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Ich starrte die Zeitung an und konnte es nicht fassen, was ich da gelesen hatte, also las ich es noch einmal.

Die Regierung trauert um

Kurt Müller

und

Frank Schätz

die ihr Leben tapfer zum Schutz des Unionator bei einem Putschversuch in der vergangenen Nacht ließen.

Die Gedanken des Unionator sind in diesen Stunden bei den Hinterbliebenen.

Die Regierung zeichnet

Kurt Müller

und

Frank Schätz

für ihre Verdienste um die Wahrung des Lebens des Unionator

jeweils mit dem

Orden der Union, Erster Klasse

aus.

Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich verstand nicht, was ich da las. Ich wusste nur, das konnte nicht sein!

Jetzt, wo ich wieder »zu Hause« war und die aktuelle Tageszeitung gelesen hatte, die ich mir an dem Kiosk gekauft hatte, den es am Rande des Neukölnerparks gab und den Jungen von der Regierung und dessen seltsames Verhalten in den Hintergrund gedrängt hatte, erinnerte ich mich wieder daran was gestern spät abends passiert war und was ich heute Morgen in der Stadt gesehen hatte.

Der Unionator lebte, ebenso seine Getreuen – es hatte aber einen Putsch gegeben, das stimmte, wie mir die beiden Anzeigen bestätigten!

Aber nur zwei Menschen waren dabei gestorben – und nicht zwölf oder dreizehn wie ich es gestern gesehen hatte, als der Putschist fast gelassen seine kleine, aber effektive MP gezogen und mit dieser kalt um sich geschossen hatte.

Was bedeutet das? Der Putschist hatte doch geschossen, keiner kam mehr dazu zurück zuschießen oder sich in die Schussbann zu werfen! Der Putschist hatte sie alle niedergemäht und war dann gelassen von dannen gezogen!

Alle waren gestorben – ich hatte das doch gesehen!

Aber nein, die Zeitung sagte was anderes und meine Augen – dieselben die gestern noch gesehen hatten wie er gestorben war – sagten mir das der Unionator noch lebte.

Äh?

Ich blätterte mich durch die Zeitung und suchte die kleine Meldung, die den Putsch ganz knapp zusammenfaste.

Tot des Unionator durch Geistesgegenwärtigkeit seiner Leibwächter vereitelt

Wie die Unionsicherheit mitteilte, hat ein Putschist gestern Abend versucht, den Unionator zu töten. Durch die schnelle Reaktion der Leibwächter konnte dies jedoch vereitelt werden. Zwei der Leibwächter ließen jedoch ihr Leben; sie wurden postum mit dem Orden der Union, Erster Klasse ausgezeichnet. Wer der Putschist war oder was für Absichten er gehabt hatte ist nicht bekannt – er wurde noch vor Ort beim Schusswechsel so schwer verletzt, das er seinen Verletzungen erlag. Der Unionator ließ über einen Sprecher mitteilen, dass er sich von Putschisten und ihren Taten nicht beeindrucken lasse, und dass solche Taten immer zum Nachteil der Putschisten enden würden.

Das war alles. Keine Angaben zum Ort und zu dem was ich gesehen hatte und ...

Ach, scheiße Jes! Was immer da auch abgelaufen war – gestern Abend – es hat sich nicht so abgespielt wie du es gesehen hast!

Aber ich war doch nicht blöd! Ich hatte genau gesehen wie der Unionator gestorben war – er und noch eine ganze Menge mehr Menschen. Und ich hatte gesehen, wie der Putschist von dannen gezogen war!

Seltsam, alles war so seltsam.

Meine Gedanken wanderten vom Unionator zum seltsamen Verhalten des Jungen von der Regierung.

Was hatte den eigentlich zu seinem Verhalten getrieben?

Unwillkürlich faste ich mir an den Hinterkopf, dort wo ich mit ihm auf dem Boden aufgeschlagen und mir eine Wunde zugezogen hatte, die ich gar nicht bemerkt und die der Junge abgetupft und behandelt hatte.

Das blutgetränkte Taschentuch … der Junge hatte mir nichts getan, sondern mir nur geholfen!

Seltsam ...

Das war echt seltsam! Er hatte nicht einmal auch nur so ausgesehen – jetzt im Nachhinein sah ich das erst! – als wollte er mit mir ... na ja ...

Seltsam. Das war richtig seltsam – und verwirrend, denn der Junge hatte ein Netz gehabt, schien ein richtig wichtiges Tier zu sein und hätte mich im Bruchteil einer Sekunde überwältigt gehabt.

Aber nein statt das zutun – was die Besseren gemacht hätten, die in dieser Situation gewesen wären in der ich und der Junge gewesen waren –, hat mich der Junge zum Neukölnerpark gebracht und mir sogar ganz offen gesagt das ich dort sicher war.

Wer war der Junge? Der Junge mit den eiskalten blauen Augen, die so seltsam die Umgebung musterten.

Ich wusste darauf genauso wenig eine Antwort, wie auf die Sache mit dem Unionator.

Aber ich würde alles daransetzten, damit das nicht so blieb!

Das hatte ich mir schon mal vorgenommen, jetzt war es Zeit dem auch nachzukommen!

Auf in die Medien, Jes!

Die öffentliche Medien-Anstalt ist ein Gebäudekomplex der dem alten Dom – was die Höhe anbelangt – Konkurrenz macht. Mit rund dreihundert Metern ist es das höchste Gebäude von Köln und der näheren und weiteren Umgebung. Zutritt zu diesem Bau, der überwiegend Kreisförmig ist und aussieht wie ein beschädigter Zylinder, haben nur jene die eine Scankarte besitzen –

also auch ich!

Und entgegen der Empfehlung des Jungen von der Regierung, das ich mich für die nächsten Tage im Neukölnerpark verstecken sollte, stand ich nun – auch entgegen meines Verstandes – vor diesem Bau, der gläsern in der Sonne blitzte und mir zu sagen schien: »Du machst ein Fehler, Schätzten, wenn du dich in die Höhle des Löwen begibst!«

Ich ignorierte sämtliche Warnungen und trat tapfer mit gezückter Scankarte auf den Eingangsbereich der öffentlichen Medien-Anstalt zu. Der Portier an der großen Flügeltür musterte mich von oben bis unten, dann tippte er sich kurz an die Mütze und hielt mir die Tür auf.

Erste Hürde geschafft!

Ich trat ein – in diesen Bau des Wissens –, und blieb dieses Mal nicht wie sonst immer stehen, um die erhabene Schönheit des Inneren zu bewundern, sondern bewegte mich zielstrebig auf den eigentlichen Eingang zu.

Fünf Wächter, zwei Hunde, unzählige Kameras und Drohnen galt es nun zu überwinden und zu täuschen.

Ich hielt nach dem schwächsten Glied in der Kette der menschlichen Wächter Ausschau – und hatte Glück. Ich setzte eine Miene auf, die manche Studentinnen hatten, wenn sie diesen Bau zum ersten Mal betraten und steuerte einen blutjungen Wächter an der nicht einen Tag älter sein konnte als ich, eher sogar jünger.

»Entschuldige bitte«, säuselte ich den jungen Wächter an und klimperte mit den Wimpern.

Ich konnte sehen wie das Blut in dem Jungen in Bewegung geriet und ich nahm eine Haltung ein, bei der meine Brüste gut zur Geltung kamen – ich fühlte mich dabei richtig, richtig scheiße. Aber ... was soll´s, wenn ich rein wollte in die Medien, musste ich halt ein wenig leiden.

»Ja?«, krächzte – er krächzte wirklich! – der Junge und versuchte nüchtern zu bleiben, was ihm nicht gelang.

»Ich möchte gern in die Medien!«, teilte ich ihm meine Absicht mit und deutet dabei auf den Bereich hinter der Absperrung, die zwischen mir und dem Jungen lag – natürlich achtete ich dabei darauf das meine Vorzüge gut zu Geltung kamen, was mir natürlich perfekt gelang.

»Ja ... ähm ... ich bräuchte Ihre ... deine Scankarte!«, stammelte der Junge und streckte fordernd eine Hand aus.

Jetzt war der Moment gekommen in dem es schwierig wurde. Klar hatte ich eine Scankarte, nur gehörte die einem Jungen – wem, das sah man nicht, aber man hatte eine genaue Beschreibung der Person, dem die Karte gehörte.

Und ich passte ganz bestimmt nicht auf diese Beschreibung!

Jetzt war schauspielerisches Talent angesagt!

»Ja, warte!«

Ich begann umständlich in meiner abgewetzten Tasche zu kramen, beförderte allerlei Dinge zutage die den Jungen noch mehr Farbe ins Gesicht zauberte und seufzte dann so tieftraurig das es schon an Übertreibung grenzte, doch der Junge nahm es mir ab.

»Gibt es ein Problem?«, fragte er und ich musste mir ein verächtliches Lächeln über seine Wortwahl verkneifen.

»Ja«, seufzte ich. »Ich hab die Karte meines Bruders eingesteckt – statt meine!«

»Oooh, das ist schlecht«, sagte der Junge und ich hätte ihm am liebsten ausgelacht – er war richtig einer von diesen die sich besser als die Besten fühlten, dabei sah er nicht nur abstoßend aus sondern roch auch genauso!

Pubertierender Blödmann! Würdest du dich nur ein wenig zurückhalten und etwas würdevoller auftreten – die Mädchen würden schon eher gefallen an dir finden, als so wie du jetzt auftrittst!

Ach ja, etwas Deo wär auch nicht schlecht!

»Kannst du die vielleicht annehmen?«, fragte ich und hielt ihm die geklaute Scankarte hin. »Mein Bruder war auch schon oft hier!«, fügte ich hinzu.

»Also, das geht eigentlich nicht ...«

Ha! Ich hatte gewonnen, mal wieder, denn wann immer ich diese Tour abzog, wie die gerade, dann kam immer irgendwann der Satz »Also, das geht eigentlich nicht ...« und ich wusste dann das ich gewonnen hatte!

»... aber ich könnte eine Ausnahme machen, für dich!«, beendete der Junge seinen Satz und sah mich so an, als erwartete er das ich ihm um den Hals fallen würde.

Ich musste unwillkürlich schlucken und hoffte, dass er das nicht ernsthaft erwartete – so wie der eine Wächter, der einmal ernsthaft wollte das ich ihm einen Kuss gab!

Ich hatte noch Tage danach Baukrämpfe gehabt.

»Danke, das wär echt nett von dir!«, sagte ich und reichte dem Jungen die Scankarte wobei meine Hand wie zufällig seine berührte – etwas Belohnung musste sein.

Das reichte ihm anscheinend auch, denn er wandte sich seinem Computer zu, scannte die Karte und nickte dann.

»Brauchst du Hilfe?«, wollte er wissen, während er mir die Karte zurück gab, und ich sah dabei Hoffnung in seinen Augen.

Schnell schüttelte ich den Kopf, er nickte – traurig blickend – verstehend und ließ mich passieren.

»Rechts am Ende des Ganges sind die Aufzüge. Die einzelnen Etagen sind beschriftet!«, sagte er noch, dann war ich weg aber ich rief ihm über die Schulter noch ein helles »Dankeschön!« zu.

Noch während ich meinen Kopf wieder nach vorn wandte, spürte ich seine Blicke auf meinem Arsch und ich machte ihm die Freude aufreizend mit diesem zu wackeln, dann aber – als ich um die nächste Kurve war, hinter der die Aufzüge lagen – hörte ich schlagartige auf das leicht blöd-hübsche Mädchen zu sein und wurde wieder die wahre Jes.

Geiler Kerl!, dachte ich, drückte den Rufknopf und wartete auf den Aufzug, der mich hoch zu den Wahrheiten bringen würde.

Hoffte ich, den das Gebäude der öffentlichen Medien-Anstalt war nicht grundlos so hoch in die Luft gebaut worden! Es beherbergte Milliarden an Büchern und Schriften, Datenträgern und Dingen.

Man konnte durchaus Jahre damit vergeuden, wenn man nach etwas bestimmten suchte, aber nicht wusste wie man es schlüssig als Schlüsselwort zusammenfasste.

Es gab zwar intelligente Computer die meistens verstanden was man genau wollte, aber die waren selten und die öffentliche Medien-Anstalt besaß noch keinen.

Kein Wunder bei einem Preis von rund vier Milliarden Unions!

Ich stellte mich auf eine lange, schwere Suche ein, als ich in den Aufzug stieg und den Knopf für die vierunddreißigste Etage drückte – der höchsten, obwohl über ihr noch einige Etagen lagen, doch die wurden von irgendeiner Regierungsstelle benutzt und waren nicht zugänglich.

die Rückmacher

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