Читать книгу die Rückmacher - W. von Canaris - Страница 5

2

Оглавление

Als ich aufwachte war mir kalt und ich fühlte mich, wie jeden Morgen, einfach nur scheiße. Aber das war, wie jeden Morgen, nur der erste Moment. Es war der Moment des Übergangs aus dem Schlaf- ins Wachsein. Ich vermute schon lange, dass mein Gehirn mich verarscht, wenn es den Gefühlsimpuls aussann, der mich Scheiße fühlen ließ. Denn wenn ich erst einmal wach war, fühlte ich mich schon weniger scheiße. Und wenn ich erst mal wieder auf Touren kam, dann fühlte ich alles – nur nicht das Gefühl Scheiße.

Ich richtete mich auf – in meinem Zimmer, das nichts anderes war, als ein besseres Kaninchenloch. Aber ich lebte hier schon seit fünf Jahren, und ich war hier noch nie gefunden worden, wen ich gesucht worden war. Das sagte doch schon alles. – und wankte zum Ausgang aus dem besseren Loch, schlug mich durch das dichte Gebüsch, das das Loch umgab, Richtung Toilette, lauschte ob jemand in der Nähe war (was nie der Fall war) dann ließ ich meine Hose runter und entleerte mich.

Ja, einfach mitten im Wald.

Ich lebe nicht wie eine superreiches Mädchen, doch ich fühlte mich immer so, wen ich morgens dahockte, auf die Geräusche des uralten Waldes um mich herum lauschte und mich dabei erleichterte.

Ich glaube, ich habe das schönste Klo, das man haben kann, den ich sehe jeden Morgen die Sonne aufgehen, während die »Besseren« höchstens nur ihre Fliesen an der Wand betrachten konnten.

Und im Übrigen – wer hatte schon den Luxus eines eigenen Baches, der klar und kühl an seiner Toilette vorbei floss und den er seinen eigenen nennen konnte?

Genau – niemand, außer mir!

Ich zog meine Hose, die ich mal von einem »besseren Mädchen« geklaut hatte und die verdammt gut warm hielt, hoch, lief zum Rand des Baches und spritzte mir mutig zwei Handvoll Wasser ins Gesicht – war das beleben!

So belebend, das mir wieder einfiel was ich gestern Abend erlebt hatte.

Der Unionator war tot!

Es gab eine neue Macht in der Union!

Es gab nun Freiheit für mich und all den anderen, die nicht bereit waren sich in das System einzugliedern!

Froh, dass ich das erleben durfte, wusch ich mich heute besonders gründlich. Dann kroch ich wieder in mein besseres Kaninchenloch, das in Wahrheit eine kleine, aber sehr behagliche Höhle war, die ich äußerst wohnlich eingerichtet hatte. In einer Ecke war mein Schlafplatz, in einer anderen ein bisschen Platz wo ich mir was zum Beißen kochen konnte – sofern ich die dazu benötigten Dinge hatte (was seltener war, als mir lieb war) – und der Rest war etwas, das eine Art Wohnbereich sein sollte. Und genau dort bewahrte ich die drei wertvollsten Sachen auf die ich besaß: Eine echte und funktionsfähige geladene Pistole (Selbstschutz war das A und O wenn man eine wie ich war); ein Radio das man mit einer Kurbel auflud; und eine Scankarte die ich einem Jungen geklaut hatte, der gedacht hatte ich würde für ihn die Beine breit machen – ich hab ihm eine solche Ohrfeige verpasst, das er wohl noch Tage danach Kopfschmerzen gehabt hatte.

Die Scankarte war genau genommen eigentlich das allerwertvollste was ich besaß, denn mit ihr konnte ich in die Bereiche der Öffentlichen Gebäude kommen, die den »Besseren der Besseren« vorbehalten war – niemand hatte sie je sperren lassen, ich denke dem Jungen dem ich die Ohrfeige verpasst habe, hatte wohl Angst das ich eines Nachts bei ihm auftauchen könnte und ihm ... na ja, nicht so wichtig …

Viel wichtiger war mir jetzt in die Stadt zu gehen, hin zu der freien Union, die über Nacht entstanden war.

Ich suchte meine Sachen zusammen, steckte die Pistole vorn in die Hose und die Scankarte in die Gesäßtasche, dann war ich bereit für den ersten Tag in einer neuen – freien – Union.

Ich freute mich wahnsinnig, endlich so leben zu dürfen, wie ich es wollte und nahm mir auch vor nie wieder etwas zu stehlen – doch ein allerletztes Mal würde ich noch etwas stehlen müssen und das war mein heutiges Frühstück.

Das klaute ich mir gern bei einem dieser Schlitzaugenrestaurants, die sich Asia–Grill oder so ähnlich nannten, ohne erklären zu können warum sie sich ausgerechnet so nannten (jeder Schlitzauge der ein Restaurant eröffnete nannte es so oder so ähnlich, weil die anderen das ja auch taten und damit Punkt!).

Ich machte mich auf den Weg in die City von Köln, der Hauptstadt der Union.

Der neuen, freien Union!

Mir blieben die geklauten Asia–Nudeln im Hals stecken, als ich ihn sah.

Ihn!

Den, den ich gestern gesehen hatte.

Gesehen hatte, wie ...

Nein!

Nein, das konnte nicht sein!

Meine Hände zitterten. Mir war klar dass ich hier in Gefahr war, denn da bewegten sich gerade hunderte von Staatskräften auf mich zu. Drohnen schwebten über diese und auch zwei Helis machte ich oben am strahlend blauen Himmel aus.

Scheiße, Jes du musst abhauen!, rief mein Verstand, aber ich konnte nur gelähmt da stehen und auf die Prozession starren die sich auf mich zubewegte.

Nein!

Nein, das konnte – das durfte – nicht wahr sein!

Als die ersten Polizeifahrzeuge an mir vorbei fuhren und die Beamten mich misstrauisch beäugten, siegte endlich mein gesunder Verstand und ich sah zu das ich weg kam.

Ich lief bis zur nächsten Gasse, dann blieb ich wieder stehen, obwohl ich sonst in solch einer Situation Kilometerweit davongelaufen wär.

Doch ich konnte das heute nicht! Ich musste mich überzeugen, herausfinden, was da lief und ob ich mich nicht doch einfach nur irrte.

Denn das was ich da sah, konnte doch nicht sein!

Ich checkte kurz die Gasse – keine Gefahr von hinten –, dann wandte ich mich wieder der Prozession aus Polizei– und Regierungsfahrzeugen zu.

Gerade rollte die große, offene Limousine vorbei, die den Mann durch die Gegend kutschierte, den ich gestern noch sterben gesehen hatte.

Der Unionator!

Er lebte. Ebenso auch zwei seiner Getreuen und mindestens einen der Leibwächter die gestern ebenfalls gestorben waren.

Das. War. Doch. Völlig. Unmöglich!

Aber es war wahr. Ich sah sogar ganz kurz direkt in das Gesicht des Unionator, der breit lächelnd der Menge zuwinkte.

Was hatte das zu bedeuten? Hatte ich mir gestern alles nur eingebildet? War der Unionator nie dort gewesen, auf dem verlassenden Gelände der ehemaligen Eisenbahnwerke Köln-West?

War ich nie dort gewesen, versteckt in der Kesselschmiede?

»Nein, das kann nicht stimmen!«, flüsterte ich mir zu, was mir einen verwirrten Blick eines Passanten einbrachte, der aber schnell weiterging als er mich erkannte – erkannte als Deserteurin.

Menschen waren schon komisch. Wenn sie mich sahen – in meinen abgerissenen Klamotten und meinem gesamten leicht verwahrlostem Äußeren – sahen sie mehr als nur ein junges und für ihr Alter zu kleines Mädchen. Sie sahen genau, dass ich eine Deserteurin war – und noch mehr; dass man mit mir nur Ärger haben und sogar in Gefahr geraten konnte zu sterben wenn sie in meiner Nähe waren.

Menschen – besser: Die »Besseren« – waren ziemlich krank. Sie waren so voreingenommen. Sie glaubten, dass alle Deserteure nur Mörder und Diebe waren – klar waren wir Diebe, aber nur weil wir ja überleben mussten! – und hatten sogar vor einem Mädchen Angst, dass doch jeder halbwegs starke Mann in Schach halten konnte.

Jes, du schweifst ab!, erinnerte ich mich selbst daran, dass es gerade was ganz anderes gab, über das ich nachdenken musste – und im Übrigen täuschte mein Äußeres schon die Menschen um mich, den ich war stark, flink und schlau genug mich gegen einen halbwegs starken Mann behaupten zu können.

Aber ich schweife wieder ab.

Wie, verdammt nochmal, konnte es möglich sein das der Unionator lebte?, fragte ich mich. Ich hatte ihn streben gesehen und ich wusste ganz genau, dass er gestorben war!

Gestern. Nein – es war sogar erst vor wenigen Stunden gewesen! Vor ganz wenigen Stunden!

Ich musste der Sache auf den Grund gehen.

»He, du!«, rief eine Stimme und konnte damit nur mich meinen (den welcher »Bessere« rief einem anderen »Bessern« »He, du!« zu?).

Ich blickte auf und direkt in das Gesicht eines Polizisten.

Ich war überrascht und der Polizist auch.

Ich fing mich aber schneller und war weg, eh der Bulle mich packen konnte.

»Stehen bleiben!«, hörte ich ihn hinter mir rufen, doch er war weit weg.

Ich drückte mich durch die Menschenmasse, geriet aber – trotz mein er Bemühungen genau da nicht hinzugeraten – immer näher an die Straße heran, wo die Wagenkolonne immer noch nicht vorbei war.

Und dann war ich mitten auf einer Kreuzung, keine Ahnung wie ich hierhin gelangt war, aber ich verschwendet daran keinen weiteren Gedanken – ich musste schnellstens wieder von der Kreuzung runter, auch wenn ich zum Glück hinter die Wagenkolone geraten war.

Ich lief los, und sah den Wagen, als es schon zu spät war.

Mit voller Wucht wurde ich erfasst und nach vorn geschleudert. Schmerzhaft kam ich auf der Straße auf, hörte den schweren Motor und wusste dass es jetzt aus war.

Scheiß Ende!

Aber es war nicht zu Ende!

Der Wagen stoppte wenige Millimeter vor mir. Ich atmete erleichtert ein und aus, spürte dass ich mir – o Wunder – keine Rippe gebrochen hatte und versuchte mich aufzurichten, was schmerhaft war, aber ging.

Mir war klar, dass ich jetzt ein dickes Problem hatte. Ich lag mitten auf der Straße, vor mir stand ein Regierungswagen (wie mir das Kennzeichen, wenige Zentimeter von meiner Nase entfernt, freundlich mitteilte) und vom Bürgersteig aus blickten mich genügend Passanten an, was mir klarwerden ließ, dass es aus war!

Ich würde jetzt verhaftet und in eines der Gefängnisse wandern.

Ich begann zu zittern, und ich war kurz davor loszuheulen, konnte mir das aber – noch – verkneifen.

Ergeben wartete ich auf die Handschellen, doch das erste was ich sah, war ein Junge der in meinem Alter war und mich ziemlich seltsam anblickte. So als hätte er noch nie ein dreckiges Mädchen gesehen – was wohl höchstwahrscheinlich auch zutraf.

»Ist Euch was passiert?«, fragte mich der Junge steif.

Eindeutig, das erkannte ich als ich ihn schnell checkte, er hatte schon den Hang zu Realität verloren, wenn er eine Gleichaltrige mit Euch ansprach.

Armes Regierungsschwein!

»Nein!«, antwortet ich ihm und überlegte ob ich vielleicht die Gelegenheit nutzten sollte abzuhauen – der Junge war zwar groß, aber auch genauso klapprig und offensichtlich leicht unterbelichtet.

Doch eh ich mich entscheiden konnte, konnte ich meine Überlegung auch wieder begraben, denn ein Polizist in Uniform trat zu uns heran.

»Ist Ihnen etwas passiert?«, fragte der Bulle – natürlich nicht mich, sondern den Jungen von der Regierung.

Das ist nichts ungewöhnliches, schließlich bin ich die Deserteurin – ob es mir gut oder schlecht geht interessiert niemanden. Das wusste jeder, nicht aber, so schien es mir, der beschränkte Junge von der Regierung.

Denn er blickte den Polizisten verstört an, eh er langsam mit dem Kopf wackelte. »Mir ist nichts passiert – aber der Dame hier!«

»Dame?« Der Polizist war jetzt dran verstört zu gucken. Er blickte vom Jungen zu mir und wieder zurück und langsam schlich sich dabei eins von diesem besonderen Lächeln in sein Gesicht. »Kommen Sie aus Berlin?«, fragte er den Jungen, der ihn jedoch zur Antwort erst einmal nur noch ein bisschen mehr verstört anblickte.

Anscheinend kam der Junge von einem anderem Stern, wenn er nicht mal den Spruch kannte, den man Union auf und Union ab sagte.

»Kommen Sie aus Berlin?« war keine Frage sondern ein Ausdruck von Respekt und Neid – den Berlin war die einzige Stadt der Union in der es kein einzigen Deserteur oder eine Deserteurin gab. Man erschoss sie dort einfach kurzerhand. Mitten auf der Straße, was sich schnell herumgesprochen und dazu geführt hatte das niemand von den Deserteure sich Berlin auch nur noch näherte.

»Nein, ich komme nicht aus Berlin – ich wüsste auch nicht was das jetzt mit dieser Situation, in der wir uns gerade befinden, zutun hat! Haben Sie schon einen Krankenwagen gerufen?«, fragte der Junge den Bullen und dann kniete er sich doch tatsächlich neben mich und blickte mich fragend-seltsam an.

Seine Augen waren das erste was mir an ihm auffiel als ich seinen Blick erwiderte. Sie waren Blau – aber so, dass es einem kalt den Rücken runter lief. Und in ihnen lag, wie angeboren, dieser seltsame Blick. Ein Blick der alles erfasste, aber nur ein Gefühl dazu abgab, was es erfasste – Kälte. Mein anfänglicher Verdacht es mit einem Unterbelichteten zu tun zu haben, verschwand. Stattdessen fragte ich mich, ob der Junge vielleicht einer dieser seltsamen Spezialeinheiten angehörten, über die es so viele Gerüchte gab – aber das konnte nicht sein, dazu war er doch noch viel zu jung!

Der Mund des Jungen zuckte, als seine Augen über meinen Körper huschten – er war also doch nicht so gefühlslos, schien zumindest zwischen den Beinen noch Gefühle zu haben. Nicht unterbelichtet, aber im Endeffekt doch einfach nur ein Junge!

Schwein! Wollte mir an die Wäsche, das sah ich sofort!

»Ähm, Sir, dies ist eine Deserteurin!«

Der Bulle, fast hätte ich den vergessen!

Der Junge wandte seinen Blick nicht von mir ab, als er sagte: »Sie dürfen gehen, ich werde schon das tun, was nötig ist!«

Oooh ja, das würde er!, dachte ich und bekam langsam einen Druck auf der Brust, der von der Angst kam, die sich langsam in mich breit machte.

»Aber, Sir ...«, setzte der Bulle an, doch der Junge erhob sich abrupt und brachte ihn zum Schweigen, indem er ihm einen Ausweis unter die Nase hielt.

Der Bulle wurde blass, nickte entschuldigend, murmelte einige entschuldigende Wörter und verschwand.

Der Junge musste ein ganz hohes Tier sein!

Umso mehr war er deswegen ein Schwein! Dafür hasste ich ihn noch mehr. Ich kannte die Männer von der Regierung die sich oft ein ganz besonderes »Spielzeug« nahmen. Mädchen und Jungen in meinem Alter, die keine andere Wahl hatten, wenn sie nicht in einem der X landen wollten.

Du geiles Schwein!, dachte ich voller Hass während gleichzeitig die Angst die Oberhand ergriff – gemeinsam mit dem Überlebenswille und dem Wille ganz bestimmt nicht das »Spielzeug« dieser schwarzhaarigen Vogelscheuche zu werden.

Der Junge drehte sich zu mir um, in dem Moment in dem ich die Beine anwinkelte um sie ihm tief in die Eier zu rammen. Aber ich tat es nicht, denn der Junge sah was ich tun wollte, wich aber keineswegs zurück, sondern er lächelte nur unverschämt ruhig.

»Nur zu, trete zu und bedank dich so bei deinem Retter! Sobald du zugetreten hast, lass ich dich abtransportieren – tot, versteht sich!«

Ich wurde blass, als ich das hörte. Klar, das klang alles so hochtrabend und weit hergeholt. Nach Macho. Aber der Junge meinte es bitterernst!

Und das zeigte er mir auch ganz kurz, indem er das Netz, das ihn umgab, kurz sichtbar machte.

Scheiße! Ich war dem Jungen ausgeliefert! Und er war ein ganz hohes Tier, den nur die hatten ein Netz, das sie vor körperlichen Angriffen schützte.

Nicht vor Waffen – denn wenn dem so wär, dann wär der Unionator gestern nicht ums Leben gekommen – aber vor Tritten und Schlägen schon. Das Netz schlug einfach zurück – mit einem Stromimpuls der einem das Gehirn kurz im Gehirnwasser aufkochte.

Der Unionator!

Er war gestern ja gar nicht ums Leben gekommen!

Gab es etwa noch einen anderen Typ von diesem Netz – eines das Kugeln standhielt und einen nur für kurze Zeit Bewusstlos machte? Nein ... die Toten hatten eindrucksvolles Blut außerhalb, und echte Löcher innerhalb ihres Körpers gehabt!

Der Unionator war gestern gestorben – aber er lebte heute!

Jes, du Ziege, komm mal in die Wirklichkeit zurück!, erinnerte ich mich an die jetzige Situation die schon genug Stoff zum Nachdenken bot.

Der Junge da vor mir war stark, mir überlegen und hatte eindeutige Absichten – ich konnte heulen, tat es aber nicht.

Würde Jes, bewahre Würde und zeig, dass du stolz bist eine Deserteurin zu sein!, mahnte ich mich.

Der Junge beugte sich wieder zu mir herab, als er sah das ich keinen Wiederstand – beziehungsweise Selbstmord (das Netz!) – begehen wollte, und (das fast ich nicht!) er steckte mir eine Hand hin.

Ich konnte seine Rechte nur dumm anstarren.

Er seufzte, packte mich fest unter den Achseln, hievte mich hoch und eh ich mich versah

saß ich in seinem Wagen! Genauer gesagt: ich auf der Rückbank und er hinterm Steuer.

Ich war wie gelähmt, konnte nicht sprechen und mich nicht bewegen. Köln schoss draußen vorbei, die Autos machten dem schwarzen Wagen mit dem Blaulicht auf dem Dach großzügig Platz.

Ich. Saß. In. Einem. Regierungsauto!

Ich war noch nie festgenommen worden. Noch nie in ein Auto gesteckt worden.

Und ich war noch nie in einem Auto gefahren!

Mir war schlecht. Schlecht weil ich die Fahrt nicht vertrug und ich Angst vor dem hatte was kommen würde.

Fraglos kommen würde!

Ich drückte meine Stirn gegen das kühle Seitenfenster und starrte nach draußen. Ich konnte kaum ruhig atmen, es wurde sogar noch schlimmer als wir aus Köln raus waren.

Ich wusste nicht wohin der Junge fuhr, nur das er mich ganz bestimmt nicht einfach nett durch die Gegend kutschieren wollte.

Er wollte mir an die Wäsche!

Bei dem Gedanken wie er mir an die Wäsche wollte – mit Gewalt, denn ich würde mich wehren – konnte ich keine Würde mehr aufrechterhalten. Ich fing an zu weinen. Ich heulte richtig, und nahm alles um mich herum nicht mehr war.

Seit fünf Jahre war ich eine Deserteurin. Nie war ich gefangen worden – und dann das!

Ein scheiß Unfall, in den ich nicht geraten wär, wenn ich nicht so in Gedanken wegen dieser Sache mit dem Tot des Unionator und seiner merkwürdigen Auferstehung gewesen wär.

Ich. Straße. Auto. Fahrer ein Junge und ganz hohes Tier der Regierung. Verfrachtet ins Auto. Irgendwohin. Anhalten. Sex. Nach eines der neun X. Tot.

Vielleicht – wenn ich Pech oder Glück, je nach Sichtweise, hatte – dann würde vorletztes entfallen und der Junge würde mich einfach nach dem Sex verschachern.

Ich schluchzte auf, und merkte plötzlich, dass der Wagen stand und dass jemand zu mir sprach.

» ... beruhige dich! Das war doch jetzt nicht ein Unfall, bei dem man einen solchen Schock davon trägt!«

Ich blinzelte und drehte mich zum Fahrersitz um. Der Junge hatte sich vorgebeugt und seine Rechte auf meine Schulter gelegt wo sie ziemlich verloren lag.

Angeekelt streifte ich sie ab. Er zeigte darauf keine Gefühlsregung.

»Beruhig dich. Hier!« Der Junge hielt mir ein großes, sauberes Taschentuch entgegen.

Ich zeigte ihm den Mittelfinger – auf der Mitleidstour würde er mir nicht an die Wäsche kommen, und auf der Gewalttour ... auch nicht! Ich würde kämpfen! – was ebenfalls keine Regung bei ihm hervor rief, außer einem Achselzucken und ein Stirnrunzeln (gut, es hatte ja auch nicht besonders eindrucksvoll ausgesehen wie ich ihm den Stinkefinger gezeigt hatte).

Sekunden verstrichen in den er mich mit seiner gerunzelten Stirn musternd anblickte – und dann war da ein plötzliches vorschießen seiner beiden Hände die ziemlich groß waren und meinen Kopf packten.

Ich wehrte mich, versuchte ihn abzuschütteln, aber er beachtete das gar nicht, sondern tat irgendetwas an meinem Kopf, worauf ich aufschreien musste.

»AAAAHAAA, du scheiß Kerl, das tut weh! Du tust mir weh!«

Ich hatte keine Regung – oder gar ein zurückziehen seiner Hände – erwartete, aber er tat es doch.

Ich starrte den Jungen zitternd an, dann fiel mein Blick auf das Taschentuch das er immer noch in der Hand hielt – nur, dass es jetzt nicht mehr weiß, sondern rot war. Rot vor Blut.

Meinem Blut!

»Was hast du gemacht, du Schwein?«, stieß ich bebend hervor, dann musste ich wieder weinen und fragte mich gleichzeitig ob es ihn geil machte mich so hilflos zu sehen – solche gab es ja.

Er sagte nichts, sondern stieg einfach aus dem Wagen aus, kam um diesen herum und öffnete die Tür an die ich mich kauerte.

Erschrocken wich ich zurück. Er wollte es auf der Rückbank mit mir treiben!

Ich spannte meinen Körper an und mein Verstand sagte mir, dass ich lieber sein Netz berühren sollte, als mich von ihm berühren zu lassen.

»Verdammt, du! Was denkst du eigentlich?« Der Junge beugte sich zu mir herein und sah mich an – seltsam, aber auch beleidigt. Nur nicht so, als würde er gleich über mich herfallen.

Seltsam ...

»Ich denke das du ... du weißt schon!«, sagte ich und schallte mich eine Feige, weil ich es nicht über mich brachte ihm offen ins Gesicht zu sagen, was ich dachte was er wollte.

Der Junge hob ein seiner Augenbraune, dann grinste er seltsam und sagte: »Steig aus!«

Ich sah ihn an, versuchte in seinem Gesicht zu lesen – doch es gelang mir nicht. Unsicher blieb ich zusammengekauert liegen und sah weiter starr und ängstlich zu ihm hoch.

Der Junge seufzte. »Weißt du wo wir hier sind?«, fragte er.

Ich sah ihn verwirrt an – Was sollte diese Frage den jetzt? – dann blickte ich an ihm vorbei nach draußen und traute meinen Augen nicht. Er hatte mich nach Hause gefahren!

Gut, nicht direkt nach Hause, aber immerhin an den äußeren Rand des Neukölnerparks. Wir waren auf der Seite, die am weitesten von Köln entfernt war.

»Hier willst du meine Leiche verschachern?«, fragte ich ihn – selbst nicht sicher sein ob das jetzt Ironie oder purer Ernst war.

»Natürlich – direkt nachdem ich dich ... du weißt schon!«, erwiderte der Junge, ging dabei wieder um den Wagen herum und setzte sich kommentarlos hinters Steuer und startete den Motor.

Ich blickte von ihm (äh?) zur offenstehenden Wagentür (großes äh?) – und mit einem Satz war ich aus dem Wagen und rannte los, Richtung Wald in dem er mich nicht mehr kriegen konnte, weil ich dort zu Hause und somit in meiner Welt war.

Ich rannte bis zu Grenze zwischen den Ausläufern des Waldes und des Waldes selbst – dann drehte ich mich um.

Der Junge war wieder ausgestiegen, schloss gerade sorgfältig die Hecktür und drehte sich dann zu mir um. »Bleib ein paar Tage im Wald, dort findet man Deserteure nicht so gut und dann pass beim nächsten Mal besser auf, wenn du eine Kreuzung überquerst!«, rief er mir zu.

Dann war er weg und ich starrte die Straße in Richtung Köln noch unendlich lange an.

Warum hatte er das getan?, fragte ich mich dabei. Er war der Stärkere von uns beiden gewesen! Er hätte alles mit mir tun können, was er hätte tun wollen – und wenn er dazu keine Lust gehabt hat, warum hat er mich nicht einfach dem Bullen übergeben? Mich wegsperren lassen?

Er arbeitet bei der Regierung und hatte mir – einer Deserteurin! – geholfen und mich nicht eingesperrt!

Das würde ihm doch den Kopf kosten! Das war doch ein fremdes Mädchen gar nicht wert!

Ich hatte einen dicken Kopf als ich mich umwandte und langsam nach Haus ging – erst die Beobachtung das der Unionator stirbt und wiederaufersteht, dann die Begegnung mit dem Jungen.

Was lief ihr verkehrt?

Ich wusste es nicht, nahm mir aber vor das herauszufinden.

die Rückmacher

Подняться наверх