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Einleitung

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Zu den undurchsichtigsten Figuren der Epoche Hitlers gehört sein Geheimdienstchef Admiral Wilhelm Franz Canaris. Wo er politisch stand, blieb im Zwielicht. Wenige führende Persönlichkeiten des NS-Regimes sind so faszinierend und zugleich so umstritten wie Admiral Wilhelm Canaris, Hitlers legendärer Abwehrchef. Die tatsächlichen und die vermeintlichen Erfolge des deutschen Geheimdienstes im Zweiten Weltkrieg ließen ihn auch im Ausland zum Mythos werden. Nachdem der Fund von Geheimakten des Widerstands das Ausmaß der von ihm gedeckten Aktivitäten gegen das Hitler-Regime offenbart hatte, wurde Canaris noch kurz vor Kriegsende im Konzentrationslager Flossenbürg hingerichtet.

"Ich war kein Vaterlandsverräter. Ich habe als Deutscher meine Pflicht getan." Diese letzten Worte sind von Admiral Wilhelm Canaris überliefert, bevor man ihn am 9. April 1945 um sechs Uhr morgens im KZ Flossenbürg zum Galgen führte. Bis heute ranken sich Legenden um diesen Mann, der in Hitlers militärischer Hierarchie jahrelang das Vertrauen des "Führers" genoss, als Geheimdienstchef brillante Arbeit leistete, halb Europa mit einem dichten Netz von Agenten überzog - und doch anscheinend nichts anderes im Sinn hatte, Deutschland von diesem Diktator zu befreien.

Er war beteiligt an den - gescheiterten - Attentaten auf Hitler im März 1943, hielt unterstützenden Kontakt zu den verschiedensten Widerstandskreisen, half verfolgten Juden und konspirierte mit ausländischen Diensten und Diplomaten. In seinem Stab versammelte er Renegaten und Dissidenten, und dennoch verstand er es stets, jeglichen Verdacht von sich abzulenken.

Befreundet mit dem SS-Schlächter Reinhard Heydrich. Auf gutem Fuß mit Heinrich Himmler, erweckte Canaris den Eindruck eines überzeugten Nationalsozialisten, bei Heydrichs Tod vergoss er echte Tränen. Erst der zufällige Fund von Akten, die seine Mitwisserschaft über das Attentat vom 20. Juli 1944 eindeutig belegten, brachte ihm Haft und Hinrichtung.

Man soll ihm auf Anordnung Hitlers einen besonders qualvollen Tod bereitet haben. Das trug ihm den Ruf ein, zu den Vertretern des »anderen Deutschland« zu gehören. Bisheute sind die Urteile über seine Persönlichkeit höchst widersprüchlich: Canaris – der gefährliche Spionagechef, Canaris – der Unterstützer des Widerstandes, Canaris – der Kollaborateur und Karrierist, Canaris – der Geheimdiplomat, der den Krieg beenden wollte.

Canaris’ Lebensweg war exemplarisch für einen deutschen Offizier in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – seine Karriere als junger Marineoffizier im Kaiserreich, sein Kampf gegen die Weimarer Republik, seine Beteiligung an der heimlichen Wiederaufrüstung Deutschlands bis zu seiner Verstrickung in die Hitler-Diktatur.

Was machte den Bürgersohn aus Dortmund zu einem von Hitlers wichtigsten Helfern? Wie zutreffend ist die Legende vom erfolgreichen Geheimdienstchef? Wie eng war die Verzahnung zwischen Canaris´ Abwehrapparat und Hitlers Vernichtungsmaschinerie? Wie nahe war Canaris dem Widerstand gegen Hitler?

Hitlers Abwehrchef spielte stets eine Doppelrolle; er war Wegbereiter und Regimekritiker in einem. Er konspirierte gegen Hitler, aber den Aufstand wagte er nicht, er verriet und verabscheute doch den Verrat – und glich darin vielen Offizieren, die sich zur Militäropposition zählten.

Wilhelm Canaris, klein, schlank, schrullig, Menschenkenner und klassischer Fatalist, den klassische Schuld- und Schicksalsvorstellungen quälten, evangelischer Christ mit buddhistischen Beimengen, Spion aus Passion, Nationalist aus Mission, Patriot und Verräter, fiel durch das Regime, das er selber mit aufgerichtet hatte. Er war, wie Hitlers einstiger Staatssekretär im Auswärtigen Amt Ernst von Weizsäcker schrieb, „eine der interessantesten Erscheinungen der Epoche, wie Diktaturen sie zutage bringen und zur Vollkommenheit entwickeln.“

Eine deutsche Vita allemal.

Als der ungeliebte Staat von Weimar zerbrach, ging es, so sahen es die Republikaner -Verächter, wieder aufwärts. Kapitän Canaris, schon als Festungskommandant nach Swinemünde (Ostsee) abgeschoben, wurde 1935, Chef der Abwehr im Reichswehrministerium.

Fortan half er Hitlers Coups und Hitlers Kriege vorzubereiten und abzusichern. Sobald jedoch sichtbar wurde, dass solche Machtentfaltung nicht nur die neu gewonnene Macht, sondern darüber hinaus auch den Machtstaat insgesamt gefährdete, mühte er sich, die Aktionen, die er selben mit durchzuführen half, zugleich auch zu sabotieren – aber stets nur, bis der Coup gelungen oder der erste Schuss gefallen war. Dann stimmte er in den vaterländischen Jubel ein, wenngleich ihm beim Anblick zerschossener Straßenzüge und erschossener Menschen übel wurde.

Zwischendurch war viel von Widerstand die Rede, und darüber wurde verhängnisvoller Weise, auch noch Tagebuch geführt. Doch dabei blieb es. Canaris neigte „mehr zur konspirativen Resistenz“, urteilte ein Canaris-Zeitgenosse, „als zur revolutionären Aktion“.

Derart Widersprüchliches in Person, Aufstieg und Fall des Wilhelm Canaris soll dieses Buch aufdecken. Von dem Canaris, den das deutsche Film- und Fernsehpublikum kennen und weiterhin achten gelernt hat, bleibt da nicht viel.

Die Geschichte von Canaris ist zugleich ein frappierendes Beispiel historischer Kontinuität, von Canaris selbst auf den Nenner gebracht: „Wie der Offizier vor dem Weltkrieg selbstverständlich Monarchist war, wie er nach dem Weltkrieg sich selbstverständlich darum bemühte, das Erbe des Fronterlebnisses zu bewahren, so selbstverständlich ist es heute …..Nationalsozialist zu sein und wir sind als Soldaten glücklich, uns zu einer politischen Weltanschauung bekennen zu dürfen, die zutiefst soldatisch ist.“ (Heinz Höhne: Canaris, Bertelsmann-Verlag)

Canaris Abwehrchef unter Hitler

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