epistel im Jahre 14 v. Chr. geschrieben ist, könnte die Vorrede zu Buch 1 frühestens 14 v. Chr. verfaßt und damit das Werk frühestens zu diesem Zeitpunkt herausgegeben worden sein. Dann muß man also annehmen, daß die Vorreden nicht alle in einem Zuge und aus einem Guß verfaßt sind — die Vorrede zu Buch 10 muß ja, wie wir sahen, vor 22 v. Chr. verfaßt sein — und daß V. sein fertiges Werk etwa 8 Jahre hat liegen lassen. Ob ein so langer Zeitpunkt zwischen Vollendung und Herausgabe annehmbar ist, wage ich nicht zu entscheiden.

Zehn Bücher über Architektur

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