Читать книгу Sammelband 6 Krimis: Die Konkurrenten und andere Krimis für Strand und Ferien - Walter G. Pfaus - Страница 54

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Alles wäre also an diesem Morgen wunderbar gewesen, wenn dieses blöde Telefon nicht so penetrant geläutet hätte. Und wenn ich nicht abgehoben hätte. Aber als pflichtbewusster Beamter nehme ich den Hörer halt doch aus der Station.

Und damit war es endgültig vorbei mit der „ruhigen Kugel“. Von nun an würde im Dorf nichts mehr so sein, wie es einmal war.

„Köberle“, melde ich mich.

„Habe ich dich geweckt, Hanno?“ erkundigt sich der Störenfried. Die Stimme kam mir zwar irgendwie bekannt vor. Aber ich wusste im Moment nicht, wo ich sie einordnen sollte.

„Und wer glaubt, mich geweckt zu haben?“ frage ich deshalb zurück.

„Ich bin es, Max.“

„Max? Max wer?“

„Na, Max.“ Eine Weile war es still. Ich versuche mich zu erinnern, wie viele Max ich kenne. Da fährt er fort: „ Max Hufnagel, der Stille mit der lauten Frau.“

„Ach, du bist es, Max! Tut mir Leid, dass ich dich nicht gleich an deiner Stimme erkannt habe. Aber ich habe eine lange, feuchte Nacht hinter mir.“

„Ja, ich habe schon davon gehört, dass du dich zum zweiten Vorsitzenden des Schützenvereines hast wählen lassen. Du weißt ja, Sie weiß alles und Sie erzählt mir auch alles. Ich wette, du bist einstimmig gewählt worden.“

„Wette gewonnen. Aber deshalb holst du mich doch sicher nicht aus dem Bett. Und sag jetzt bloß nicht, dass deine Frau dich schickt, um eine Anzeige zu machen. Das würde ich dir dann schon sehr übel nehmen. Ich wollte mir nämlich heute mal einen freien Tag nehmen.“

„Den freien Tag wirst du dir ein anderes Mal nehmen müssen. Es liegt ein totes Kind in meiner Garage.“

„Ein totes Kind?“

„Ja. Sieht aus, als wäre es ein Neugeborenes. Ich habe mit so was zwar keine Erfahrung, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das Kind tot ist.“

„Und wie kommt ein totes Kind in deine Garage?“

„Das weiß ich doch nicht.“ Es klingt fast ein wenig ärgerlich. „Komm her und sieh es dir an.“

„Aber da muss ich doch erst die Kripo...“

„Das kannst du auch von hier aus machen“, drängte der Max jetzt. „Ich weiß nicht, wie lange ich die Leute noch von meiner Garage fernhalten kann.“

„Wieso wissen das schon andere Leute? Hat deine Frau wieder...“

„Sie hat doch das tote Kind in der Garage entdeckt. Und dann hat sie geschrien wie am Spieß. Das Geschrei hat schon die ganze Nachbarschaft angelockt und ich fürchte, es werden bald noch mehr kommen.“

„Halt die Stellung!“ befehle ich ihm. „Lass niemanden in die Garage. Ich beeile mich. Aber mit zwanzig Minuten musst du schon rechnen.“

Ich warte erst gar keine Antwort ab, drücke das Gespräch weg und stelle mich kurz unter die Dusche. Dann wähle ich die Nummer der Kriminalaußenstelle Ehingen. Ich stelle auf Lautsprecher. Marion Meggle, die seit einigen Monaten die Anrufe entgegen nimmt, meldet sich.

„Köberle hier“, sage ich, während ich mich anziehe. „Kann ich den Chef sprechen?“

„Ist es dringend?“

„Sehr dringend. Wir haben ein unbekanntes totes Kind im Dorf.“

„Gut, ich verbinde.“

„Köberle!“ dringt kurz darauf die laute Stimme von Moosbauer aus dem Telefon. Moosbauer ist immer so laut. Als Chef muss man so laut sein, hat der Hirnbein mal gesagt. Und der Hirnbein muss es ja wissen, weil er mal Moosbauers Nachfolger werden will. „Was gibt es? Aber machen Sie es kurz. Ich bin gerade in einer wichtigen Besprechung.“

„Wir haben hier ein totes Kind. Jemand hat ein totes Neugeborenes in einer Garage abgelegt.“

„Sind Sie schon vor Ort?“

„Nein, noch nicht. Ich wurde eben erst benachrichtigt.“

„Von wem?“

„Von Max Hufnagel, dem Besitzer der Garage. Seine Frau Luise hat das Kind entdeckt.“

„Könnte sie selbst was damit zu tun haben?“

„Nicht direkt. Eher indirekt.“

„Geht das auch etwas genauer?“

„Das Ehepaar Hufnagel ist kinderlos. Er ist um die sechzig und Frührentner. Sie dürfte im selben Alter sein, also jenseits eines gebärfähigen Alters. Dafür gebärt sie Klatsch in allen Variationen.“

„Dann meinen Sie also, jemand könnte ihr aus Rache das tote Kind in die Garage gelegt haben.“

Schnelle Auffassungsgabe hat er, der Chef, das muss man ihm lassen.

„Könnte durchaus sein“, sage ich. „Sie hat sich im Dorf eine Menge Feinde gemacht. Eine Anzeige pro Woche ist normal. Sie sieht anscheinend alles und weiß alles. Selbst wenn sie Hundescheiße auf dem Bürgersteig sieht, kann sie sagen, von welchem Hund die stammt.“

Ich habe mich inzwischen in meine Uniform gezwängt.

„Na wunderbar“, sagt Moosbauer. „Dann wird sie doch auch wissen, wer ihr das tote Kind untergeschoben hat.“

„Ich fürchte, sie wird glauben, es zu wissen. Nur darf man ihr nicht alles glauben.“

„Köberle, Sie machen das schon.“

„Heißt das, ich kriege keine Unterstützung von euch oder so?“ erkundige ich mich.

„Ich schicke Ihnen die Spurensicherung aus Ulm. Mehr ist im Moment nicht drin. Ihr seid doch schon zu zweit.“

„Ich bin allein“, erkläre ich ihm. „Der Holzer liegt doch im Krankenhaus. Blinddarm.“

„Ach, so was hat der noch?“ witzelt Moosbauer.

„Ich habe so was auch noch“, sage ich.

„Dann müssen Sie eben vorerst ohne den Holzer klarkommen. Dafür haben Sie ja auch noch den Blinddarm.“

Hahaha. Es ist eine wahre Freude, so einen witzigen Chef zu haben.

„Dann leihe ich mir die Domino aus.“

„Die hat Urlaub. Aber das wissen Sie doch.“

„Nein, das weiß ich nicht. Sie hat sich nicht bei mir abgemeldet. Muss sie ja auch nicht. Oder?“

„Dann ist sie auch noch nicht weg“, höre ich den Moosbauer sagen. „Sie wird nicht in Urlaub fahren, ohne Ihnen Bescheid zu geben.“

„Dann glauben Sie also auch, was in Kollegenkreisen so herumfährt“, sage ich.

„Was fährt denn so herum?“ fragt Moosbauer. Es klang, als wüsste er nichts. Aber ich weiß, dass er es weiß und darum werde ich jetzt auch etwas lauter.

„Dass ich mit der Domino was hätte! Das ist durchaus nicht der Fall. Ich schätze sie als verlässliche Kollegin mit Spürsinn, Einfühlungsvermögen und Intuition. Und ich mag sie ja auch, das gebe ich gerne zu. Mehr ist da aber nicht. Sollte jemals mehr daraus werden, informiere ich Sie.“

„Ich habe nichts anderes erwartet.“

„Ich wollte das nur mal gesagt haben. Vielleicht sollte man das mal an die Kollegen weitergeben.“

„Schon gut, Köberle. Darüber reden wir noch.“

„Falls die Domino noch zu Hause sein sollte, bin ich überzeugt, dass sie den Urlaub verschieben wird, wenn ich sie darum bitte. Aber vielleicht wäre es doch besser, wenn Sie mir...“

„Hören Sie, Köberle, wir haben im Moment wirklich einen personellen Engpass. Ich habe selbst Verstärkung aus Ulm angefordert. Ob ich welche kriege, entscheidet sich demnächst. Wir haben doch da den immer noch nicht geklärten Mord an dem Spielhallenbetreiber. Und dann ist da auch noch der Mann, der seine Frau mit einem Messer attackiert und schwer verletzt hat. Aber er streitet alles ab und die Frau ist noch nicht vernehmungsfähig. Es steht überhaupt noch nicht fest, ob sie durchkommt. Zwei Einbrüche sind auch noch zu klären und...“

„Gut, gut, ich mach’s alleine. Bei der Domino fahre ich gleich vorbei. Aber Sie sagen dem Haberkorn Bescheid, sonst macht der wieder einen Aufstand wie beim letzten Mal.“

„Ich rufe ihn an. Köberle, Sie machen das schon. Halten Sie mich auf dem Laufenden.“

Moosbauer legte auf. Ich rufe noch kurz Oma Dodel an, dann besteige ich mein fast nagelneues Dienstfahrzeug.

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