Читать книгу Einführung in die Lexikologie - Volker Harm - Страница 19
3.2 Ausdruckserweiterung und -transposition 3.2.1 Die Komposition
ОглавлениеWird ein Basismorphem an ein anderes gehängt, spricht man von Komposition (zu lat. componere zusammensetzen, -stellen‘). Meist werden Substantive miteinander verbunden: Haustür, Tischbein, Autodach, Regenschirm etc. Neben diesem äußerst produktiven Typus gibt es auch das Muster Adjektiv + Substantiv: Altmeister, Gutmensch. Auch Komposita mit adjektivischem Letztglied kommen in großer Zahl vor: stadtbekannt, knittersicher, hautfreundlich, stressgeplagt, deutsch-französisch, geistig-moralisch. Für verbale Komposita finden sich nur wenige Beispiele (vielleicht mähdreschen aus mähen und dreschen, s. dazu aber auch die unten angesprochene Rückbildung).
Man kann folgende Typen von Komposita unterscheiden:
– Determinativkompositum: Brautschuhe, Haustür, Schultasche, gehfähig, knittersicher. Hier bestimmt (determiniert) das erste Kompositionsglied (‚Bestimmungswort‘) das zweite Glied (‚Grundwort‘). Dabei gibt das Grundwort die Klasse an, der der jeweilige Gegenstand oder Sachverhalt zuzurechnen ist, durch den das gesamte Wort bezeichnet wird (Schuh, Tür, sicher usw.). Das Bestimmungswort dagegen spezifiziert die Subklasse, zu der das Gemeinte gehört: ‚Haustür ist eine bestimmte Art von Tür‘ etc. Das Grundwort legt natürlich auch die grammatische Eigenschaften (Genus, Flexionsklasse) des gesamten Kompositums fest: Es heißt die Haustür nach Tür und nicht ∗das Haustür. Das Element -tür ist in diesem Fall also der sog. ‚Kopf‘ des gesamten Wortes. Da der Kopf des Wortes bei deutschen Determinativkomposita immer das am weitesten rechts stehende Basismorphem ist, spricht man auch vom Prinzip der Rechtsköpfigkeit.
– Rektionskompositum: Museumsbesucher, Käseverkäufer, Gemüsehändler, Kindererziehung, herzzerreißend. Hier steht das Bestimmungswort in einer syntaktischen Beziehung zum Grundwort: Ein Museumsbesucher ist ‚jmd., der ein Museum besucht‘, wobei Museum als Objekt zu besucht fungiert, ein Gemüsehändler ‚jemand, der mit Gemüse handelt‘, herzzerreißend ist ‚etwas, das das Herz zerreißt‘ (vgl. Vater 1994: 87).
– Possessivkompositum: Spatzenhirn, Grünschnabel, Leichtfuß, Weißkittel, Blauhelm, Rothemden. Hier wird zwar wie bei den Determinativkomposita das Letztglied durch das Erstglied bestimmt; die Bedeutung des Kompositums ist jedoch nicht ‚Hirn eines Spatzen‘, ‚grüner Schnabel‘ etc., sondern ‚jemand, der ein Spatzenhirn, einen grünen Schnabel hat‘, ‚jemand, der einen blauen Helm hat bzw. trägt‘. Wegen der für diesen Typus charakteristischen Möglichkeit einer Bedeutungsumschreibung mittels ‚haben‘ spricht man hier von einem ‚Possessivkompositum‘ (eine weiterführende Erörterung zu diesem Typus bietet Pittner 2013: 58).
Während bei den drei bisher genannten Typen von Komposita ein Determinationsverhältnis zwischen Erst- und Letztglied vorliegt, zeigen die folgenden Bildungen eine anders geartete Relation zwischen den beteiligten Basen:
– Kopulativkompositum: deutsch-französisch, schwarz-rot-gold, Marxismus-Lenismus, Dichterkomponist. Die Konstituenten sind gleichwertig und bilden eine semantische Addition. Im Unterschied zu den Determinativkomposita könnten die Konstituenten prinzipiell sogar umgestellt werden, ohne dass sich die Bedeutung änderte.
– Zusammenrückung: Gernegroß, Habenichts, Schlagetot, Stelldichein, Vergissmeinnicht, Muttergottes, Gottseibeiuns, seinerzeit, imstande. Dieser Typus befindet sich im Übergang von einem Syntagma zu einem Wortbildungsprodukt. Die Zusammenrückung enthält daher oft noch syntaktische Spuren. So sind teils Flexionselemente erkennbar (seinerzeit, Vergissmeinnicht), und auch die Reihenfolge der Wörter entspricht häufig der Anordnung im Satz (Habenichts wie ich habe nichts).
Produktivität
Die einzelnen Arten der Komposition sind unterschiedlich produktiv. Während die Determinativkomposition nahezu unbegrenzte Wortbildungsmöglichkeiten eröffnet, handelt es sich bei den Possessivkomposita und den Zusammenrückungen um Bildungsweisen, nach deren Muster nur relativ wenige neue Wörter gebildet werden.