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Prolog

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Es war ein großer, rechteckiger Raum. Der Raum war höher, als Zimmer in einer üblichen Wohnung hoch sind. Vielleicht drei Meter hoch. Die Wände waren glatt verputzt und weiß gestrichen. An vielen Stellen blätterte die Farbe ab. Die Scheiben der beiden Fenster rechts und links des Raumes waren zersplittert und der Betonfußboden vor den Fenstern war übersät mit Glasscherben. Die Sprossen, die jedes Fenster in vier gleiche Teile teilten, hingen zerbrochen im Rahmen. In eines der Fenster schien die heiße Sommersonne hinein und wärmte den Raum ein wenig auf. Eine verrostete Eisentür hing schief in den Scharnieren. Bei jedem Windstoß bewegte sich die Türe ein wenig und gab ein ächzendes, quietschendes Geräusch von sich.

War das sein Ende? Falls ja, hatte er es sich wesentlich anders vorgestellt. Seine Lage war misslich – wenn nicht sogar hoffnungslos. Bestimmt hatte er sich seinen Tod nicht mit sechsunddreißig Jahren vorgestellt. Das war zu früh – viel zu früh, obschon der Tod selten zur rechten Zeit kommt.

Was würden seine Frau und seine beiden Kinder jetzt machen? Sicher, sie würden nach ihm suchen, wenn er in den nächsten Stunden nicht nach Hause kommen würde. Und danach sah es wahrlich aus. Aber wo sollten sie nach ihm suchen? Er selbst kannte seinen Aufenthalt nicht. Er wusste nicht, wo er sich befand. Wenn er es wüsste, es würde ihm nichts nützen.

Er hatte keine Chance, jemanden zu rufen oder sich bemerkbar zu machen. Seine Lippen hielt ein Stück Klebeband fest zusammen. Mit der Zunge konnte er lediglich seine Lippen von innen befeuchten – solange denn noch Speichel in seinem Mund vorhanden war. Ein leises Brummen, das er im Mund- und Rachenraum erzeugte, war das einzige Geräusch, das er von sich geben konnte. Höchstwahrscheinlich drangen diese Laute nicht einmal nach draußen.

Ja, draußen, wo war das? Wenn er aus dem Fenster schaute, sah er einige rosa, fast purpurn blühende Heidekrautbüsche und in einiger Entfernung dahinter Sträucher und Bäume. Über alles wölbte sich der azurblaue Himmel. Die einzigen Laute, die von draußen zu ihm drangen, waren das Zwitschern der Vögel. Hin und wieder meinte er, den Lärm eines tief fliegenden Flugzeuges wahrzunehmen.

Hätten er und seine Familie doch bloß nicht ihren Urlaub verschoben, dann wäre er jetzt mit Frau und Kindern am Strand auf Mallorca und nicht in diesem Verließ. Seine Augen füllten sich mit Tränen, als er an seine Familie dachte, die er wahrscheinlich nie mehr wiedersehen würde. Er war mutlos.

Resigniert schloss er seine Augen und sein Kinn sank auf den Rand der ungefähr einen Meter hohen, viereckigen Regentonne. Sie hatte ihre beste Zeit längst hinter sich. An den Außenwänden klebten viele Mörtelreste und unzählige Farbspritzer rundeten das unansehnliche Bild ab.

Als er die Augen wieder öffnete, sah er gerade noch, wie eine dicke Ratte an der Wand entlang lief und durch die Türöffnung verschwand. Das einzig Beruhigende war, dass Ratten ihm in der Tonne nichts anhaben konnten.

Seine Fußgelenke waren mit Kabelbindern zusammengebunden. Ebenso waren seine Handgelenke auf dem Rücken gefesselt und zusätzlich mit den Fußfesseln verbunden. Er war verschnürt wie ein Paket.

Die Stellen der Haut, wo die Kabelbinder scheuerten, schmerzten. In den Knien quälte ihn ein stechender Schmerz vom Knien in der Tonne. Womöglich hatte er doch einen Meniskusschaden, was er schon seit Monaten vermutete und sich in dieser Stellung schmerzhaft bemerkbar machte.

Die Größe der Tonne ließ es lediglich zu, die Knie nach außen zu bewegen, wenn er dabei sein Gewicht auf die Zehen verlagerte und sich etwas hoch stemmte. Das schaffte ihm für kurze Zeit ein wenig Erleichterung.

In der Anfangszeit, als er sich in der Tonne befand, hatte er mehrmals versucht, sich zu befreien. Indem er seinen Oberkörper soweit es ging nach hinten bog und sich dann mit seiner ganzen Kraft mit Schwung nach vorne warf, wollte er die Tonne kippen. Bei jedem Versuch schnitten die Fesseln in seine Haut. Vergeblich.

Schließlich war da noch das Wasser, das ihm bis zur Brust reichte. Vermutlich fast fünfhundert Liter verliehen der Tonne einen sicheren Stand.

Seine Lage war hoffnungslos.

Blutrot ist die Heide

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