Читать книгу Rom kämpft um den Rhein - Walter Krüger - Страница 7

Оглавление

Einleitung

Der Titel des Themas und Buches heißt „Rom kämpft um den Rhein“. Es erscheint in drei Teilen, die hintereinander veröffentlicht werden. Sie tragen folgende Untertitel:

Teil I -Caesars Kriege 58 v.Chr. gegen Helvetier und Sweben
Teil II -Caesars Kriege gegen die Belger 57 v.Chr. - 51 v.Chr.
Teil III -Caesars Kriege gegen die Germanen 57 v.Chr. - 50 v.Chr.

Die Teile I und II wurden bereits veröffentlicht. In ihrer Gesamtheit sollen diese Bücher von wichtigen Ereignissen berichten, die sich während des sogenannten Gallischen Krieges, der von 58 v.Chr. bis 50 v.Chr. dauerte, zugetragen haben. Ausgelöst wurde dieser Krieg von dem Prokonsul Gaius Julius Caesar (100 v.Chr. - 44 v.Chr.). Als Statthalter der römischen Provinz Gallia Transalpina und ausgestattet mit einem über fünf Jahre gültigen Kommando überschritt er 58 v.Chr. die nördliche Provinzgrenze und fiel in keltische Gebiete ein, um sie zu unterwerfen. Caesar selbst hat diesen Krieg ausführlich in seinem Buch „De Bello Gallico“ beschrieben. Da er Feldherr und Autor in einer Person war, sind seine Kommentare entsprechend seines persönlichen Weltbildes und seiner persönlichen Ansichten das Ergebnis einer nicht ungefährlichen Gratwanderung zwischen Wunschträumen und Wirklichkeit. Sein Buch ist jedoch die einzige Quelle eines Zeitgenossen. Eine andere oder gar bessere gibt es nicht. Nachfolgende Historiker und Autoren haben stets auf diese Quelle zurückgreifen müssen. Da die betroffenen Völker, die Kelten, die Belger und die Germanen, keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben, konnten Caesars Kommentare fast unangetastet überdauern.

Jeder, der sich mit diesem Thema beschäftigt, steht vor der schweren Entscheidung über die Glaubwürdigkeit der von Caesar beschriebenen Ereignisse. Eine Trennung in richtige und falsche Fakten wäre anmaßend und zugleich ein ungeeigneter Versuch, denn es gibt viele Zwischenstufen. Insofern ist der Umgang mit diesen Fakten stets ein subjektiv gefärbter Prozess. Zeitgeist und Weltbild des Autors spielen in ihn hinein. Am Ende stehen Caesars Kommentare selten in Frage, aber deren Interpretation führt möglicherweise zu neuen Erkenntnissen. Das Buch „Rom kämpft um den Rhein“ will das Buch „De Bello Gallico“ nicht nacherzählen. Es behandelt nur einige, wenn auch bedeutende Ausschnitte seines Krieges.

Im Teil I, der bereits erschienen ist, wird auf die fadenscheinigen Begründungen eingegangen, die Caesar für seine Feldzüge benennt. Der Schwerpunkt dieses Krieges ist die Veränderung der Einflussgebiete an der nördlichen Provinzgrenze. Er vertreibt die Helvetier (ich nenne sie Tiguriner) aus den haeduischen und sequanischen Stammesgebieten, behält diese zugleich als römischen Besitz ein und besiegt Ariovist, den König der Sweben nahe Mühlhausen im Elsass, um dessen Eingreifen in römische Angelegenheiten auf Dauer zu verhindern. Caesar kämpfte demnach im ersten Kriegsjahr nicht gegen Kelten (von den Römern Gallier genannt), sondern gegen germanische Stämme. Und er stand zum ersten Male am Rhein; für kurze Zeit.

Im Teil II wird der Eroberungsfeldzug Caesars in den belgischen Stammesgebieten beschrieben. Weitab von der römischen Provinz Gallia Transalpina und weitab von den Konflikten im dortigen Grenzvorland wird sichtbar, dass es Caesar weder um den Schutz römischer Interessen noch angegriffener römischer Bundesgenossen ging, sondern ausschließlich um die Eroberung fremder Territorien. Anfänglich noch zögerlich, lässt er nunmehr die Maske fallen und strebt offen danach, eine neue Provinz zu erobern, die alle Gebiete Westeuropas von den Pyrenäen und den Westalpen bis an den Rhein umfasst. Mit der Unterwerfung der belgischen Stämme, der nördlichen Nachbarn der Kelten, bekäme Caesar den wichtigsten Wasserweg zwischen dem Rhein und der britannischen Insel sowie die Häfen und reichen Ressourcen des belgischen Hinterlandes in die Hände. Die Unterwerfung der Belger war die Voraussetzung für den weiteren Vorstoß zum Rhein, der an beiden Ufern von Germanen bewohnt wurde.

Im Teil III, der vorliegenden Arbeit, werden nur ausgewählte Abschnitte des „De Bello Gallico“ behandelt, die sich mit der Unterwerfung der germanischen Stämme links des Rheins beschäftigen. Es handelt sich um die Gebiete Westeuropas, die im Norden an die belgischen und im Osten an die keltischen anschließen und bis an den Nieder- und Mittelrhein reichen. Der Krieg gegen die Germanen dauerte fast ebenso lange wie der gesamte Gallische Krieg: sieben Jahre. Aus Caesars Buch wurden alle Abschnitte, die dort verstreut entsprechend den Jahresberichten enthalten sind, ausgewählt und als zusammenhängende, nur diese Stammesgemeinschaft betreffende, historische Abhandlung wiedergegeben; sozusagen eine Geschichte der linksrheinischen Germanen von 57 v.Chr. bis 50 v.Chr. Und es erstaunt, dass die Feldzüge ab 57 v.Chr. wiederum nicht-keltische, sondern germanische Stämme trafen. Bereits der Titel seines Buches müsste deshalb Anstoß erregen: Der „Gallische Krieg“. Anders gesagt: Der Krieg Caesars in Gallien?

„Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum…. “ so beginnt er sein erstes Buch. Zu keiner Zeit hat es ein Land, ein Volk, eine Landschaft, eine sprachliche, kulturelle oder politische Einheit gegeben, die eine solche Bezeichnung verdient hätte. „Gallien“ ist eine Erfindung Caesars. Er bezieht diese Bezeichnung nicht auf das Gebiet, das nur von Galliern, wie die Römer zu den Kelten sagten, bewohnt war, sondern auf das, was er für seine neue Provinz im Auge hatte, ungeachtet dessen, dass auch andere Ethnien darin lebten. In den Jahren 27 v.Chr. bis 16 v.Chr. wurde seine Eroberung in drei kaiserliche Provinzen „Gallia Belgica, Gallia Lugdunensis und Gallia Aquitania“ eingeteilt, weil er zwischen Belgern, Kelten und Aquitaniern eindeutig unterschieden hatte. Der Begriff „Gallien“ wurde als verbindendes Glied benutzt, hatte demnach nur eine administrative Bedeutung.

Und dennoch hielt sich Caesars Begriff Gallien mit dem entsprechenden Inhalt jahrhundertelang und sorgte für erhebliche Konflikte. Die französischen Herrscher beriefen sich auf ihn, identifizierten sich mit Gallien und kämpften gegen Deutschland um den Rhein als Staatsgrenze. Und noch heute gibt es genügend Historiker, sowohl französische als auch deutsche, die den Rhein vor und während der Römerzeit als ethnische Grenze betrachten und alles, was links davon lebte, als keltisch bezeichnen. Die archäologischen Forschungen über die Zeit der römischen Eroberung sind bemerkenswert. Sie erlauben uns, ziemlich genaue Vorstellungen zur Lebensweise und Kultur der damaligen Bewohner zu entwickeln. Was sie nicht können ist, ihre ethnische Zugehörigkeit zu bestimmen. Deshalb ist jede kritische Auseinandersetzung mit Caesars Werk zugleich mit einem dauerhaften Streit über die Rolle des Rheins als ethnische Grenze zwischen Kelten und Germanen verbunden. Darauf wird im nachfolgenden Text öfters Bezug genommen.

Die Idee zu dem Buch „Rom kämpft um den Rhein“ entstand nach der Fertigstellung meines Buches: „Die Kimbern und Teutonen kamen nicht aus Jütland“. Bereits in dieser Arbeit rückte der niederrheinische Raum in den Mittelpunkt meines Interesses. Dort siedelte ich die germanisch sprechenden Stämme, zusammengefasst unter der Bezeichnung Teutonen, an. Deren Kern bildeten die Eburonen und Sugambrer. Caesars Aussage über die Abstammung der Atuatuker von den Kimbern und Teutonen war eine wichtige Anregung.

Caesar ist der römische Autor, der zum ersten Male die Bezeichnung Germanen in seinem Werk verwendet. Ohne Zweifel nennt er uns drei Volksgruppen, die sich „in Sprache, Einrichtungen und Gesetzen voneinander unterscheiden: Aquitanier, Kelten und Belger. Die Belger siedelte er nördlich der Matrona (Marne) und Sequana (Seine) an.

„Von all diesen sind die Belger die tapfersten…, auch weil sie nächste Nachbarn der Germanen rechts des Rheins sind, mit denen sie ständig Krieg führen. “(liber I, 1,4)

Die Germanen werden schon am Beginn des Buches rechts des Rheins eingeordnet, wenig später jedoch beidseitig.

„Das Belgerland beginnt an der Grenze von Gallien, reicht bis zum Niederrhein und liegt gegen Nordosten.“ (liber I, 1,6)

Nach dieser Definition endete Gallien, d.h. das Land der keltischen Stämme, an der Seine und Marne. Belger waren demnach keine Kelten.

„Die meisten Belger stammten von den Germanen ab, seien vor langer Zeit über den Rhein gekommen und hätten sich wegen des fruchtbaren Bodens hier angesiedelt; sie hätten die dort ansässigen Gallier vertrieben und, …“ (liber II, 4,2)

Caesar stellt die Belger als Feinde der Gallier dar, als ein Volk, dass auf einem Boden lebte, der unrechtmäßig in Besitz genommen wurde. Die Belger standen den Germanen nahe. Wir können nicht beweisen, ob Caesars Behauptung, der Rhein sei irgendwann eine ethnische Grenze zwischen Germanen und Kelten gewesen, der Wahrheit entspricht. Eher sind Zweifel angebracht, die er selbst hier am Anfang seines Buches sät.

Im Teil II meines Buches habe ich versucht, den Lebensraum der Belger anhand der spärlichen Überlieferungen darzustellen. Ich kam, nachdem ich geografische Gegebenheiten einbezogen hatte zu dem Ergebnis: er reichte nicht bis zum Rhein. Das wird von den meisten Historikern ebenso gesehen. Zwischen dem Land der Belger und dem Rhein gab es tatsächlich eine weitere ethnische Gruppe:

„…; die Condruser, Eburonen, Caeroser, Paemaner, die gemeinschaftlich Germanen heißen, schätzen sie auf 40.000. “(liber II,4,10)

Diese „Germanen“, die eindeutig links des Rheins lebten, werden als Bündnispartner der Belger genannt, lagen demnach nicht mit ihren Nachbarn täglich im Kampf. Man wird auch später immer wieder feststellen, dass sich Belger und Germanen sehr nahe standen.

Von Anfang an trägt die Verwendung des Begriffes Germanen nicht zur Klärung der ethnischen Vielfalt im Nordwesten Europas bei, sondern stiftet weit mehr Verwirrung. Dass bereits am Beginn seines Buches Germanen als Volk rechts des Rheins bezeichnet werden, bedeutet nichts weniger als einen Eingriff in den Text zu einem späteren Zeitpunkt seines Krieges. Caesar war sich während des Verlaufs der Kämpfe mit den Belgern und seinen Vorstößen nach Nordosten nicht mehr sicher, wie er gegenüber dem Senat den Rhein als neue Provinzgrenze Galliens begründen könne. Vor allem, wenn auf beiden Seiten des Flusses Angehörige eines Volkes lebten. Das war bei den Menapiern, den Sugambrern, den Ubiern und den Treverern der Fall.

Zwei propagandistische Argumente baute er deshalb auf. Erstens waren sowohl Belger als auch Germanen links des Rheins Eindringlinge, die Gallier vertrieben und beraubt hatten. Zweitens wurden alle Menschen links des Rheins als Bewohner seiner künftigen Provinz zu Galliern. Germanen verlegte er auf die rechte Rheinseite. So wurde der Fluss auf römischem Papier oder Pergament zu einer ethnischen Grenze und jeder Germane diesseits zu einem Feind. Diese Art der Propaganda fiel gewiss in weiten Kreisen des keltischen Adels auf fruchtbaren Boden. Würde man Caesar unterstützen, könnten neue Siedlungsräume mit fruchtbarem Land und zusätzlichen Reichtümern erworben werden. Vielleicht liegt hier der Schlüssel für das Verhalten der Kelten, Caesar jahrelang in den Kriegen gegen die Belger und Germanen unterstützt zu haben, ohne zu merken, dass sie selbst Opfer der römischen Eroberungspolitik geworden waren. Nur einmal, in dem Aufstand des Jahres 52 v.Chr., schienen sie ihren Irrtum erkannt zu haben.

Die linksrheinischen Stämme, die sich gemeinschaftlich Germanen nannten, verwendeten diese Bezeichnung demnach selbst. Ob alle Bewohner beidseitig des Niederrheins diesen Begriff über ihre Stammesnamen setzten, bleibt ungeklärt. Ebenso im Dunkeln bleibt die Bezeichnung aller Stämme rechts des Rheins als Germanen, die uns Caesar vermittelt. Die Germanen, die am Niederrhein lebten, standen nach seiner Übermittlung permanent unter dem Druck der Vertreibung durch einen anderen Großstamm, den Sweben. Anfangs unterscheidet er noch zwischen Germanen und Sweben. Doch von dem Zeitpunkt an, als er den Rhein als Provinzgrenze bestimmte, vermischt er die Sweben mit den Germanen. Er lässt die Sweben zu einem germanischen Stamm mutieren. Dadurch konnte er diese linksrheinische Stammesbezeichnung über den Rhein schieben und die diesseitigen Bewohner zu Galliern ernennen.

Ohne es beweisen zu können, möchte ich die These aufstellen, dass man zu Caesars Zeit unter dem Begriff Germanen nur die Stämme hätte einordnen dürfen, die beiderseits des Rheins vom Rheinknie bei Bingen bis zu seiner Mündung lebten. Es ist das Gebiet, das, südlich der Kölner Bucht beginnend, von mir als das Stammland der Teutonen bezeichnet wird.

Alle anderen Stämme östlich und südöstlich davon gehörten dem großen Volk der Sweben an. Insofern ist die spätere Bezeichnung „Germania Magna“ anfechtbar; „Suebia Magna“ wäre vielleicht richtiger gewesen. Doch hat sich der Begriff Germanen östlich des Rheins wissenschaftlich durchgesetzt.

Die römische Administration hat in gewisser Weise den Gegebenheiten, die Caesar vorgefunden hatte, zum Recht verholfen, in dem die linksrheinischen Germanen, die nach der Unterwerfung durch Augustus zuerst in eigenen Wehrbezirken lebten, ab etwa 85 n.Chr. durch Domitian verwaltungstechnisch in zwei selbstständige Provinzen, Germania Inferior und Germania Superior, eingegliedert wurden.

Wie wichtig Caesar der Rhein als ethnische Grenze war, erkennt man u.a. daran, dass er gegen die Germanen links des Flusses nicht nur Krieg führte mit dem Ziel, sie zu unterwerfen. Er versuchte sogar, sie auszurotten. Offensichtlich ordnete er die Nervier und Menapier, die im Teil II behandelt wurden, germanisch stämmiger ein als die anderen Stämme der Belger, die südlich der Wasserscheide der Seine lebten. Gegen beide Stämme wurden ebenfalls Züge zur Verwüstung ihrer Länder durchgeführt.

Die linksrheinischen Germanen, deren Nachbarn im Süden die belgischen Stämme waren, gerieten militärisch in eine Art Pufferzone. Einerseits fielen die belgischen Stämme nach geringem Widerstand in die Hände Caesars, andererseits kämpften ihre verwandten Germanen am Niederrhein mit allen Mitteln, die Unterwerfung unter Roms Legionen zu verhindern. Die meisten Lasten mussten die Eburonen und Atuatuker in den kommenden Kämpfen tragen. Auch deshalb, weil sie spürten, dass ihre Verbündeten auf dem rechten Rheinufer sich nur selbst verteidigen, aber die Besetzung des Gebietes links des Rheins durch Caesar nicht verhindern konnten.

Während der Bearbeitung dieses Themas entdeckte ich viele Lücken, Widersprüche und Zweifel in den Handlungen und deren räumlicher Einordnung. Ich versuchte, diese zu Lücken schließen, aufzuheben und zu entschärfen. Besondere Untersuchungen und Berechnungen wurden erforderlich, um die geografischen Räume annähernd nachzubilden, in denen sich die Handlungen vollzogen. Auf das Mittel, frei zu erzählen, was nicht belegt werden kann, wurde überwiegend, aber nicht ganz verzichtet. Der Neigung, die historischen Vorgänge nicht nur in der Sichtweise Caesars niederzuschreiben, sondern mehr auf die der Betroffenen einzugehen, wurde nachgegeben. Das ist durchaus ein schwieriges Unterfangen. Was Caesar überliefert, ist bereits eine Mischung aus Tatsachen und Wunschvorstellungen. Nur selten stellt er die Gegner vor oder lässt sie zu Worte kommen. Deren Ansichten und Handlungen können nur sichtbar gemacht werden, wenn man aus Caesars Schrift die Reaktionen auf seine Aktionen spiegelt.

Rom kämpft um den Rhein

Подняться наверх