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Die Griechen kannten nur zwei technische Reproduktionsverfahren von Kunstwerken: den Guß und die Prägung. Münzen und Terrakotten waren die einzigen Kunstwerke, die von ihnen massenweise hergestellt werden konnten. Alle übrigen waren einmalig und technisch nicht zu reproduzieren. Daher mußten sie für die Ewigkeit gemacht sein. Die Griechen waren durch den Stand ihrer Technik darauf angewiesen, in der Kunst Ewigkeitswerte zu produzieren. Diesem Umstand verdanken sie ihren ausgezeichneten Ort in der Kunstgeschichte, an dem Spätere ihren eignen Standpunkt bestimmen können. Es ist nun kein Zweifel, daß der unsrige sich an dem den Griechen entgegengesetzten Pol befindet. Niemals vorher sind Kunstwerke in so hohem Maße und so weitem Umfang technisch reproduzierbar gewesen wie heute. Im Film haben wir eine Form, deren Kunstcharakter zum ersten Mal durchgehend von ihrer Reproduzierbarkeit determiniert wird. Diese Form in allen Bestimmungen mit der griechischen Kunst zu konfrontieren, wäre müßig. Wohl aber ist das in einem exakten Punkt möglich. Mit dem Film nämlich ist für das Kunstwerk eine Qualität ausschlaggebend geworden, die ihm die Griechen wohl zuletzt zugebilligt oder doch als seine unwesentlichste angesehen haben würden. Das ist seine Verbesserungsfähigkeit. Der fertige Film ist nichts weniger als eine Schöpfung aus einem Wurf, er ist aus sehr vielen einzelnen Bildern und Bildfolgen montiert, zwischen denen der Monteur die Wahl hat – Bildern, die im übrigen von vornherein in der Folge der Aufnahmen bis zum endgültigen Gelingen beliebig zu verbessern gewesen waren. Um seine »Opinion publique«, die 3000 m lang ist, herzustellen, hat Chaplin 125 000 m drehen lassen. Der Film ist also das verbesserungsfähigste Kunstwerk. Und daß diese seine Verbesserungsfähigkeit mit seinem radikalen Verzicht auf den Ewigkeitswert zusammenhängt, geht aus der Gegenprobe hervor. Für die Griechen, deren Kunst auf die Produktion von Ewigkeitswerten angewiesen war, stand an der Spitze der Künste die am allerwenigsten verbesserungsfähige Kunst, nämlich die Plastik, deren Schöpfungen buchstäblich aus einem Stück sind. Der Niedergang der Plastik im Zeitalter des montierbaren Kunstwerks ist selbstverständlich.

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Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke

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