Читать книгу Eddie und Maxon Jaxon - Viveca Lärn - Страница 4
Das Wetter, Schweine und der Weltraum
ОглавлениеAls Mimi gerade ihr Frühstücksmüsli essen wollte, klingelte das Telefon auf der Spüle. Es hatte eine sehr komische Form, denn es sah aus wie ein Hamburger. Mimi nahm ihren Müsliteller mit zur Spüle und aß langsam weiter, während sie in den Telefonhörer redete:
«Hallo, hier ist Mimi Ljung ... Hallo, Mama. Klar bin ich wach ... Nein, ich hab die Herdplatten nicht angestellt ... Ich weiiiiß ... Papa? Der ist wahrscheinlich auf der Arbeit ... Müsli ... Nein, ich bin nicht traurig ... Nein, ich fühl mich nicht allein. Darf ich jetzt essen? Tschüs ... Bist du immer noch da? Ich wollte ins Freibad gehen. Ja, da sind massenhaft Erwachsene. Nur ins flache? Was soll ich da denn? Ich hab doch schon meinen Freischwimmer gemacht. Tschüs!»
Mimi stellte das Hamburgertelefon hin und betrachtete düster die Spüle. In der konnte man sich kein bisschen spiegeln. Zu Hause bei Linda konnte man sich überall spiegeln, sogar in den Türgriffen und im Fernseher. Wenn Mimi groß war, wollte sie auch ein ganz blankes Zuhause haben. Keine Krümel und keine Flecken. Keine rieselnden Strohblumen und Knoblauchknollen, die von der Decke hingen. Keine stinkigen Käse und vergammelten Topfpflanzen. Ein blankes, schimmerndes Zuhause, das wollte sie haben, mit glänzend weißen Tellern. Und einen schönen blanken Mann mit sauberen Fingernägeln und weißem Hemd. Vielleicht einen Flugkapitän. Der trägt eine Uniform mit blanken Knöpfen. Das wäre toll, wenn er dann mit geradem Rücken am Frühstückstisch sitzt und ein paar gekochte Eier isst. Nicht wie Papa, dem die Haare zu Berge stehen und bei dem die Cornflakes im Schnurrbart hängen bleiben.
Mimi beendete ihr Frühstück und ging in ihr Zimmer, um den rosa Badeanzug mit den grünen Fischen drauf zu suchen. Sie steckte den Kopf in den Schrank und wühlte darin im Kleiderhaufen. Schließlich tauchte sie zufrieden mit dem Badeanzug in der Hand aus dem Kleiderhaufen auf. Als sie ihn gerade in ihren rosa Rucksack stecken wollte, entdeckte sie ein Stoffetikett. Sie riss es ab.
«Kleidergröße hundertachtundzwanzig!», fauchte sie. «Alle, die in die Dritte kommen, haben hundertvierzig. Maria Magnusson und Krille haben bestimmt zweihundert!»
Sie sah sich in ihrem Zimmer um. Doof, eigentlich sah es aus wie ein Zimmer für ein ganz kleines Kind. Rasch machte sie die Tür hinter sich zu und stürzte aus der Wohnung, den Rucksack über der einen Schulter und den Wohnungsschlüssel an einer rosa Schnur um den Hals.
Sie hüpfte die Treppen hinunter. In ihrem Bauch hüpfte das Müsli. «Eine Stunde, man muss eine Stunde warten, bevor man baaaaaden darf!», sang sie.
Nirgends kann man schöner singen als im Treppenflur von einem zweistöckigen Haus. Aber man muss aufhören, sobald man auf die Straße kommt. Sonst kann es furchtbar peinlich werden.
Als Mimi die Tür gerade aufmachen wollte, entdeckte sie den Zettel, der an der Glasscheibe klebte. Montag beginnt die vernichtungsaktion der ratten stand drauf. Mimi ärgerte sich, dass alle interessanten Mitteilungen in Druckbuchstaben geschrieben waren. Als ob die Leute keine Schreibschrift lesen könnten! Mimi jedenfalls konnte das.
Im Freibad waren schon viele Leute, obwohl es gerade erst neun war und die Sonne noch gar nicht richtig heiß schien, weil sie noch nicht hoch genug stand.
Mimi bezahlte fünf Kronen am Eingang und schlüpfte rasch durch das Drehkreuz. Aus dem Lautsprecher dröhnte Musik und überall lagen Leute wie tote Fische auf ihren Handtüchern. Aber plötzlich hörte Mimi durch die Musik und das Geplansche aus dem Becken Lindas Stimme:
«Mimi, Mimi, beeil dich! Komm mal her! Ich hab neue Badesandalen gekriegt. Mit Spangen. Neon! Komm schnell!»
Mimi stürzte zu Linda.
«Hast du schon gebadet, Linda?»
«Nein, Mama sagt, dass das Sonnenöl erst in die Haut einziehen muss. Guck mal, sind meine neuen Sandalen nicht schön? Echtes Plastik. Und mit Neon auf den Riemchen. Elna hatte nur noch das eine Paar in ihrem Laden.»
Mimi betrachtete die Sandalen.
«Welche Größe ist das?»
«Einunddreißig. Das siehst du doch.»
«So klein!»
«Welche Größe hast du denn?»
«Bestimmt zweiunddreißig – mindestens. Aber ich hab ja keine Sandalen.»
«Ich glaub fast, du bist neidisch, Mimi. Die sind in Hongkong hergestellt.»
Lindas Mama, die sehr ordentlich und gerade auf dem Rücken lag, nahm ihren kleinen Nasenschutz ab und hob den Kopf. «Zankt euch nicht, Mädchen», ermahnte sie die beiden, «und sitz nicht im Schatten, Linda. Sonst wirst du nie braun.»
Im selben Augenblick ertönte ein Pfiff, den Mimi sofort erkannte. Er kam von dem hohen Holzzaun weit hinten, der die öffentliche Badeanstalt «Drei Anker» umgab.
Mimi lief zum Zaun und sah Arnes Kopf über den Planken. Er war vor Anstrengung ganz rot im Gesicht. Nachdem er Mimi auf sich aufmerksam gemacht hatte, legte er einen Finger an die Lippen. Wahrscheinlich glaubte er, sie würde jetzt still sein.
«Hallo, Arne!», schrie Mimi. «Hast du eddie auch mitgebracht?»
«Schnauze!», brüllte Arne drohend. «Geh und rede mit dem Bademeister, damit ich reinkommen kann.»
«Worüber?», fragte Mimi. «Was soll ich denn mit dem reden? Ich kenn den doch gar nicht.»
Arne verdrehte die Augen. Sein Gesicht wurde noch röter. Es musste ziemlich anstrengend sein, auf einem öffentlichen Holzzaun zu hängen.
«Red über irgendwas», sagte er stöhnend. «Das Wetter! Schweine. Den Weltraum.»
«Ach so.»
Beruhigt ging Mimi davon. Der Bademeister war nicht schwer zu finden. Er saß fast immer auf einem besonderen Stuhl. Er hatte kurz geschorene rote Haare und einen ziemlich griesgrämigen Mund. Außerdem trug er einen Pullover, auf dem Bademeister stand.
Wetter, Schweine, Weltraum!, wiederholte Mimi leise im Kopf. Wetter, Schweine, Weltraum. Dann konzentrierte sie sich und sprach den Bademeister an.
«Hallo.»
«Was is’ los?», fragte der Bademeister und starrte sie an.
«Schönes Wetter heute», sagte Mimi.
«Ja», sagte der Bademeister, «prima Wetter.»
Er rülpste ein bisschen und hob ein Donald-Duck-Heft auf, das unter seinem Stuhl lag. Eine Weile blätterte er darin, dann fing er an zu lesen.
«Morgen gibt’s vielleicht Regen», sagte Mimi.
«Ja, ja, ja», sagte der Bademeister. «Willst du nicht baden gehen?»
«Möchte mal wissen, wie Schweine dieses Wetter finden», fuhr Mimi fort. «Schweine haben ja ein ziemlich dickes Fell. Hast du schon mal darüber nachgedacht?»
Der Bademeister gähnte und guckte auf die Uhr. Dann guckte er Mimi an.
«Du, heute kann man ganz leicht einen Sonnenstich kriegen», sagte er ernst. «Es ist wohl das Beste, wenn du ins Wasser gehst.»
«Die Sonne!», rief Mimi fröhlich aus. «Hast du schon mal daran gedacht, dass die Sonne im Weltraum festsitzt?»
Der Bademeister stöhnte. Im selben Augenblick hörte man einen heftigen Plumps. Das war Arne, der auf dem Plattenweg unter dem Zaun gelandet war. Zum Glück mit den Füßen voran. Der Bademeister las weiter und Mimi stürzte zu Arne. Er sah sie anerkennend an.
«Gute Arbeit», sagte er.
Mimi wurde rot.
«Das war doch kein Kunststück», sagte sie, «ich habe nur ein bisschen über das Wetter, Schweine und den Weltraum geredet.»
Arne guckte zum Zaun hoch.
«Hast du Eddie nicht mitgebracht?», fragte Mimi.
Arne kratzte sich am Kopf.
«Mir war so, als hätte ich was am Fuß, als ich rübergeklettert bin. Zuerst hab ich gedacht, es wäre ein Hundeschiss, aber wenn ich es jetzt richtig bedenke, glaub ich fast, es war Eddie.»
Er hatte noch nicht ganz zu Ende geredet, da landete etwas zwischen ihnen und wälzte sich unter großem Geschrei auf der Erde.
«O Eddie, du hast dir doch nicht wehgetan?», sagte Mimi.
Aber Eddie schüttelte sich nur wie ein junger Hund und dann stand er da und sah wieder ganz fröhlich aus.
«Jetzt hast du mal wieder alles kaputtgemacht», zischte Arne und guckte zum Bademeister. Der hatte sein Heft von sich geworfen und kam mit großen Schritten auf sie zu.
«Ich hab dich wohl gesehen!», brüllte er und zeigte auf Eddie.
«Wirklich?», sagte Eddie und rückte näher an Arne heran.
«Natürlich hab ich das, du Idiot!», brüllte der Bademeister. «Und jetzt mach, dass du verschwindest, aber fix!»
«Immer mit der Ruhe, lieber Bademeister», sagte Arne. «Es wird nicht wieder vorkommen.»
«Vorkommen, was soll das denn heißen?», fragte Eddie neugierig. Arne setzte einen Fuß auf Eddies Fuß. Er sah dem Bademeister in die Augen.
«Du weißt doch», sagte er, «dass unserm Vater das Bad gehört. Und er hat gesagt, dass wir hin und wieder über den Zaun kommen und kontrollieren sollen, ob die Bademeister auch nicht schlafen. Und das hast du ja nicht getan. Das werden wir unserem Vater berichten. Du fliegst also nicht raus.»
«Wie?», sagte der Bademeister und fummelte an seinem Ohrläppchen. «Was ist mit eurem Vater?»
«Direktor Andersson von Schmidt», zischte Arne. «Ihm gehört das Bad, das weißt du doch!»
Der Bademeister dachte eine Weile nach. Dann leuchtete es in seinem Gesicht auf.
«Nee, du», sagte er. «‹Drei Anker› gehört der Stadt, das weiß ich.»
«Ja, früher», sagte Arne lachend. «Früher hat das Bad der Stadt gehört. Ganz richtig. Du bist nicht dumm. Aber jetzt hat unser Alter den ganzen Klumpatsch gekauft. Wenn du dich ordentlich aufführst, kriegst du vielleicht eine Gehaltserhöhung. Ich könnte dir das Ganze beweisen, aber ich hab meinen Personalausweis zu Hause vergessen. Oje, oje, guck mal die Tante dahinten. Ich glaub, die ertrinkt gerade. Vielleicht solltest du dich besser um sie kümmern.»
Der Bademeister schaute verwirrt zum Schwimmbecken, dann warf er Arne einen verbiesterten Blick zu.
«Das halt ich nicht mehr aus», murmelte er. «Das ist zu viel. Bilde dir bloß nicht ein, dass du mir wer weiß was erzählen kannst. Aber ich hab jetzt zu tun. Deswegen darf der Kleine bleiben.»
Er ging zum Beckenrand und beobachtete die Frau, die sich treiben ließ.
«Ich mach nur Wassergymnastik!», rief sie ihm zu und lächelte.
Der Bademeister drehte sich wieder zu Arne um.
«Und außerdem kannst du deinem Alten sagen, dass ich einen größeren Pullover brauche!»
Aber Arne, Eddie und Mimi lachten nur.
«Erster!», schrie Eddie und sprang mit einem Riesenplatsch ins Wasser und Mimi und Arne kamen gleich hinterher.
Das meiste von dem Platsch traf leider den Bademeister, der sich wieder in seinen Stuhl gesetzt hatte. Aber er seufzte nur ein wenig, lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Bald ist es Herbst, dachte er zufrieden.