Читать книгу die Rückmacher - W. von Canaris - Страница 4

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Santa Maria de Salvo, Unterer Rückmacher und von allen nur de Salvo genannt, war eingeschüchterte – wenn er ein Mensch gewesen wär. Da er aber kein Mensch war, war er entsprechend nicht eingeschüchtert, und sein Chef, der Oberste Rückmacher von Köln, war entsprechend (weil auch er kein Mensch war) nicht wütend, sauer oder sonst was!

Nein, der Oberste Rückmacher nahm lediglich das zur Kenntnis was er da von dem General der Unionsicherheit hörte, aber wär er ein Mensch gewesen, so wär er ausgerastet, hätte geschrien und seine Leute eingeschüchterte.

Aber er war ja kein Mensch ...

Aber er und de Salvo lebten schon lang genug unter den Menschen, um einige ihrer seltsamen Wesenszügen übernommen zu haben – unbewusst, oder auch bewusst ...

»Der Unionator tot?«, fragte der Oberste Rückmacher nach – obwohl er es nicht nötig hatte, hatte er doch sehr wohl schon beim ersten Mal verstanden das der Unionator tot war. Aber er hatte halt die fragwürdige Eigenheit der Menschen übernommen, in solchen Situationen wie blöde noch dreimal nachzufragen, eh sie das Gehörte wahrhaben wollten.

»In der Tat, er ist tot. Er, vier seiner Getreuen und sechs seiner Leibwächter!«, bestätigte der General der Unionsicherheit geduldig – er war ein Mensch, da kannte er die menschlichen Eigenheiten … und ahnte nichts davon das die beiden Menschen vor ihm keine Menschen waren. Zumindest innerlich nicht. »Sie wurden von einer Suchdrohne auf dem Gelände der verlassenden Eisenbahnwerke Köln-West gefunden. Die Tat hat wohl der begangen, den wir schon des längeren beobachten. Er und der Unionator haben sich heute – gegen die Regeln zum Schutz des Unionator – im besagten Gebiet getroffen!«

»Idiot«, entfuhr es de Salvo verächtlich.

Der General nickte zustimmend, während der Oberste Rückmacher die Stirn runzelte. »Sie sprechen vom Unionator, de Salvo!«, sagte er streng.

De Salvo zuckte mit den Schultern. »Na und, ist doch wahr! Wie dumm muss man denn sein, ohne ausreichend Schutz in ein gefährliches Gebiet zu gehen? Ist das etwa nicht dumm?«

»Natürlich ist das dumm, aber dennoch ...« Der Oberste Rückmacher strafte de Salvo mit einem strengen Blick, dann ließ er das Thema fallen und wandte sich wieder dem General zu. »Ich denke es hat wenig Sinn, die Sache laufen zu lassen – wir werden uns darum kümmern!«

»Ich habe nichts anderes erwartet!«, nickte der General und log dabei, denn er wusste nicht wer die beiden vor ihm waren, nur das sie Dinge bewegen konnten, die nicht einmal der Generalstab konnte – und dieser war beeindruckend! »Heil der Union!«, grüßte er einfach zackig, drehte sich um und verließ den Raum. Sollten sie sich doch drum kümmern …

»So, Santa Maria de Salvo«, setzte der Oberste Rückmacher streng an in dem er de Salvo‘s ganzen Namen aussprach, wofür ihn de Salvo hasste (wobei er sich aber eingestehen musste, das er selbst Schuld war, diesen bescheuerten Namen einst angenommen zu haben. Er hätte ja auch einen viel cooleren nehmen können – aber nein! Blödmann!), »ich habe des letzteren den Eindruck gewonnen das Ihr Aufenthalt auf der Erde, Ihnen nicht gut bekommt! Sie nehmen zu viele menschliche Züge an, benehmen sich völlig daneben und auch sonst zeigen Sie wenig Respekt! Ich weiß, dass Sie begabt sind – Sie sind gerade mal sechzehn, nach Irdischen Maßstab, und schon Unterer Rückmacher! – aber ich schmeiß Sie raus, wen sich Ihr Verhalten nicht sofort ändert und Sie mir beweisen dass Sie es drauf haben! Verstanden?«

»Verstanden, Sir!«, nickte de Salvo ernst, und bewies damit das es durchaus konnte, dieses Ernst sein.

»Gut – dann erledigen Sie den Fall!«

De Salvo starrte seinen Chef sprachlos an. »Ich, Sir?«, fragte er dann langsam, als er seine Stimme wiedergefunden hatte. »Ich soll den Putsch rückgängig machen?«

»Natürlich Sie!«, nickte der Oberste Rückmacher. »Oder trauen Sie sich nicht? Soll ich ein Tor für Sie bestellen? Heim zu Mami und Papi?«, fragte er mit verächtlichem Unterton.

De Salvo strafte sich. »Nein, Sir, Sie brauchen kein Tor zu bestellen, ich werde mich unverzüglich um die Angelegenheit kümmern!«, sagte er fest. »Ich werde Sie nicht enttäuschen!«

»Das hoffe ich für Sie!«, nickte der Oberste Rückmacher, dann wandte er sich seinen Dokumenten zu und de Salvo verließ das Büro.

Verdammtes Arschloch! Wusste genau, wo mein wunder Punkt ist!, fluchte de Salvo stumm auf dem Weg zu seinem Wagen vor sich hin. Seine Beine zitterten jetzt, nachdem er seine Selbstbeherrschung nicht mehr aufrecht halten konnte. Ihm entglitt seine sorgfältig angelegte Maske der inneren Ruhe und Entspanntheit – die er eigentlich nicht brauchte, war er doch ruhig und entspannt von Geburt aus, wie jeder seiner Art. Aber, wie der Oberste es ja schon erkannt hatte, hatte er, de Salvo nach nur zwei Jahren Aufenthalt auf der Erde viel zu viele menschliche Züge angenommen. Er fluchte, er benahm sich mal so mal so und er entwickelte ein gewisses Verlangen zum menschlichen Leben.

Wenn das raus kam – das er sich außerhalb seiner Arbeitszeit ständig unter Menschen aufhielt, obwohl dies strengstens verboten war –, dann war er schneller wieder zu Hause, als er gucken konnte.

Aber er wollte nicht nach Hause, also würde er den jetzigen Auftrag zur besten Zufriedenheit des Obersten ausführen!

Arschloch!, dachte sich de Salvo noch einmal und drückte dabei missmutig die Fernbedienung seines Wagens und klemmte sich hinter das Lenkrad um dann einmal inne zu halten und durchzuatmen. Dann erst drückte er den Knopf, der das Tiefgaragentor per Funk öffnete, und gab Gas, rollte aus den Tiefen des Verwaltungssitzes der Unionsicherheit und kam ungefähr dreihundert Meter weiter mitten im alltäglichen Berufsverkehr stecken. Scheinbar endlos reihten sich die Autos dahin, rund um diesen monströse Bau mit seinen ganzen Staturen und Verzierungen, welcher genau in der Nähe von de Salvo´s Arbeitsplatz lag und den Namen Kölner Dom trug und dessen Funktion keinem Menschen klar war, was den Kölnern aber nicht weiter störte, war der Dom doch die reinste Goldgrube – jeder Tourist der nach Köln kam, kam grundsätzlich wegen des Doms.

Vor allem seitdem in Rom der Prachtbau mit dem Namen Vatikan eingestürzt war – dort hatte man nicht so viel Geld in die Pflege von Bauten gesteckt, dessen Funktion sich niemandem erschloss.

De Salvo musste unwillkürlich grinsen, als er eine Gruppe Schlitzaugen sah – wie die Menschen aus dem weit entferntesten Teil der Hauptstadt der Union hießen (irgendwie mussten die verschiedenen Menschen ja, die weißen, schwarzen, braunen und eben diese Schlitzaugen, benannt werden) –, deren besonderes Merkmal, das hatte er immer wieder beobachtet, das wilde Fotografieren von allem und jedem war.

Gerade zum Beispiel lichtete die besagte Gruppe einen Hund ab, der in aller Ruhe sein Bein am Dom hob.

Wenn die Menschen wüssten, dass die ganzen Prachtbauten mit den Kreuzen Heilige Stätten waren – oooh sie würden auf Knien rutschen und um Vergebung bitten. Anderseits … sie wussten ja nicht einmal was Heilige Stätten waren.

De Salvo wandte sich kopfschüttelnd wieder dem zähen Verkehr vor sich zu, auf den er gar keine Lust hatte. Kurzerhand klatschte er das Blaulicht seines Wagens aufs Dach, scherte nach links aus und raste dem Stau davon.

Zeit, die Zeit rückgängig zu machen!

De Salvo betrachtete in Seelenruhe wie gerade vor seinen Augen mehre Männer erschossen wurden. Er achtete genau darauf wer wie erschossen wurde und wo sich wer zu jener Sekunde aufhielt, in der der Unionator erschossen wurde. Dann waren die Sekunden des Tötens vorüber, und der Putschist floh – ganz lässig, Respekt!

De Salvo wartete noch einen Moment, war sich dann ganz sicher, dass es nur die Toten und den Putschist gab, dann zog er sein Gerät hervor und begann wild auf diesem einzutippen.

Er musste den Putsch rückgängig machen und gleichzeitig den Putschist töten.

Leicht – aber dennoch durfte er sich keinen Fehler erlauben, was die Erinnerungen der Männer anbelangt!

De Salvo hatte schon von Fällen gehört, bei denen Rückmacher es zu eilig gehabt und was dazu geführt hatte das Fehler gemacht worden waren. Fehler die sich so gestalteten das Personen seltsame Erinnerungen an etwas was sie nie erlebt aber dennoch erlebt hatten – nur wussten sie nicht, das man eben genau dieses Erlebte rückgängig gemacht hatte!

Grundsätzlich, dachte de Salvo während sein Gerät die Eingaben prüfte, war es nicht weiter schlimm, wenn einer seltsame Erinnerungen hatte – sie wurden für verrückt erklärt und in Anstalten gesteckt, oder mit Medikamenten behandelt, auch wenn sie nicht Geisteskrank waren.

Und da das niemand wollte, würden die schweigen, die seltsame Erinnerungen hatten, bis sie diese irgendwann vergessen würden.

Alles also keine große Sache, wenn doch mal ein Fehler auftauchen sollte!

Das Gerät piepste. De Salvo schenkte dem Bildschirm einen flüchtigen Blick und wollte schon auf JA drücken, als ihm etwas auffiel.

Etwas merkwürdiges, das unten rechts ganz klein auf dem Schirm angezeigt wurde.

System hat eine ungeklärte Unregelmäßigkeit festgestellt, kann diese aber nicht weiter verarbeiten. Gehen Sie bitte auf manuelle Überprüfung!

Was war denn das?

De Salvo starrte den Bildschirm an.

System hat eine ungeklärte Unregelmäßigkeit festgestellt, kann diese aber nicht weiter verarbeiten?

Was sollte das den heißen?

De Salvo ging auf manuelle Überprüfung, was nichts anderes hieß, als das er das Systemprotokoll öffnete welches nur einfach aus einer fortlaufend nummerierten Punkteliste bestand mit nebenstehenden Statusinformationen

001: negativ (Details)

002: negativ (Details)

003: negativ (Details)

004: negativ (Details)

005: negativ (Details)

006: negativ (Details)

007: negativ (Details)

008: negativ (Details)

009: negativ (Details)

010: negativ (Details)

011: negativ (Details)

012: positiv (?) (Details)

013: negativ (Details)

die ohne Interesse waren.

De Salvo schüttelte den Kopf, blickte sich um und sah das er allein war. Er war hier in diesem verlassendem Gelände der Eisenbahnwerke Köln-West der einzige Lebende weit und breit, und das war auch gut so, denn er fiel auf, das wusste er. Er fiel auf, weil er nicht nur rein körperlich schon durch seine Größe, seiner blassen Haut und seinen schwarzen Haaren aus der Menge stach. Nein, er fiel auch dadurch auf, dass er noch verdammt jung war, aber schon ein Regierungswagen fuhr und gewichtig herumlief.

Die ganzen Deserteure, würden sie jetzt und hier ihn sehen, so würden sie sich ihm liebend gerne vornehmen und ihm mal so richtig die Meinung sagen – was nicht heißen sollte das er, de Salvo, Angst hatte.

Nein, die hatte er nicht, den er war um ein vielfaches den einfachen Menschen überlegen, einfach deswegen schon, weil er ja gar kein Mensch war.

Nein, was de Salvo jetzt nicht brauchen konnte, waren Zeugen, die die Rückmachung sahen. Man sah sie zwar nur in einem Bruchteil von Sekunden – aber das war schon genug, wen man nicht gerade auf den Kopf gefallen war!

De Salvo ließ sein Gerät auf die Anwesenheit von Lebewesen überprüfen, erhielt eine negative Meldung und ging auf Rückmachen.

Das Gerät piepste und zeigte die letzte Möglichkeit zum Prozessabbruch an.

Wollen Sie wirklich Rückgängig machen?

Ja – Nein – Abbruch

Achtung:

System hat eine ungeklärte Unregelmäßigkeit festgestellt,

kann diese aber nicht weiter verarbeiten.

Gehen Sie bitte auf manuelle Überprüfung!

»Verdammte Scheiße, was für eine Unregelmäßigkeit denn?«, fuhr de Salvo sein Gerät an.

Solche Gefühlsausbrüche waren bei Rückmachern eigentlich nicht üblich, da sie gar keine Gefühle besaßen, solche Ausbrüche also folglich auch nicht bei ihnen möglich waren – aber da de Salvo sich schon viel zu oft unerlaubt unter Menschen aufgehalten hatte, hatte er ziemlich viele Eigenarten von ihnen übernommen.

De Salvo rammte seinen Zeigefinger wieder auf manuelle Überprüfung und sah sämtliche dreizehn Punkte noch einmal durch.

Alle negativ.

Nein, de Salvo du Idiot! Da. War. Doch. Eine. Positive. Meldung!

Die Zwölf.

Aber mit Fragezeichen ...

Das wurde ja immer mysteriöser, fand de Salvo, ging auf Details und las erstaunt die Erklärung zu Punkt Zwölf.

Systemdetails zu Punkt 12

Nicht genauer zu definierende und zu verwertende Reststrahlung eines menschlichen Körpers zum Zeitpunkt des Geschehens. Es besteht das Restrisiko eines Zeugens! Bitte vergewissern Sie sich, bevor Sie in der Aktion fortfahren!

De Salvo starrte von seinem Gerät zu der Stelle wo der Putschist geputscht hatte, und wieder zurück.

Restrisiko eines Zeugens!

Ein Zeuge?

De Salvo schmunzelte, schüttelte den Kopf und drückte auf –

Rückgängig?

Ja.

Zeuge. So was nennt man ein technisches Problem, ihr Idioten von Programmierer!

Ein blaues Licht blitzte über den Platz, auf dem vor wenigen Stunden – gestern – der Unionator getötet worden war, dann war alles wieder wie immer.

Nur der Lauf der Dinge war geändert worden ...

Mal wieder.

die Rückmacher

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