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KAPITEL 2 Grüßen Sie Ihren Schönheitschirurgen auf der Straße? Warum plastische Chirurgie immer noch ein Tabuthema ist

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Wenn ich mit Freunden im Belgischen Viertel in Köln nach einem langen Arbeitstag in einem Restaurant die Karte studiere und im Augenwinkel sehe, dass sich eine Patientin nicht weit von uns entfernt an einen Tisch setzt, dann muss ich blitzschnell eine Entscheidung treffen: Soll ich einfach »Hallo« zu ihr sagen? Nur unauffällig nicken? Oder so tun, als hätte ich diese Frau im Leben noch nie gesehen? Obwohl sie seit mehreren Jahren regelmäßig in meine Praxis kommt, um sich ihr »Liquid Lifting« machen zu lassen – eine Behandlung, bei der durch das Aufspritzen definierter Punkte des Gesichts, vor allem über den Wangenknochen, eine Straffung und somit eine Verjüngung des Gesichts erreicht wird.

Manchmal beneide ich Ärzte weniger geheimnisumwitterter Fachrichtungen – wenn sie ein gemütliches Feierabendbier trinken und ein Patient sitzt zufällig am Nebentisch, plaudert man eben ganz entspannt und wendet sich dann wieder den eigenen Freunden zu. Wenn ich meinen Patienten auf der Straße begegne, haben sie oft Panik in den Augen. Sie wollen nicht ertappt werden, wollen nicht preisgeben müssen, dass sie einen plastischen Chirurgen persönlich kennen. Denn es gilt so oft: Wer einen kennt, hat sicher auch etwas an sich »machen lassen«. Dabei frage ich mich: Warum versuchen immer noch so viele Leute, die sich bewusst für eine Veränderung durch eine Schönheitsoperation entschieden haben, das zu vertuschen?

Die plastische Chirurgie hat immer noch einen gespaltenen Ruf. Lange galten ästhetische Eingriffe nicht nur als dekadenter Luxus, den sich höchstens die angesagten »It-Girls« oder Damen aus der »besseren Gesellschaft« leisten konnten, wenn ihre Männer sie wohlwollend unterstützten. Meist wurden sie dazu auch noch belächelt oder zumindest kritisch beäugt. Heute polarisiert die plastische Chirurgie weiterhin, wenn auch nicht mehr ganz so extrem. Immer noch sind manche schockiert darüber, dass der Wunsch bei vielen Menschen so ausgeprägt ist, sich – und sei es nur irgendwann einmal im Leben – aus ästhetischen Gründen behandeln zu wollen. Die plastische Chirurgie wird auch gern als unseriös dargestellt, als seien ästhetische Operationen etwas, das nur eine »geistige Unterschicht« betrifft, als würde die Idee einer OP allein bildungsfernen und dazu noch oberflächlichen Menschen in den Kopf kommen. Natürlich gibt es auch solche, die sich operieren lassen und nicht verstehen können, wie man mit Falten im Gesicht und Speck an den Hüften durch die Welt laufen kann, wenn es doch die plastische Chirurgie gibt, die, so ihre Meinung, alles und vor allem jeden »zum Besseren« richten kann. Andere wiederum sehen den Gang zum plastischen Chirurgen als mutig an. Sich so zu verändern, wie man möchte, sagen sie, ist reine Selbstermächtigung. Nur wenige vertreten die Meinung der goldenen Mitte: »Ich möchte nichts an mir durch eine Operation verändern lassen, aber wenn andere sich verändern lassen möchten, ist das natürlich okay«, oder andersherum: »Ich gehe regelmäßig zum plastischen Chirurgen, verstehe es aber, wenn andere das für sich ablehnen.«

An der plastischen Chirurgie scheiden sich also weiterhin die Geister. Ist es ein Kampf zwischen Akademikern und der Arbeiterklasse? Wenn, dann nur augenscheinlich. Schließlich habe ich täglich Akademiker wie Arbeiter vor mir sitzen. Egal wer zu mir in die Praxis kommt, Frau, Mann, Jüngere, Ältere, Intellektuelle oder nicht, die Wünsche meiner Patienten ähneln sich und lassen sich auch nicht verschiedenen Berufsgruppen oder gar einem sozialen Status zuordnen. Außerdem bin ich fest davon überzeugt: Jeder – ob Lehrerin, Bäcker oder Unternehmensberaterin – hat mal darüber nachgedacht, was er an sich verändern lassen würde, wenn alle Einschränkungen und Zwänge, seien sie finanziell oder moralisch, wegfallen würden.

Während die plastische Chirurgie früher oft mit gefährlichen und aufwendigen Eingriffen assoziiert wurde, denken viele heute eher an minimalinvasive Eingriffe, ohne größere Schnitte, wie das Spritzen von Hyaluronsäure. Diese kleineren Eingriffe zeigen enorme Erfolge, und das ohne Narben und einen Ausfall bei der Arbeit zu verursachen. Damit ist die plastische Chirurgie für viele in ein besseres Licht gerückt. Sie ist gesellschaftlich grundsätzlich in Deutschland heute stärker akzeptiert. Doch je größer und umfangreicher der Eingriff ist, umso weniger Akzeptanz scheint es dafür in der Bevölkerung zu geben. Die Bilder von missglückten Operationen und wochenlangen Heilungsprozessen, die bis heute in den Medien zirkulieren, weil sie schockieren und dadurch für Einschaltquoten und Klicks sorgen, tun ihr Übriges dazu. Gleichzeitig kennt man aber auch zunehmend positive Fotos, die aber meist minimalinvasiven Eingriffen zugeordnet werden, wie zum Beispiel geglättete Zornesfalten. Sichtbare Narben werden in den Medien immer noch als Horrorszenario und No-Go angesehen. Dabei können wir diese bei den meisten gängigen Eingriffen inzwischen auf ein Kleinstmaß reduzieren. Zudem belegen Studien, dass die große Angst vor Narben meist keine Rolle mehr spielt, wenn dafür die Form des operierten Körperteils wieder stimmt, wie beispielsweise nach einer Brust- oder Bauchstraffung.

Wirklich salonfähig ist die Schönheitschirurgie trotz der zunehmenden Akzeptanz kleinerer Eingriffe noch nicht. Wenn ich aber einen Blick in meinen Terminkalender oder ins Wartezimmer meiner Praxis werfe, dann entsteht bei mir schon der Eindruck: Die Schönheitschirurgie ist im Mainstream angekommen. Allerdings möchten die wenigsten, die meine Praxis zufrieden mit einer kleineren oder auch größeren Veränderung verlassen haben, darüber beim Abendessen reden. Es ist und bleibt ein Paradoxon: Man soll wunderschön, ja, möglichst perfekt aussehen, aber wenn man dafür nachhelfen lassen muss, soll man sich dafür schämen. Perfekte Schönheit soll ganz natürlich sein, als sei sie einzig ein Geschenk unserer Gene.

Ich erinnere mich noch gut an ein prägendes Erlebnis in Köln, das mir gezeigt hat, wie schwierig es für viele Patienten ist, sich zu outen und zu erzählen, dass sie einen Termin beim plastischen Chirurgen hatten. Tatsächlich ist es für viele bereits schwierig, Freunden zu erzählen, dass sie nur den Wunsch hegen, eine Schönheitsoperation vornehmen zu lassen. Schon diese Offenbarung führt meist zu hitzigen Diskussionen.

Etwa ein Jahr nach der Eröffnung meiner ersten Praxis trainierte ich gerade im Fitnessstudio um die Ecke, als ich eine meiner Patientinnen sah. Sie lief, nicht weit von mir entfernt, entspannt auf dem Laufband, also winkte ich ihr zu. Seit dem ersten Gespräch bei mir in der Praxis war sie mir sympathisch gewesen. Sie war locker und es war ihr nicht unangenehm, über ihren Wunsch zu sprechen, sich die Brüste vergrößern zu lassen. Für mich sind die Erstgespräche nicht nur sehr wichtig, sondern auch immer spannend, denn dann erfahre ich viel über die neuen Patienten, ihr Umfeld und was sie konkret dazu bringt, mich aufzusuchen. Besagte Frau war Mitte dreißig, und nach der Geburt ihrer kleinen Tochter wollte sie zunächst die Brüste nur gestrafft haben, entschied sich aber dann dafür, sie auch vergrößern zu lassen. Ich wusste, dass sie einen hellen Labrador-Retriever-Mix hatte, dessen Fell ihrer Haarfarbe ähnelte, und dass sie, so oft es ging, am Wochenende mit Freund, Tochter und Hund ins Siebengebirge zum Wandern fuhr. Jetzt im Studio schien sie mich nicht gesehen zu haben, doch als ich auf sie zulief, schaute sie plötzlich in meine Richtung. Ich lächelte und sie erwiderte meinen Blick, aber in ihren Augen war keine Wiedersehensfreude zu sehen, ganz im Gegenteil. Schnell begriff ich: Sie war nicht allein. Links und rechts von ihr joggten zwei Frauen mit hochroten Köpfen in schnellem Tempo auf den Laufbändern. Es war ihr ganz augenscheinlich unangenehm, mit mir gesehen zu werden, sie wollte nicht, dass ihre Freundinnen erfuhren, dass ihre Lippen nicht von Natur aus so voluminös und ihre Brüste nicht immer schon ein C-Körbchen gewesen waren. Ich bog ab und ging duschen.

Meine Praxis ist ein geschützter Raum für meine Patienten. Draußen, im wahren Leben, wird dieser geschützte Raum logischerweise geöffnet, und ich lernte mit der Zeit, dafür zu sorgen, dass er sich für meine Patienten dennoch genauso sicher anfühlt. Im öffentlichen Leben, in Restaurants, im Fitnessstudio und beim Einkaufen herrschen andere Spielregeln – zumindest für mich. Die plastische Chirurgie war und ist in Deutschland ein Tabu. Oft wünsche ich mir, dass wir uns offener über das Thema austauschen könnten, besonders mit Patienten wie der Labrador-Retriever-Besitzerin, mit der ich durch die Eingriffe viel Zeit verbracht und zu der ich eine persönliche Bindung aufgebaut hatte. Dass diese Bindung in der Öffentlichkeit von ihr wortlos dementiert wurde, fühlte sich an diesem Tag, in den Anfängen meiner Karriere, seltsam an.

Es gibt viele Patienten, die alles daran setzen, dass niemand in ihrem Umfeld je herausfinden wird, dass er oder sie etwas an sich hat »machen lassen«. Ein langjähriger Patient von mir ist da besonders ängstlich. Er ist Mitte vierzig und als Handelsvertreter für ein Modelabel viel unterwegs. Wenn seine Kunden ihm sagen, dass er gut aussieht, fühlt er sich geschmeichelt. Was, wenn sie wüssten, dass ein Facelifting der Grund dafür ist? Natürlich hatte auch er von den Studien gehört, die bestätigen: Attraktive Menschen sind erfolgreicher, besonders im Verkauf. Diese Aussage treibt ihn an. Er ist der Überzeugung, dass er seine Kunden nur mit einem jugendlichen, makellosen Aussehen überzeugen kann. Damit niemand von dem Facelift und anderen minimalinvasiven Eingriffen erfährt, nimmt er im Anschluss an den Eingriff seinen gesamten Jahresurlaub am Stück. Die letzten Tage seines vierwöchigen Urlaubs verbringt er dann im Solarium. Obwohl er weiß, dass seine frischen Narben sechs Monate nach der Operation keinesfalls UV-Strahlung ausgesetzt werden dürfen, kauft er sich einen Sunblocker für diese Stellen und sonnt sich ausgiebig – alles nur, um mit seiner frisch gebräunten Haut seine Kollegen und Kunden ganz ohne Worte hinters Licht zu führen, denn so erzählt sich seine Geschichte, wie wunderschön und heiß es »auf Korsika« gewesen sei, fast von allein. Ich würde ihn niemals dafür kritisieren, denn wie man mit der Veränderung am eigenen Körper umgeht, steht jedem frei. Manchmal aber wird es selbst mir zu extrem: Den Satz »Kommen Sie bloß nicht zu mir rüber, wenn wir da auf der Veranstaltung sind« habe ich leider schon ziemlich oft gehört. Die größte Angst, mit mir zusammen gesehen zu werden, haben Prominente.

Wenn ich auf Events in Berlin eingeladen werde, bereite ich mich auf einen Spießrutenlauf vor. Ich wandere dann durch die Menge, schnappe über die laute Musik hinweg Gesprächsfetzen auf und halte mich, bei Avocadohäppchen und Champagner, den junge Kellner tapfer auf ihren runden Tabletts balancieren, an die Freunde und Bekannten, denen es nicht unangenehm ist, mit mir gesehen zu werden. Dabei spüre ich deutlich, wie die Blicke sich von mir abwenden, um mir zu signalisieren: »Sprich mich bloß nicht an. Wir kennen uns nicht.« Viele deutsche Fernsehleute, Moderatorinnen und Schauspieler, die in der Praxis gern auch mal fünf Minuten länger mit mir quatschen, weichen auf solchen öffentlichen Events aus, reden mit allen, nur nicht mit mir – weil sie befürchten, sie könnten deshalb schnell Thema in der Yellow Press werden: »Auch sie hat was machen lassen!« Muss man sich für einen Besuch beim plastischen Chirurgen immer noch rechtfertigen und sogar schämen? Vielleicht passt diese Heimlichtuerei gut in unsere Leistungsgesellschaft: Schönheit als Preis für fleißige Arbeit, aber bloß nicht durch das Nachhelfen in Form einer Schönheits-OP! Wenn das Idealbild vom Körper noch nicht erreicht ist, gibt man vor, einfach härter daran zu arbeiten, indem man Sport treibt und auf Zucker verzichtet, denn das ist eindeutig gesellschaftsfähiger. Ich glaube aber, dass es auch daran liegt, dass viele Menschen, die große Stücke auf ihr Aussehen halten, den Mythos aufrechterhalten wollen, dass Mutter Natur sie so reich beschenkt hat.

Wie es kommt, dass ich auf Instagram trotzdem auf Fotos mit bekannten Schauspielerinnen und Moderatoren verlinkt werde? Oft einfach ein Freundschaftsdienst. Als wir die Praxis in Berlin eröffneten, kam neben vielen anderen Gästen auch Guido Maria Kretschmer vorbei. Er wollte die Praxis mit seinem Kommen unterstützen, weil wir auch Brustrekonstruktionen anbieten und er Frauen mit Brustkrebs unterstützen möchte. Der Modedesigner gab ein Interview, kommunizierte der Presse aber klar, dass er als Freund und nicht als Patient mit uns feiert. Das ist auch nicht gelogen, denn wir kennen uns tatsächlich ganz gut. Aber auch ein paar Patienten von mir zeigen sich gern mit mir und geben offen zu, dass sie bei mir in der Praxis ein und aus gehen.

Vielleicht ist die Schönheitschirurgie in unserer Gesellschaft der letzte allzeit beliebte Klatsch, den es noch gibt. In der Bunten darüber zu lesen, wie viel der Designer Marc Jacobs für sein glattes Gesicht bezahlt hat, scheint mindestens so sehr zu interessieren wie die Traumhochzeit mit seinem langjährigen Partner Charly Defrancesco. Beide Anliegen, der neue Ehemann und die Tatsache, dass sich jemand Botulinumtoxin spritzen lässt, schockieren nicht, aber sie interessieren. Während sexualisierte Themen in unserer Gesellschaft gang und gäbe sind, wird zwar auch viel von Schönheitsoperationen berichtet – aber selten weil Prominente offen damit umgegangen sind und der Presse davon erzählt haben. Oft wird hinter vorgehaltener Hand getuschelt, wer was wann hat wo und wie »machen lassen«. Sogar im intimen Privatkreis ist das Thema vielfach ein Tabu. Es kommt hin und wieder vor, dass Patientinnen mit ihren Partnern zur Brust-OP kommen, sich aber dann heimlich noch Fett absaugen lassen und eine zweite Rechnung brauchen: »Eine zahl ich selbst, die andere mein Mann.« Ich fühle mich ziemlich oft wie ein Kollaborateur bei einer Verschwörung. Meine Patienten und ich gegen den Rest der Welt. Dabei muss ich zugeben, dass ich es liebe, der »Partner in Crime« zu sein. Es gibt nur wenige Berufe, bei denen man so schnell eine intime Bindung zu seinem Gegenüber aufbaut und eine häufig intensive, wenn auch meist kurze gemeinsame Reise erlebt.

In meinem Alltag passiert das meiste im stillen Sprechzimmerkämmerlein. Doch seit Kurzem bewegt sich etwas. Die Reaktionen auf die Ergebnisse der Schönheitsoperationen werden nun nicht mehr mit spitzem Aufschrei à la »Was, du gehst zum Chirurgen?« kommentiert, sondern sogar durchaus mit Beifall, wie bei Instagram mit unzähligen Likes und Sätzen wie »Beautiful!« oder »Wo hast du das machen lassen?« und »Das will ich auch!«. Viele meiner vor allem jüngeren Patientinnen machen keinen Hehl daraus, dass sie sich bei mir den Hintern à la »Brazilian Butt« vergrößern haben lassen oder ich ihre Lippen in Form gespritzt habe. »In Form spritzen« bedeutet nicht unbedingt, die ursprüngliche, klassische Lippenform beizubehalten: Ein momentan großer Trend sind sogenannte Kraken- oder Teufelslippen. Mittels Hyaluronsäure bekommen die Lippen eine wellige, krakenartige Form. Ein fragwürdiger, aber dennoch existierender Trend. Als Dankeschön für den gelungenen Eingriff verlinken sie mich auf Instagram und fügen Hashtags wie #mynewbutt, #plasticsurgery und #thankyou hinzu. Diese Patientinnen gehören einer Generation an, die es nicht unangenehm findet, ihren plastischen Chirurgen auf der Straße zu treffen. Ganz im Gegenteil, mit Stolz verkünden sie: »Das ist mein Körper, und ich mache damit, was ich für richtig halte« – Körpertuning als Statussymbol. Immer mehr der angesagtesten Influencer und Celebritys wie Kylie Jenner tragen ihre körperlichen Veränderungen zur Schau und nutzen sie gekonnt zur Selbstvermarktung. Die Tatsache, dass Kylie irgendwann offen über ihre Behandlungen sprach, machte ihren Schönheitschirurgen Simon Ourian zu einem der begehrtesten seines Fachs in Hollywood. Ganz offensiv geht auch meine Patientin Micaela Schäfer mit dem Thema um. Sie spricht bei Talkshows, in Interviews und in ihrem Buch »Lieber nackt als gar keine Masche« offen über ihre neue Nase, ihr neues Kinn und ihre neuen Wangenknochen. Außerdem liebt sie es, ihre Brüste zu präsentieren. Mit sechzehn Jahren ließ sie sich die Nase korrigieren. Als sie volljährig wurde, vergrößerte sie zum ersten Mal ihre Brüste. Heute hat sie um die zwölf OPs hinter sich und ist eine Stammpatientin von mir. Stefan Raab kündigte die ehemalige Kandidatin von Germanys next Topmodel und Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! einmal mit den Worten an: »Sie hat die bekanntesten Brüste Deutschlands.« Das ist vermutlich sogar wahr. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich auch ein bisschen stolz darauf bin. Aus meiner Sicht ist Micaela sehr clever. Das sieht man gerade daran, wie sie ihren Körper als Marketinginstrument einsetzt. Sie enttabuisiert geschickt die plastische Chirurgie, indem sie ganz offen darüber spricht. Außerdem nimmt sie sich bei all dem Rummel um ihre Brüste selbst nicht zu ernst. Dass sie schockiert und polarisiert und dass ihre Fans sie für ihren Körper anhimmeln, gefällt ihr. Micaela Schäfer vermittelt ganz ehrlich, dass Schönheit nicht für alle von ungefähr kommt. Leistungsbereitschaft und die Liebe zum eigenen Körper beweist sich die jüngere Generation vielleicht auch deswegen heute eher mit dem Gang zum Chirurgen, und wer darauf stolz ist, kann heutzutage auch mit offenen Karten spielen und darüber sprechen.

In einer Welt, in der man durch die vielen Filter oft nicht mehr erkennt, was Realität ist und was durch Photoshop bearbeitet wurde, wird Ehrlichkeit belohnt – zunehmend häufig mit Likes und bewundernden Kommentaren.

Trotzdem muss ich sagen: Die meisten meiner Patienten, jung oder alt, berühmt oder unbekannt, wollen weder der Community auf Instagram noch ihrem Partner zu Hause davon erzählen, warum die Fältchen um die Lippen nun weg sind oder die Arme gestrafft. Das Kuriose: Den meisten Ehefrauen oder -männern fallen die Veränderungen gar nicht auf. Meine Vermutung ist, dass es daran liegt, dass die Stellen, die man an sich nicht mag, für einen selbst stark im Fokus liegen, für andere aber keinerlei Bedeutung haben. Meine Hoffnung ist, dass sich in Zukunft mehr Leute trauen, mit anderen, mit Freunden und dem Partner, über ihren Körper und die negativen Gedanken, die sie deshalb plagen, zu sprechen. So könnte die Überlegung, etwas operativ zu verändern, entweder durch Gespräche mit anderen verworfen oder aber bestärkt werden, wenn auch geliebte Menschen das empfundene Leid nachvollziehen können. Das würde bewirken, dass zukünftig nicht nur die Patienten in meine Praxis kommen, die ganz allein über der Möglichkeit einer OP gebrütet haben, sondern auch jene, die über einen längeren Zeitraum hinweg mit Freunden, der Familie oder dem Partner über ihre Ideen gesprochen haben und die somit bei einer solch wichtigen Entscheidung Rückendeckung bekommen haben. Damit ist auch gewährleistet, dass die vertrauten Personen nach der OP für die Patienten da sind. Nicht nur um sie danach nach Hause zu fahren und für sie zu kochen, falls sie anfangs nicht so mobil sind, sondern vor allem als emotionale Stütze und Begleitung in den Wochen danach.

Wahnsinnig schön!

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