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Das ganze Wochenende über blieb es ruhig. Zu ruhig. Kein weiterer Hinweis, keine Spuren, nichts. Estella blieb wie vom Erdboden verschwunden.

An eine mögliche Entführung glaubte auch die Polizei nicht mehr, sonst hätten sich die Entführer schon längst melden müssen.

Signor Orsini hielt es zu Hause nicht mehr aus und verbrachte das Wochenende in seinem Büro in Venedig, während seine Frau sich noch mehr als sonst in ihre Hausarbeit vertiefte. Einfach nur um etwas zu tun. Um nicht verrückt zu werden. Dass sie eigentlich am nächsten Tag ihren fünfzigsten Geburtstag feiern wollte, hatte sie komplett verdrängt.

Die beiden Geschwister Valentina und Patricio glaubten ohnehin nicht, dass ihrer Schwester etwas zugestoßen war und gingen ihren gewohnten Beschäftigungen nach. Für sie stand fest, Estella war einfach abgehauen.

***

„Seine Exzellenz hat nach Ihnen geschickt, Signor Orsini. Wenn Sie bitte gleich mitkommen würden.“

Der junge Geistliche, der die Nachricht überbrachte, war völlig außer Atem. Offenbar war er gerannt. Es schien wohl sehr wichtig zu sein, aber was könnte der Bischof von ihm wollen?

„Treten Sie ein, mein lieber Orsini.“

„Sie ließen mich rufen, Exzellenz?“

„Ja, nehmen Sie einen Cognac?“

„Nein, vielen Dank. Das ist noch zu früh für mich.“

„Sie haben recht. Gut, ich wollte mich nach Ihrer Tochter erkundigen. Gibt es etwas Neues? Ist sie wieder zurückgekommen?“

„Leider nein, Exzellenz. Sie wurde später noch einmal gesehen und hat sich mit einem Freund unterhalten, aber zurück ist sie leider noch nicht.“

„Das tut mir leid, Orsini. Sie sind nicht zu Hause geblieben?“

„Nein, die Arbeit lenkt mich etwas ab.“

„Gut, gut. Wir schließen Sie und Ihre Familie weiter in unsere Gebete ein.“

Orsini wusste, dass damit das Gespräch beendet war und verbeugte sich.

„Vielen Dank Exzellenz, danke.“

Nachdem Orsini gegangen war, griff der Bischof nach dem Telefon auf seinem Schreibtisch.

***

Signora Orsini wischte zum dritten Mal an diesem Tag Staub im Wohnzimmer.

„Wenn sie so weiter macht, werden die kleinen Porzellanfigürchen in der Schrankwand bald keine Farbe mehr haben“, dachte Valentina, die es aufgegeben hatte, ihre Mutter davon abzuhalten.

Gerade hielt sie wiederholt den Arlecchino aus der Commedia dell‘ Arte in der Hand und bearbeitete ihn mit ihrem Staubtuch, als das Telefon läutete.

„Ich gehe schon ran“, rief Valentina und nahm den Hörer ab.

„Pronto.“

„Spreche ich mit Signora Orsini?“

„Ich bin die Tochter, um was geht es denn?“

„Ich dachte Sie wären vermisst“, sagte die Stimme nach einer kurzen Pause.

„Das ist meine Schwester. Wer sind Sie denn?“

„Oh, Entschuldigung, mein Name ist Maurizio Lodigiani. Ich habe eine Bar in San Stino…in der Nähe des Bahnhofs…“

„Und was haben Sie mit meiner Schwester zu tun?“

Valentinas Finger krallten sich um den Telefonhörer.

„Ja, es ist so…ich habe seit drei Tagen eine Kundin, die regelmäßig kommt und etwas trinkt. Sie sieht Ihrer Schwester sehr ähnlich. Also dem Bild in der Zeitung, nur trägt sie die Haare kürzer und sie nennt sich Maria…“

„…und Sie sind sich sicher, dass sie es ist?“

„…ziemlich sicher. Sie hat sich mit mir unterhalten und sich mir anvertraut. Sie erzählte mir, dass sie einen tollen Job bekommen hätte…in der Kosmetik Branche…und dass sie nun doch vorhat, zum Geburtstag ihrer Mutter nach Hause zu kommen.“

„Das hat sie gesagt?“

„Genauso. Ich hoffe, ich konnte Ihnen behilflich sein. Ich muss jetzt Schluss machen. Ciao.“

„Danke, Signor Lodigiani.“

Erleichtert legte Valentina den Hörer hin, während ihre Mutter sie fragend ansah, den Arlecchino immer noch fest umklammert.

„Das war ein Barbesitzer aus San Stino. Er hat Estella gesprochen. Es geht ihr offenbar gut und sie will zu deinem Geburtstag nach Hause kommen.“

Tränen rannen der Signora über die Wangen und sie bekreuzigte sich mit der Porzellanfigur in der Hand.

„Gelobt sei der Herr…ich rufe gleich Papa an.“

„…und die Polizei müssen wir auch informieren.“

„Ja, das kannst du dann bitte tun.“

Signora Orsini war plötzlich wie verwandelt und nachdem sie ihrem Mann die freudige Botschaft überbracht hatte, nahm Valentina den Hörer.

„Buon giorno, könnte ich bitte Sergente Bellucci sprechen?“

„Um was geht es denn?“

„Um meine Schwester, Estella Orsini.“

„Einen Moment bitte, ich verbinde.“

Kurz darauf meldete sich der Sergente.

„Was kann ich für Sie tun, Signorina?“

„ich wollte Ihnen nur Bescheid sagen, dass es meiner Schwester gut geht und sie morgen zum Geburtstag meiner Mutter nach Hause kommt.“

Valentinas Stimme klang aufgeregt.

„Ah, sehr schön. Und woher wissen Sie das? Hat sie sich gemeldet?“

„Nein, ein Mann rief eben bei uns an. Er sagte, er hätte eine Bar und eine Kundin, die wie meine Schwester aussehen würde, hätte sich ihm anvertraut. Sie nannte sich allerdings Maria. Er behauptet aber, sie würde so aussehen, wie auf dem Foto in der Zeitung.“

„Mmh“, brummte Bellucci, „wo soll denn diese Bar sein?“

„In der Nähe des Bahnhofs von San Stino.“

„Da gibt es nur zwei Bars, soviel ich weiß. Warum sind Sie sich so sicher, dass er wirklich von Ihrer Schwester sprach?“

„Der Geburtstag meiner Mutter…“

„Ah ja. Hat der Mann auch einen Namen genannt?“

„Ja, Maurizio Lodigiani.“

„Eines verstehe ich nicht. Warum ruft er nicht bei uns an, wo doch unsere Nummer unter dem Bild in der Zeitung stand und woher hat er Ihre Nummer?“

„Sie wird sie ihm gegeben haben.“

„Kann sein. Gut, wir gehen der Sache nach. Informieren Sie mich bitte umgehend, falls Ihre Schwester nicht auftauchen sollte.“

Spurlos   Der Fall Orsini

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