Читать книгу Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse , 1. Band - Walter Brendel - Страница 5

1. Kapitel: Justiz im Zeichen des Kreuzes

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Die Verurteilung des Sokrates

Sokrates, der griechischer Philosoph beging kein anderes „Verbrechen“, als das der Aufklärung der Menschheit. Sein Bemühen, die Menschen vom Scheinwissen zu echtem Wissen zu bringen („Ich weiß, dass ich nichts weiß”), das ihn angesehene Männer in der Öffentlichkeit ins Gespräch ziehen und ihren Wissensdünkel entlarven ließ, brachte ihm viele Feinde. Weil er die Götter des Staatskults nicht anerkenne, neue Gottheiten eingeführt habe sowie als angeblicher Jugendverderber angeklagt, wurde Sokrates zum Tode verurteilt.

Wie kam es zu der Verurteilung?

Als Sokrates im siebzigsten Lebensjahr stand, wurde gegen ihn auf Grund von Anzeigen Anklage erhoben. Dieses geschah in Form einer öffentlichen Anklage, wie sie jeder Bürger einreichen konnte. Eine Staatsanwaltschaft, wie wir sie heute kennen, gab es 399 v. Ch., dem Prozessjahr, noch nicht. Ankläger bzw. richtig ausgedrückt Anzeigeerstatter waren die Bürger Meletos, seines Zeichens ein schlechter Dichter; der Gerber Anytos und der Redner Lykon. Über das Schicksal von Sokrates musste eins von zehn Geschworenengerichten entscheiden. Dieses war mit 501 ausgelosten Mitgliedern besetzt. Gegen deren Spruchpraxis gab es keine Rechtsmittel.

Der Wortlaut der Anklage aus der Überlieferung von Xenophon lautete; „Sokrates tut Unrecht, indem er die Götter nicht anerkennt, welche der Staat anerkennt, dafür aber neue Götter einführt. Er tut ferner dadurch Unrecht, dass er die jungen Leute verdirbt.“ Welch schwerwiegende Anklage. Doch Sokrates konnte diese, mit den Worten: „Ich habe nämlich, Männer Athens, diesen Ruf durch nichts anderes erworben als durch eine Art Weisheit.“ wiederlegen. Durch einen großen Rundgang durch die Stände des Volkes habe er versucht, sich über das Wesen der Weisheit klar zu werden. Er sei zu den Staatsmännern, den Dichtern, den Handwerkern gegangen und habe gefunden, dass diese weise zu sein schienen, es aber doch nicht seien. Daraus seien ihm viele Feindschaften erwachsen, „von gefährlicher und schwerer Art“.

Der Freispruch war nahe. Den Ankläger Meletos hatte Sokrates so wiederlegt, dass dieser nicht einmal ein Fünftel der Richter gewonnen hätte, in welchem Fall Meletos nach dem Gesetz 1000 Drachmen Strafe hätte zahlen müssen. Nun wurden die Ankläger Anytos und Lykon aktiv. Sie argumentierten, vielleicht sei die Anklage unnötig gewesen, aber nun, da sie einmal erhoben worden sei, müsse Sokrates auch verurteilt werden. Es gelang ihnen, 281 Richter auf ihre Seite zu bringen. 220 Richter sprachen Sokrates frei. Mit 61 Stimmen Mehrheit wurde Sokrates verurteilt. Die Richter wussten, dass Sokrates unschuldig war, aber sie fällten das Todesurteil. Die ihm angebotene Flucht durch seinen Freund Kriton lehnte er ab. In dem Bewusstsein, dass sein Gehorsam gegenüber dem ungerechten Richterspruch das verletzte Recht wiederherstellen und die Rechtsordnung als Ganzes schützen werde, trank er gefasst den Schierlingsbecher. Sokrates hinterließ keine Schriften. Platon, sein bedeutendster Schüler, schildert im „Phaidon” die Gespräche der Todesstunde im Kreis von Freunden.

Der Prozess Jesu

Wer war Jesus? Jesus von Nazareth, war die Gestalt, auf deren Erscheinen sich das Christentum gründet. An der Geschichtlichkeit Jesu zweifelt die wissenschaftliche Forschung nicht. Trotz aller geschichtlichen (und astronomischen) Berechnungen steht lediglich fest, dass Jesu Auftreten um 30 n. Chr. stattfand. Wie lange seine öffentliche Wirksamkeit dauerte, ist unbekannt. Seine Heimat war Galiläa, seine Vaterstadt Nazareth. Das Matthäus- und Lukasevangelium lassen Jesus in Bethlehem geboren sein; ihre Stammbäume wollen seine Abkunft von König David verbürgen; sie führen auf Joseph, der nach der ältesten Matthäus-Handschrift Jesus „zeugte”. Die Gottmenschheit Jesus wird im Neuen Testament auf vielfache Weise unterstrichen (bzw. erklärt): durch Geistzeugung in der Taufe (Lukas 3,22), durch Verklärung (Markus 9,7), durch das Ineins von „Wort” und Fleisch (Evangelium des Johannes 1,14), durch Erhöhung nach gehorsamem Leiden, durch Jungfrauengeburt.

Jesus brachte keine neue Gotteslehre, sondern glaubte mit Israel an Gott (Schöpfer, Gesetzgeber, Herrn, Richter), dessen Anspruch und Verheißung er unbedingt zur Geltung brachte. In einzigartiger Weise lebte Jesus unter Gott als seinem Vater und lud mit dem Heils- und Bußruf unter die Königsherrschaft Gottes ein (Bergpredigt). Der bedingungslosen, „anstößigen” Gnade und Liebe Gottes entspricht der ganz neue Ruf Jesu in die Nachfolge seiner Person zur Verwirklichung der uneingeschränkten Gottes- und Nächstenliebe unter Einschluss der Feindesliebe. Jesus verwarf jede gesetzlichformale Erfüllung in einem Kultus. Die Gottesliebe wird in der Nächstenliebe verwirklicht, ohne in dieser aufzugehen. Die in Jesus anbrechende Gottesherrschaft ist von Wundern als „Zeichen” begleitet und wird in Gleichnissen als Heils- und Freudenzeit beschrieben.

Die „Vollmacht” und Kühnheit seiner Lehre erregten Entsetzen, sein Anspruch, Sünde an Gottes statt zu vergeben, wurde mit Grauen gehört, sein Selbstbewusstsein („ich aber sage euch”), in dem er sich über Moses, das Gesetz (besonders die Sabbatgebote), die Propheten, den Tempel stellte, vernichtete die Existenzberech-tigung der rabbinischen Gelehrten wie des Priesteradels. Mit Hilfe der römischen Besatzungsmacht wurde Jesus der Prozess gemacht.

Der Prozess gegen Jesus von Nazareth sollte der folgenreichste Prozess der Weltgeschichte sein. Nach seiner Verhaftung im Garten Gethsemane wurde Jesus dem jüdischen Gericht unter Vorsitz des Kaiphas übergeben und mit drei Anklagepunkten konfrontiert:

- Tempelschändung

- Steuerverweigerung

- Angemaßte Messianität.

Punkt 1 der Anklage wurde durch Zeugenaussagen mit folgendem Wortlaut begründet:

„Wir haben gehört, dass er sagte: Ich will den Tempel, der mit Händen gemacht ist, abbrechen und in drei Tagen einen anderen bauen, der nicht mit Händen gemacht sei.“ (Mark. 14, 57-58)

Zu Punkt 2 sagten die Zeugen: „Wir haben festgestellt, dass dieser (gemeint ist Jesus, d.A.) unser Volk aufwiegelt und verbietet, dem Kaiser Steuer zu zahlen, und behauptet, er sei Christus, ein König“. (Luk. 23.2)

Punkt 3 basierte auf der Voruntersuchung, die Hannas, der diesjährige Hohenpriester, als Einzelrichter führte:

„Und der Hohepriester sprach zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagest, ob du seiest Christus, der Sohn Gottes. Jesus sprach zu ihm: Du sagst es“ (Matth. 26, 63-64.

Einundsiebzig Richter, die zu einer Vollsitzung zusammentrafen, hielten gemeinsam mit den Ältesten und des „Hohen Rates” der jüdischen Schriftgelehrten Rat und übergaben Jesus dem Pilatus. Der Grund der Überantwortung lag darin, kein Recht auf peinliche Gerichtsbarkeit nach Joh. 18, 31 hatten („Wir dürfen niemand töten“). Nun lag das weitere Schicksal Jesus in den Händen des römischen Staathalters Pontius Pilatus. Dieser beschränkte sich bei seiner Entscheidung nur auf Punkt 3 der Anklage, die angemaßte Königswürde. „Und Pilatus fragte ihm: Bis du der König der Juden? Er (Jesus) antwortete: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme „ (Joh. 18, 37-38).

Eine andere Variante lautetet: Pilatus versuchte Jesus zu einer Aussage zu bringen, die ihn überführen würde, um seine eigene Schuld bei einer Verurteilung zum Tode, die den Wünschen der Leute entsprach, zu verringern. „Bist du der Sohn von Gott?“ und Jesus antwortete - in Matthäus, Markus, Lukas und Johannes: „Es bist Du, der das gesagt hat.“

Die angemaßte Königswürde bedeutete nach römischem Recht eine Majestätsbeleidigung des Kaisers. Auf Drängen des „Hohen Rates” der jüdischen Schriftgelehrten fällt Pontius Pilatus das Urteil. Nach dem Lex Julia stand auf Majestätsbeleidigung die Todesstrafe, die durch die Kreuzigung vollzogen wurde. Was bedeutet „Lex Julia“?

Unter Augustus (*63 v. Chr. + 14n. Chr., Imperator Caesar Divi Filius Augustus, Regierungszeit 43 v. Chr. -14 n. Chr.) wurde einen neue Moral propagiert. Zu seinen Maßnahmen gehörte ein Gesetz (lex Julia), das u.a. die Geburtenrate erhöhen sollte. Danach war es Junggesellen verboten, Vermächtnisse anzunehmen und verheiratete kinderlose Männer mussten von einer Erbschaft einen erheblichen Teil als Steuern abführen. Ein späteres Gesetz belohnt Eltern von drei Kindern mit Steuerbefreiung. Dies war typischer Zug der Augusteischen Epoche - eine kleinliche Bürokratie begann alle Bereiche des Lebens zu beherrschen. Sogar in Literatur und Kunst verschwand die frühere Vitalität unter den vom Kaiser geforderten Beschränkungen in Fragen der Moral. Dennoch empfanden konventionelle, keineswegs weniger begabte Männer wie Vergil, Horaz und Livius die neue Atmosphäre als ihrer Arbeit zuträglich. - Die Mehrzahl der Menschen - Bürger wie Provinziale - profitierten von der Pax Romana. In der Tat war Augustus der erste römische Staatsmann, der konstruktiv Anteil am Wohlergehen der Provinzen nahm, nachdem er zwischen 27 und 29 v. Chr. einen großen Teil seiner Zeit mit Reisen im Westen und Osten zugebracht hatte. Er übernahm auch das Programm zur Stadterneuerung Roms, das durch den Tod Caesars nicht vollendet wurde, und drückte der Stadt seinen eigenen energischen Stempel auf. Von Ihm stammt der stolz und oft zitierte Ausspruch, er habe Rom als eine Ziegelstadt vorgefunden und sie als Marmorstadt zurückgelassen.

Fast wäre allerdings die Hinrichtung an Jesus vorbeigegangen. Pilatus wollte aus Anlass des Osterfestes eine Amnestie für einen zum Tode verurteilten Gefangenen vollziehen. Neben Jesus war noch Barabbas, ein wegen Aufruhr und Mord verurteilter Gefangener, zur Hinrichtung vorgesehen. Pilatus fragte die Massen: „Ihr habt aber eine Gewohnheit, dass ich euch einen auf Ostern losgebe; wollt ihr nun, dass ich euch der Juden König losgebe. Da schrien sie allesamt: Nicht diesen, sondern Barabbas!“. Damit hatte das Schicksal entschieden. Im Frühlingsmonat Nissan an einem Freitag (ca. 30 n. Chr.) wird Jesus in Jerusalem von römischen Soldaten gekreuzigt.

Nach der Gründung des Staates Israel 1948 gab es zahlreiche Anträge beim Jerusalemer Obergericht auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Jesus. Das Gericht lehnte dieses mit dem Hinweis ab, dass alle prozessualen Unterlagen fehlten und lediglich die tendenziösen Berichte in den von uns erwähnten Evangelien vorlägen. Wir würden heute nun sagen, dass die damalige Verurteilung Jesus rechtskräftig war.

Prozesse der Kirche

Kommen wir jetzt zu Prozessen, in deren Mittelpunkt das katholische Kirchenrecht (auch kanonisches Recht genannt) steht. Es findet sich insbesondere im Codex Iuris Canonici (Revision 1983). Das Corpus juris canonici, war die Hauptquelle des mittelalterlichen Kirchenrechts, allmählich zusammengewachsen aus privaten und amtlichen Sammlungen aus dem 12.-16. Jahrhundert; in der katholischen Kirche 1918 durch den Codex Iuris Canonici bis auf wenige Ausnahmen aufgehoben.

Beginnen wir mit dem Fall Jan Hus. Hus stand unter dem Einfluss der Lehren J. Wiclifs und bekämpfte besonders die verweltlichte Kirche. Das Ende des 14. und der Anfang des 15. Jahrhunderts war eine Zeit der Widersprüche. Es war eine Zeit gesellschaftlicher und kirchlicher Instabilität, eine Zeit mit Verfall von Glauben und Moral: Die Reichen wurden reicher und die Armen ärmer. Das „Schisma“, also die Frage, wer von den bis zu vier Päpsten der richtige sei, verunsicherte die Menschen in den Städten und Dörfern Europas, auch in Böhmen und Mähren. Prag war schon damals die „goldene“ Stadt. Sie hatte mehr goldene Türme als das Rom jener Zeit. In jener Zeit gab es in Prag 76 Kirchen und Kapellen, 24 Klöster und mehr als 1200 Geistliche in höheren Ämtern. Wie Luther wollte Hus, dass das Volk die Bibel in seiner Sprache lesen konnte. Nach Beendigung seiner Studien und seiner Priesterweihe wurde Hus zum Rektor der Universität, der ältesten nördlich der Alpen, und zum Prediger der Bethlehemskapelle ernannt. Nach dem Willen ihres Stifters, eines Deutschen, durfte hier nur tschechisch gepredigt werden. Als Priester im Beichtstuhl hörte Hus von den Sorgen, Ängsten und Nöten der Menschen.

Hus wurde zum „ungehorsamen Sohn“ der damaligen Kirche, wurde aus Prag verbannt und schließlich durch Kaiser und Papst zum Konzil nach Konstanz geladen. Er war eben „ohne Furcht vor Menschen und ohne Stolz vor Gott“. Er trat dafür ein, die Heilige Schrift als Grundlage des Lebens zu sehen, und nicht die Dogmen der Kirche. Er forderte eine Veränderung der Kirche „an Haupt und Gliedern“. Er verschenkte sein Geld, das er als Hochschullehrer und Priester verdiente. Sein Christsein bedeutete Nachfolge, bis in den Tod. Luther wurde 100 Jahre später mit dem Schimpfwort „Husit“ belegt! 1410 vom Papst exkommuniziert, trat er gegen die Ablass- und Kreuzzugsbulle Papst Johannes XXIII. auf; das führte auch zu politischen Auseinandersetzungen. Obwohl er freies Geleit zum Konzil von Konstanz von König Sigismund zugebilligt bekommen hatte, um dort seine Lehre verteidigen zu können, wurde er 1414 verhaftet. Der Prozess in Konstanz war alles andere als fair.

Der 6. Juli 1415, der Tag der Hinrichtung, beginnt mit einer Messe im Münster. Hus wird zum Widerruf seiner Lehren aufgerufen. Er betet: „Jesus, sieh doch her, dieses Konzil hält dein Tun und dein Gesetz für Irrtum!“ Nach der Verkündigung des Todesurteils, betet er: „Vergib ihnen!“

Die Hinrichtung leitet ein Fürst von Nürnberg, der vom Kaiser zur Belohnung die Burg Hohenzollern erhält. Die Verbrennung wird gründlich vollzogen: Bücher von Jan Hus werden verbrannt, und die Asche des Scheiterhaufens wird in den Rhein geschüttet.

Giordano Bruno, ein ehemaliger Dominikaner knüpfte an die pantheistischen Gedanken der Antike an, nach denen Gott, das unpersönliche Prinzip, identisch mit der Natur ist. Daher muss - so Bruno - der Mensch nach der Erkenntnis der Natur streben und nicht nach der Erkenntnis irgendeines übernatürlichen Wesens. Da Bruno die Verfolgungen der Kirchenhierarchie fürchtete, führte er nach seiner Flucht aus dem Orden ein ruheloses Wanderleben durch Frankreich, England und Deutschland. Zu Beginn der 90er Jahre lockte man ihn in provokatorischer Absicht nach Italien, beschuldigte ihn der Häresie und übergab ihn der Inquisition. Die Inquisition hat sich schon früh für Giordano Bruno interessiert. Durch seine Äußerungen über die katholische Kirche und seine eigene Weltanschauung war er der katholischen Kirche aufgefallen. Ab dem Jahre 1592 zog ihn das heilige Amt erst in Venedig, dann in Rom für seine Äußerungen zur Verantwortung. Schon während seiner Mönchzeit begann Giordano Bruno an der Trinität der Gottheit und der unbefleckten Empfängnis Marias zu zweifeln. Des Weiteren äußerte er sich anerkennend zu einigen Ketzern und forderte seine Mitbrüder auf ein vernünftiges Buch zu lesen. Copernicus Entdeckung, dass die Erde sich um die Sonne drehe und nicht umgekehrt, zog Giordano Bruno in den Bann: „Copernicus verdanken wir unsere Befreiung von einigen falschen Vorurteilen. Ihm verdanken die Menschen, dass sich wieder erheben und aufrichten können.“ Diese Erkenntnis bezog Giordano Bruno auf sein Weltbild. Es gab in seinen Augen ein unendliches Weltall, mit unzähligen Welten, und diese Ansicht übertrug Bruno auch auf sein Gottesverständnis, für ihn war Gott auch unendlich. Des Weiteren glaubte er an die Lehre der Seelenwanderung, nichts war vergänglich und alles kehrte zurück. In seinem Buch „Die Austreibung der triumphierenden Bestie“ (1584) kritisierte Giordano Bruno die Haltung der Kirche, unter anderem zog er den Heiligenkult ins Lächerliche. An seiner Weltanschauung und seiner Kritik nahm die katholische Kirche Anstoß und forderte ihn im Inquisitionsprozess auf, seine Äußerungen zu widerrufen.

Skizzieren wir zunächst kurz die Rolle der Inquisition, auf die wir an späterer Stelle noch ausführlich zu sprechen kommen.

385 n. Chr. kam es zum ersten Inquisitionsprozess durch die christliche Kirche. Ihren eigentlichen Anfang fand die Inquisition aber im frühen Mittelalter. Der Ketzererlass des hohenstaufischen Kaiser Friedrich II. trieb die Entwicklung der Inquisition um ein weiteres voran. Zuerst lag die Bekämpfung der Ketzer in den Händen der Bischöfe. 1231 übertrug Papst Gregor IX. die Inquisition dem Dominikaner- und Franziskanerorden. Im 13. Jahrhundert wurde die Folter als Mittel der Inquisition eingeführt und ab dem Jahr 1231 forderten die päpstlichen Statuten eine allgemeine Einführung des Feuertodes. In Spanien förderte der Großinquisitor Tomas de Torquemada die Inquisition. Sie fand ihren Höhepunkt im 15. Jahrhundert und wurde um ca. 1540 von der römischen Inquisition übernommen.

Kehren wir zu Bruno und dem Ablauf mit der Inquisition zurück:

1592: Giordano Bruno reist nach Venedig, um dort dem Herrn Moncenigo in der Gedächtnis- und Erfindungskunst zu unterrichten.

22. Mai: Bruno wird von Moncenigo gefangengesetzt und bei der venezianischen Inquisition denunziert.

25. Mai: Beginn des Prozesses gegen Giordano Bruno.

30. Juli: Es findet das letzte Verhör statt. Giordano Bruno distanziert sich von seinen Schriften, um einer weiteren Strafe zu entgehen.

September: Rom verlangt die Auslieferung Giordano Brunos.

1593, 17.Januar: Giordano Bruno wird durch den venezianischen Senat an den Kirchenstaat ausgeliefert.

19.Februar: Überführung Brunos nach Rom.

27. Februar: Giordano Bruno trifft in Rom ein.

Dezember: Es kommt zum ersten Verhör Brunos durch den Großinquisitor San Severina, dem alle Kardinäle beiwohnen.

1594: Giordano Bruno muss sich weiteren Verhören unterziehen.

10. Dezember: Giordano Bruno weist in einem Schreiben an die Inquisition all Anschuldigungen von sich.

1595, 9. Februar: Die Inquisition gibt den Befehl, alle erschienenen Werke Giordano Brunos einer Untersuchung zu unterziehen.

Dezember: Giordano Bruno wird zu seinen Werken befragt.

1597, 24.März: Das heilige Amt legt Bruno eine Anklageschrift vor und fordert ihn auf, dass er seine Äußerungen über die unzähligen Welten widerrufe.

1598: Die Prozedur des Verhörs wird mehrere Male ohne Erfolg wiederholt.

1599: 14.Januar: Die römische Inquisition legt Bruno acht ketzerische Behauptungen aus seiner Feder vor, damit er diesem als ketzerisch abschwöre.

18. Januar: Giordano Bruno bekommt sechs Tage Bedenkzeit, um seine ketzerischen Äußerungen abzulegen.

24. August: Brunos Verteidigungsschrift wird von Kardinal Bellarmin abgelehnt.

21. Oktober: Bruno wird ein weiteres Mal verhört und erklärt, dass er nichts zu widerrufen habe.

1600, 20.Januar: Papst Klemens VIII. wird über die erfolglosen Bemühungen, Giordano Bruno zu Einsicht zu bringen, unterrichtet: „Der Befragte habe jedoch erklärt, er habe nie ketzerische Sätze aufgestellt, sondern seine Lehren seien von den Beamten des heiligen Amtes falsch aufgefasst worden.“

8. Februar: Giordano Bruno wird von der Inquisition verurteilt und der weltlichen Gewalt übergeben.

Lange Zeit nahm Giordano Bruno neben seinem berühmten Zeitgenossen Galilei Galileo eine eher randständige Bedeutung ein. Sein wissenschaftlich-philosophischer Rang und die Wirkung seines umfangreichen Werkes waren von seinen Lebzeiten bis weit in die Moderne umstritten. Kein Zweifel, Bruno war ein unbequemer Philosoph und ist in seinem ereignisreichen Leben immer wieder in das Ränkespiel verfeindeter Lager geraten. Sicherlich haben seine Unnachgiebigkeit in philosophischen Fragen und seine nonkonformistische Haltung, etwa sein vehementer Antiklerikalismus und seine antischolastische Position, die auch vor der Lehre des Aristoteles nicht haltmachte, ihm nicht gerade große Beliebtheit eingetragen. Bruno war einer der großen Denker der Renaissance. Er erweiterte die Hypothese des Kopernikus zur Weltanschauung („Vom unendlichen All und den Welten” 1584) und vertrat einen metaphysischen Pantheismus, der für das moderne Lebensbild (Herder, Goethe, Schelling) wegweisend wurde. Er vollzog die Trennung von Philosophie und Theologie und brach völlig mit der römischen Kirche. Der Hauptgrund für Brunos Verurteilung war die Art, wie er das Verhältnis Gottes zur Welt definierte. Er wies die Ansicht zurück, dass Gott die Welt von außen, wie ein Rosslenker ... Solche Ansichten galten zu seiner Zeit als ketzerischer Monismus und Pantheismus. Am 17. 2. 1600 wurde er in Rom als Ketzer verbrannt.

Galileo Galilei

Die Erde steht still und ist der Mittelpunkt der Welt, so wird die Bibel interpretiert. Für den Astronom Nikolaus Kopernikus dagegen steht die Sonne im Zentrum des Universums und wird von der Erde umkreist. Als mathematische Theorie erregt dieses „heliozentrische Weltsystem“ lange keinen Anstoß und dient sogar einem Papst zur Berechnung des neuen gregorianischen Kalenders. Doch Galilei macht aus der Theorie eine feststehende Wahrheit. Galilei rührt an uralte Gewissheiten: Es geht nicht nur um Sonne und Erde, es geht um den Anspruch der Naturwissenschaft, mit der Bibel zu konkurrieren. Es geht um das Wesen der menschlichen Existenz. Denn der Mensch als Krone der Schöpfung in der Welten-Mitte wird in Frage gestellt.

In Rom lässt sich wenige Jahre später der eitle Papst Urban VIII. als Förderer der neuen Wissenschaften feiern. Der Papst will sich auch mit dem großen Galilei schmücken. Gleichsam als Freund, ermutigt er ihn, in einer Schrift die astronomischen Weltbilder zu vergleichen. Dafür, dass die Erde Mittelpunkt der Welt sei, liefert der Papst Galilei selbst die Argumente. Galilei verwendet sie wirklich, doch er legt sie in seinem „Dialog“ einem Idioten in den Mund. Die Lehre des Kopernikus verteidigt Galilei dagegen als unumstößlich bewiesen. Der Papst ist brüskiert - und Galilei wird vor das Inquisitionstribunal gezwungen. Man bezichtigt ihn, ein rückfälliger Ketzer zu sein. Sogar mit der Folter wird ihm gedroht. Galilei unterwirft sich, nicht nur aus Angst. Er ist ein tiefgläubiger Christ, der sich mit seiner Kirche nicht entzweien will.

Von nun an tritt aber auch die Kurie auf den Plan, d.h. das Sanctum Officium (jetzt: die katholische Glaubenskongregation; unter dem Präfekten Joseph Kardinal Ratzinger); sie spürte die Gefahr, die durch diese Entwicklung heraufzieht.

Die Theorie des Kopernikus war plötzlich wieder Gesprächs – und Diskussionsstoff;

hier Ptolemäer – dort Kopernikaner

hier Geozentrik – dort Heliozentrik

hier Orthodoxe – dort Modernisten usw.

War also die Hinrichtung des Giordano Bruno im Jahre 1600 doch vergeblich?

Die Schrift des Kopernikus „De revolutionibus orbium coelstium“, d.h. „Über die Umläufe der Himmelskörper“, in seinem Todesjahr 1543 veröffentlicht, wird auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt. In der Begründung wird ein sogenannter „Gutachter“ zitiert, wonach die mathematischen Ableitungen des Kopernikus nicht schlüssig seien.

Das Kopernikanische Weltbild wurde vertreten durch Johannes Kepler und Galileo Galilei. Kepler war dem Zugriff der Inquisition entzogen, musste aber, wie wir wissen, in Linz als kleiner Schulmeister sein Leben fristen. Sein Wirken war somit auf die außerkatholische Welt beschränkt und deren Seelenheil war für die Kurie nicht von so großem Interesse. Anders lag der Fall bei Galilei, der zudem noch ein guter Katholik war;

- seine Arbeiten machten ihn zum damals berühmtesten Naturforscher Italiens am Hofe des Großherzogs von Toscana, Cosimo II. di Medici, dessen Lehrer er in jungen Jahren war und an dessen Universität in Florenz er lehrte, war er „persona grantissima“

- die Florentiner Accademia dei Lincei betrachtete ihn als ihr erlauchtestes Mitglied

- er stand mit vielen ausländischen Fürstlichkeiten und Wissenschaftlern in ständigem Briefwechsel und fertigte für sie seine Fernrohre

- viele Geistliche, auch solche von höchsten Rängen, hatten bei ihm gelernt und rühmten sich seiner Freundschaft.

Wie konnte man also gegen einen solchen Mann vorgehen? – zumal er auch aus seinen Erkenntnissen keine philosophischen Schlussfolgerungen zog.

Kardinal Belarmin, ein Jesuit, der nicht unbedingt als sein Gegner angesehen werden kann, bestellt ihn nach Rom und vermittelt ihm, dass das Werk des Kopernikus als nicht bewiesene und den Glauben gefährdende Hypothese auf den Index gesetzt wird.

Galilei erklärt daraufhin feierlich: „Er werde die kopernikanische Lehre in keiner Weise halten, lehren und verteidigen“.

Damit beginnt nun die eigentliche Tragödie des Galileo Galilei.

Selbst für einen Galileo Galilei (1564-1642) ist es eine seltene Ehre, dem ehrwürdigen Bellarmin seine Aufwartung zu machen. Dabei ist der Astronom und Physiker Galilei einer der berühmtesten Wissenschaftler seiner Zeit. Doch Bellarmin ist die graue Eminenz im Heiligen Offizium, der gefürchteten römischen Inquisition. Bei einem ersten Treffen sind sich Galilei und Bellarmin als Gelehrte begegnet. Wenige Jahre später ist Robert Bellarmin wieder mit Galilei befasst - doch diesmal in der Rolle des Inquisitors: Galilei als Astronom ist denunziert worden. Die Anzeige ist sehr ungewöhnlich, noch nie zuvor hat sich die Inquisition mit Naturwissenschaft beschäftigt. Dass Galilei der Theologie ins Handwerk pfuscht, kann Bellarmin nicht hinnehmen. Doch ein Prozess würde dem Ansehen der Kirche zutiefst schaden. Bellarmin greift zu einem Trick. Er verbietet zwar die Lehre, dass die Erde um die Sonne kreist, als „ketzerisch“. Die Akten zeigen jedoch, dass dieses Verbot nicht für alle Ewigkeit gelten soll und korrigiert werden darf. Galilei, der eigentlich Beschuldigte, wird mit keinem Wort erwähnt. Bei einer privaten Audienz warnt ihn Bellarmin, die Ansichten des Kopernikus öffentlich zu lehren. Doch weiter forschen darf Galilei. Mit diesem geschickten Vorgehen steht Bellarmin innerhalb der Inquisition einzig da. Unter Kardinal Bellarmin erhält die Inquisition ein menschliches Antlitz. Als er 1621 stirbt, halten Papst und Kardinäle Totenwache. Das Volk läuft auf die Straßen und zerreißt die Kleidung. Fachkundige erforschen den Leichnam nach Blutmalen, nach übernatürlichen Zeichen. Für sie ist Bellarmin ein Heiliger, doch seine Weisheit hat über den Tod hinaus keinen Bestand.

Kritiker werfen Galilei noch heute vor: er habe in der Unterredung mit Kardinal Robert Belarmin das große Anliegen des abendländischen Geistes und damit die Freiheit des Denkens und Forschens verraten. Geschützt durch seine weltlichen, politischen und auch klerikalen Freunde hätte ein entschlossenes Auftreten seinerseits Erfolg gehabt. Ein Vorgehen wie gegen den auf sich allein gestellten Giordano Bruno wäre der Kurie damals nur schwer möglich gewesen!“

Wie bereits erwähnt, sind u.a. mit Kardinal Robert Belarmin auch Jesuiten am nun folgenden Schicksal des Galileo Galilei beteiligt. Ich zitiere deshalb einige Passagen aus dem Buch „Die Jesuiten“, von Manfred Barthel. Darin ist aus meiner Sicht der Prozess gegen Galilei und die Umstände, die dazu beigetragen haben, recht aus-führlich dargestellt.

Vorab aber noch ein Zitat aus dem Buch „Gottes erste Diener“, von Peter de Rosa, in dem Papst Urban VIII. Galilei folgenden Rat erteilt. „Du magst unwiderlegbare Beweise für die Bewegung der Erde haben. Das beweist nicht, dass die Erde sich wirklich bewegt“ und weiter: „Gott ist über dem menschlichen Verstand; und was Menschen vollkommen vernünftig erscheint, kann sich für Gott als Dummheit erweisen“; soweit Papst Urban VIII., Papst von 1623 bis 1644.

Nun zu den Einzelheiten:

Galilei ging nicht gerade zimperlich vor. Er suchte Streit wo er nur konnte und legte sich mit zahlreichen Gelehrten an. Die Kirche wäre an seinen Ideen zunächst wenig interessiert gewesen, doch einige Dominikanermönche machten die Inquisition mit Nachdruck darauf aufmerksam, dass die Ideen eines Kopernikus höchst brisant seien und von Ketzern unterstützt werden. Man muss wissen, dass die damalige Kirche weniger an naturwissenschaftlichen als an politischen Geschehnissen interessiert war. Am 23. Februar 1616 trat die Congregatio qualificationum zusammen und verurteilte die wichtigsten Lehrsätze Galileis (Sonne ist der Mittelpunkt des Weltalls) als häretisch, philosophisch unhaltbar und theologisch irrig. Der Jesuit Kardinal Bellarmin wurde beauftragt, Galilei aufzufordern, die von der Kongregation zurückgewiesenen Behauptungen aufzugeben. Bellarmin sprach so dann mit Galilei, und sonderbarerweise ist bis zum heutigen Tag unklar, worüber Bellarmin und Galilei wirklich sprachen und welche Vereinbarungen sie dabei trafen. Im März 1616 indizierte Rom alle Bücher, die behaupteten, die kopernikanische Lehre widerspreche nicht der heiligen Schrift. Diese Maßnahme geschah nach neueren Erkenntnissen vor allem des halb, weil zahlreiche revolutionäre und abtrünnige Theologen die kopernikanische Lehre als Vehikel im Kampf gegen die Kirche oder sogar das Haus Habsburg ein zusetzten pflegten. Galilei indessen kümmerte sich herzlich wenig um die ganze Geschichte. Er rechnete im Bedarfsfalle mit der Hilfe einiger Kardinäle, die als Hobby-Astronomen Galileis Ideen durchaus etwas abgewinnen konnten. Der bekannteste seiner Freunde war der Florentiner Maffeo Kardinal Barberini, der spätere Papst Urban III. Im Jahre 1632 erschien Galileis Buch „Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme“, in dem die kopernikanische Lehre mit Nachdruck verteidigt wurde. Kein geringerer als Albert Einstein sagte über dieses Werk: „Da offenbart sich ein Mann, der den leidenschaftlichen Willen, die Intelligenz und den Mut hat, sich als Vertreter des vernünftigen Denkens der Schar derjenigen entgegenzustellen, die auf die Unwissenheit des Volkes .... sich stützend, ihre Machtpositionen einnehmen und verteidigen. Seine ungewöhnliche schriftstellerische Begabung erlaubte es ihm, zu den gebildeten seiner Zeit so klar und eindrucksvoll zu sprechen, dass er das Denken der Zeitgenossen überwand und sie zu einer objektiven, kausalen Einstellung zum Kosmos zurückführte, die mit der Blüte der griechischen Kultur der Menschheit verlorengegangen war.“

Galilei wurde daraufhin von Papst Urban III. nach Rom zitiert, wo man ihn des Ungehorsams beschuldigte. Er habe, so meinten die Kardinäle der Inquisition, den seinerzeitigen Befehl von Kardinal Bellarmin missachtet. Galilei legte jedoch einen als Leumundszeugnis erkennbaren Brief von Kardinal Bellarmin vor, angeblich jenes Schriftstück aus dem Jahre 1616, welches eigentlich Galileis Verwarnung enthalten sollte. Das Tribunal war so verblüfft, dass der Prozess vertagt wurde. Galilei hoffte auf einen großzügigen Kompromiss, doch er täuschte sich. Der Prozess gegen ihn war ein Schachzug der Inquisition, der sich in Wahrheit gegen die Anhänger des Giordano Bruno, des Tommaso Campanella und gegen andere Abweichler richtete. Tommaso Campanella, der zweite Ketzer im Bunde, war ein abtrünniger Dominikanermönch und Anhänger der kopernikanischen Lehre. Weil er in Süditalien einen Volksaufstand organisiert hatte, wurde er 1599 eingekerkert und gefoltert. All diese Hintergründe spielten beim Prozess eine entscheidendere Rolle als die naturwissenschaftlichen Lehrinhalte.

Der Prozess aus der Sicht des Manfred Barthel in seinem Buch „Die Jesuiten“:

„Es muss für Galilei eine große Genugtuung gewesen sein, als ein führender Kopf der damaligen Astronomie seine mathematisch-astronomischen Berechnungen nachprüfte, sie an Exaktheit überbot und schließlich bestätigt. Der Name des Mannes: Christov Clavius,( S. 7a), jener sternkundige bayerische Jesuitenpater ,(der vorher bereits erwähnt wurde). ....

Tatsächlich: ein Jesuit bestätigt Galileis Berechnungen. In diesem Satz ist das Wort „Berechnungen“ wichtig. Diese bestätigte der Pater, aber nicht Galileis Theorie. Galilei beachtete diesen feinen Unterschied nicht, er genoss es, fachkundige Gesprächspartner bei den Patres gefunden zu haben. Bald war er in dem römischen Kolleg der Gesellschaft Jesu ein gerngesehener, hochgeehrter Gast. Papst Paul V. empfing ihn, und beide diskutierten auf hohem fachlichem Niveau. Auch der folgende Papst, Urban VIII., wurde interessierter Gesprächspartner Galileis, ja, beide Männer soll eine Freundschaft verbunden haben. Jesuiten und Päpste als Freunde Galileis. Spätestens an dieser Stelle werden viele Leser ihre Köpfe schütteln. Schließlich haben wir in der Schule gelernt, dass Galilei wegen seines Eintretens für die Kopernikanische Theorie von der Inquisition in den Kerker geworfen und unter Folterungen zur Rücknahme seiner Behauptungen gezwungen wurde. Der Prozess gegen Galilei gilt als eines der großen Beispiele für die Vergewaltigung des freien Geistes durch die Kirche. Moralischer Sieger jedoch blieb Galilei, der zwar abschwor, gleichzeitig aber – ein Marqui Posa der Wissenschaft – dem Gericht sein „Eppur si muove !“ (Und sie bewegt sich doch!) entgegenschleuderte. Erst seit einigen Jahren wissen wir, dass es so nicht gewesen ist. Nicht nur Galilei, auch die Jesuiten stehen seitdem in einem anderen Licht. Jahrzehntelang haben Dominikaner Material gesichtet – darunter Dokumente aus den geheimen Archiven des Vatikan, die erst jetzt zur Einsicht freigegeben wurden – und danach eine belegbare Darstellung der Vorgänge um Galilei präsentiert.

Dies sind die wesentlichen Punkte:

Es gab zwei Prozesse gegen Galilei. Der erste beschäftigte sich mit der theologischen Gefahr, die Galileis Theorie heraufbeschwor, der zweite Inquisitionsprozess untersuchte den persönlichen Glauben des Galileo Galilei.

Galilei war weder im Kerker noch wurde er gefoltert. Mit seinem Diener bewohnte er als Gefangener der Inquisition eine Dreizimmerwohnung mit Blick auf die vatikanischen Gärten.

Der Satz „Und sie bewegt sich doch“ fiel nicht während des Prozesses. Er wurde Galilei 128 Jahre später in den Mund gelegt – von dem französischen Jesuiten-Abbe‘ Trailh.

Der geistige Meuchelmord jesuitischer Finstermänner am aufrechten Forscher fand nicht statt. Doch sind Jesuiten am zweiten Prozess gegen Galilei und an seiner Verurteilung beteiligt gewesen.

Wie bei vielen Prozessen scheint auch bei diesem Jahrhundertprozess die Vorgeschichte interessanter als die Gerichtsakten ............

Weiter heißt es dann:

Seine Theorie war in der Welt, die Kirche musste sich mit ihr auseinandersetzen. Die Meinung seiner jesuitischen Freunde war Galilei bekannt. Kardinal Robert Belarmin, einer der besten Köpfe der Gesellschaft Jesu in dieser Zeit, hatte am 4. April 1615 an Galileis Schüler Foscarini geschrieben: „Es scheint mir, dass Sie und Galilei gut daran täten, nicht absolut, sondern ex suppositione (hypothetisch) zu sprechen, wie es meiner Überzeugung nach Kopernikus selbst getan hat....“ Dann wird der Kardinal konkret, wie man es für einen Kirchenmann seines Jahrhunderts kaum für möglich hält: „Wenn ein echter Beweis dafür vorhanden wäre, dass die Sonne im Zentrum des Universums sich befindet und dass nicht die Sonne um die Erde, sondern die Erde um die Sonne sich drehe, dann müssten wir bei der Auslegung jener Bibelstellen, welche das Gegenteil zu besagen scheinen, größte Vorsicht walten lassen und lieber sagen, wir verständen sie nicht, also eine Anschauung für falsch erklären, die als wahr bewiesen wurde. Ich bin indessen der Meinung, es gäbe keinen solchen Beweis, da mir keiner vorgelegt wurde.“ Mit dieser Darstellung begnügte sich schließlich auch das Inquisitionsgericht im ersten Prozess, der sich mit der Theorie des Galilei beschäftigte......Galilei nahm sich tatsächlich Belarmins Rat zu Herzen, allerdings auf eine höchst raffinierte Weise: Er stellte zwar, wie vorgeschlagen, seine Kopernikanische Himmelskörper-Bewegungslehre als Hypothese dar, tat dies aber auch mit der gültigen, von der Kirche anerkannten Lehre, nach der sich die Sonne um die Erde drehte. Er „degradierte“ sie damit ebenfalls zur Theorie. Die Schrift (Die Goldwaage; Dialog über die beiden Weltsysteme), in der er beide Hypothesen gegeneinander ausspielte, schrieb er in Dialogform, ein damals oft angewandter Kunstgriff. In diesem Falle war es außerdem noch ein kluger Schachzug, denn dadurch befolgte Galilei in Form und Inhalt die Auflagen, die das Dekret vom 5. Mai 1616 des Heiligen Offizium von ihm verlangt hatte. Durch dieses Dekret war es zwar verboten, die Erde als Stern zu bezeichnen, und die Lehre von der Bewegung der Erde als „falsch und in allen Punkten der heiligen Schrift widersprechend“ verurteilt, aber die Gegenüberstellung verschiedener Ansichten war nicht verboten. Genau das hatte Galilei in seiner Schrift getan. Für keinen seiner drei Gesprächspartner hatte er Partei ergriffen – meinte er jedenfalls.

Aber das war naiver gedacht, als die Inquisition erlaubte. Dem Verteidiger des offiziellen, von der Kirche gestützten Weltbilds hatte Galilei den Namen „Simplicius“ gegeben, dessen törichte Argumente seinem Namen alle Ehre machten. Neider und Gegner Galileis flüsterten dem Papst ein, sein Freund Galilei habe mit diesem Dummkopf ihn gemeint. Daraufhin wurde Galilei – auch Päpste sind nicht gegen Eitelkeit gefeit – am 12. April 1633 erneut vor ein Inquisitionsgericht zitiert. Da es bei Inquisitionsprozessen keine Anklageschrift gab, erfuhr der 70-jährige erst vor Gericht, wessen er beschuldigt wurde: Ketzerei. Er sei durch seine Schrift in seinem persönlichen Glauben von der Lehrmeinung der Kirche abgewichen. An diesem zweiten Prozess waren Jesuiten als Ankläger beteiligt, und als Anklagedokument diente dem Gericht eine Gesprächsnotiz Belarmins aus dem Jahre 1616. Aus ihr ging hervor, dass Belarmin Galilei verboten hatte, die Kopernikanische Lehre „in irgendeiner Weise fortzuhalten noch zu verteidigen oder zu lehren“. Da konnte man wieder einmal sehen, wozu eine geordnete Ablage gut ist! Jahrzehnte später zaubert man aus ihr zur rechten Zeit das richtige Schriftstück. Galilei kroch zu Kreuze, gelobte Besserung und schwor, „....dass ich geglaubt habe, jetzt glaube und mit Gottes Hilfe auch in Zukunft glauben werde, alles, was die Heilige Katholische und Apostolische Römische Kirche überliefert, predigt und lehrt“. Erst seit 1981, nachdem der Vatikan seine geheimen Archive geöffnet hat, ist ein vergilbtes Stück Papier zu besichtigen, dessen wenige Worte zu den erschütterndsten Dokumenten menschlicher Hilflosigkeit gegenüber einer anonymen Organisation gehören: Mit zittriger Hand hat der Greis Galilei auf diesem Papier seinen Inquisitionsrichtern geschrieben: „Ich bin in euren Händen, Tut mit mir, was euch beliebt“. Ein anderer, tragischerer Galilei spricht aus diesen Worten als der Bilderbuch-Heros des „Und sie bewegt sich doch“. Ein menschlicherer Galilei. Die Fleißarbeit der Dominikaner mag vieles über den Prozessverlauf in neues und sicherlich richtigeres Licht gerückt haben, dennoch bleibt der Fall Galilei alles andere als ein Ruhmesblatt kirchlicher Aufgeschlossenheit. Auch ohne Folter und Kerker hatte die Kirche erreicht, was sie wollte: Galilei schwieg, und die Gestirne liefen wieder so, wie es die Kirche wollte, und Galilei bekam wegen seiner Bußfertigkeit die Kerkerhaft erlassen; als „heilsame Buße“ wurde ihm lediglich auferlegt, „in den drei folgenden Jahren wöchentlich einmal die sieben Bußpsalmen zu sprechen“. Mit diesem Prozess war die Trennung von Naturwissenschaft und Theologie vollzogen. Die Einengung der freien Forschung war für Jahrhunderte festgemauert. Gedacht und erforscht durfte nur werden, was in das Weltbild der römischen Kirche passte .............

Am 22.Juni 1633 wurde Galilei verurteilt. Tatsächlich hatte nicht „die Kirche“ Galilei verurteilt, sondern eine Fraktion, die damals zufällig noch eine Mehrheit bildete und hinter den Ideen des Kopernikus eine kämpferische Ideologie vermutete. Neidische Kollegen besorgten noch ein übriges, und der fatale Fehler war geschehen. Es ist bis heute nicht restlos geklärt, wie stark die Angst der Richter vor den Ideen eines Bruno und Campanella tatsächlich war.

Obwohl Galilei aus Angst vor der Folter abschwor und die kopernikanische Lehre verleugnete, wurde er zunächst zu lebenslangen Kerker verurteilt, später aber zu Hausarrest begnadigt. Er darf sie auf seinem Landsitz verbringen. Dort forscht er weiter - ohne seine Rehabilitation zu erleben. Jahrzehnte nach seinem Tod, er starb 1642 verbittert in seinem Haus in Florenz, wird die Richtigkeit seiner Lehre unwiderlegbar bewiesen. Doch selbst da gesteht die Inquisition ihre Irrtümer nicht ein. Genies wie Galilei bringen die Wissenschaften rasend schnell voran. Europa bricht auf in die Moderne. Die Kirche jedoch verharrt im Stillstand und bleibt zurück.

Erst als Galilei durch die Entdeckung der Jupitermonde beweisen konnte, dass die Erde nicht für alle Himmelskörper der Mittelpunkt sein kann und 1851 der französische Physiker Leon Foucault im Dom von Notre – Dame seinen Pendelversuch durchführt, und damit die Achsendrehung der Erde sinnfällig macht, war die Theorie des Kopernikus endgültig bestätigt. Doch auch heute noch ist die Auffassung nicht ausgeräumt, dass im Konflikt zwischen einer Lehre der Kirche und beobachtbaren, erwiesenen Tatsachen die Lehre der Kirche recht hat und nicht das Faktum – getreu dem Grundsatz: „Umso schlimmer für die Tatsachen, wenn sie mit der Kirchenlehre nicht übereinstimmen“. Ich glaube die etwas längere Darstellung war doch sehr aufschlussreich.

Die Hexenprozesse

Zuerst ein zeitlicher Überblick über die Hexenverfolgung.

391 Das Christentum wird zur offiziellen Staatsreligion des römischen Reiches unter Kaiser Theodosius. Heidnische Kulte und abweichende Glaubenslehren wurden blutig verfolgt.

785 Es gilt die „Heilige Synode von Paderborn“. Diese besagt, dass derjenige, der vom Teufel verleitet nach heidnischem Glauben behauptet, dass es Hexen gibt, mit dem Tode bestraft wird.

bis 11.Jh. Die Todesstrafe ist für „Zaubereisünden“ noch nicht vorgesehen. Zauberei und Ketzerei werden meist mit Kirchenbußen belegt. Karl der Große verbietet den Sachsen die Hexenverbrennung.

1000 -1200 Aufkommen und große Verbreitung von häretischen Sekten in europäischen Ländern; jene stellen den Alleinvertretungsanspruch der Kirche in Frage. Dieses zwingt die Kirche, ihre Haltung gegenüber dem Hexenglauben zu ändern und seine Existenz einzugestehen.

Um 1150 Verbrennung wird die übliche Strafe für Ketzer

1184 „Geburtsjahr“ der Inquisition.

13. Jh Gleichsetzung von Ketzerei mit der Hexerei.

1252 Papst Innozenz IV lässt die Folter zur Wahrheitsfindung zu.

1264 Die erste Hexenverurteilung findet statt.

1346 Ausbreitung der Pest in Europa.

Um 1350 Vermischung der meisten Elemente des Zauberwahns mit der Ketzervorstellung; der Hexenbegriff des 15. Jahrhunderts bildet sich.

Bis 1450 Im Zusammenhang mit weiteren wissenschaftlichen Begründungen für den Dämonenglauben wird ein besonderer Verbrechensbegriff, die „Hexerei“ , entwickelt. Die Hexenverfolgungen beginnen.

Was ist eine Hexe?

Die am weitesten verbreitete Herleitung des Wortes Hexe stützt sich auf das althochdeutsche Wort hagazussa = Zaunreiterin. Demnach ist eine Hexe ein (dämonisches) Wesen, welches auf Hecken oder Zäunen haust. Eine andere Übersetzung oder Deutung zerlegt das Wort in hag = Rodung, Feld + Flur und in zussa = die Schädigende. Die Hexe ist also „die den Hag Schädigende“. Andere verwandte Bezeichnungen finden wir bereits in antiken Darstellungen.

Im Lateinischen gibt es z.B. das Wort strix, was auch Eule bedeutet. Die Bibel spricht von bacularia (Besenreiterin), lamia (Nachtungeheuer), venefica (Giftmischerin) und ähnlichen.

Vorstellungen von Hexen findet man bei den Germanen, alteuropäischen Völkern und im Orient; hier zunächst aber als Wesen der Natur mit konstituierender Funktion für die gesellschaftliche Ordnung. Allem Hexenglauben gemein ist jedoch die Betrachtung der Hexerei als Gegensatz zur Ethik und den Verhaltensnormen der Gesellschaft. Im frühen Hochmittelalter fand dann eine Vermischung des christlichen Teufelsglaubens mit den vorchristlichen Vorstellungen statt.

Eine Hexe war nun per Definition durch päpstliche Bullen, staatliche Gesetze und Literatur ein Wesen, welches mit dem Teufel Unzucht trieb. Als Merkmale für eine Hexe galten nach diesen Schriften abweichende Augenfarben (z.B. hellblaue Augen bei dunkelhäutigen Menschen), rote Haare, Sommersprossen, Warzen, Muttermale und ähnliches. Im Zuge des später so genannten Hexenwahns wurden vornehmlich Erwachsene, mehrheitlich Frauen, als Hexen bezeichnet; die Zahl der verurteilten männlichen Hexer liegt bei ca. 10 - 15%.

„Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen.“ So steht es im Buche Exodus (22,18), und so beginnt auch der Eintrag Hexen (Heutzutage wird die typische Hexe üblicherweise als alte Vettel in einem schwarzen Umhang dargestellt, komplett mit einem Spitzhut und bei Vollmond auf einem Besenstiel fliegend. Kinder verkleiden sich zu Halloween oder Karneval als Hexen, was manchem frommen Christen ein mulmiges Gefühl gibt. Die Filmindustrie vermittelt einem ihrerseits eher Bilder von sexy Hexys mit übersinnlichen Fähigkeiten wie etwa Psychokinese, Gedankenkontrolle, Verwünschungen und einer ganzen Reihe weiterer okkulter Talente. „Heidnische“ oder antichristliche New Age-Religionen werden manchmal mit Hexen gleichgesetzt, da einige Christen glauben, sie betrieben Hexenkunst oder weil einige Mitglieder dieser Religionen behaupten, Magie (auch „das Handwerk“ genannt) zu betreiben. Manche von ihnen bezeichnen sich selber als „Hexen“ und ihre Gruppen als „Hexenzirkel“ (männliche Hexen hören es nicht gerne, wenn sie als „Hexenmeister“ bezeichnet werden). Andere wiederum nennen sich selber „Zauberer“ und verehren Satan, will sagen, sie glauben an Satan und vollziehen Rituale, von denen sie annehmen, sie gäben ihnen einen Teil von Satans übernatürlichen okkulten Fähigkeiten. Die meisten Hexen des New Age haben nichts mit Teufelsanbetung zu tun und lehnen es ab, damit in Verbindung gebracht zu werden. Sie sehen sich eher in einer okkulten oder magischen Tradition und möchten eine Art Naturreligion wieder einführen, die sie mit antiken, heidnischen Religionen wie etwa im alten Griechenland oder bei den Kelten (insbesondere bei den Druiden) identifizieren. Diese Neu-Heiden bezeichnen Frauen und Männer gleichermaßen als „Hexen“. Eine der am weitesten verbreiteten Naturreligionen ist Wicca.

Die Hexen der christlichen Mythologie waren dafür bekannt, Sex mit Satan zu haben und ihre magischen Kräfte zu benutzen, um allerlei Böses zu tun. Der Höhepunkt des Hexenwahns fand zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert statt, als der „Hexensabbat“ erfunden wurde. Dieser Sabbat war eine Parodie auf den christlichen Gottesdienst. Hexen wurden dargestellt als Frauen, die nachts auf Besenstielen oder Ziegen durch Schornsteine flogen und den Sabbat ansteuerten, wo der Teufel (im allgemeinen in Form einer gefiederten Kröte, eines Raben oder einer Krähe, einer schwarzen Katze oder als Ziegenbock) eine gotteslästerliche Version der Heiligen Messe durchführen würde. Zusätzlich gab es dort noch obszöne Tänze, ein Bankett und das Brauen von Trünken in großen Kesseln. Serviert wurden etwa schmackhaftes Kinderfleisch, Aas und andere Delikatessen für den verwöhnten Gaumen. Das Hexenbräu wurde offenbar verwendet, um Menschen zu verletzen oder zu töten oder um Vieh zu verstümmeln. Diejenigen, die in den Kreis der Eingeweihten der Satanischen Mysterien aufgenommen wurden, erhielten allesamt ein sogenanntes Hexenmal, etwa einen Klauenabdruck unter dem linken Auge. Der Teufel kam daher als Bock oder Satyr oder als sagenhafte Gestalt mit Hörnern, Klauen, Schwanz und/oder Schwingen; eine Missgeburt zwischen Engel, Mensch und Tier. Eine besondere Attraktion des Hexensabbats war das rituelle Küssen von Satans verlängertem Rücken, vermutlich als Verzerrung des traditionellen christlichen Brauches, sich hinzuknien und Hand oder Ring eines Geistlichen zu küssen.

Zahlreiche Zeugenaussagen stehen zu Buche, die den Hexensabbat bestätigen können. Die Schäferin Anne Jacqueline Coste berichtete Mitte des 17. Jahrhunderts, dass während der Nacht des Heiligen Johannes des Täufers ihre Freundinnen und sie ein schreckliches Brüllen hörten und als sie sich nach allen Seiten umsahen, um festzustellen, woher denn dieses furchterregenden Heulen und tierische Schreien komme, sahen sie am Fuße des Berges die Gestalten von Katzen, Ziegen, Schlangen, Drachen und alle Arten von grausamen und unreinen Tieren, die ihren Sabbat abhielten und einen schrecklichen Aufruhr veranstalteten, wobei sie die abstoßendsten und widerlichsten Worte von sich gaben und die Luft mit den abscheulichsten Gotteslästerungen erfüllten.

Geschichten wie diese hatten eine jahrhundertelange Tradition und wurden von frommen Christenmenschen ohne auch nur die Spur von Skeptizismus bezüglich ihres Wahrheitsgehaltes akzeptiert. Man hielt sie nicht für Wahnvorstellungen, sondern für präzise Berichte.

Pierre de l'Ancre – der Verfasser eines Buches über Engel, Dämonen und Zauberer von 1610 – behauptet, er habe einen Sabbat beobachtet. Hier ist seine Beschreibung:

„Sehet hier die Gäste der Versammlung, jede mit einem Dämon an ihrer Seite, und wisset, dass auf diesem Bankett kein anderes Fleisch serviert wird als Aas, und das Fleisch derer, die gehängt wurden, und die Herzen von nicht getauften Kindern, und andere unreine Tiere, dem Brauche und der Sitte des Christenmenschen fremd, und das Ganze geschmacklos und ohne Salz“.

Die Behauptungen, die in Büchern wie de l'Ancres aufgestellt wurden, und die Darstellungen von Sabbathandlungen in Kunstwerken über mehrere Jahrhunderte wurden nicht als amüsante Märchen oder psychologische Manifestationen verwirrter Geister angesehen. Diese Vorstellungen, so absurd und lächerlich sie uns auch erscheinen mögen, wurden von Millionen frommer Christen als die reinste Wahrheit hingenommen. Auch heute gibt es noch viele Leute, die ähnliche Geschichten über Kinderschlachtungen und rituelle Opferung von Tieren glauben, meist in einem Atemzug mit sexuellem Missbrauch und satanischer Beeinflussung.

Die Freudianer müssten ihre Freude daran haben, diese zählebigen Mythen über satanische Kreaturen mit Hörnern, langen roten Schwänzen und unersättlicher sexueller Gier, über entführte, sexuell missbrauchte, verstümmelte oder ermordete Kinder, über Frauen mit langen Stielen zwischen ihren Beinen und einer Zaubersalbe, die zu einem One-Night-Stand mit einem dämonischen Ziegenbock abheben, und über Kreaturen mit Superkräften wie etwa Verwandlung. Meine Vermutung ist, dass Hexerei und Zauberei zum größten Teil im dampfenden Kessel sexueller Unterdrückung gebraut wurden und eine Rechtfertigung für den öffentlichen Handel mit literarischer und bildlicher Pornographie bildeten, die von der Kirche geschaffen, abgesegnet und glorifiziert wurde.

Sicherlich gab es auch eine Verfolgung derjenigen – besonders auf dem Lande – die eine Verbindung zu ihrer heidnischen Vergangenheit bewahrt hatten. Aber es ist schwer zu glauben, dass die Beschreibungen der Hexerei, die gefolterten und verstümmelten Opfern über Hunderte von Jahren entrissen wurden, nicht zum größten Teil in der Phantasie ihrer Folterer entstanden. Die Macht der Inquisitoren war so groß und ihre Foltermethoden so elaboriert und ausgesucht sadistisch, dass sie Tausende ihrer Opfer dazu bringen konnten, selbst zu glauben, sie seien besessen und verrucht. Diese Grausamkeiten und Wahnideen hielten mehrere Jahrhunderte durch an, und die Hexenjagd wurde in England erst 1682 abgeschafft. Sie wurde nach Amerika importiert und führte 1692 in Salem, Massachusetts, zu einem Prozess, in dessen Folge 19 Hexen gehängt wurden. Die letzte öffentliche Hinrichtung einer Hexe fand 1793 in Polen statt; der letzte Versuch, eine Hexe öffentlich hinzurichten, geschah 1900 in Irland, als zwei Bauern sich bemühten, eine Hexe über ihrem eigenen Feuer zu rösten.

Wie auch immer die psychologische Grundlage für die Schaffung einer fiktiven Anti-Kirche mit Hexen und Zauberern im Verbund mit Satan zur Verspottung und Entweihung der kirchlichen Symbole gewesen sein mag, das praktische Ergebnis war eine stärkere und mächtigere Kirche. Niemand weiß, wie viele Hexen, Ketzer oder Zauberer von den Frommen gefoltert oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden, aber die Furcht, die von der mittelalterlichen und der spanischen Inquisition verbreitet wurde, muss nahezu jedermann im christlichen Abendland erfasst haben. Eine Beschuldigung als Hexe war so gut wie eine Verurteilung. Leugnete man, bestätige man die eigene Schuld: Natürlich wird eine Hexe behaupten, sie sei keine und sei glaube nicht an Hexerei. Werft sie in den Fluss! Wenn sie versinkt und ertrinkt, beweist dies, dass sie keine Hexe ist; schwimmt sie oben, wissen wir, dass der Teufel ihr beisteht. Zieht sie dann aus dem Wasser und verbrennt sie, denn die Kirche mag kein Blutvergießen!

Tatsächlich führte die Kirche eine Schreckensherrschaft, die denen von Hitler oder Stalin in vielerlei Hinsicht etwas voraushatte. Hitlers und Stalins Terrormethoden hielten nur wenige Jahre vor und waren geographisch beschränkt; der kirchliche Terror dauerte Jahrhunderte und war überall in der Christenheit zu finden. Er war außerdem primär gegen Frauen gerichtet. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Religionen von heute, deren Mitglieder sich Hexen oder Zauberer nennen, antichristlich, heidnisch und frauenzentriert oder satanisch sind, und es sollte nicht überraschen, dass diese New Age-Religionen all das preisen, was die Kirche verdammte (wie etwa Egoismus und gesunde Sexualität jedweder Art) und das verdammen, was sie Kirche pries (wie etwa Selbstkasteiung und die untergeordnete Rolle der Frau). Wer will ihnen das vorwerfen?

Die grauenhafte und tragische Geschichte des Hexenwahns beginnt also mit einem Übersetzungsfehler: Das hebräische Wort, das an dieser Stelle verwendet wird, ist wesentlich treffender mit „Giftmischerinnen“ zu übersetzen (ähnlich dem Fehler, der aus der „jungen Frau“ Maria die „Jungfrau“ Maria machte).

Allerdings kann man davon ausgehen, dass es auch ohne explizite biblische Aufforderung eine Hexenverfolgung gegeben hätte.

Man kann allerdings nicht sagen, dass Innozenz oder die Dominikanermönche die Hexenverfolgung eingeführt hätten; Hexengeschichten sind so alt wie die Menschheit. Was sie allerdings bewirkten, war eine Systematisierung der Verfolgung, die die ohnehin geringen Überlebenschancen der Angeklagten gegen Null streben ließ. Insbesondere der dritte Teil des Hexenhammers - die Prozessordnung - sollte sich als verheerend erweisen. Dennoch dauerte es noch beinahe hundert Jahre, ehe der Hexenwahn zu einer wahren Epidemie wurde; bis dahin waren Hexenprozesse eher vereinzelt geblieben.

Ein typischer Hexenprozess begann üblicherweise mit einer - meist anonymen - Beschuldigung, zu der man sich vor dem Inquisitionsgericht äußern musste. Wenn man nicht sehr viel Glück oder einen exzellenten Anwalt hatte - der nicht zu eifrig auftreten durfte, um sich nicht verdächtig zu machen - wurde aus der Befragung (eigtliche Bedeutung des Wortes Inquisition) ein echtes Verhör, das mit dem Zeigen der Folterinstrumente und schließlich der tatsächlichen Folter fortgesetzt wurde. Es gab üblicherweise fünf Stufen der Folter, die von den Inquisitoren variiert werden konnten; überlebte eine Angeklagte tatsächlich alle fünf Stufen, ohne zu gestehen, war sie frei (eine Sitte, die Sprenger/Institoris sehr missfiel und die sie im Hexenhammer zu unterminieren versuchen). Die Wasser- oder Feuerprobe war bei weitem nicht die einzig mögliche Methode.

Der genaue Ablauf des Prozesses hing sehr von den beteiligten Personen und der Region ab, in der er stattfand. Da die Inquisition auf die weltlichen Behörden zur Durchsetzung der Urteile angewiesen war, musste sie versuchen, sich deren Kooperation zu sichern, etwa durch Bestechung, Überredung oder Drohung (man denke an Innozenz Strafen). Viele Mächtige waren natürlich selber ebenfalls hexengläubig. Auch die Persönlichkeit der Inquisitoren spielte eine Rolle; anders als viele meinen, war nicht jeder Inquisitor ein perverser Wüstling und roher Folterknecht, und manche waren durchaus an der Wahrheit interessiert. In Städten wie Frankfurt oder Basel kam es nur zu wenigen Hexenprozessen; in Holland etwa erreichten sie nie die Verbreitung, die sie in Deutschland, England, der Schweiz oder Frankreich hatten. In protestantischen Ländern waren Hexenprozesse im Allgemeinen häufiger als in katholischen; in Spanien trat der Hexenprozess gegenüber dem Ketzerprozess in den Hintergrund.

Vor der Veröffentlichung des Hexenhammers war eine übliche Strafe für eine bußfertige Hexe lebenslange Kerkerhaft, aber danach war die bei weitem häufigste Strafe das Verbrennen, oft bei lebendigem Leibe. Aber nicht jeder Hexenprozess endete mit der Todesstrafe; das ganze Instrumentarium von Leibstrafen über Geldbußen bis hin zu Kirchenstrafen wurde eingesetzt. Nach einem Schuldspruch wurde der Besitz der Hexe konfisziert und kam teils den Inquisitoren, teils des weltlichen Behörden zugute, ein Brauch, der dazu führte, dass nach einer Weile mehr und mehr wohlhabende Leute angeklagt wurden.

Im Zuge des Hexenhammers war jeder noch so hinterhältige Trick erlaubt, um eine Hexe zum Geständnis zu bringen. So konnte der Inquisitor Strafminderung versprechen, ohne dieses Versprechen halten zu müssen; er konnte sich Beschuldigungen und Ankläger ausdenken und nach Belieben Zeugenaussagen fälschen, da es der Angeklagten gemäß Vorschrift nicht gestattet war, ihren Anklägern gegenüberzutreten. Es wurde ihr außerdem nahegelegt, noch weitere Hexen zu benennen, gegen die dann ein neuer Prozess angestrengt werden konnte. Die Inquisitoren scherten sich nur selten um das Beichtgeheimnis, dem sie kirchenrechtlich eigentlich unterlagen.

In den Folterstuben haben sich grauenhafte Szenen abgespielt, die nicht selten in Vergewaltigung und sexuellen Sadismus mündeten. Die Technik, durch Stechen in verschiedene Körperteile der Hexe das sogenannte „Hexenmal“ ausfindig zu machen, war eine hervorragende Methode, die Angeklagte ausziehen und berühren zu dürfen - alles für die Wahrheitsfindung. Ein englischer Hexenjäger gab Mitte des 17. Jahrhunderts zu, er sei für den Tod von 220 Frauen verantwortlich - für jeweils 20 Shilling pro Opfer (er endete am Galgen). Die Befragungen nahmen häufig einen verschmitzt-sexuellen Ton an, und viele Inquisitoren erkundigten sich sorgfältig nach allen Details der erotischen Eskapaden mit Satan und seinen Dämonen.

Im Hexenprozess ging es nicht nur im einen religiösen, sondern meist auch um einen tatsächlichen Schaden, der von der Hexe angerichtet worden sein soll: Kinder werden krank, Kühe sterben, Scheunen brennen, die Ernte ist verdorben und so weiter. Da solche Ereignisse ständig vorkamen, war auch immer Bedarf an Schuldigen, und da man sich im Prozess nicht mit Logik, Motiv, Gelegenheit und Alibi herumschlagen musste, war eine Verteidigung praktisch unmöglich. Carl Sagan schreibt über einen Fall, in dem ein Ehemann zugunsten seiner angeklagten Frau aussagt, sie habe sich zu der Zeit, zu der sie angeblich zu einem Hexenritt ausgefahren sei, in seinen Armen befunden. Der Bischof belehrte ihn darüber, dass ein Dämon die Gestalt seiner Frau angenommen habe; er solle nicht glauben, seine Wahrnehmung sei der Täuschung Satans gewachsen.

Obgleich die Manie im späten 16. und im 17. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, hatte es schon im 14. Jahrhundert in Frankreich zahlreiche Hexenprozesse gegeben, so dass man das Phänomen zeitlich nicht zu sehr einschränken sollte. Auch ist es nicht auf unseren Kulturkreis beschränkt; Irenäus Eibl-Eibesfeldt berichtet von den neuguineischen Eipo, die auf sehr ähnliche Weise Hexen ausfindig machen und töten.

Die Zeittafel des Hexenwahns:

391: Das Christentum wird zur offiziellen Staatsreligion des römischen Reiches unter Kaiser Theodosius. Heidnische Kulte und abweichende Glaubenslehren wurden blutig verfolgt.

785: Es gilt die „Heilige Synode von Paderborn“. Diese besagt, dass derjenige, der vom Teufel verleitet nach heidnischem Glauben behauptet, dass es Hexen gibt, mit dem Tode bestraft wird.

Bis 11. Jahrhundert: Die Todesstrafe ist für „Zaubereisünden“ noch nicht vorgesehen. Zauberei und Ketzerei werden meist mit Kirchenbußen belegt. Karl der Große verbietet den Sachsen die Hexenverbrennung.

1000-1200: Aufkommen und große Verbreitung von häretischen Sekten in europäischen Ländern; jene stellen den Alleinvertretungsanspruch der Kirche in Frage. Dieses zwingt die Kirche, ihre Haltung gegenüber dem Hexenglauben zu ändern und seine Existenz einzugestehen.

Um 1150: Verbrennung wird die übliche Strafe für Ketzer

1184: „Geburtsjahr“ der Inquisition.

13. Jahrhundert: Gleichsetzung von Ketzerei mit der Hexerei.

1227: Papst Gregor IX richtet Inquisitionsgerichte ein, die Franziskaner und vor allem die Dominikaner werden durch ihn beauftragt, die Inquisition durchzuführen.

1252: Papst Innozenz IV lässt die Folter zur Wahrheitsfindung zu.

1264: Die erste Hexenverurteilung findet statt.

1346: Ausbreitung der Pest in Europa.

Um 1350: Vermischung der meisten Elemente des Zauberwahns mit der Ketzervorstellung; der Hexenbegriff des 15. Jhs. bildet sich.

Bis 1450: Im Zusammenhang mit weiteren wissenschaftlichen Begründungen für den Dämonenglauben wird ein besonderer Verbrechensbegriff, die „Hexerei“ , entwickelt. Die Hexenverfolgungen beginnen.

1456: Durch die Erfindung des Buchdrucks und der damit zusammenhängenden Verbreitung von Schriften gegen Ketzer und Hexen verschärfen sich die Verfolgungen.

1459: „Fortalicium fidei“ erscheint, ein Grundlagenwerk von Alphonso de Spina gegen Ketzer, Juden und andere Nichtchristen > religiöser Fanatismus der Inquisitoren; Übergang von Ketzer- zum Hexenprozess unter Hinzufügung des Denunziationsprinzips.

1478: Inquisitionsgerichte werden in Spanien eingeführt.

1480: Beginn der systematischen Verfolgung von Hexen.

1484: „Summis desiderantes“: Ketzer/ Hexenbulle des Papst Innozenz VIII. Diese entsteht auf Wunsch von Heinrich Institoris und Jakob Sprenger. Durch diese Bulle konnte nun mit päpstlicher Autorität jeder Widerstand und Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prozesse und Hinrichtungen im Keim erstickt werden.

1487: „Malleus Maleficarum“ (maleficarum, grammatikalisch weibliche Form Unholdin) Hexenhammer von Heinrich Institoris und Jakob Sprenger erscheint. Dieses Werk betrachtet die Frau als Hauptfeindin der Kirche, schreibt hauptsächlich dem weibl. Ge-schlecht das Zauberdelikt zu und befürwortet den Gebrauch der Folter. Durch seine genauen Anweisungen für die Prozessführung wurde es zum Strafkodex der Gerichtspraxis in Mitteleleuropa bis ins 17. Jahrhundert bei Richtern aller Konfessionen.

16. und 17 Jahrhundert: Verfolgung besonders von Frauen, aber auch Männern und Kindern. Die Motive und hinter den Vorwürfen des Hexenunwesens lassen sich immer weniger rational erfassen, sie können nur noch als frauenfeindlich und menschenverachtend gelten. Hexenprozesse (das Todesurteil steht im Voraus fest) sind die Folge.

1515 – 1588: Johannes Weyer, Arzt und Literat, veröffentlicht 1563 sein bekanntes Werk „De praegistigus daemonum et incantationibus ac veneficus“ (die Wunder der Dämonen, Beschwörungen und Vergiftung). Er tritt als Gegner der Hexenprozesse auf, verlangt die sofortige Freisprechung der Angeklagten und besteht darauf, dass sie zumindest nicht gefoltert und getötet werden, da es sich seiner Meinung nach hier um alte, melancholische Frauen handele, die mutlos, schüchtern und geistig so verwirrt seien, dass sie glaubten, Dinge vollbringen zu können, die in Wirklichkeit unmöglich seien. Durch Folter erpresste Geständnisse seien schreckliche Fehler.

1532: „Die peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karl V“, kurz Carolina, schafft die gesetzliche Grundlage für die massenhafte Durchführung von Hexenprozessen in Deutschland zwischen 1580 und 1680.

1538 - 1599: Reginald Scott, „Deconverte de la Sorcellerie“. Auch dieser Arzt vertritt eine ähnliche Meinung wie Johannes Weyer. Für ihn sind diese Frauen bedauernswerte an Melancholie leidende Kranke, die sich etwas einbilden und vor Gericht gestehen, Hexen zu sein. Nach und nach bahnen sich diese Gedanken einzelner Ärzte, die den Mut hatten, gegen den Strom zu schwimmen, ihren Weg und bleiben nicht ohne Einfluss.

1540/42: Paul III richtet das Heilige Offizium in Rom ein und die Inquisition wird in fast allen christlichen Staaten eingeführt.

1585: Der Erzbischof von Trier lässt so viele Frauen als „Hexen“ verbrennen, dass in zwei Dörfern jeweils nur noch zwei Frauen übrigbleiben.

1596: Der Bischof von Gent lässt in weniger als sechs Wochen mehr als 600 Personen den Feuertod sterben.

Ende 16 Jahrhundert: Ausbreitung der Kultur und Zivilisation der Renaissance von Italien über ganz Europa, die kritische Vernunft erlangt wieder Bedeutung; Niedergang der Inquisitionsgerichte.

1610: Letzte Hinrichtung in Holland

1630: Der Bischof von Würzburg lässt 1200 Männer und Frauen verbrennen. Der Erzbischof von Bamberg lässt 600 Frauen und etliche Männer verbrennen.

1631: Friedrich von Spee, Jesuitenpater, begleitet während der Prozesse die Hexen seelsorgerisch und wird zu einem überzeugten Gegner der Verfolgung; Herausgabe seiner Erkenntnisse in dem Buch "Cautio Criminalis", allerdings aus Sicherheitsgründen nicht unter eigenem Namen.

1676: Der Erzbischof von Salzburg lässt 97 Frauen wegen Anstiftung einer Viehseuche verbrennen.

1684: Letzte Hinrichtung in England

1745: Letzte Hinrichtung in Frankreich

1775: Letzte Hinrichtung in Deutschland, im Stift Kempten wird wegen erwiesener Teufelsbuhlschaft eine Hexe hingerichtet, die Letzte auf deutschem Boden.

1782: Letzte Hinrichtung in der Schweiz

1790 – 92: Llorente, Sekretär der Inquisition von Madrid, schreibt die „Geschichte der Inquisition“ und gibt die Zahl der Todesopfer mit 30.000 an.

1792: Letzte Hinrichtung in Polen.

Berühmte „Hexen“-Prozesse waren zum Beispiel die SCHONGAUER PROZESSE 1589 und der PAPPENHEIMER PROZESS 1600. Ein weiterer Prozess soll jetzt unsere Aufmerksamkeit gewidmet sein. Vielleicht sollt in dieser Sache auch noch der Dominikanermönch Johannes Tetzel (1465 bis 1519) erwähnt werden. „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“

Tetzel trat 1489 in das Dominikanerkloster St. Pauli ein. Ab 1504 betrieb er Ablasshandel: Den Gläubigen wurde gegen Zahlung eines Geldbetrages die Vergebung ihrer Sünden zugesagt. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts war dies streng geregelt gewesen, nur bestimmte Sünden konnten durch Geld und keinesfalls ohne tätige Reue erlassen werden. Als Rom jedoch immer mehr Geld für den Bau des Petersdomes benötigte, wurden diese Regeln nach und nach gelockert; schließlich konnte man auch Ablässe für Verstorbene kaufen. 1517 hielt Tetzel sich in der Kirchenprovinz Magdeburg auf, wohin prompt auch die Wittenberger Bürger kamen, um sich statt durch echte Buße durch Geld von ihren Sünden zu befreien. Luther, Beichtvater vieler Wittenberger, bemerkte dies mit Bitterkeit; die 95 Thesen, die er als Reaktion darauf in Wittenberg anschlug, lösten die Reformation aus. Kurz vor Tetzels Tod schickte Luther ihm einen Trostbrief.

Der Kampf ums Recht oder Das unsichtbare Böse , 1. Band

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