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ОглавлениеCaesars Pläne in Westeuropa
Die Ausgangslage 58 v.Chr.
Im Teil I des Buches „Rom kämpft um den Rhein“ wurde beschrieben, wie sich der Statthalter von Gallia Transalpina, Gaius Julius Caesar, unter einem fadenscheinigen Grund das Recht herausnahm, zum ersten Mal mit einem Heer die Nordgrenze der Provinz zu überschreiten. Er fiel in das Stammesgebiet der Sequaner ein und eröffnete dort einen Krieg gegen die Tiguriner, der sich auch in das Stammesgebiet der Haeduer hineinzog. In der Schlacht nahe Bibracte, einer wichtigen Siedlung der Haeduer, besiegte er ein Heer der Tiguriner, römerfeindlicher Haeduer und mit ihnen verbündeter Krieger verschiedener Stämme. Doch zog Caesar es vor, nach diesem Sieg das Land der Tiguriner weder zu besetzen noch zu unterwerfen. Er verzichtete auch auf Tribute und andere Verpflichtungen. Offensichtlich hatte er erkannt, dass nicht der Stamm gegen ihn kämpfte, sondern ein von dem Haeduer Dumnorix angeheuertes Söldnerheer. Es genügte ihm, diesen starken Stamm hinter dem Jura zu wissen und ihm sein Einflussgebiet an der Saône genommen zu haben, sofern man überhaupt davon sprechen kann.
Die Saône verlängert ab Lyon (Lugdunum) die von Nord nach Süd fließende Rhone entlang der wichtigsten Nord-Süd-Verkehrsachse Westeuropas. Zwischen den Stammesländern der Haeduer und Sequaner im Norden und der römischen Provinz Gallia Transalpina im Süden bestanden über diese Flüsse und über sie begleitende wichtige Fernwege feste und gesicherte Verbindungen auf dem Wasser und zu Lande. Die Stämme der Sequaner und Lingonen im Einzugsgebiet der Saône gerieten unter römischen Einfluss.
Im Teil I wurde weiterhin dargelegt, dass sich Caesar mit dem Erreichten nicht zufrieden gab. In seinen Überlegungen bildete der Zugang vom Oberrheintal zum sequanischen Stammesgebiet über den wichtigen Fernweg, der von dort entlang des Doubs zur Saône und Rhone führte, einen Unsicherheitsfaktor. Dieses Gebiet am Rhein wurde von dem swebischen König Ariovist (so von den Römern betitelt) beherrscht. Seit 71 v.Chr. hatte er als mächtigster Mann dieser Region die Sequaner und Averner darin unterstützt, sich gegen die Vorherrschaft der Haeduer zu wehren und 61 v.Chr. in einer bedeutenden Schlacht deren Drängen ein Ende gesetzt. Seitdem mussten sich die Haeduer verpflichten, Tribute an die Sieger zu zahlen und dies durch Geiseln, die bei den Sequanern verblieben, bekräftigen. Zum Zeitpunkt, als Caesar in den Stammesgebieten der Sequaner und Haeduer gegen die Tiguriner kämpfte, hielten sich keine Sweben mehr dort auf. Dennoch stürzte er den Fürsten der Haeduer, Dumnorix, der sein Gegner war, und setzte dessen romtreuen Bruder Diviciacus als neuen Fürsten ein. Mit diesem Mann heckte er den Plan aus, Ariovist anzugreifen. Der Grund, den er dafür anführte, die Tyrannei des Sweben über die Haeduer, war eigentlich mit der Ernennung Diviciacus als neuen Herrn dieses Stammes aufgehoben worden. Doch konstruierten sie beide alle möglichen zweifelhaften Vorwürfe für einen Kriegsgrund gegen Ariovist und fielen in das Land der Triboker, einem seiner Klientelstämme im südlichen Elsass, ein. Selbst die Verhandlungen dort zwischen Caesar und Ariovist waren nur noch ein vorgetäuschtes Manöver, in dem er erkennen wollte, ob er die Sweben und ihre Verbündeten als unterlegen einschätzen und deshalb besiegen könne. Caesar zwang schließlich Ariovist, der immer wieder versuchte, dem Krieg auszuweichen, zur Schlacht. Ariovist verlor sie. Diese militärische Schwächung war dem Römer wichtig. Gleichzeitig musste er erkennen, dass seine Kraft nicht ausreichte, die swebischen Stämme am Rhein zu unterwerfen. Vogesen und Jura wurden ethnische Grenzen zwischen Sweben und Tigurinern einerseits und Kelten andererseits.
Die Eroberung belgischer Stammesgebiete 57 v.Chr.
Die Eroberung der Gebiete des belgischen Stammesverbandes erfolgte von Besançon und Bibracte aus, den Hauptorten der Sequaner und Haeduer, die Caesar 58 v.Chr. unterworfen und besetzt hatte. Alle Ereignisse dieser Feldzüge wurden im Teil II dieses Buches - Caesars Kriege gegen die Belger 57 v.Chr.-51 v.Chr. - ausführlich beschrieben.
Den Einmarsch in die belgischen Stammesgebiete hatte er mit einem Aufstand der Belger, die er als eine geschlossene Stammesgruppe ansah, begründet. Wie ein freier Stammesverband gegen die Römer, oder mit Caesars Worten gesprochen, gegen das römische Volk, eine Erhebung planen konnte, obwohl er bisher nicht unter römischer Herrschaft stand, bleibt sein Geheimnis. Es ist ein an den Haaren herbeigezogener Kriegsgrund. Vorbereitet hatte Caesar diesen Krieg durch eine Stammesspaltung wie schon bei den Haeduern. Den größten Stamm bildeten die Suessionen südlich der Oise, geführt von König Galba und dessen belgischer Allianz. Von diesem Stamm gelang ihm die Abspaltung eines großen Teils, der sich als Remer bezeichnete. Diese Römerfreunde, wie schon der Name sagt, blieben Caesar bis zu Ende der Kriege dafür dankbar und treu.
Der Feldzug durch die südlichen belgischen Gebiete verlief für Caesar ohne besondere Anstrengungen und mit geringen Opfern. Als er die Suessionen, Bellovaker und Ambianer unterworfen hatte, setzte er sich gegen die nordbelgische Allianz unter den Nerviern in Bewegung. Zu deren Verbündeten gehörten die Atrebaten und Viromanduer. Zum ersten Male traf Caesar auf ernsthaften Widerstand. Die germanische Abstammung, auf die, wie er sagt, die meisten Belger stolz seien, zeigte ihre Wirkung in der Schlacht an der Selle, die das römische Heer nur mit großer zahlenmäßiger Überlegenheit unter großen Opfern gewinnen konnte.
Sie besiegelte das Schicksal der Atrebaten und Viromanduer, die nunmehr in einem römischen Protektorat leben mussten. Die Nervier dagegen blieben weiterhin unabhängig, auch wenn sie künftig auf militärischen Widerstand verzichten sollten. So bekam Caesar innerhalb eines Feldzugs 57 v.Chr. den überwiegenden Teil des belgischen Stammesverbandes in seine Hände. Die Moriner, ein kleiner Stamm am Kanal, und die Nervier versuchten weiterhin, ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Bis 55 v.Chr. dauerte es, die Moriner zur Aufgabe ihres Kampfes zu zwingen. Auch die Nervier gaben sich nicht geschlagen und kämpften ausdauernd, ehe sie am Ende eines Vernichtungsfeldzugs 53 v.Chr. unterlagen.
Caesar richtete sich häufig und gern in den wohlhabenden belgischen Gebieten ein, in dem er dort Winterlager anlegte und seine Provinzversammlungen abhielt.
Dennoch gab es immer wieder Freiheitsbestrebungen, die ganz besonders durch den Widerstand der Eburonen und den Aufstand der Kelten im Jahr 52 v.Chr. befördert wurden. Erst 51 v.Chr. gelang es den römischen Truppen, die Heere der Bellovaker und Atrebaten endgültig zu besiegen und den letzten Widerstand der Belger zu brechen. Insgesamt sieben Jahre dauerte es, bis sich die Belger endgültig geschlagen und besiegt geben mussten. Die Unterwerfung der belgischen Gebiete 57 v.Chr. war mehr als ein territorialer Zugewinn für die Römische Republik. Der kluge Stratege Caesar blickte über die Belger hinweg nach Britannien, das ganz nahe, nur durch den Kanal getrennt, vor ihm lag. Im Süden bereits von Belgern besiedelt, könnte es eine willkommene Hilfsquelle im Kampf gegen die Römer darstellen. Diese Quelle musste geschlossen werden.
Caesars Blick richtete sich nach Norden und Osten über die Belger hinweg auf den größten westeuropäischen Strom, den Rhein. Könnte dieser Fluss einmal die Grenze der Römischen Republik sein, wie der Euphrat im Osten? Verlockend, mystisch fast, und doch in seiner Vorstellung durchsetzbar.
In der Abb.1 wird gezeigt, dass 57 v.Chr. Caesar bereits den größten Teil Westeuropas besetzt und als römisches Protektorat unterworfen hatte. Eine Schraffur deckt dieses Gebiet ab. In diesem, von Ihm „ganz Gallien“ genannten Gebiet, mussten die Aquitanier, Kelten, Aremoriker und Belger unter ihm als Statthalter leben. Nur die Nervier, der größte belgische Stamm, blieben noch im Besitz ihres Landes.
Dieser schnelle Vorstoß in bisher überwiegend unbekannte Gebiete beflügelte den Feldherrn, seine Vision von einer bis an den Rhein reichenden Provinz umzusetzen.
Die Eroberung germanischer Stammesgebiete
Der Raum zwischen den Belgern und dem Rhein war von einem fremden Volk bewohnt. Es nannte sich selbst Germanen. Als Germanen werden von mir die Stämme am Niederrhein bezeichnet. Die Nachfolger der Teutonen. Alle Ereignisse, die Caesar uns von diesen Eroberungszügen überliefert, werden den Inhalt des Teils III dieser Buchreihe bestimmen.
In der Abb.1 zeige ich die ethnischen Grenzen Westeuropas, wie sie von Caesar selbst anfänglich gezogen wurden. Später verschob er sie aus noch zu schildernden Gründen. Entgegen dem wissenschaftlich begründeten Germanenbegriff behalte ich mir vor, unter Germanen tatsächlich nur die am Niederrhein lebenden Stämme, die sich selbst so nannten, zu verstehen. Deshalb werden die Treverer und die Sweben farblich abgesetzt voneinander. In Abstammung und Sprache gibt es zwischen diesen Völkern stark verbindende Glieder, dennoch keine übergreifende soziale und kulturelle Gemeinsamkeiten, von politischen ganz zu schweigen.
Abb.1
Westeuropa und seine Völker vor dem Gallischen Krieg 59v.Chr.
Im wissenschaftlich korrekten Ausdruck sind alle Kriegshandlungen Caesars zur Eroberung der Gebiete bis zum Rhein gegen germanische Stämme gerichtet. Deshalb beginnt der Teil III auch mit dem Überfall auf die Atuatuker, die zu diesem germanischen Verbund gehörten. Caesar hat seine Leser zwar bekannt gemacht mit dieser Volksbezeichnung, wendet sie aber, rein politisch motiviert, in verwirrender Vielfalt an. So fällt es schwer damit umzugehen und sich verständlich zu machen. Der folgende sogenannte Germanenkrieg, wie er ihn meint, ist deshalb nicht der Krieg gegen die Germanen links des Rheins, die sich selbst so nennen, sondern auch einer gegen die Germanen rechts des Rheins, die sich nach seiner Meinung ungerechtfertigt in linksrheinischen Gebieten aufhielten.
Die in diesen Gebieten lebenden Germanen wie die Eburonen, übergeht er im Germanenfeldzug, erwähnt sie nicht einmal. Spricht von nunmehr gallischen Gebieten, in die Germanen eingefallen seien. Caesars Vorstoß an den Rhein gelingt nach seiner Darstellung. Er setzt sogar über, um die rechtsrheinischen Völker zu beeindrucken. Ob dies tatsächlich so gelang wie er es darstellt, erscheint mir sehr zweifelhaft.
An den Beginn seines Germanenkrieges stelle ich den Feldzug gegen den ersten germanischen Stamm, den Atuatukern.
Mit dem Feldzug gegen die germanischen Atuatuker noch 57 v.Chr., die Caesar beschuldigte, den Nerviern Unterstützung zugesagt zu haben, was für ihn gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung war, beginnt der Teil III meines Buches. Sie waren die östlichen Nachbarn der Nervier und Caesar überschritt mit einigen Legionen die Grenze des belgischen Stammesverbandes. Durch diesen Schritt können alle Ereignisse, die sich gegen die linksrheinischen und zeitweise auch gegen die rechtsrheinischen Germanen richteten, zusammenhängend dargestellt werden. Nach den Atuatukern folgt 55 v.Chr. der eigentliche schon genannte Germanenkrieg, danach wird der Kampf der Eburonen gesondert eingeordnet. Dieser schwere Krieg bereitet Caesar die größten Anstrengungen und die größte Niederlage, den Verlust von eineinhalb Legionen. Empfindliche Niederlagen muss er auch gegen die rechtsrheinischen Germanen, die den linksrheinischen Stammesbrüdern zu Hilfe eilten, hinnehmen. Die Auseinandersetzungen beruhigen sich erst, als Caesar durch einen strengen Vernichtungsfeldzug gegen die Eburonen für eine Grabesstille in dieser Region sorgte.
Eine Ausnahme in diesen Feldzügen bildete die Unterwerfung der Menapier in den Jahren 56 v.Chr. und 55 v.Chr., die gesondert behandelt wird. Sie gehören aber zu den Germanen und verschaffen Caesar den Zugang zur Nordseeküste.
Caesars Vorstoß an den Mittelrhein führte zu den jahrelangen Auseinandersetzungen mit dem Stamm der Treverer. Hier gelang ihm Ähnliches wie bei den Belgern. Er fand im treverischen Adel einen hochgestellten Anführer, der sich ihm andiente, um dadurch selbst Stammesführer zu werden. Diese Spaltung der Treverer ermöglichte es dem Römer, zeitweise tief in deren Stammesgebiet einzudringen und den Rhein zu erreichen, sogar zu überqueren. Wobei dieses Ereignis in Frage gestellt wird. Der Krieg gegen die Treverer verlief ganz anders als der gegen die Germanen am Niederrhein, weil die Vernichtungszüge fehlten. Dies war sicherlich dem römerfreundlichen Anführer geschuldet. Immerhin währte die Auseinandersetzung zwischen Caesar und dem König der Treverer von 57 v.Chr. bis 51 v.Chr.
Als die Feldzüge gegen die Germanen und Treverer zu Ende gingen, zogen sich die Römer zurück in die belgischen und keltischen Gebiete. Damals war es noch nicht üblich, die eroberten Gebiete durch eine dauerhafte Besatzung zu sichern. Römisch war tatsächlich nur das Gebiet, das durch römische Schwerter erreicht wurde. Unter diesem Gesichtspunkt hat Caesar sein Ziel, den Rhein zur neuen Grenze der Republik zu erheben, nicht erreicht. Die betroffenen Stämme fanden nach ihm wieder zueinander und der Rhein blieb ein germanischer Fluss. Das ganze Gebiet, das Caesar erobert hatte, blieb nach seinem Rückzug und Tod einzelnen römischen Magistraten überlassen, die es je nach Macht persönlich plünderten. In weiten Teilen blieben die Stämme sich selbst überlassen.
Erst als der Großneffe Gaius Iulius Caesars, Gaius Octavius, am 13. Januar des Jahres 27 v. Chr vom Senat zum Augustus ausgerufen wurde und damit die Voraussetzungen für eine nach den Bürgerkriegen wieder funktionierende Republik geschaffen wurden, rückten die Provinzen wieder in den Blickpunkt der Zentralverwaltung.
Das herrenlose „Gallien“ wurde als Hinterlassenschaft Caesars, der dort ein gewaltiges Vermögen angehäuft hatte, bereits im Sommer 27 v.Chr. von Augustus besucht und offiziell als Provinz in das Imperium Romanum eingegliedert. Nach 23 Jahren relativer Ruhe kehrten nun die Römer allmählich, diesmal auch als Verwalter, nach Westeuropa zurück, schließlich auch an den Rhein. Damit vollstreckte der Nachfolger das Vorhaben seines Großonkels.
Abb.2
Caesars Vorstoß auf den Niederrhein durch die germanischen Gebiete ab 57 v.Chr.
Die Abb.2 zeigt die militärischen Vorstöße Caesars gegen die Germanen und Treverer, um den Rhein zu erreichen.
Zur Erleichterung für den Leser, der gerne nachschlagen möchte, gebe ich diese Abschnitte, die Germanen betreffend, als Übersicht wieder:
- liber II, 29-33 | Eroberung von Atuatuka 57 v.Chr. |
- liber III, 28-29 | Auseinandersetzung mit den Menapiern, 56 v.Chr. |
- liber IV, 1-19 | Kämpfe gegen die Germanen 55 v.Chr. |
- liber IV, 37-38 | Auseinandersetzung mit den Menapiern 55 v.Chr. |
- liber V, 2-5 | Zug zu den Treverern 54 v.Chr. |
- liber V, 24-58 | Aufstand der Eburonen und Treverer 54 v.Chr. |
- liber VI, 1-10 | Kämpfe in Nordgallien, 2. Rheinbrücke, 53 v.Chr. |
- liber VI, 2-6 | Unterwerfung der Menapier 53 v.Chr. |
- liber VI, 7-8 | Sieg über die Treverer 53 v.Chr. |
- liber VI, 29-44 | Rachekrieg gegen Ambiorix 53 v.Chr. |
- liber VII, 66-67 | Germanen gegen Vercingetorix 52 v.Chr. |
- liber VIII, 24-25 | Suche nach Ambiorix |
- liber VIII, 45 | Niederlage der Treverer |
Wollte man diese Abfolge der Erzählung zugrunde legen, wäre es schwierig, Zusammenhänge zu erkennen und zu verfolgen. Für weitaus günstiger halte ich eine Zusammenfassung der Ereignisse, die jeweils einen Stamm betreffen. Wie man aus der Übersicht entnehmen kann, haben wir es mit folgenden Stämmen zu tun:
• Linksrheinische Germanen: Atuatuker, Eburonen, Condruser etc.
• Rechtsrheinische Germanen: Sugambrer, Ubier, Tenkterer, Usipeter
• Menapier
• Treverer
Teutonen, Germanen und Sweben
Die Germanen - ein neues Volk in Westeuropas?
Caesar begründet in seinem Buch „De Bello Gallico“ die geschriebene Geschichte der Germanen. Leider vermittelt er dem Leser kein allgemeinbildendes Wissen über dieses den Römern bisher weitgehend unbekannte Volk. Die Germanen werden sehr einseitig als Eindringlinge und Eroberer beschrieben, die über den Rhein drängten, um keltisches Land zu rauben. Sie werden als unkultiviert, roh, tyrannisch, grausam, jähzornig, unberechenbar und wild, alles Ausdrücke von Caesar, charakterisiert. Man müsse sich die Germanen als große, starke, blauäugige, blonde Riesen vorstellen, die überwiegend nackt, nur mit einem kleinen Fellchen bekleidet, umherliefen. Es gäbe noch weitere Aussagen aus seinem Germanenexkurs zu nennen, die dieses negative Bild eines hochgestellten Römers verfestigen würden. Caesar hatte für die Germanen nichts übrig. Das kommt in allen Texten über sie zum Ausdruck. Seine ganze Haltung gipfelt in der Erfindung des Begriffs „Germanenhass“. Im Laufe der Handlungen wird er uns mit noch schlimmeren Worten seine Geisteshaltung zu diesem Volk offenlegen.
Was wir tatsächlich über die Germanen erfahren, ist geprägt vom Denken eines Mannes, der sie nur als Barbaren wahrnehmen will und alle Erkenntnisse aus seinen Kriegszügen gegen sie gewonnen hat.
Im dritten Band dieser Buchreihe stehen die Eroberungszüge Caesars in den linksrheinischen germanischen Gebieten im Mittelpunkt der Handlungen. Ich habe schon in den vorangegangenen Büchern auf die Probleme aufmerksam gemacht, die sich jedes Mal ergeben, wenn die Ereignisse Germanen erfassen. In diesem Band geht es aber nur noch um Germanen. Deshalb halte ich es für angebracht, den kommenden Handlungen einige grundsätzliche persönliche Gedanken zu diesem Volk voranzustellen. Das bin ich diesen Menschen schuldig, gehören sie doch zu den Wurzeln meiner Herkunft und zu meiner Geschichte.
Die Kämpfe gegen die Germanen nehmen in Caesars Buch über den Gallischen Krieg einen großen Raum ein. Die Bezeichnung eines Volkes als Germanen wird von ihm erstmals so bestimmt und häufig angewendet, dass man diese Erwähnung als Geburtsstunde eines Großvolkes in der geschriebenen Geschichte betrachten kann. Das soll nicht heißen, dass Caesar der Entdecker dieses Volkes ist. Der Forschergeist der alten Griechen und Römer war längst in die Gefilde des nördlichen Europas vorgedrungen und hatte neben den Kelten und Skythen Menschen und Lebensräume angetroffen, die sich davon wesentlich unterschieden. Man denke nur an Pytheas von Massalia, der im 4.Jh. v.Chr. bis in das Nordmeer gelangt war und die Teutonen erwähnte. Manche Wissenschaftler sagen, dass der älteste Beleg für den Namen Germanen die Fasti Capitolini zum Jahre 222 v.Chr. seien. Darin wird von einem Sieg des Marcus Claudius Marcellus über „de Galleis et Germaneis“ („über Gallier und Germanen“) bei Clastidium gesprochen. Der Anführer dieser Gaesaten genannten Krieger hieß Vindomarus (germ.: Vindomar) und wurde von Marcus Claudius Marcellus getötet. Der römische Schriftsteller Livius bezeichnet die Gaesaten als halbgermanisches Volk (gentes semigermanae), das in den Schweizer Alpen lebte.
Caesar lenkt den Leser seines Buches sogleich auf die für ihn wohl wichtigste Eigenschaft dieses Volkes: den Kampf.
„,…auch weil sie (die Belger, der Autor) nächste Nachbarn der Germanen rechts des Rheins sind, mit denen sie ständig Krieg führen… “und etwas weiter „…sind auch die Helvetier tapferer als die übrigen Gallier, da sie fast täglich in Gefechte mit den Germanen verwickelt sind, indem… “(liber I, 1)
Durch diese Formulierungen auf Seite 1 seines Buches, in denen er zum ersten Male das Volk der Germanen nennt, erfahren wir, das es rechts des Rheins und entlang des ganzen Rheins bis hinunter in die Schweiz lebte. Also ein riesiges Gebiet belegt hatte. Unzweifelhaft wird schon hier der Rhein als Grenze seines von ihm umrissenen Galliens bestimmt und das Land der Germanen auf das rechte Ufer verlegt. Der Leser wird von Anfang an darauf eingestimmt, dass es links des Rheins keine Germanen gab, oder besser, nicht zu geben hatte.
Caesar hatte sich als politischer Geograf betätigt und in Westeuropa ein Gebiet gebildet, das er von nun an Gallien nannte, manchmal auch Gesamtgallien. Es teilten sich die Aquitanier, die Kelten (Gallier) und die Belger. die den Norden bis zum Rhein ausfüllten. Vor ihm existierte dieses räumliche Gebilde nicht. Es gab viele gallische Stammesgebiete, sogar innerhalb der römischen Republik, aber kein staatsrechtliches Gebilde Gallien.
Ebenso verfuhr er mit den Völkern rechts des Rheins. Für sie erfand er das politisch-geografische Konstrukt „Germanien“. Es hat bis heute überlebt, obwohl die Betroffenen davon gar nichts wussten. So in liber I, 27, 4 gesagt: „ …und eilten (Verbigener, der Autor) dem Rhein und Germanien zu. “
Wenn man bedenkt, wie viele Stämme in diesem „Germanien“ Caesars lebten und nichts von dieser römischen Bezeichnung wussten, dann klingt sie sehr merkwürdig. Sie diente ausschließlich der führenden römischen Schicht als geografischer und verwaltungstechnischer Begriff.
Mit dieser frühen Entscheidung in seinem Buch sogleich auf Seite 1 legte Caesar den Grundstein für ein historisches Gebäude, das bis in die Gegenwart hinein erfüllt ist von Streit, Missgunst und Neid unter Wissenschaftlern und Politikern. Ursache ist die Rheingrenze zwischen Germanen und Kelten. Sie war und ist keine ethnische Grenze, zu der sie Caesar aus verwaltungstechnischen Gründen gemacht hatte. Warum tat er das? Er wusste doch genau, dass diese Theorie nicht der Wahrheit entsprach.
„Gallia est omnis divisa in partes tres, …“, so beginnt er sein Buch. Sein geografisches Gebilde, das er aus politischen Gründen Gallia nennt und das er im Geiste von den Pyrenäen bis an den Rhein reichen lässt, teilt er in drei Teile auf , eines für die Aquitanier, eines für die Kelten und eines für die Belger. Bewusst kommen die Germanen darin nicht vor. Die genannten Völker wollte er unterwerfen und hatte es schließlich erreicht. Die Germanen konnte er nicht unterwerfen, denn deren Stammesgebiete gingen weit über den Rhein hinaus. Hätte er sie mit aufgenommen in sein neues Gallien, wäre das zum Problem geworden, da auf der rechten Rheinseite dann freie Germanen lebten und in Gallien unfreie als römische Untertanen.
Caesar hat auch dafür eine Lösung gefunden. Ob Aquitanier, Kelten oder Belger, schließlich auch die linksrheinischen Germanen, sie alle hießen von einem bestimmten Zeitpunkt an Gallier. Unabhängig von ihrer tatsächlichen ethnischen Abstammung. Damit war der Begriff Germanen links des Rheins ausgemerzt und galt nur noch für die Völker rechts des Rheins. Als politische Lösung mag dies durchgehen, aber wenn sich daraus Nachteile für die ethnische Zuordnung ganzer Volksgruppen ergäben, wäre sie fragwürdig. So oft die Nachwelt sich Caesars Grenzziehung sowohl politisch als auch ethnisch zu eigen machen versuchte, gab es große Konflikte, so große, dass die ganze betroffene Region Jahrhunderte lang unter schlimmen Kriegen litt.
Die linksrheinischen Germanen
Nachdem ich Caesars ideologisierten Germanenbegriff und dessen räumliche Einordnung beleuchtet habe, muss die Annäherung an die Realität gesucht werden. Was heißt das? Es gab tatsächlich Germanen links des Rheins. Und es gab noch eine andere, ihnen verwandte Gruppe - die Sweben. Auch sie lebten beiderseits des Rheins. Allerdings südlich des Mittelrheins bis zum Reinknie vor dem Jura.
„Die Treverer aber klagten, hundert Abteilungen der Sueben lagerten am Rheinufer und versuchten, den Fluss zu überschreiten;… er (Caesar) glaubte, rasch handeln zu müssen, damit sich nicht der frische Zuzug der Sueben mit den bisherigen Scharen des Ariovist verbinde und… “(liber I, 37)
Diese Notiz sagt dem Leser, dass Caesars Gegner im Elsass Sweben waren. Ariovist führte sie an. Alle im Oberrheintal ansässigen Stämme der Tri-boker, Nemeter und Vangionen waren swebisch, beiderseits des Rheins.
Bald nach dieser Aussage spricht Caesar wieder von Germanen, als er gegen Ariovist zieht. „…die erzählten, die Germanen seien riesengroß, unglaublich tapfer und kriegsgeübt…“ (liber I, 39, 1)
Bekannt waren Caesar die Germanen und Sweben schon vor seiner Zeit als Statthalter der Provinz Gallia Transalpina. In seinen Texten vermischt er sie häufig. Als Konsul des Jahres 59 v.Chr. hatte er bereits einen persönlichen Kontakt mit Ariovist hergestellt oder durch Gesandte herstellen lassen. Vom Senat ließ er ihn als König anerkennen und als Freund Roms betiteln. Das spricht für einen hohen Bekanntheitsgrad dieses Mannes selbst in Rom. Der Königstitel konnte sich nicht allgemein auf die Germanen beziehen. Ariovist konnte nur der König eines Stammes gewesen sein. Der Name dieses Stammes war: Sweben.
Doch in der Schlacht mit Ariovist bei Mühlhausen spricht Caesar stets von Germanen, nicht von Sweben. Ich nehme an, dass er auch diesen Teil seiner Niederschrift in seinem Buch zu einem späteren Zeitpunkt des Krieges überarbeitet hat, um aus Sweben Germanen zu machen. Außerdem ging es ihm darum, die Anwesenheit von Germanen auf dem linken Ufer zu vertuschen; sie wurden auf das rechte Ufer verlagert. Das könnte nach dem Vernichtungsfeldzug gegen die Eburonen geschehen sein, als er glaubte, die linksrheinischen Germanen ausgerottet zu haben. Caesar nennt das Heer Ariovists deshalb germanisch.
„Nunmehr führten die Germanen ihre Streitkräfte notgedrungen aus dem Lager, stellten sie nach Stämmen in gleichen Abständen auf, die Haruden, Markomannen, Triboker, Vangionen, Nemeter, Sedusier, Sueben, und umgaben…“ (liber I, 51, 2)
Die Frage ist, ob die Bezeichnung Germanen für das Heer Ariovists angebracht oder ob sie eine Erfindung Caesars war. Der König der Sweben muss eine herausragende Persönlichkeit gewesen sein, dass sich so viele Stämme an seine Seite stellten. Ob er sich als Swebe zugleich als Germane bezeichnete? Daran kann gezweifelt werden, wenn man die Äußerungen der Treverer über die herannahenden Abteilungen der Sweben heranzieht. Es waren andere Sweben gemeint, als die Ariovists. Und weiter im Buch kommt Caesar immer wieder auf die Sweben zu sprechen, die weit hinter dem Rhein lebten und die er als ein riesiges Volk mit einhundert Gauen bezeichnet. Der Swebenknoten am Kopf der Moorleiche von Osterby gibt uns ein Bild davon, dass Angehörige dieses Volkes sich bewusst von anderen Großstämmen absetzten. Es gelingt auch Caesar nicht, die Germanen und Sweben in einen Topf zu werfen. Die Unterschiede brechen immer wieder im Text durch.
Das Oberrheintal gehörte nach Ariovists Niederlage und der Besetzung der keltischen Stammesländer der Sequaner und Haeduer nicht mehr zum unmittelbaren Interessengebiet Caesars. Sein Augenmerk richtete sich auf die Belger. „…, alle Belger, die wir als den dritten Teil Galliens bezeichneten, unternähmen eine Verschwörung gegen das römische Volk… “(liber II, 1,2)
Kelten lebten, als Caesar kam, nur zwischen der Garonne, Rhone im Süden und der Seine und Marne im Norden. Ihren Lebensraum nennt er ganz richtig „das eigentliche Gallien“, das Keltenland. Nur hier decken sich Volksbezeichnung und Gebiet. Die Belger sind die nördlichen Nachbarn der Kelten. „Sie alle unterscheiden sich in Sprache, Einrichtungen und Gesetzen.“ (liber I, 1,2)
Ist das nicht eindeutig genug? Zwischen der Seine, ihrem Nebenfluss Marne und dem Rhein lebten keine Kelten. Gallien endete dort, wo das Gebiet der Belger begann. „…fürchteten sie, nach der Unterwerfung ganz Galliens könne unser Heer auch zu ihnen kommen;… “(liber II, 1,3)
Erst wenn Caesar die Kelten in ihren Stammesländern, in ganz Gallien, unterworfen habe, könne er auch in ihr Land kommen. Noch gehörte das Land der Belger nicht zu Gallien. Der dritte Teil Galliens zu werden, stand den Belgern erst noch bevor. Sie würden sich niemals als ein solches Teil betrachtet und bezeichnet haben. Ihre Rüstung sprach dagegen.
…; zweitens würden sie von einigen Galliern aufgehetzt, und zwar zum Teil von solchen, die keine Germanen länger in Gallien dulden wollten, doch empört waren… “(liber I, 1,3)
Die Belger wurden von Galliern aufgehetzt! Ist das noch immer nicht eindeutig? Belger waren keine Gallier, keine Kelten. Fast nebenbei erfährt man, dass es in seinem erdachten Gallien, das bis an den Rhein reichen wird, Germanen gibt - die dort aber nach Meinung einiger Kelten - nicht länger geduldet werden könnten. Ehe Caesar noch den Feldzug gegen die Belger beginnt, erwähnt er schon die Vertreibung der Germanen. Damit bestätigt er wiederholt die Anwesenheit von Germanen links des Rheins. Dieser Fakt macht ihn fast krank. Warum? Im erdachten Gallien, das sich links des Rheins ausbreiten sollte, würden nach dem Willen Roms nur dort lebende Stämme Platz finden. Bei den nicht-keltischen Belgern geht diese Überlegung auf. Aber nicht bei den Germanen, denn die lebten auf beiden Seiten des Rheins. Das war Caesar wohl bekannt. Würde er sie als Germanen in seine neue Provinz einfügen, bekäme er Konflikte mit deren Stammesbrüdern auf der anderen Rheinseite. Und das würde dem Senat auffallen und seine Missbilligung finden. Germanen links des Rheins könnten nur geduldet werden, wenn alle Germanen, also auch rechts des Flusses, unter römische Herrschaft gerieten. Caesar, ein kluger Politiker, erkannte die Unmöglichkeit eines solchen Vorhabens. Sein Nachfolger Augustus hat es versucht, weil es Caesar nicht gelungen war, die linksrheinischen Germanen zu vertreiben oder auszurotten. Er scheiterte im Teutoburger Wald. Die Folge war die teuerste Grenzanlage der Republik neben der chinesischen Mauer, der Limes. Am Ende scheiterte Rom an diesem Konflikt mit den Germanen links des Rheins.
Hätte Caesar seine Eroberungen nicht am Rhein, sondern an den Grenzen der linksrheinischen Germanen enden lassen, wären unzählige Kriege vermieden worden. Aber er sah es als sein Werk an, die erdachte Provinz bis an den Rhein vorzutreiben. Und da standen ihm tatsächlich Germanen im Wege. Aber zurück zu den Belgern.
„Die meisten Belger stammten von den Germanen ab, seien vor langer Zeit über den Rhein gekommen …; sie hätten die dort ansässigen Gallier vertrieben und,… “(liber II, 4, 2)
Die Belger waren germanischen Blutes und mit ihren nördlichen und östlichen Nachbarn verwandt. Das waren „; die Condruser, Eburonen, Caeroser, Paemanen, die gemeinschaftlich Germanen heißen, … “(liber II, 4).
Nun hat Caesar ausgesprochen, was der Wirklichkeit entsprach. Neben den Belgern gab es links des Rheins echte Germanen. Sie bezeichneten sich sogar als solche. Wir haben es links des Rheins mit zwei größeren Volksgruppen zu tun, den Belgern und Germanen; zwei nicht-keltische Völker. Das Problem war, dass die eine, die belgische, einmal unterworfen, in die neue römische Verwaltungseinheit Gallia eingegliedert werden konnte, während die andere geteilt würde, weil Teile dieses Stammesverbandes auf der rechten Rheinseite lebten. Und solch eine Teilung versprach nichts Gutes. Man wird dies an der weiteren Entwicklung des Feldzugs erleben können.
Neben den Germanen links des Rheins erwähnt Caesar noch weitere Stämme, die auf dieser Seite lebten: die Menapier, die Ubier und die Treverer. Am bedeutendsten waren die Treverer, da sie das Flusseinzugsgebiet der Mosel bewohnten. Dieser große Stamm wird von Caesar nicht als germanisch bezeichnet. Doch weist er ständig auf die engen Beziehungen dieses Volkes zu den Germanen, den Eburonen, und den rechtsrheinischen Sweben hin. Zu den Kelten rechnet er die Treverer auch nicht, denn sie nahmen nie an deren Landtagen teil, beteiligten sich 52. v.Chr. auch nicht am großen Aufstand Es fällt nicht schwer, aus den Berichten Caesars zu entnehmen, dass die Treverer mit den Germanen und Sweben verwandt waren und sich deren Haltung zu den römischen Eroberungen anschlossen.
Mit den Sweben hatte Caesar weder am Nieder- noch am Mittelrhein jemals direkte Kontakte. Sie erwähnte er als großes Volk, das für den Aufbau einer permanenten Bedrohung am Rhein herhalten musste. Sweben bedrängten die Germanen, die gezwungen wurden, den Rhein zu überwinden, um auf der anderen Seite, nämlich in Caesars erdachter Provinz, Lebensraum zu finden. Damit war er gar nicht einverstanden als Beschützer seiner Gallier. In diesen Momenten eines großherzigen Protektors übersah er die bereits seit ewigen Zeiten dort schon lebenden Germanen und Treverer.
In der Abb.3 versuche ich, die Verteilung der nicht-keltischen Stämme am Nieder- und Mittelrhein zur Zeit der Eroberungskriege Caesars darzustellen. Sie zeigt die großen Gruppen der Belger, Germanen und in Ansätzen der Sweben. Die Treverer bilden ein eigenes Volk.
Die Einheitlichkeit der Belger darf bezweifelt werden. Ich neige dazu, zwischen einer südlichen Stammesgruppe mit höherem keltischen und einer nördlichen Stammesgruppe mit höherem germanischen Einfluss zu unterscheiden. Getrennt sind beide durch die Wasserscheide der Seine, im Bild grün dargestellt. Die nördliche Gruppe wird vorwiegend von den Nerviern vertreten, die den engsten Kontakt zum germanischen Nachbarn, den Eburonen hatten. Auch die Treverer umfassten Stammesteile, die bereits keltischen Einflüssen ausgesetzt waren, ich möchte sie Leuker nennen. Nördlich der Germanen lebten Stämme, die entlang der Nordsee siedelten und den wissenschaftlichen Namen Nordseegermanen tragen. Ich nenne sie Nordseevölker. Der Block der Germanen setzt sich durch grüne Farben in verschiedenen Abstufungen von den anderen Stammesgruppen ab.
Hinweisen möchte ich noch auf die Gestalt der Niederlande, die ich aus offiziellen Plänen gewonnen haben, um das Jahr 50 v.Chr. eingeschätzt. Der größte Teil des Landes, der noch heute unter dem Meeresspiegel liegt, bildete riesige Sumpfgebiete, durchsetzt mit dauerhaften Wasserflächen. Die schiffbaren Wattflächen sind dunkel abgesetzt.
Caesars Feindbild des Germanen
Dass sich Caesar, der uns erst bekannt macht mit den vorgefundenen Völkern, ab einer gewissen Zeit seiner Kriegsführung, aus politischen Erwägungen, zu einem rigorosen Schnitt entschloss und alle Völker links des Rheins Gallier und alle rechts des Rheins Germanen nennt, erschwert nicht nur das Erfassen seiner Schilderungen, sondern auch die notwendige Interpretation.
Das Problem wird noch dadurch vergrößert, dass sich in der Neuzeit wissenschaftliche Bezeichnungen entwickelten, die unter dem Begriff „Germanen und germanisch“ nicht mehr die relativ kleine Gruppe der Eburonen, Condruser, Caeroser, Paemaner, Menapier und ihrer rechtsrheinischen Stammesbrüder der Sugambrer, Ubier, Tenkterer und Usipeter umfasste, sondern die ganze sprachverwandte Großgruppe in Mittel- und Nordeuropa.
In seinem Plan, eine neue Provinz zu schaffen, die bis an den Rhein reichen sollte, waren die Germanen die größten Widersacher. Sie passten aber auch ethnisch, wie schon beschrieben, nicht in seine Strategie. Eigentlich dürfte es sie nicht geben. Er konnte keinen vierten Teil Galliens, den der Germanen, gebrauchen, ohne den rechtsrheinischen Teil hinzuzufügen. Doch das überstieg seine Kräfte und Möglichkeiten. Sie reichten lediglich zu Drohgebärden am Rhein.
Wie sollte Caesar aus diesem Konflikt herausfinden? Bei den Treverern versuchte er ihn durch eine Spaltung des Stammes zu lösen. Mit teilweisem Erfolg. Bei den Germanen versuchte er es auf zwei Wegen zu erreichen. Der erste war der rein politisch-propagandistisch motivierte. Caesar schaffte die Germanen links des Rheins ab und ordnete diese Bewohner unter dem Begriff Gallier neu ein. Germanen blieben nur die anderen auf der rechten Seite des Rheins. Mit der Zeit ordnete er alle Bewohner, auch die swebischen, diesem Begriff germanisch unter.
Der zweite Weg war der brutale, politisch-militärische. Die Germanen auf der linken Rheinseite sollten ausgerottet werden. Diesen Weg beschritt er tatsächlich, als sich die linksrheinischen Stämme, weder die Menapier, noch die Eburonen, noch die Treverer, willig zeigten, ihm Friedensangebote zu unterbreiten.
Dieser mangelnde Wille zur Unterwerfung und die engen Beziehungen, die linksrheinische Völker mit denen des rechten Rheinufers pflegten und die bis zur Waffenbrüderschaft gingen, steigerten Caesars Wut auf diese Stämme so sehr, dass sie in Hass, den „Germanenhass“, umschlug. Warum sich ein solch erfahrener Politiker und Feldherr wie Caesar auf diese niedrige Ebene menschlichen Verhaltens begab, kann vielleicht nicht allein aus den eben geschilderten Gründen erklärt werden. Ich vermute, dass im Hintergrund eine andere Erfahrung mitspielte: Sein historisches Gedächtnis und seine römische Vorstellung von Ruhm und Ehre.
Es gibt einen Gesichtspunkt, der mir unter diesem Aspekt erwähnenswert erscheint. Die Kriege gegen die linksrheinischen Germanen wollte Caesar zur Steigerung seines Feldherrenruhms nutzen, weil er hier eine Verbindung zu den von den Römern gefürchteten Kimbern und Teutonen fand.
„; sie (die Belger) hätten …, als einzige die Teutonen und die Kimbern am Einbruch in ihr Land gehindert; deshalb hielten sie sich in Erinnerung an diese Erfolge für große Helden und wollten hoch hinaus… “(liber II, 4)
Diese Erinnerung führte ihn zuerst zu den Atuatukern, dann zu den Eburonen und Sugambrern. In meinem Buch „Die Kimbern und Teutonen kamen nicht aus Jütland“ habe ich versucht darzulegen, dass diese wandernden Stämme nicht aus Jütland, sondern vom Niederrhein kamen. Diese Auffassung teile ich offensichtlich mit Caesar. Schließlich lagen die Feldzüge erst 43 Jahre vor seinem Erscheinen in dieser Region zurück. Von den gefangenen Teutonen musste zu erfahren gewesen sein, woher sie kamen. Und Caesar wusste das. Noch lange nach der Niederlage der Teutonen und Ambronen bei Aix-en-Provence 101 v.Chr. verfolgten die Römer den Verbleib und das Verhalten der Gefangenen auf Sizilien und erkannten in den aufständischen Sklaven dort ihre germanischen Gegner wieder, die durch besondere Tapferkeit auffielen. Caesar erinnerte daran in seinem Buch (liber I, 40, 5).
Alle diese Stämme des niederrheinischen Gebiets, ausgenommen die Treverer, obwohl sie stets treue Verbündete waren, möchte ich als Germanen bezeichnen, die sich einige Generationen zuvor auch Teutonen nannten. Selbst Caesar konnte nicht verschweigen, dass in diesem Gebiet der linksrheinischen Germanen die Teutonen ihre Lager hatten und die Atuatuker zu ihren Nachkommen zu zählen sind. Die englische Bezeichnung für die Niederländer: „Dutchman“, zeigt, dass der Ursprung der Bezeichnung „teutonisch = deutsch“ in diesem Raum zu finden ist. Noch heute singen die Niederländer in ihrer Nationalhymne von „deutschem Blut“ (van Duitsen bloed). Dass später die gesamte Bevölkerung der ehemaligen Germania Magna deutsch wurde statt swebisch, ist eines von vielen Wundern der Geschichte.
Caesar kannte die etwa 45 Jahre zurückliegenden Wanderungen dieser Völker sehr gut. Seine Tante Julia war mit dem Sieger über die Teutonen und Ambronen, Gaius Marius, verheiratet. Den Belgern neidete er diese Erinnerung an ihre erfolgreichen Kämpfe. Tief in seinem Inneren brodelte dagegen das eigene Rachegelüst für die vielen Niederlagen, die teutonische Krieger den Römern beigebracht hatten. Zugleich wünschte er sich Taten, die denen Marius nicht nur gleich kämen, sondern sie möglichst übertreffen sollten. Einst waren die Teutonen aus dem Norden nach Süden gezogen, weit in römisches Land und konnten erst nach langem und opferreichem Kampf besiegt, vertrieben oder versklavt werden. Jetzt stand er hier in diesem Norden an der Quelle ihrer Herkunft und würde Rache nehmen.
Zuvor muss ich die Atuatuker erwähnen. Dieser Stamm wird als erster die volle Härte zu spüren bekommen, mit der Caesar gedachte, gegen Germanen vorzugehen. Atuatuker waren die direkten Nachkommen der Teutonen und Ambronen. Darauf komme ich weiter oben noch einmal ausführlicher zu sprechen.
Caesar kannte nicht nur die Geschichte der Teutonen und Kimbern, sondern er wusste auch über ihre Herkunft genau Bescheid. Die Gemeinschaft, die sich Germanen nannte, das war die Gemeinschaft, die 50 Jahre zuvor, 109 v.Chr., unter der Bezeichnung Teutonen ausgezogen war, gegen Rom zu kämpfen (siehe mein Buch: „Die Kimbern und Teutonen kamen nicht aus Jütland“). Diese Linie von den Teutonen-Ambronen setzte sich fort über die Germanen bis zu den Franken, stets ihren Gebieten am Niederrhein und ihrer Freiheit verpflichtet. Das, was Caesar den Germanen antat, wurde erst durch die Franken, es waren dieselben Stämme, gerächt.
Dieser kleine Schwenk in einen historischen Zusammenhang ist Caesar zu danken, der in seinen Zügen gegen die Germanen durchaus eine historisch begründete Mission sah. Eine Art verspäteter Rachefeldzug gegen die Teutonen.
Ohne jetzt schon vorgreifen zu wollen, steigerte sich sein Hass gegen die linksrheinischen Germanen immer mehr, je weniger es ihm gelang, sie und ihren Anführer zu bezwingen.
„…Zugleich sollten durch die riesige Übermacht, die sich ringsum ergoss, Stamm und Gemeinwesen der Eburonen für die unerhörte Untat mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. “(liber VI, 34, 9)
Ich möchte es vorerst dabei belassen, diese germanenfeindlichen Aussagen herauszustellen und zu interpretieren, weil in den einzelnen Abschnitten über die Feldzüge nochmals darauf eingegangen wird.
Einige Bemerkungen seien mir noch gestattet zu der Volksbezeichnung der Sweben. Er nennt die Sweben den weitaus größten und streitbarsten Stamm aller Germanen. Das ist von ihm ungenau formuliert (liber IV, 1). Zwischen Sweben und Germanen müsste genauer unterschieden werden. So spricht er von den germanischen Usipetern und Tenkterern, aber nicht von den germanischen Sweben. Beide Stämme seien jahrelang von den Sweben angegriffen und am Feldbau gehindert worden. Die Usipeter und Tenkterer waren Germanen, richtig, sie gehörten zum Verband der links- und rechtsrheinischen Eburonen und Sugambrer. Da sie von Sweben nur im Norden bedrängt werden konnten, Sweben aber auch im Oberrheintal lebten, wird deutlich, dass es sich um eine wesentlich größere Volksgruppe handelte, als die germanische am Niederrhein. Sie reichte von der Nord- und Ostsee bis an den Bodensee. Caesar hätte die Gebiete östlich des Rheins demnach nicht Germanien, sondern Swebien nennen müssen. Das tat er nicht, weil er die Germanen aus rein politischen Gründen auf dem rechten Rheinufer brauchte. Für seinen Irrtum wurde er durch die moderne Wissenschaft noch belohnt.
Richtig ist, dass er eine Verwandtschaft zwischen den Sweben und den Germanen erkannt hat, vor allem die sprachliche. Falsch war, sie ethnisch in einen Topf zu werfen. Die Sweben waren von den linksrheinischen Germanen mindestens so verschieden wie von den ebenfalls verwandten Belgern. Außerdem vermittelt uns Caesar eine permanente Feindschaft zwischen den rechtsrheinischen germanischen Stämmen und den Sweben. Deuten sich hier bereits die späteren Differenzen zwischen den Franken, den Nachfolgern der Germanen, und den Alemannen, den Nachfolgern der süddeutschen Sweben an?
Germanen lebten zwischen Kelten und Sweben. Sie wohnten beiderseits des Niederrheins und teilweise auch des Mittelrheins. An der Mainmündung reichte das swebische Gebiet der Markomannen bis an den Rhein.
Wie sehr sich Caesar geirrt hatte, belegt allein die Tatsache, dass es den Römern nach der Eroberung der linksrheinischen Gebiete nicht gelang, auch noch rechts des Rheins Fuß zu fassen. Die unterworfene linksrheinische Bevölkerung erhob sich immer wieder, unterstützt von ihren rechtsrheinischen Stammesbrüdern. In den keltischen und aquitanischen Gebieten gelang es den Römern, ihre Lebensweise und vor allem ihre Sprache, wenn auch dialektgefärbt, durchzusetzen, in den belgisch und germanisch besiedelten gelang das nicht. Noch heute ist die Sprachgrenze zwischen den germanischen Sprachen und den romanischen ein Zeichen für die gescheiterte römische Politik.
Es ist anzunehmen, dass Caesar in seinem Entschluss, an den germanischen Rhein vorzustoßen, durch genaue Kenntnis der politischen Verhältnisse gestärkt wurde. Ihm wurde offensichtlich bekannt, dass es zwischen den am unteren Rhein lebenden Germanen und den am oberen lebenden Sweben keine politischen und militärischen Gemeinsamkeiten gab. Diese früh erkannten Unterschiede verfestigten sich Jahrhunderte später in dem Konflikt zwischen den Franken (Niederrheingermanen) und den Alemannen (Oberrheingermanen). Für Caesar hieß das, bei einem Feldzug gegen die Bewohner des Niederrheins konnte er darauf vertrauen, dass die swebischen Stämme sich nicht einmischen würden.
Anders war diese Thematik bei den Treverern angelegt. Sie standen in enger Verbindung zu den Sweben und schlössen Bündnisse mit ihnen ab.
Der Lebensraum der Germanen
Es ist an dieser Stelle angebracht, die räumliche Einordnung der Germanen am Niederrhein zu versuchen. Alle zuvor erwähnten Stämme haben verzweifelt um ihre Unabhängigkeit gekämpft. Es war ihnen nicht zu vermitteln, warum sie ihre Freiheit aufgeben und römische Untertanen werden sollten. Caesar interessierte diese Thematik wenig. Er wollte die germanischen Bewohner als neue Untertanen Roms, auch mit Gewalt. Neben diesen genannten Stämmen, deren Schicksal es war, auf dem falschen Ufer des Rheins, dem linken, gelebt zu haben, müssen noch andere genannt werden, die in unterschiedlicher Art und Weise in die Kriege mit den Römern verwickelt waren:
Sie heißen Ubier, Tenkterer, Usipeter und Sugambrer. Sie gelten als rechtsrheinische Germanen und sind damit Bestandteil der Bedrohungskulisse, die Caesar aufbaute.
Bislang gibt es keine Karten, in denen überschaubar und verständlich die Lebensräume der als germanisch bezeichneten Stämme, wie sie Caesar überliefert hat, dargestellt wurden. Das liegt vor allem daran, dass sie von vielen Historikern als keltisch bezeichnet werden und man ihre germanische Abstammung verschleiern möchte. Es mangelt nicht an jüngeren deutschen Historikern, die sich gar erdreisten, den Begriff germanisch als obsolet abzuschaffen versuchen. Wenden wir uns jedoch wieder dem Lebensraum der niederrheinischen Germanen zu. Sowohl in Droysens Historischem Atlas als auch im Historischen Weltatlas des marixverlags (Dr. Walter Leisering als Herausgeber), ebenso in Wikimedia (Map Gallia Tribes) und anderen Quellen stimmt die geografische Einordnung der linksrheinischen Stammesnamen annähernd überein. Jedoch ohne Grenzziehung.
Um sie mit größerer Präzision, d.h. sogar mit Stammesgrenzen darstellen zu können, ist die Betrachtung der naturräumlichen Gegebenheiten zwingend erforderlich. Die wichtigste Rolle spielen darin die Gewässer, d.h. die Beziehungen zu den Küsten, zu den großen Flüssen und zu den Systemen der Nebenflüsse. Um einen ersten Überblick über das in Frage kommende Gebiet zu geben, wurde die Abb.4 angefertigt.
Die Lage der einzelnen Stammesgebiete entspricht überwiegend den Darstellungen in historischen Atlanten, wie sie heute allgemein gebräuchlich sind. Anhand der spärlichen Quellen sind die Verhältnisse zur Zeit Caesars schwerer einzuschätzen als später unter den Eroberungsversuchen seiner Nachfolger Augustus, Tiberius und Drusus. Geht man davon aus, dass sich in diesem kleinen historischen Zeitabschnitt keine wesentlichen Verschiebungen der Wohnsitze nachweisen lassen, kann von stabileren Verhältnissen ausgegangen werden, als sie von jüngeren deutschen Historikern immer wieder gern erfunden werden. Ich erwähne dies nur, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Stämme auf italienischem, spanischem und französischem Boden noch heute dort angesiedelt werden, wo sie zur Zeitenwende und früher wohnten. Es wird ausschließlich den germanischen Stämmen andauernde Bewegung unterstellt, um sie als Eindringlinge ausweisen zu können. Ganz im Sinne Caesars. Die niederrheinischen Germanenstämme sind in der Abb.3 in grünen Farbabstufungen dargestellt worden. Abgesetzt davon, angeregt durch Caesars Übermittlung, die östlich lebenden Sweben und die Nordseestämme. Es wurden als einheitliche Farbtöne für diese Gebiete gelbliche gewählt.
Abb.3
Die Stammesgebiete der Germanen am Niederrhein zur Zeit der römischen Eroberungskriege 58 v.Chr. bis 50 v.Chr.
Wie man die Treverer zwischen den niederrheinischen Germanen und oberrheinischen Sweben einordnen könnte, ist schwierig zu entscheiden.
Durch das Sekundärgebiet der Mosel verfügten sie über einen abgeschlossenen Lebensraum mit natürlichen Grenzen, gebildet durch die Wasserscheiden der Eifel, Ardennen, Vogesen und des Pfälzer Waldes. Obwohl Caesar die Treverer niemals Germanen oder Sweben genannt hat, konnte er doch nicht verschweigen, dass sie sehr enge Bündnisse mit ihnen eingegangen waren. Vor allem mit den Eburonen unter Ambiorich und mit den Ubiern, ihren anderen Nachbarn. Jede Auseinandersetzung mit den Römern beginnt mit dem Hinweis darauf, dass sie sich Hilfe vom anderen Rheinufer holten. Im wissenschaftlichen Sinne haben wir es bei den Treverern mit Germanen zu tun. Zur Zeit Caesars nannten sie sich Treverer.
Sie nahmen niemals an den von Caesar angeordneten Versammlungen der keltischen Stämme teil. Dem niederrheinisch geprägten Germanenverband möchte ich sie aber nicht zuordnen.
Die belgischen Gebiete werden unterschiedlich gefärbt dargestellt, getrennt in Nord- und Südbelger. Caesar hat sie zwar als einen Stammesverband mit eigenem Landtag bezeichnet, doch haben wir anhand der Kriegszüge erkennen können, dass sich die im Süden lebenden unter Galba und die im Norden lebenden unter Boduognatus getrennt mit den Römern schlugen. Besonders die Nervier des Nordens waren mit ihren germanischen Nachbarn enger verbunden und Caesar ließ ihnen aufgrund ihrer Stärke die Freiheit etwas länger als den anderen Belgern. Offensichtlich spielte eine Rolle, dass sich die Nervier, Atrebaten und Viromanduer, also die nördlich der Wasserscheide zwischen Seine und Schelde lebenden Stämme, ihrer germanische Abstammung viel stärker bewusst waren als die südlich davon lebenden, die sich bereits stärker mit keltischen Bewohnern vermischt hatten. Bellovaker und Haeduer waren zeitweise sogar Verbündete gegen Ariovist gewesen.
Keltische Nachbarn haben die Germanen am Niederrhein nicht. Den Übergang zu ihnen bilden die südlichen Belgerstämme. Die Treverer dagegen grenzten im oberen Einzugsbereich der Mosel und der Maas an die keltischen Stämme der Lingonen und Sequaner. Einen Streitfall könnten die Mediomatriker bilden, die vielfach als keltischer Stamm bezeichnet werden und die Region um Metz bewohnt haben sollen. Die alte Reichsgrenze um 1000 und heutige Sprachgrenze geben keine erschöpfende Antwort darauf, wo sich die germanische Sprache (heute Mosel- und Rheinfränkisch) und die keltische schieden. Vielleicht verweist der Begriff Mediomatrici bereits auf eine Art Zwischenstellung zwischen beiden. Auch könnte der Grund für die Spaltung der Treverer zwischen den Anhängern Inditiomarus und Cingetorix darin begründet liegen, dass sich Teile der Stammesbevölkerung des Südens den Kelten näher fühlten als den Germanen. Insofern sind die Stämme in den Übergangsgebieten, die Sequaner, Leuker und Mediomatriker schwer in eines der beiden Großvölker einzuordnen.
Für die weiteren Betrachtungen der Kriege Caesars sollen und können aber diese ethnischen Fragen keine entscheidende Rolle spielen. Nur zum besseren Verständnis: Wenn im weiteren Verlauf der Handlungen von Germanen gesprochen wird, dann sind das unzweifelhaft die am Niederrhein und zwar beidseitig. Auch an der Mosel leben Germanen, aber sie heißen im Buch Treverer. Südlich davon nenne ich die Stämme swebisch. Dazu gehören die Mattiaker im Taunus und die Chatten an der Weser.
Nimmt man die Flusseinzugsgebiete als geografisch abgrenzbare Lebensräume an, dürfte es nur mit dem Oberlauf der Maas Probleme geben. Deren Einzugsgebiet wird so schmal und dringt so tief nach Süden vor, Teile waren noch dazu sehr unwirtlich, dass es bis zur Quelle ganz gewiss nicht mehr von Eburonen oder Condrusern bewohnt wurde. Entweder hatten sich dort Treverer oder weiter flussaufwärts Lingonen niedergelassen. Es könnte auch sein, dass das schmale Tal Niemandsland oder einfach Ödland blieb.
Im nächsten Abschnitt wende ich mich nunmehr wieder dem eigentlichen Feldzug Caesars zu, in dem er über die belgischen Gebiete hinaus an den germanischen Rhein vorzudringen gedachte.