Читать книгу Blutrot ist die Heide - Weishaupt Heribert - Страница 10

Montag, 20:30 Uhr

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Ronni kam aus Richtung Troisdorf und parkte seinen Wagen auf dem Parkplatz links von der Altenrather Straße. Der Parkplatz auf der rechten Straßenseite war bis zur Straßeneinmündung mit Wagen der Streifenpolizei und der Spurensicherung vollgestellt. Als er ausstieg, sah er bereits von Weitem, dass das Gelände weiträumig mit rot-weißem Flatterband durch die Streifenpolizei abgesperrt war.

Er überquerte die Straße und zeigte dem Polizisten am Weganfang seinen Dienstausweis.

„Biegen sie direkt hinter der Schranke links vom Weg ab und gehen sie dann bergauf weiter“, wies der Polizist ihm freundlich den Weg.

„Danke, ich sehe es schon.“

Kurz vor Beginn des Waldes sah er eine größere Anzahl Menschen, die beschäftigt hin und her liefen. Die Spurensicherung hatte ihre Arbeit fast erledigt und einige der Männer räumten bereits ihr Material ein.

Egon Rothemüller, Leiter der Spusi, kam auf ihn zu.

„Hallo Ronni. Du kommst spät. Wo ist denn dein Chef?“

„Er ist krank“, antwortete Ronni spontan, was im weitesten Sinne auch stimmte.

„Du musst mit mir alleine vorlieb nehmen. Wie sieht es denn aus?“

„Dort drüben.“

Egon zeigte mit der Hand zu einer kleinen Erhebung, die mit Heidekraut bewachsen war.

„Er war bereits beerdigt. Wie mussten ihn wieder ausgraben“, lächelte Egon.

„Ach komm, lass die Scherze“, antwortete Ronni, der heute keinen Sinn für Egons makaberen Humor hatte.

„Das ist kein Scherz. Der Mörder, oder wer auch immer, hat die Leiche im Sand vergraben“, rechtfertigte sich Egon Rothemüller.

Inzwischen hatten sie den Hügel erreicht. Direkt davor hatte die Spurensicherung die Leiche freigelegt. Ungefähr einen halben Meter tiefer, als das umgebende Sandgebiet, lag sie in einer Art Grube auf dem Rücken. Die Ränder der Grube waren nicht mehr scharfkantig, da sich der Sand inzwischen gelöst hatte und in die Grube gerieselt war.

Ronni beugte sich über die Grube. Er wollte nicht zu nahe an den Rand treten, da er befürchtete, dass der Sand nachgeben und er in die Grube rutschen könnte.

Der Mann, der dort lag, war vielleicht Mitte dreißig. Ronni hatte aber so seine Probleme mit der Schätzung des Alters von Leichen. Das Gesicht war blass und sah entstellt und unnatürlich aus, was eine Schätzung erheblich erschwerte. Bekleidet war der Tote mit schwarzen Shorts und einem weißen T-Shirt von einfacher Qualität, das von getrocknetem Blut durchtränkt war. An den Füßen trug er Laufschuhe ohne Socken. Die Vermutung lag daher nahe, dass es sich um einen Jogger mit entsprechender Erfahrung handelte. Sein sportlicher Körper untermauerte diese These.

„Es handelt sich um eine männliche Leiche. Erstochen mit einem Messer mit einseitig geschliffener Klinge. Vielleicht so ein spitzes, schmales Filetiermesser, wie man es in der Küche benutzt. Ich habe acht Einstiche in den Oberkörper gezählt. Alle so circa sieben bis acht Zentimeter tief. Drei davon waren sofort tödlich. Hallo Ronni.“

Er hatte die Stimme bereits nach den ersten Worten und an dem ununterbrochenen Redeschwall erkannt. Er wartete aber, bis die Frau ihren Bericht beendet hatte. Dann drehte er sich nach der weiblichen Stimme hinter sich um.

„Hallo Susanne. Schön, dich nach so langer Zeit wieder zu sehen. Auch wenn der Anlass mal wieder eine Leiche ist.“

Ronni ging auf Susanne zu und umarmte sie herzlich.

Susanne Ohlrogge war Rechtsmedizinerin und ehemalige Freundin von Frank Eisenstein. Ronni hatte sie anlässlich ihres Falls am Sieglarer See im vergangenen Jahr kennen gelernt.

„Kannst du schon etwas über den Zeitpunkt des Todes sagen?“, wollte er wissen.

„Ich schätze so vor 36 bis 48 Stunden. Allerdings ist der Mann nicht hier umgebracht worden. Es ist kaum Blut im Sand vorhanden. Das bedeutet: der Tatort ist irgendwo anders. Aufgrund der vielen Einstiche schätze ich, dass eine Menge Wut und Adrenalin beim Mörder im Spiel war.“

„Hatte der Tote Papiere dabei?“

„Ich glaube ja. Das kann dir aber Egon sagen.“

„Hatte er nicht“, meldete sich Egon, der nur einige Schritte daneben stand und die Frage mitbekommen hatte.

„Welcher Jogger hat schon seine Ausweispapiere dabei? Wir haben ein Foto von ihm gemacht. Sobald ich hier fertig bin, schicke ich es dir auf deinen PC.“

„Danke Egon“, sagte Ronni.

Für Ronni war im Augenblick dieser Mordfall zweitrangig. Außerdem war alles gesagt, was er gegenwärtig wissen musste.

Seitdem er Susanne gesehen hatte, beschäftigte ihn der Zustand seines Chefs mehr. Er musste mit ihr darüber sprechen. Jetzt gleich. Er nahm Susanne beim Arm und zog sie einige Schritte vom Fundort der Leiche weg, sodass Egon ihre Unterhaltung nicht mitbekommen konnte.

„Hast du in letzter Zeit mit Frank gesprochen oder ihn gesehen?“

„Nein. Seit damals habe ich nichts mehr von ihm gehört. Ich habe einige Male versucht, ihn anzurufen, um mich mit ihm zu treffen, leider ohne Erfolg. Er will anscheinend nichts mehr mit mir zu tun haben. Wo ist er eigentlich? Bist du alleine hier?“

„Ja, ich bin alleine. Frank ist krank. Nein …, nicht direkt. Er hat sich heute Mittag frei genommen. Ich habe ihn angerufen, um mit ihm hierher zu fahren. Da er nicht ans Telefon ging, bin ich zu ihm nach Hause gefahren. Er war stockbetrunken. Aber das bleibt bitte unter uns!“

„Ja natürlich. Aber das ist doch nicht Franks Art. Hast du nicht mit ihm gesprochen?“

„Ich habe es versucht, das kannst du mir glauben. Ich komme nicht mehr an ihn heran. Das geht jetzt schon eine ganze Weile so.“

„Du meinst, mit dem Alkohol. Er trinkt doch hoffentlich nicht auch während der Arbeit?“

Susanne sah Ronni mit ängstlicher Miene an.

„Doch, tut er. Das Schlimmste daran ist, dass es ihm egal ist. Seine Arbeit, die er immer geliebt hatte, ist ihm egal. Kannst du das verstehen?“

„Wir müssen etwas unternehmen. Wir müssen mit ihm reden. Ich übernehme das. Danke für die Info. Frank ist mir immer noch wichtig, auch wenn er mich damals in die Wüste geschickt hat. Du hörst von mir. Auch natürlich, was diesen Fall hier betrifft.“

Damit verließ Susanne den Fundort der Leiche.

Die Leichenträger warteten bereits, um den Toten abzutransportieren.

Auch Ronni verabschiedete sich bei Egon und ging gedankenversunken zu seinem Wagen. Die Gedanken um Frank und Susanne musste er verdrängen. Jetzt ging es um diesen Toten.

Er überlegte, wie er die Identität des Toten in Erfahrung bringen könnte. Der Tote hatte doch sicher Familie, Freunde oder Arbeitskollegen. Vielleicht lag schon eine Vermisstenanzeige vor. Wenn es ein erfahrener Läufer war, war er eventuell in Läuferkreisen bekannt. Das Foto, das Egon gemacht hatte, könnte ihm weiterhelfen.

Als er im Auto saß, kreisten seine Überlegungen wieder um Frank Eisenstein und Susanne. So hundertprozentig konnte er sich nicht auf diesen Fall konzentrieren. Zu sehr beschäftigte ihn sein Chef und Freund. Er war gespannt, ob Susanne etwas bei Frank erreichen würde.

Er musste Frank jetzt wie versprochen anrufen und mit ihm diesen Fall besprechen. Hoffentlich hielt sich auch Frank an ihre Verabredung und kam ins Büro.


Ronni ging im Präsidium den langen Flur entlang, an dessen Ende sich sein Arbeitsplatz befand. Aus dem Büro, das Eisenstein sich mit ihm teilte, drang Licht in den Flur. Die Tür stand offen. Eisenstein saß hinter seinem Schreibtisch. Die Arme verschränkt und das Kinn lag auf seiner Brust. Es schien, als schliefe er.

„Hallo Frank“, begrüßte Ronni ihn freundlich.

Sogleich schnellte Eisensteins Kopf in die Höhe. Er hatte die Gedanken seines Kollegen erraten.

„Ich habe nicht geschlafen, falls du das denkst. Ich habe nachgedacht.“

„Worüber hast du nachgedacht?“, hakte Ronni direkt nach, weil er hoffte, etwas über den Grund von Franks Volltrunkenheit zu erfahren.

„Nichts was dich und den Fall betrifft“, erwiderte Frank recht einsilbig und Ronni war klar, dass ein weiteres Nachfragen sinnlos sein würde.

„Wie geht es dir? Bist du aufnahmefähig?“, fragte Ronni vorsichtig, denn er wollte den neuen Fall mit ihm besprechen.

„Na klar. Ein Bier zu viel wirft mich doch nicht um. Das kann jedem einmal passieren.“

„Und eine halbe Flasche Wodka“, berichtigte Ronni säuerlich und verzog dabei sein Gesicht zu einer Grimasse.

„Erzähle, was gibt es?“, wechselte Eisenstein das Thema.

Offensichtlich wollte Eisenstein nicht weiter über seine Verfassung reden. Schon gar nicht über den Grund seines Absturzes.

Ausführlich berichtete Ronni, was er in der Heide vorgefunden hatte.

Er erwähnte nicht, dass er Susanne als zuständige Rechtsmedizinerin angetroffen hatte. Dass sie über ihn gesprochen hatten und dass Susanne sich womöglich bei ihm melden würde, verschwieg er ebenfalls.

„Okay, dann müssen wir abwarten, bis wir das Foto haben. Damit können wir uns dann in der Läuferszene umsehen. Du kannst ja heute noch checken, ob eine Vermisstenanzeige vorliegt. Wir sehen uns dann morgen in alter Frische“, sagte Eisenstein, stand auf und verschwand aus dem Büro.

Ronni schaute ihm entgeistert hinterher. Ihm fehlten die Worte. So uninteressiert, ja fast desolat, hatte er seinen Chef noch nicht erlebt.

Er schüttelte weitere Überlegungen über Frank von sich und warf seinen Computer an.

Das Foto des Toten lag noch nicht vor. Er suchte nach einer Vermisstenanzeige in Troisdorf und den Nachbarstädten, denn der Tote musste nicht zwangsläufig aus Troisdorf sein. Der Tatort war nicht der Fundort und konnte demnach überall sein. Vielleicht in Köln, Bonn oder Siegburg.

Nichts – keine Anzeige, die auf den Toten zutreffen könnte.

Es war inzwischen bereits spät. Unternehmen konnte er jetzt nichts mehr. Vielleicht war seine Isabelle noch wach. Er freute sich auf seine Freundin und verließ das Büro.

Blutrot ist die Heide

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