Читать книгу die Rückmacher - W. von Canaris - Страница 6

3

Оглавление

»Warum hast du das getan?«

De Salvo raste die Straße Richtung Köln entlang und verstand sich selbst nicht mehr. Warum hatte er dieses Mädchen – diese Deserteurin! – laufen lassen? Sie sogar zum Neukölnerpark gefahren, in dem die Staatsmacht so gut wie machtlos war, was jeder verdammt gut wusste.

»Warum hast du das getan?«, fragte de Salvo sich noch einmal und wusste immer noch keine Antwort. Er hatte das Mädchen einfach laufen lassen! So etwas war strengstens verboten und unverzeihlich wenn es heraus kam! Man würde ihn rausschmeißen, heimschicken! Rückmacher durften alles – nur keinen Kontakt zu Menschen haben. Keinen!

Und was hatte er, Santa Maria de Salvo, getan? Er hatte dem Mädchen von der Straße geholfen, sie in sein Auto gesetzte und zum Neukölnerpark gefahren!

Idiot!

Wenn das herauskam ...

Wenn das herauskam, dann war er schneller von dieser Welt verschwunden, als er seinen bescheuerten Namen buchstabieren konnte!

I–d–i–o–t!

De Salvo starrte auf das schwarze Band der Straße und ließ seine Gedanken verstummen – etwas was auf Kommando funktionierte, weil er ja kein Mensch war.

»Verfluchte Scheiße!«

De Salvo riss das Lenkrad herum und kam mit qualmenden Reifen am Straßenrand stehen. Wütend schlug er auf das Lenkrad ein, dann sackte er in sich zusammen und starrte dumpf vor sich hin. Er wusste genau warum er das gerade mit der Deserteurin getan hatte. Sein Körper – seine Seele, besser gesagt – veränderte sich. Sie nahm immer mehr und mehr menschliche Züge an!

Er, de Salvo, hatte so etwas wie Mitleid gefühlt, als er das abgerissene Mädchen da so hilflos auf der Straße liegen und die verächtlichen Blicke des Polizisten gesehen hatte. Und etwas in ihm hatte den Entschluss gefasst, dass er das Mädchen in seinen Wagen verfrachten und beim Neukölnerpark laufen lassen sollte.

Warum? Warum hatte sein Inneres das so beschlossen?

Was bedeutet ihm das Schicksal des Mädchens? Nichts!

Er hätte sie dem Polizisten überlassen können und sie wär höchstwahrscheinlich nach X3 und er pünktlich zu seiner Besprechung mit dem Obersten Rückmacher gekommen!

Stattdessen … besagter Termin lag nun schon über eine Stunde in der Vergangenheit!

De Salvo richtete sich auf, warf den Motor seines Wagens wieder an und gab Gas.

Unterwegs wurde ihm klar dass seine Aufenthalte unter den Menschen wohl dazu geführt hatten, dass er das getan hatte, was er heute getan hatte. Er hatte sie zu oft beobachtet wie sie sich verhielten, das er wohl instinktiv reagiert hatte, ohne groß zu verstehen was er da getan hatte.

Scheiß drauf, de Salvo! Wie sagen doch die Menschen: Jeder hat mal einen Anfall von Schwäche – oder so ähnlich …

Es wird schon nicht mehr vorkommen!

»Ach, der Herr des Tages lässt sich auch noch mal blicken!«

De Salvo ignorierte den ironischen Satz des Obersten Rückmachers von Köln und ließ sich einfach kommentarlos vor dessen Schreibtisch in einen Sessel fallen, was dazu führte das der Oberste ihn mit gehobener Augenbraune anblickte.

»Na, was sagt man den dazu? Der Herr ist ja ganz seltsam drauf! Ist Euch nach Urlaub – den hättet Ihr verdient!«

»Mir ist nicht nach Urlaub, Sir!«, sagte de Salvo, obwohl er sich schon seltsam fühlte – seine Gedanken rasten, obwohl er sie doch abgeschaltet hatte.

Scheiß Mädchen! Wärst du mir bloß nicht vors Auto gelaufen!

»Nicht nach Urlaub – also Ihr seht für mich sehr Urlaubsreif aus!«, meinte der Oberste Rückmacher und musterte de Salvo. »Aber gut, wen Ihr kein Urlaub braucht ...«

De Salvo schüttelte bekräftigend den Kopf und fand die ganze Unterhaltung um das Thema Urlaub ziemlich lächerlich – wusste doch der Oberste genauso gut wie er das sie beide keinen Urlaub brauchten, weil sie unendliche Kraft hatten und nie erschöpft waren.

Schließlich brauchten Rückmacher auch keinen Schlaf!

De Salvo vermutete das der Oberste nur von Urlaub sprach, um damit einen Faden zu haben, den er aufnehmen und mit dem Verknüpfen konnte, weswegen sie eigentlich hier waren.

»Nun – wenn Sie keinen Urlaub brauchen, so brauchen Sie aber etwas anderes, de Salvo!«

Also doch – der Oberste hatte nur von Urlaub gesprochen, um jetzt mit dem ganz großen Knall rauszurücken. De Salvo ahnte schon mit was.

»Sie brauchen eine Beförderung, damit Sie weiterkommen! Ich ernenne Sie – auf Grundlage Ihrer heutigen Arbeit, die exzellent war – zum Mittleren Rückmacher!«

De Salvo musste ein wenig grinsen. Der Oberste hatte nie verstanden das man mit solchen Dingen sehr theaterreich kommen musste: mit dramatischen Pausen und Spannungsbögen – so taten es die Menschen!

»Was grinsen Sie so dämlich, de Salvo?«, fragte der Oberste und ließ ein Schnaufen hören, das gut zu seinem dicklichem Äußeren passte.

»Oooch, nichts Sir!«, versicherte de Salvo unterwürfige. »Ich dachte gerade nur daran, das Ihnen das Talent fehlt, mit dem menschliche Chefs ihre Untergebene stacheln und ins schwitzten bringen: Erst lassen sie ja nur schlechtes hören, und dann – zack, die Beförderung!«

Der Oberste Rückmacher schnaufte noch einmal und meinte: »Dieses Talent ist ein solch bescheuertes, das ich mich schäme es einzusetzen! De Salvo, wenn Sie mal Leiter werden – und das werden Sie – dann denken Sie daran das Sie so wenig menschliche Züge umsetzten, wie nur irgend möglich! Das hatte schon mein Vorgesetzter mir eingebeult und das werde ich Ihnen auch einbeulen, wenn ich den Eindruck habe das Sie sich ... menschlich benehmen! Verstanden?«

»Verstanden!«, nickte de Salvo und fühlte sich dabei äußerst unbehaglich – auch etwas, was er früher nie verspürt hatte.

Wenn der Oberste wissen würde, wie tief das Menschlich schon in mir ist – er würde mich auf der Stelle nach Hause schicken. Und genau da will ich nicht hin!

Zwickmühle!

»Nun, das ist schön, dass Sie mich verstanden haben – de Salvo, Mittlere Rückmacher!«, nickte der Oberste zufrieden. »Aber sagen Sie doch mal, de Salvo: Warum fragen Sie mich eigentlich nicht warum ich Sie ausgerechnet heute befördert habe, wo Sie doch schon so viel hervorragendes geleistet haben?«

»Das haben Sie mir doch schon gesagt! Sie haben mich befördert, weil ich heute exzellente Arbeit geleistet habe – die Sache mit dem Unionator meinen Sie doch damit!?«

»Jaja, das sagte ich – aber warum war ausgerechnet diese Sache ausschlaggebend für Ihre Beförderung?«

De Salvo fragte sich, auf was der Oberste hinaus wollte, wusste aber keine Antwort und zuckte mit den Schultern. »Weil in dieser Rückmache der Unionator verwickelt war?«, riet er ins Blaue hinein.

»Nein – oder auch ja«, wackelte der Oberste mit dem Kopf. »Das wirklich ausschlaggebende war, wie kreativ Sie die Sache rückgängig gemacht haben. Das hat mich beeindruckt.«

»Sir, ich verstehe nicht ganz!«, gestand de Salvo ernst.

»Na, jetzt übertreiben Sie es aber, de Salvo«, tadelte der Oberste. »Sie stellen sich ja kleiner hin, als Sie es in Wirklichkeit sind – da lesen Sie, was Sie programmiert und rückgängig haben!« Und mit diesen Worten warf der Oberste de Salvo den Programmbericht in den Schoss, der diesen nur verstört anblicken konnte.

die Rückmacher

Подняться наверх