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Die Ungewaschenen



Plötzlich tobte Tumult um sie herum.

Orbett streckte sich und stieß irgendwelche kreischende Laute aus. Dann begann er zu laufen.

Er kam nicht weit. Ein Kittelmann sprang ihn von hinten an und stieß ihm ein Messer in den Rücken. Er stürzte und blieb liegen.

Einige andere Kittelmänner kamen vom Kopfende her ins Blickfeld und rannten in den Hintergrund. Dort tauchte eine andere Gruppe von Kittelmännern auf, die sich jedoch hastig wieder zurückzog. Die Eindringlinge folgten ihnen. Durch die Wände und offenen Türen drang starke Unruhe wie von einer Schlägerei, durchsetzt mit quietschenden Schreien.

Um die Gefesselten kümmerte sich niemand.

Mark Tolins und Biggy beeilten sich, aus den Stricken herauszukommen. Sogar Finley fing an, sich zu rühren. Er drängte dabei mit Fragen, aber sie blieben unbeantwortet.

Sie schafften es nicht.

Plötzlich hatten sie wieder ein halbes Dutzend Transplutonier um sich herum. Sie lösten die Stricke und zerrten sie herunter. Die Arme und Beine ließen sie jedoch gefesselt.

Noch mehr Kittelmänner drängten sich heran. Sie hoben die Gefesselten auf und trugen sie im Laufschritt davon.

Mark Tolins verzichtete auf den Kampf. Er hätte sich trotz der gebundenen Hände und Füße zur Wehr setzen können, aber nach den ersten Überraschungserfolgen würden die Aussichten gering sein, wenn es wieder zu einem ähnlichen Aufgebot kam wie früher am Paternoster. Die Lage ließ sich auch im Augenblick überhaupt nicht übersehen. Vielleicht ergab sich später noch eine bessere Gelegenheit.

Sie schwammen auf ihren Trägern wie auf einer Welle durch eine Tür und durch einen Gang. Irgendwo hinter ihnen und über ihnen tobte immer noch der Lärm.

Die Plattform eines Paternosters nahm Mark Tolins und seine Träger auf. Die Plattform sank in die Tiefe.

Mark Tolins zählte mechanisch die helleren Gangöffnungen, an denen sie vorbeiglitten. Als er bis siebenundzwanzig gekommen war, hüpften die Träger mit ihm in eine kleine Halle hinaus. An der Gegenwand bewegte sich ebenfalls ein Paternoster. Sie sprangen auf, ohne sich aufzuhalten.

Mark Tolins zählte weiter. Er kam bis zwanzig, dann wurde er in eine noch kleinere Halle hinausgetragen, dann durch ein Stück Gang und durch eine Tür. Sie setzten ihn auf eine Matte und blieben hinter ihm stehen.

Die Reise war zu Ende.

Biggy und Finley fanden sich nur wenig später mit ähnlichem Gefolge ein und wurden ebenfalls auf Matten gesetzt. Diesmal sah sogar Biggy verwirrt aus.

»Ich will ja nichts sagen«, bohrte er vorsichtig, »aber so ein paar kräftige Winke mit dem Zaunpfahl wären genau das, was ich gebrauchen könnte. Diese Tour mit dem berühmten Gehirnspezialisten hattest du ja großartig hingekriegt, aber ich frage mich, ob sie jetzt noch. passt. Orbett ist getötet worden, soviel ich gesehen habe, und diese Leute hier könnten vielleicht weniger wild auf einen Kollegen von der Kopfarbeit sein. Also wie stehen wir?«

»Auf alles gefasst«, antwortete Mark Tolins, »sieh dir die Leute an.«

Es war gar nicht so einfach, etwas zu sehen. Hier unten war es noch dunkler als in einer Dunkelkammer. Das dünkelrote Licht war so schwer und so dick, dass es die Augen nur auf kurze Entfernung durchdrangen. Sie versagten nach Wenigen Metern. Alle Gestalten und Dinge kamen wie aus einem dicken Nebel heran, obgleich von Nebel keine Rede sein konnte. Diese geringe Reichweite machte alles unwirklich und gespenstisch, zugleich aber auch drohend. Die Körper spürten, dass um sie herum Gefahren lauerten, denen sie nicht begegnen konnten, weil sie zu plötzlich da sein würden.

Die Transplutonier, die sich im Sichtbereich befanden, sahen auffallend jung aus, glichen aber sonst weitgehend allen anderen, denen sie bisher begegnet waren. In einem Punkt unterschieden sie sich jedoch ganz entscheidend: Das metallische Schädelband fehlte! Die haarlosen, glatten Köpfe zeigten wie bei den Kindern keine Spuren eines Eingriffs. Diese Transplutonier befanden sich im vollen Besitz ihrer Denkkapseln.

Die Ungewaschenen! Die Männer ringsum glitten in die rote Nacht zurück und verschwanden. Sie konnten den Raum verlassen, aber auch nur einige Meter Abstand genommen haben.

Die Luft war schwer und stickig. Sauerstoff fehlte. Sie roch beißend nach Hauch und Schwefel.

Die Temperatur lag reichlich hoch. Der Körper dampfte wie unter einer Daunendecke.

»Sie haben Sanin umgebracht«, ächzte Finley, weil er sich wohl eben überlegt hatte, was ihm bevorstand. »Diese Verbrecher! Er wird uns fehlen. Wer weiß, wen sie uns an seiner Stelle vorsetzen werden. Ich hatte mich so an ihn gewöhnt. Ich werde ihn vermissen.«

»Hoffentlich!«, murmelte Biggy, und Finley begriff wohl die tiefere Bedeutung, denn er verzichtete darauf, seine Unruhe hinauszuschwatzen.

Ein Transplutonier kam heran. Er hockte sich vor den drei Männern auf eine Matte, die aus dem Hintergrund gerutscht kam. Sein Kopf war ebenfalls unversehrt. Seine großen Augen glühten wie feurige Kohlen.

»Ich bin Kylett«, sagt er mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein »Ich bin der Führer der Unberührten. Sie nennen uns die Ungewaschenen, weil sie uns verächtlich machen wollen, aber wir nennen uns die Unberührten. Sie haben schon von uns gehört?«

»Myrell erwähnte Sie«, antwortete Mark Tolins.

»Es war seine Idee, uns unberührt zu lassen und zu versuchen, uns trotzdem der Regierung gefügig zu machen. Das ist ihm missglückt, und deshalb ärgert er sich über uns. Diese alten Leute haben eben alle keine Ahnung mehr, was los ist. Und es passt ihnen natürlich nicht, dass die Zukunft bei uns, bei der Jugend liegt.«

»Heiliger Bimbam!«, entfuhr es Biggy, worauf Kylett ihn anstarrte.

»Passt es Ihnen auch nicht?«,

»Hm, bei uns liegt die Zukunft schon lange bei der Jugend«, wich Biggy aus. »So allmählich sind wir bis zu den Windeln zurückgerutscht, aber man soll ja die Hoffnung nie aufgeben. Das Pech ist nur, dass Jugend ein vorübergehender Zustand ist. Nach ein paar Jahren ist die jugendliche Herrlichkeit vorbei, und dann vergessen die ausgewachsenen Teenager und Twens gewöhnlich, die Zukunft an die nachrückende Jugend abzuliefern. Sie wollen sie für sich behalten. Und wenn sie dann sechzig sind, haben sie immer noch so viel jugendliche Kleidung und jugendliches Herz, dass sie sich immer noch für die zuständige Jugend mit Zukunft halten. Viel Spaß!«

»Ich verstehe nicht, wovon Sie reden«, sagte Kylett, um sich dann wieder Mark Tolins zuzuwenden. »Sie wissen, dass wir Sie gerettet haben? Orbett wollte Sie töten.«

»Im Gegenteil. Er war im Begriff, uns frei machen zu lassen. Wir sollten seine Gäste sein.«

»Ein Trick. Er hätte Sie trotzdem getötet. Wir haben Sie gerettet.«

»Sie müssen es wissen.«

»Sie zweifeln daran?«

»Ich kann es nicht beurteilen. Wir sind fremd hier. Wir erfahren nicht, was vorgegangen ist und was vorgeht.« ,,Aber das ist doch ganz einfach!«, erwiderte Kylett mit jugendlicher Ungeduld. »Diese verschimmelten Mumien haben sich eingebildet, sie könnten bis in alle Ewigkeit so weitermachen. Aber den Zahn haben wir ihnen gezogen. Gut, diesmal hat es noch nicht richtig geklappt, aber das nächste Mal wird es gelingen. Die Zukunft liegt bei uns Unberührten. Wir werden keine Ruhe geben, bis wir die Regierung übernommen haben. Und Sie werden uns dabei helfen.«

»Mit gebundenen Gliedern?«

Kylett überlegte sich das eine Weile.

»Man hat mir von Ihnen erzählt. Sie sind sehr stark, und wir wissen noch nicht, ob Sie unsere Freunde sind.«

»Durch Fesseln gewinnen Sie keine Freunde.«

Kylett dachte abermals nach. Das Argument leuchtete ihm wohl ein, denn plötzlich tauchten Gestalten aus dem roten Dunkel auf und lösten die Stricke von den Gelenken, Sie verschwanden, wie sie gekommen waren.

»Jetzt sind Sie frei«, nahm Kylett seinen Faden wieder auf. »Jetzt können Sie unsere Freunde werden. Das liegt in Ihrem Interesse wie in unserem. Die Gewaschenen werden Sie töten, wenn Sie wieder in ihre Hände fallen. Vermissen Sie etwas?«

»Alles«, bekannte Mark Tolins, denn inzwischen hatte er festgestellt, dass seine Taschen leer waren. Biggy ging es nicht besser. Die Transplutonier hatten sie gründlich ausgeplündert.

»Sie haben Ihnen alles gestohlen, nicht wahr?«, vergewisserte sich Kylett. »Das sieht ihnen ähnlich. Wir werden Ihnen alles zurückgeben, wenn wir die Macht übernommen haben.«

»Hoffentlich auch meine Diamanten«, mischte sich Wade Finley ein. »Wie ist das überhaupt - ist das eine Revolution oder was?«

»Eine Revolution?«, schmeckte der Transplutonier ab, ohne rechten Geschmack an dem Gedanken zu finden. »Nein, das ist mehr als eine Revolution. Es ist der Beginn eines neuen Zeitalters. Zum ersten Male in der Geschichte der Menschheit werden Denkkapseln, wie sie die Natur geschaffen hat, regieren - nicht die ausgewaschenen, verwässerten Denkkapseln von Wackelgreisen, nicht die Teil-Denkkapseln von Spezialisten und nicht die leeren Köpfe, sondern die unangetasteten, gesunden Gehirne der Natur, die nur das Allerbeste denken können.«

»Optimist!«, seufzte Biggy. »Wenn ich daran denke, was die gesunden Gehirne der Natur bei uns alles anstellen ...«

»Sie haben Ihre Regierung angegriffen?«, stellte Mark Tolins schleunigst die Weiche.

»Regierung?«, wurde Kylett spitz. »Das sind Diktatoren, Tyrannen, Mörder! Sie wollen uns einfach hier unten im Keller umkommen lassen. Wir sind ihnen lästig. Wir sollen sterben. Sie fürchten uns.«

»Warum?«

Kylett wunderte sich über soviel Un-

verstand, gab sich aber Mühe.

»Die Transpluto-Staatsräte sind bei uns die einzigen, die eine volle Denkkapsel besitzen dürfen. Allen anderen wird sie nach Beendigung der Kindheit genommen oder weitgehend arbeitsunfähig gemacht. Das hat bestimmte historische Gründe, und sicher ist auch etwas Gutes an dieser Ordnung, aber sie führt zu Stillstand und Rückschritt. Die Staatsräte werden sehr alt, weil sie ihre Denkkapsel regelmäßig spülen und waschen lassen, und wollen alles so lassen, wie sie es gewohnt sind. Dabei wird nun auch noch bei diesen zahlreichen Spülungen bestimmt eine Menge herausgewaschen. Eine gewässerte Denkkapsel denkt anders als eine ungewässerte.«

»Möglich.«

»Immerhin haben sie im Laufe der Jahrhunderte gemerkt, dass wir allmählich aussterben. Aus den Millionen von einst sind Tausende geworden. Myrell dachte schließlich, dass es an den Denkkapseln liegen könnte, und setzte während seiner Amtszeit als regierender Transpluto-Staatsrat durch, dass eine Gruppe von Kindern zu Versuchszwecken unberührt blieb. Wir sind diese Kinder. Die Staatsräte fanden genauso wie wir bald heraus, dass unsere Denkkapseln anders dachten als ihre. Es kam zu Auseinandersetzungen, und schließlich verbannten sie uns in diese Kellerräume. Hier sollten wir im Laufe der Zeit aussterben. Wir entschlossen uns jedoch, lieber die Staatsräte abzusetzen und selbst die Regierung zu übernehmen.«

»Verständlich. Und was erwarten Sie von uns?«

Kylett stand auf. »Kommen Sie mit.«


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